INTERNATIONALE VERTRÄGE
Europäische Union
Grünbuch über das Gemeinschaftspatent
Nachdem die Europäische Kommission im Juni 1997 ihr Grünbuch über das Gemeinschaftspatent und das Patentschutzsystem in Europa vorgelegt hat1, fand am 25. und 26. November 1997 in Luxemburg eine Anhörung der interessierten Kreise statt, an der über 220 Vertreter zahlreicher meist nichtstaatlicher europäischer Organisationen teilgenommen haben, die am europäischen Patentsystem interessiert sind.
Die Ergebnisse dieser Anhörung hat die Europäische Kommission wie folgt zusammengefaßt2:
1. Es besteht eindeutig Bedarf an einem neuen einheitlichen Gemeinschaftspatent, das sich auf das gesamte Hoheitsgebiet der Gemeinschaft erstreckt. Ein solches Patent würde den Gemeinsamen Binnenmarkt stärken, die Verwaltung der Patentrechte erheblich vereinfachen und ihre Durchsetzung erleichtern.
2. Das Gemeinschaftspatent sollte einheitlich sein und überall in der Gemeinschaft die gleiche Rechtswirkung entfalten. Es sollte für die gesamte Gemeinschaft erteilt, übertragen oder für nichtig erklärt werden oder erlöschen.
3. Das Gemeinschaftspatent sollte am besten in einer Gemeinschaftsverordnung verankert werden, da dies seine Annahme und Umsetzung erleichtern würde.
4. Das Gemeinschaftspatent muß erschwinglich und von den Kosten her mit einem für eine kleine Anzahl von Mitgliedstaaten erteilten europäischen Patent und einem US-Patent vergleichbar sein.
5. In der Sprachenfrage fordern viele Vertreter der Industrie eine radikale Lösung, nämlich die Verwendung einer einzigen Sprache im Erteilungsverfahren und keine spätere Übersetzung des erteilten Patents. Andere Gruppen sprechen sich für einen weniger radikalen Ansatz aus. Es wurde aber auch die Forderung nach Verwendung aller nationalen Sprachen laut.
6. Die Gerichtsbarkeit muß für Rechtssicherheit sorgen. Die Durchsetzung des Patents und die Beurteilung seiner Gültigkeit sollten überall in der Gemeinschaft einheitlich und berechenbar sein. Die Entscheidungen sollten innerhalb vertretbarer Fristen getroffen werden. In diesem Zusammenhang sprach sich die Mehrheit der Gruppen, die an der Anhörung teilnahmen, für die Errichtung eines eigenen europäischen Patentgerichts aus. Zumindest sollte jedoch in jedem Land ein spezialisiertes Patentgericht eingerichtet und für Rechtsmittel ein besonderes europäisches Patentgericht vorgesehen werden. Verletzungs- und Nichtigkeitsfragen sollten gemeinsam behandelt werden. Einstweilige Verfügungen mit Wirkung für die gesamte Gemeinschaft sollten ohne großen Kostenaufwand erhältlich sein.
7. Das Vorbenutzungsrecht sollte auf Gemeinschaftebene einheitlich geregelt werden.
8. Das europäische Patent sollte neben dem Gemeinschaftspatent bestehen bleiben und weiter verbessert werden. Die bei der Anmeldung fälligen Gebühren sollten gesenkt und die Benennungsgebühren erst bei Patenterteilung fällig werden. Die Übersetzungserfordernisse sollten reduziert und weitere Gebührensenkungen ins Auge gefaßt werden. Die zentrale Einreichung der Übersetzungen beim Europäischen Patentamt sollte näher untersucht werden.
9. Das Europäische Patentamt muß als zentrale Patenterteilungsbehörde weiterhin für das europäische Patent zuständig bleiben, aber auch das künftige Gemeinschaftspatent verwalten. Die Zusammenarbeit zwischen der Kommission und dem Europäischen Patentamt sollte verstärkt werden.
10. Nationale Patente und Patentämter müssen beibehalten werden. Die Aufgaben dieser Ämter sollten auf die Bedürfnisse vor Ort zugeschnitten sein. Die Einnahmen aus den Gebühren für europäische Patente sind für Kostensenkungen und zur Förderung von unmittelbar innovationsbezogenen Aktionen zu verwenden. Einige wenige Teilnehmer setzen sich dafür ein, Arbeiten vom EPA auf die nationalen Patentämter zu verlagern.
11. Die derzeitige Rechtslage auf dem Gebiet der softwarebezogenen Erfindungen ist nicht transparent genug und bedarf der Klärung. Neben der Steichung von Artikel 52 (2) c) EPÜ werden weitere Schritte zu einer Vereinheitlichung innerhalb Europas gefordert.
12. Für Arbeitnehmererfindungen wird zwar kein unmittelbarer Handlungsbedarf auf Gemeinschaftsebene gesehen, doch könnte auch hier eine nähere Untersuchung nicht schaden. Die Ausarbeitung von Modellverträgen und Empfehlungen für die Durchführung von Schiedsverfahren dürfte ein Schritt in die richtige Richtung sein.
13. Formvorschriften wie Formblätter, Fristen usw. sollten auf Gemeinschaftsebene harmonisiert werden, damit unnötiger Verwaltungsaufwand vermieden wird.
14. Auf Patentanwälte sollten die Grundsätze der Dienstleistungs- und Niederlassungsfreiheit uneingeschränkt Anwendung finden. Um Einheitlichkeit innerhalb der Gemeinschaft zu gewährleisten, wäre außerdem eine weitere Harmonisierung vonnöten. Einige Verbände befürworten eine Zulassung von Patentanwälten bei Gericht.
15. Die Einrichtung einer Rechtsschutzversicherung ist ein interessantes Konzept, das weiterverfolgt werden sollte. Sie wäre vor allem für die KMU nützlich. Die Privatwirtschaft könnte hier die Initiative übernehmen, wobei die Gemeinschaft den Informations- und Erfahrungsaustausch erleichtern sollte.
16. Verschiedene Vereinigungen treten für eine Gebührenermäßigung zugunsten der KMU ein, wobei allerdings die Voraussetzungen klar definiert werden müßten.
17. Der besonderen Situation von Forschungseinrichtungen und anderen gemeinnützigen Organisationen könnte bei einer Reform des Patentsystems Rechnung getragen werden.
Das Grünbuch ist auch dem Wirtschafts- und Sozialausschuß der EG und dem Europäischen Parlament zur Stellungnahme zugeleitet worden. Sobald diese vorliegen, wird die Kommisson noch 1998 über das weitere Vorgehen sowie über Art und Inhalt der auf Gemeinschaftsebene zu ergreifenden Maßnahmen entscheiden.
1 Siehe ABl. EPA 1997, 443.
2 EPA-Übersetzung des von der Kommission in englischer Sprache abgefaßten Textes der Ergebnisse.