BESCHWERDEKAMMERN
Entscheidungen der Technische Beschwerdekammern
Entscheidung der Technischen Beschwerdekammer 3.4.1 vom 15. Februar 1995 - T 951/92 - 3.4.1
(Übersetzung)
Zusammensetzung der Kammer:
Vorsitzender: | G. D. Paterson |
Mitglieder: | U. G. O. Himmler |
R. K. Shukla |
Anmelder: NEC Corporation
Stichwort: rechtliches Gehör/NEC
Artikel: 96, 97, 113 (1), 123 (2) EPÜ
Schlagwort: "Änderung der Ansprüche in der Anmeldung" - "Aufforderung zur Einreichung neuer Ansprüche, die nicht gegen Artikel 123 (2) EPÜ verstoßen" - "mangelnde Begründung im Bescheid" - "wesentlicher Verfahrensmangel" - "geänderte Ansprüche verstoßen nicht gegen Artikel 123 (2) EPÜ" - "Rückzahlung der Beschwerdegebühr"
Leitsätze
I. Im Rahmen des Prüfungsverfahrens nach den Artikeln 96 und 97 EPÜ soll mit Artikel 113 (1) EPÜ sichergestellt werden, daß dem Anmelder vor Erlaß der Entscheidung, mit der eine Anmeldung wegen Nichterfüllung eines Erfordernisses des EPÜ zurückgewiesen wird, vom EPA unmißverständlich mitgeteilt wird, auf welche wesentlichen rechtlichen und faktischen Gründe sich die Feststellung der Nichterfüllung stützt, damit er von vornherein nicht nur weiß, daß die Anmeldung möglicherweise zurückgewiesen wird, sondern auch, warum dies geschieht, damit er die Möglichkeit hat, sich zu den Gründen zu äußern bzw. Änderungen vorzuschlagen, um die Zurückweisung der Anmeldung zu vermeiden.
II. Sind in einem Bescheid nach Regel 51 (3) und Artikel 96 (2) EPÜ nicht die wesentlichen rechtlichen und faktischen Gründe genannt, die zu der Feststellung führen, daß ein Erfordernis des EPÜ nicht erfüllt ist, so kann das EPA nicht aufgrund dieser Feststellung eine Entscheidung treffen, ohne gegen Artikel 113 (1) EPÜ zu verstoßen, sofern es nicht einen Bescheid erläßt oder erlassen hat, der diese wesentlichen Gründe enthält. Eine Entscheidung, die ohne einen solchen Bescheid ergeht, verstößt außerdem gegen Artikel 96 (2) EPÜ, da zur Vermeidung einer Verletzung des Artikels 113 (1) EPÜ ein weiterer Bescheid "notwendig" ist (im Anschluß an die Entscheidung T 640/91, ABl. EPA 1994, 918).
Sachverhalt und Anträge
I. Die vorliegende europäische Patentanmeldung wurde mit Entscheidung der Prüfungsabteilung zurückgewiesen, die sich auf den Einwand stützte, daß die Patentansprüche 4 bis 6 aus einem Satz geänderter Ansprüche, die den Antrag des Anmelders bildeten, Erweiterungen enthielten und somit gegen Artikel 123 (2) EPÜ verstießen.
II. Der Satz der geänderten Patentansprüche 1 bis 6 wurde auf den ersten Bescheid der Prüfungsabteilung hin eingereicht, in dem gegen die Ansprüche der Anmeldung Einwände nach Artikel 84 EPÜ erhoben worden waren und festgestellt worden war, daß eine vollständige Sachprüfung noch nicht möglich sei. Nach Einreichung dieses neuen Anspruchsatzes fand am 14. Oktober 1991 ein Telefongespräch zwischen dem beauftragten Prüfer und dem Vertreter des Anmelders statt. Gemäß der Aufzeichnung über dieses Gespräch, die dem Anmelder zusammen mit einer vom 18. Oktober 1991 datierten Aufforderung nach Artikel 96 (2) und Regel 51 (2) EPÜ zugesandt wurde, wurde dem Vertreter des Anmelders mitgeteilt, daß er den geänderten Wortlaut der neuen Ansprüche 1 und 4 bis 6 - wie in den Richtlinien E-II, 1 dargelegt - erläutern müsse; in diesem Zusammenhang wurde auf einige Textstellen in den Ansprüchen verwiesen. In der Aufzeichnung hieß es außerdem: "Die Sachprüfung kann nur stattfinden, wenn neue Ansprüche eingereicht werden, die nicht mehr gegen Artikel 123 (2) EPÜ verstoßen".
Auf die Aufforderung und die beigefügte Aufzeichnung über das Telefongespräch hin, die den zweiten Bescheid der Prüfungsabteilung bildeten, reichte der Anmelder ein vom 25. Februar 1992 datiertes Schreiben ein, in dem er Stellen aus der Anmeldung in der eingereichten Fassung anführte, die als Grundlage für die geänderten Ansprüche 4 bis 6 dienen sollten. Die Entscheidung zur Zurückweisung der Anmeldung erging am 5. Juni 1992.
III. Die Ansprüche 4 bis 6, die aufgrund von Artikel 123 (2) EPÜ beanstandet wurden, lauten wie folgt:
"4. Detektorschaltung gemäß Anspruch 1, dadurch gekennzeichnet, daß das Vergleichsausgangssignal die erste logische Ebene einnimmt, wenn der erste digitale Datenwert gleich groß oder größer wie der zweite ist, und die zweite logische Ebene, wenn der erste digitale Datenwert kleiner als der zweite ist, daß die Detektorschaltung außerdem ein drittes Mittel (13 - 17) umfaßt, das auf die zweite logische Ebene des Vergleichsausgangssignals anspricht und ein Synchronisationssignal in einem vorgegebenen Zyklus erzeugt, und daß das erste Mittel folgendes umfaßt: ein Mittel (11) zur Erzeugung des vierten digitalen Datenwerts anhand des zweiten Wertes, wenn dieser positiv ist, einen ersten Multiplexer (12) für die Ausgabe des zweiten digitalen Datenwerts, wenn das Synchronisationssignal nicht erzeugt wird, und die Ausgabe des vierten digitalen Datenwerts, wenn das Synchronisationssignal erzeugt wird, und einen zweiten Multiplexer (6) für die Ausgabe des ersten digitalen Datenwerts, wenn das Vergleichsausgangssignal die erste logische Ebene einnimmt, und für die Ausgabe des vom ersten Multiplexer (12) abgeleiteten Datenwerts, wenn das Vergleichsausgangssignal die zweite logische Ebene einnimmt, wobei die Detektorschaltung als Detektor für den oberen Wert der Hüllkurve arbeitet
5. Detektorschaltung gemäß Anspruch 1, dadurch gekennzeichnet, daß das Vergleichsausgangssignal die erste logische Ebene einnimmt, wenn der erste digitale Datenwert gleich groß oder kleiner wie der zweite ist, und die zweite logische Ebene, wenn der erste digitale Datenwert größer als der zweite ist, daß die Detektorschaltung außerdem ein drittes Mittel (13 - 17) umfaßt, das auf die zweite logische Ebene des Vergleichsausgangssignals anspricht und ein Synchronisationssignal in einem vorgegebenen Zyklus erzeugt, und daß das erste Mittel folgendes umfaßt: ein Mittel (11) zur Erzeugung des vierten digitalen Datenwerts, wenn der zweite Wert negativ ist, einen ersten Multiplexer (12) zur Ausgabe des zweiten digitalen Datenwerts, wenn das Synchronisationssignal nicht erzeugt wird, und zur Ausgabe des vierten digitalen Datenwerts, wenn das Synchronisationssignal erzeugt wird, und einen zweiten Multiplexer (6) zur Ausgabe des ersten digitalen Datenwerts, wenn das Vergleichsausgangssignal die erste logische Ebene einnimmt, und zur Ausgabe des vom ersten Multiplexer (12) abgeleiteten Datenwerts, wenn das Vergleichsausgangssignal die zweite logische Ebene einnimmt, wobei die Detektorschaltung als Detektor für den unteren Wert der Hüllkurve arbeitet
6. Detektorschaltung gemäß Anspruch 1, dadurch gekennzeichnet, daß das Vergleichsausgangssignal die erste logische Ebene einnimmt, wenn der erste digitale Datenwert gleich groß oder größer wie der zweite ist, und die zweite logische Ebene, wenn der erste digitale Datenwert kleiner als der zweite ist, und daß das erste Mittel folgendes umfaßt: ein erstes Register (55) zur vorübergehenden Speicherung des ersten Werts, ein zweites Register (56) zur vorübergehenden Speicherung des zweiten Werts, einen Selektor (54) zur Auswahl und Ausgabe des im ersten Register gespeicherten ersten Werts, wenn das Vergleichsausgangssignal die erste logische Ebene einnimmt, und des im zweiten Register gespeicherten zweiten Werts, wenn das Vergleichsausgangssignal die zweite logische Ebene einnimmt, und eine arithmetische Recheneinheit (57) zur Durchführung einer Additionsoperation mit dem zweiten digitalen Datenwert und dem vom Selektor (54) abgeleiteten Datenwert zur Erzeugung des dritten digitalen Datenwerts, wenn das Vergleichsausgangssignal die erste logische Ebene einnimmt, und zur Durchführung einer Subtraktionsoperation mit dem zweiten digitalen Datenwert und dem vom Selektor (54) abgeleiteten Datenwert zur Erzeugung des vierten digitalen Datenwerts, wenn das Vergleichsausgangssignal die zweite logische Ebene einnimmt, wobei die mit der arithmetischen Recheneinheit (57) erzeugten Daten an das zweite Mittel (58) weitergeleitet werden"
IV. In der Entscheidung der Prüfungsabteilung wurden die folgenden Merkmale der Ansprüche 4 bis 6 aufgeführt, die angeblich über den Inhalt der ursprünglichen Anmeldung hinausgingen und damit gegen Artikel 123 (2) EPÜ verstießen: in den Ansprüchen 4 und 5: i) "ein Synchronisationssignal in einem vorgegebenen Zyklus erzeugt",
in Anspruch 6: ii) "ein erstes/zweites Register zur vorübergehenden Speicherung des ersten/zweiten Werts"
und iii) "eine arithmetische Recheneinheit".
In der Entscheidung werden außerdem einige Begriffe aus Anspruch 1 des geänderten Anspruchsatzes genannt, die gegen Artikel 84 EPÜ zu verstoßen schienen.
V. Der Anmelder legte gegen diese Entscheidung ordnungsgemäß Beschwerde ein. In der Beschwerdebegründung wurden die folgenden Punkte in bezug auf die angefochtene Entscheidung angesprochen:
1. Die Entscheidung habe gegen Artikel 113 (1) EPÜ verstoßen, und zwar vor allem deshalb, weil der Anmelder zu keinem Zeitpunkt vor Erlaß der Entscheidung über die konkreten Merkmale der Ansprüche (siehe Absatz IV) unterrichtet worden sei, die der späteren Entscheidung zufolge gegen Artikel 123 (2) EPÜ verstießen. Er hätte noch vor Erlaß der Entscheidung auf die Merkmale, die nach Auffassung des beauftragten Prüfers gegen Artikel 123 (2) EPÜ verstießen, hingewiesen und aufgefordert werden müssen, zu diesen potentiellen Einwänden Stellung zu nehmen.
Ein solcher Verstoß gegen den Artikel 113 (1) EPÜ stelle einen wesentlichen Verfahrensmangel dar, der die Rückzahlung der Beschwerdegebühr nach Regel 67 EPÜ rechtfertige.
2. Folgende weitere Verfahrensmängel seien zu nennen:
a) Da noch keine Sachprüfung durchgeführt worden sei, hätte der Prüfer vor Erlaß einer Entscheidung prüfen müssen, wie weiteren Einwänden entsprochen werden könnte (Richtlinien C-VI, 4.3 und C-VI, 7.6), und die vom Anmelder mit Schreiben vom 25. Februar 1992 beantragte Rücksprache gewähren müssen (Richtlinien C-VI, 6.1a).
b) Die angefochtene Entscheidung enthalte keine Begründung, weshalb die angeführten Merkmale der Ansprüche 4 bis 6 gegen Artikel 123 (2) EPÜ verstießen; es sei daher zweifelhaft, ob der Regel 68 (2) EPÜ Genüge getan worden sei.
Eine solche Anhäufung von Verfahrensmängeln komme einem weiteren wesentlichen Verfahrensmangel im Sinne der Regel 67 EPÜ gleich.
3. Die Feststellung, daß die Ansprüche 4 bis 6 Erweiterungen enthielten, sei nicht begründet.
Was das Merkmal i "in einem vorgegebenen Zyklus" betreffe, so zeige eine Prüfung der unter Bezugnahme auf die Abbildung 1 der Anmeldung beschriebenen Vorrichtung, daß das Synchronisationssignal tatsächlich in einem vorgegebenen Zyklus erzeugt werde.
Was das Merkmal ii "zur vorübergehenden Speicherung" angehe, so speicherten die Register 55 und 56 in der Abbildung 6 der Anmeldung die Daten zwangsläufig vorübergehend.
Zum Merkmal iii "eine arithmetische Recheneinheit" sei zu bemerken, daß eine solche Einheit nur arithmetische Operationen durchführen könne; somit sei dieser Begriff eingeschränkter als der Anspruch 6 in der eingereichten Fassung.
4. Was den angeblichen Verstoß gegen Artikel 84 EPÜ anbelange, so bezögen sich die Einwände hauptsächlich auf die Bezugszeichen an sich, die keinen Einfluß auf den Umfang der Ansprüche hätten.
Die Beschwerdebegründung enthielt außerdem drei Hilfsanträge.
Entscheidungsgründe
1. Erweiterung - Artikel 123 (2) EPÜ
i) Die Erzeugung eines Synchronisationssignals "in einem vorgegebenen Zyklus" wird in der Anmeldung in der eingereichten Fassung nicht ausdrücklich beschrieben; nach Auffassung der Kammer ist dieses Merkmal jedoch in der zur Anmeldung in der eingereichten Fassung gehörenden Beschreibung der besonderen Ausführungsarten der Erfindung implizit enthalten.
Vor allem die Ansprüche 4 und 5 betreffen ein "drittes Mittel" mit einer Zeitbasisschaltung, die von den in Abbildung 1 gezeigten Einheiten 13 bis 17 gebildet wird. Diese Schaltung umfaßt einen Zähler 14 zum Zählen der Synchronisationssignale einer ersten Zeitbasis Ø1, einen Komparator 15 und ein Register 16 der Bezugsdaten und wird durch die Rückstellung des Zählers 14 auf Null aktiviert, wenn die Amplitude des Eingangssignals ihr Maximum erreicht hat und ihre Werte wieder abnehmen. Die Aktivierungszeit ist im Datenregister 16 der Abbildung 1 erfaßt; folglich ist die Zeit "vorgegeben". Der Zeitraum, in dem der Multiplexer 12 ein schwaches Signal erhält, dauert so lange an, bis der Zähler 14 die Signale der ersten Zeitbasis Ø1 bis zum Bezugswert des Bezugsdatenregisters 16 zählt. Während dieser Zeit wählt der Multiplexer 12 die Daten aus dem Register 8, d. h. die Ausgangsdaten Dout, aus. Dieser Zeitraum bestimmt sich nach dem Zyklus der ersten Zeitbasis Ø1 und dem Bezugswert im Register 16; vgl. Seite 7, Zeile 22 bis Seite 8, Zeile 12 und Seite 10, Zeile 3 bis Seite 10, Zeile 26 in Verbindung mit den Abbildungen 1 und 2 zu Anspruch 4 sowie ferner Seite 12, Zeile 23 bis Seite 13, Zeile 10 in Verbindung mit den Abbildungen 1 und 3 zu Anspruch 5.
Daraus ergibt sich nach Auffassung der Kammer, daß die Aufnahme des Ausdrucks "in einem vorgegebenen Zyklus" in die Ansprüche 4 und 5 der Anmeldung nicht gegen den Artikel 123 (2) EPÜ verstößt.
ii) Auch die in Anspruch 6 definierte "vorübergehende" Speicherung der Werte ist in der Anmeldung nicht ausdrücklich beschrieben, aber in den dort beschriebenen Ausführungsarten der Erfindung implizit enthalten. Der Anspruch 6 betrifft eine Detektorschaltung für den oberen bzw. den unteren Wert der Hüllkurve wie in Abbildung 6 gezeigt. In dieser Schaltung sind die inkrementierten und die dekrementierten Daten in den Registern 55 und 56 "festgelegt" (s. S. 18, Zeile 24 und S. 19, Zeile 5). Folglich speichern die Register 55 und 56 Daten für eine begrenzte Zeit; danach wird in beiden Registern jeweils ein neuer Datensatz "festgelegt". Dies wird in dem Absatz, der von Seite 18, Zeile 24 auf Seite 19, Zeile 10 überläuft, ausdrücklich festgestellt; dort ist beschrieben, wie sich die Daten in den Registern 55 und 56 ändern, wenn der Betriebsmodus der Detektorschaltung von dem oberen Wert der Hüllkurve auf deren unteren Wert umgestellt wird. Folglich war der vorher gespeicherte Datensatz nur vorübergehend gespeichert.
Somit verstößt nach Auffassung der Kammer die Aufnahme des Merkmals "ein erstes/zweites Register zur vorübergehenden Speicherung des ersten/zweiten Werts" in Anspruch 6 nicht gegen den Artikel 123 (2) EPÜ.
iii) Der Austausch des Begriffs "arithmetische logische Einheit" gegen den Begriff "arithmetische Recheneinheit" in Anspruch 6 stellt nach Auffassung der Kammer aus den folgenden Gründen ebenfalls keinen Verstoß gegen Artikel 123 (2) EPÜ dar.
In der Anmeldung in der ursprünglich eingereichten Fassung wird ausschließlich der Begriff "arithmetische logische Einheit" und die Abkürzung "ALU" (arithmetic logical unit) verwendet.
Eine solche ALU bildet den Teil eines Rechners, der alle Arten von arithmetischen und logischen Operationen ausführt. Gemäß den Definitionen in anerkannten Lehrbüchern führt eine ALU folgende Operationen aus:
- logische Operationen mit zwei Operanden oder mit nur einem Operanden wie ODER, UND, AUSSCHLIESSLICH-ODER und weitere Boolesche Operationen, UMKEHR-Operationen, Bildung eines KOMPLEMENTÄRwerts, DatenVERSCHIEBUNG und TESTEN auf Minus oder Null;
- arithmetische Operationen wie ADDITION, MULTIPLIKATION, SUBTRAKTION oder DIVISION; vgl. "Electronics engineers' handbook", veröffentlicht von McGRAW-HILL Book Company, 1989, Abschnitt 8-110, Nr. 106, und Abschnitt 23-24, Nr. 24.
Folglich führt eine "ALU" operationelle Funktionen sowohl von logischen als auch von arithmetischen Operationen aus.
Damit fällt der Begriff "arithmetische Recheneinheit" nach Meinung der Kammer unter den Begriff "arithmetische logische Einheit" und erweitert nicht den Inhalt der Anmeldung in der eingereichten Fassung.
i) Wie vom Beschwerdeführer vorgeschlagen, sollte es in Anspruch 1, Zeilen 3 und 19 "(4; 52)" heißen.
ii) Nach Auffassung der Kammer wird die Feststellung, daß ein Verstoß gegen Artikel 84 EPÜ vorliegt, durch den von der Prüfungsabteilung gegen die Verriegelungsschaltungen 5 und 53 und den ersten und den zweiten digitalen Wert erhobenen Einwand nicht erhärtet.
3. Antrag auf Rückzahlung der Beschwerdegebühr - Regel 67 EPÜ
Angeblicher wesentlicher Verfahrensmangel wegen eines Verstoßes gegen den Artikel 113 (1) EPÜ
i) Der Anmelder begründet diese Behauptung vor allem damit, daß der beauftragte Prüfer weder während des Telefongesprächs am 14. Oktober 1991 noch in der Aufzeichnung über dieses Gespräch, die den wesentlichen Inhalt der Aufforderung vom 18. Oktober 1991 darstelle, auf die beanstandeten Merkmale der Ansprüche 4 bis 6 (Merkmale i bis iii im vorstehenden Absatz IV) konkret eingegangen sei, so daß dem Anmelder nicht bewußt gewesen sei, daß die Aufnahme dieser Merkmale in die Ansprüche 4 bis 6 Einwände nach Artikel 123 (2) EPÜ hervorrufen könnte, und er somit nicht - wie in Artikel 113 (1) EPÜ vorgeschrieben - die Möglichkeit gehabt habe, sich zu den Gründen zu äußern, auf die der Zurückweisungsbeschluß gestützt worden sei.
ii) Wie unter Nummer II dargelegt, enthielt der Bescheid vom 18. Oktober 1991 in Absatz I.1 die Aufforderung an den Anmelder, gemäß den Richtlinien den geänderten Wortlaut der neuen Ansprüche 4 bis 6 zu erläutern, und gab u. a. die Stellen in den Ansprüchen 4 bis 6 an, die erstmals in die Ansprüche aufgenommen worden waren, nämlich in den neuen, unter Nummer III zitierten Ansprüchen 4 und 5 die letzten 14 Zeilen "in einem vorgegebenen Zyklus ... Detektor für den oberen Wert der Hüllkurve arbeitet" sowie in Anspruch 6 die letzten 18 Zeilen "ein erstes Register ... an das zweite Mittel (58) weitergeleitet werden".
In Absatz I der Aufforderung wurde auch auf einige Stellen hingewiesen, die aus den Ansprüchen 4 bis 6 in der ursprünglich eingereichten Fassung gestrichen worden waren.
Außerdem hieß es in Absatz I.2 der Aufforderung, daß neue Ansprüche eingereicht werden sollten, "die nicht mehr gegen den Artikel 123 (2) EPÜ verstoßen".
Im großen und ganzen könnte man sagen, daß in der Aufforderung vom 18. Oktober 1991 der "Grund" für die Beanstandung der geänderten Ansprüche 4 bis 6 im engeren Sinn des Wortes genannt wurde, nämlich der Artikel 123 (2) EPÜ, auf den die Entscheidung der Prüfungsabteilung später gestützt wurde, und daß der Anmelder somit die Möglichkeit hatte, in seiner Erwiderung auf die Aufforderung zu diesem "Grund" Stellung zu nehmen. Zu prüfen ist nun die Frage, ob die Angabe dieses "Beanstandungsgrunds" in der Aufforderung und die Nennung der Stellen in den Ansprüchen 4 bis 6, die in die Ansprüche in der eingereichten Fassung aufgenommen bzw. aus diesen gestrichen worden waren, ausreichen, damit das Erfordernis des Artikels 113 (1) EPÜ erfüllt ist.
iii) Artikel 113 (1) EPÜ besagt, daß Entscheidungen "nur auf Gründe gestützt werden (dürfen), zu denen die Beteiligten sich äußern konnten". In einigen früheren Beschwerdekammerentscheidungen wurde festgestellt, daß diese Vorschrift von größter Bedeutung sei, wenn die Gerechtigkeit in Verfahren zwischen dem EPA und einem Verfahrensbeteiligten gewahrt bleiben solle (siehe vor allem die Stellungnahme G 4/92, ABl. EPA 1994, 149 sowie die Entscheidungen J 20/85, ABl. EPA 1987, 102 und J 3/90, ABl. EPA 1991, 550); sie spiegelt den allgemein anerkannten Grundsatz des Verfahrensrechts wider, wonach ein Verfahrensbeteiligter "Anspruch auf rechtliches Gehör" hat, bevor eine Entscheidung getroffen wird.
iv) Artikel 113 EPÜ ist Teil der "Allgemeinen Vorschriften für das Verfahren", die in Kapitel I des siebenten Teils des EPÜ dargelegt sind. Diese "allgemeinen Vorschriften" sind allen Verfahren vor dem EPA "gemein", insbesondere den Verfahren vor den Prüfungs- und Einspruchsabteilungen sowie den Beschwerdekammern.
Für das Verfahren vor der Prüfungsabteilung während der sachlichen Prüfung einer Anmeldung sind Artikel 96 und Regel 51 EPÜ maßgebend. Insbesondere Artikel 96 (2) EPÜ sieht folgendes vor: "Ergibt die Prüfung, daß die europäische Patentanmeldung oder die Erfindung, die sie zum Gegenstand hat, den Erfordernissen dieses Übereinkommens nicht genügt, so fordert die Prüfungsabteilung den Anmelder nach Maßgabe der Ausführungsordnung so oft wie erforderlich auf, innerhalb einer von ihr zu bestimmenden Frist eine Stellungnahme einzureichen." In Regel 51 (3) EPÜ heißt es wie folgt: "Die Bescheide nach Artikel 96 Absatz 2 sind zu begründen; dabei sollen alle Gründe zusammengefaßt werden, die der Erteilung des europäischen Patents entgegenstehen."
In Verbindung mit Artikel 96 (2) EPÜ enthält die Regel 51 (3) EPÜ somit zwei Erfordernisse. Erstens muß der Anmelder gegebenenfalls über alle Erfordernisse des EPÜ unterrichtet werden, die als nicht erfüllt gelten. Zweitens müssen dem Anmelder zu jedem der genannten Erfordernisse des EPÜ die rechtlichen und faktischen Gründe mitgeteilt werden, die zu der Feststellung führen, daß die Erfordernisse des EPÜ nicht erfüllt sind.
v) Im Rahmen des Prüfungsverfahrens nach den Artikeln 96 und 97 EPÜ soll mit Artikel 113 (1) EPÜ eindeutig sichergestellt werden, daß dem Anmelder vor Erlaß der Entscheidung, mit der eine Anmeldung wegen Nichterfüllung eines Erfordernisses des EPÜ zurückgewiesen wird, unmißverständlich mitgeteilt wird, auf welche wesentlichen rechtlichen und faktischen Gründe sich diese Feststellung stützt, damit er von vornherein nicht nur weiß, daß die Anmeldung möglicherweise zurückgewiesen wird, sondern auch, aus welchen rechtlichen und faktischen Gründen dies geschieht; außerdem muß der Anmelder vor Erlaß der Entscheidung eine echte Möglichkeit gehabt haben, sich zu diesen Gründen zu äußern und, sofern er dies wünscht, Gegenargumente und Gründe für die Gewährbarkeit der Anmeldung anzuführen bzw. Änderungen vorzuschlagen, um ihre Zurückweisung zu vermeiden.
Daher sollte der Begriff "Gründe" in Artikel 113 (1) EPÜ nicht eng ausgelegt werden. Insbesondere ist damit im Kontext des Prüfungsverfahrens nicht nur ein einzelner Grund für die Beanstandung der Anmeldung im engeren Sinne eines Erfordernisses des EPÜ gemeint, das als nicht erfüllt angesehen wird, sondern es sind darunter auch die wesentlichen Gründe sowohl rechtlicher als auch faktischer Art zu verstehen, die die Zurückweisung der Anmeldung bedingen. Mit anderen Worten, der Anmelder muß vor Erlaß einer Entscheidung über die Gründe unterrichtet werden, die ihm vorgehalten werden, und er muß auch die Möglichkeit erhalten, darauf einzugehen.
Eine solche Auslegung des Artikels 113 (1) EPÜ entspricht der Art und Weise, wie der in Ziffer iii erwähnte allgemeine Verfahrensgrundsatz des "rechtlichen Gehörs" im Verfahrensrecht der Vertragsstaaten normalerweise angewandt wird.
vi) Die vorstehende Auslegung des Artikels 113 (1) EPÜ hat für die Regel 51 (3) EPÜ folgende Bedeutung: Wie unter Ziffer iii ausgeführt, erfordert die Regel 51 (3) EPÜ, daß jeder Bescheid nach Artikel 96 (2) EPÜ zu "begründen" ist, und zwar in bezug auf jede potentielle Beanstandung der Anmeldung. Diese Begründung sollte so ausführlich sein, daß dem Artikel 113 (1) EPÜ Genüge getan ist. Trifft dies zu und gelingt es andererseits dem Anmelder nicht, in seiner Stellungnahme zu den genannten Gründen diese auszuräumen und die Prüfungsabteilung davon zu überzeugen, daß die Anmeldung die Erfordernisse des EPÜ erfüllt, so kann die Entscheidung zur Zurückweisung der Anmeldung aus den bereits im Bescheid genannten Gründen ergehen.
Entspricht hingegen ein Bescheid nach Regel 51 (3) und Artikel 96 (2) EPÜ den Erfordernissen des Artikels 113 (1) EPÜ insoweit nicht, als darin die wesentlichen rechtlichen und faktischen Gründe nicht genannt sind, die zu der Feststellung führen, daß ein Erfordernis des EPÜ nicht erfüllt ist, dann kann das EPA nicht aufgrund dieser Feststellung eine Entscheidung treffen, ohne gegen Artikel 113 (1) EPÜ zu verstoßen, sofern es nicht einen Bescheid erläßt oder erlassen hat, der diese wesentlichen Gründe enthält. Unter diesen Umständen besteht also im Hinblick auf die Artikel 96 (2) und 113 (1) EPÜ die "notwendige" rechtliche Verpflichtung, vor Erlaß einer beschwerenden Entscheidung zu weiteren Stellungnahmen aufzufordern - siehe die Entscheidung T 640/91, ABl. EPA 1994, 918.
vii) Somit sind die Rechtsgrundsätze, die nach den Artikeln 96 und 97 EPÜ im Prüfungsverfahren gelten, teilweise analog zu denen, die im Rahmen des Artikels 99 EPÜ in Verbindung mit Regel 55 c) EPÜ für die Einspruchsschrift gelten: Um zulässig zu sein, muß die Einspruchsschrift eine "Begründung" enthalten, in der die rechtlichen und faktischen Gründe dargelegt werden, aus denen dem Einspruch stattgegeben werden soll (Entscheidung T 550/88, ABl. EPA 1992, 117), und die Begründung muß vom Inhalt her geeignet sein, das Vorbringen des Einsprechenden objektiv verständlich zu machen (Entscheidung T 222/85, ABl. EPA 1988, 128).
viii) Obwohl im vorliegenden Fall aus den unter Ziffer ii angeführten Textstellen der Aufforderung vom 18. Oktober 1991 hervorgeht, daß der Anmelder in dieser Aufforderung darauf hingewiesen wurde, daß die Aufnahme bzw. Weglassung von Merkmalen in den Ansprüchen 4 bis 6 als Verstoß gegen Artikel 123 (2) EPÜ gewertet wird, wurde ihm darin weder mitgeteilt, um welche Merkmale es sich handelte, noch warum diese als Erweiterung angesehen wurden. Somit enthielt der Bescheid keinerlei rechtliche oder faktische Begründung. Tatsächlich wurde der Anmelder erstmals in der Entscheidung darüber unterrichtet, daß nicht die Tatsache, daß in den geänderten Ansprüchen 4 bis 6 verschiedene Merkmale gegenüber den Ansprüchen 4 bis 6 in der ursprünglich eingereichten Fassung weggelassen worden waren, sondern die Aufnahme der drei unter Nummer IV genannten konkreten Merkmale i bis iii in die Ansprüche 4 bis 6 als Verstoß gegen Artikel 123 (2) EPÜ gewertet wurde. Folglich hatte der Anmelder keine Möglichkeit, vor Erlaß der Entscheidung Stellung zur angeblichen Verletzung des Artikels 123 (2) EPÜ zu nehmen.
Zu der Textstelle aus den Richtlinien E-II, 1, auf die in der Aufforderung vom 18. Oktober 1991 verwiesen worden war ("Wenn Ersatzseiten eingereicht werden und die Art und Weise, in der der Text geändert wurde, nicht ohne weiteres ersichtlich ist, hat der Anmelder ... sie z. B. am Rand zu erläutern, z. B. anzugeben, aus welchen Stellen der ursprünglichen Anmeldungsunterlagen ... die Änderung herleitbar ist"), möchte die Kammer bemerken, daß ein Verweis auf diese Textstelle in einem an einen Anmelder gerichteten Bescheid (wie z. B. die vorstehend genannte Aufforderung) zwar dazu beitragen kann, das Prüfungsverfahren zu beschleunigen; er bringt aber weder für den Anmelder eine rechtliche Verpflichtung mit sich, noch berührt er in irgendeiner Weise die Verpflichtung der Prüfungsabteilung zur Einhaltung der Artikel 96 und 113 (1) EPÜ.
Nach Auffassung der Kammer enthielt die Aufforderung vom 18. Oktober 1991 nicht die wesentlichen rechtlichen und faktischen Gründe, die zu der Feststellung in der späteren Entscheidung führten, daß die Änderungen in den Ansprüchen 4 bis 6 gegen Artikel 123 (2) EPÜ verstießen. Die Entscheidung vom 5. Juni 1992 verstößt somit gegen den Artikel 113 (1) EPÜ. Außerdem war es - wie unter Ziffer vi dargelegt - infolge der fehlenden Begründung in der Aufforderung vom 18. Oktober 1991 rechtlich "notwendig", vor Erlaß einer Entscheidung einen weiteren Bescheid im Sinne des Artikels 96 (2) EPÜ abzusenden; da dies nicht geschehen ist, liegt ein Verstoß gegen Artikel 96 (2) EPÜ vor.
Diese Verstöße stellen eindeutig einen wesentlichen Verfahrensmangel im Sinne der Regel 67 EPÜ dar; nach Meinung der Kammer entspricht es daher unter den gegebenen Umständen der Billigkeit, die Beschwerdegebühr zurückzuzahlen.
ix) Angesichts der vorstehenden Feststellung ist es nicht erforderlich, auf die weiteren vom Beschwerdeführer vorgebrachten Verfahrensmängel im einzelnen einzugehen. Da jedoch die Gewährung einer persönlichen Rücksprache anerkanntermaßen im Ermessen des betreffenden Prüfers liegt, würde die Kammer die Verweigerung einer solchen Rücksprache im vorliegenden Fall nicht für einen Verfahrensfehler halten. Was die Behauptung betrifft, die Entscheidung der Prüfungsabteilung verstoße wegen mangelnder Begründung gegen die Regel 68 (2) EPÜ, so ist die Kammer der Auffassung, daß die Begründung der Entscheidung gerade noch ausreicht, um der Regel 68 (2) EPÜ Genüge zu tun. Damit eine Entscheidung im Sinne der Regel 68 (2) EPÜ "begründet" ist, muß sie die wesentlichen rechtlichen und faktischen Gründe enthalten, die zu der Feststellung führen, auf der die Entscheidung beruht. Die Angaben in der Entscheidung reichten - im Gegensatz zu denen in der Aufforderung vom 18. Oktober 1991 - gerade noch aus, den Beschwerdeführer über die Gründe zu unterrichten, die die Prüfungsabteilung zu der Feststellung bewogen hatten, es liege ein Verstoß gegen Artikel 123 (2) EPÜ vor.
4. Da die Prüfungsabteilung die Anmeldung noch nicht auf die übrigen Erfordernisse des EPÜ geprüft hat, wird die Angelegenheit nach Artikel 111 (1) EPÜ an die Prüfungsabteilung zurückverwiesen.
Entscheidungsformel
Aus diesen Gründen wird entschieden:
1. Die Entscheidung der Prüfungsabteilung wird aufgehoben; der Beschwerde wird stattgegeben.
2. Die Angelegenheit wird zur weiteren Prüfung nach Artikel 96 EPÜ an die Prüfungsabteilung zurückverwiesen.
3. Die Rückzahlung der Beschwerdegebühr wird angeordnet.