Verschiedene Kalendersysteme in der Patentdokumentation
Seit Jahrhunderten wird in den meisten Ländern der Welt der gregorianische Kalender verwendet. Daher vergessen wir häufig, dass in anderen Ländern ganz andere Kalendersysteme gelten können. Daraus ergeben sich aber für Patentrechercheure zusätzliche Herausforderungen, z. B. bei der Prüfung von Anmelde- oder Veröffentlichungsdaten oder bei einer numerischen Suche. Sehr häufig enthält das Zahlenformat nämlich ein Jahr, das nicht dem gregorianischen Kalender entspricht und dann auch in öffentlich zugänglichen Suchmaschinen angegeben werden muss.
In dieser Artikelreihe befassen wir uns mit einigen Ländern, in denen nicht der gregorianische Kalender verwendet wird. Wir erläutern, welche Herausforderungen eine Recherche in Daten aus diesen Ländern mit sich bringt, und zeigen Ihnen, wie Sie damit bei ihrer täglichen Arbeit umgehen können. In der vorliegenden ersten Folge gehen wir auf die Jahreszählung nach kaiserlichen Ären in Japan ein.
Teil I:
Das Kaiserjahr in Japan
Hintergrund: Das Kaiserjahr in der ostasiatischen Kultur
Chinas traditionell großer Einfluss auf die Kulturen und Mentalitäten in Ostasien erstreckt sich auch auf die Jahreszählung.
Der Kaiser von China war nicht nur die höchste politische Instanz, sondern man glaubte auch, er habe eine besondere Beziehung zum Himmel. Als sichtbares Zeichen dieser politischen und spirituellen Macht stellte jeder neue Kaiser seine Regentschaft unter einen Wahlspruch, der aus zwei chinesischen Schriftzeichen bestand. Dieser Wahlspruch wurde so eng mit dem Kaiser verknüpft, dass er bei allen Verweisen auf den Kaiser bzw. dessen Regierungszeit anstelle des eigentlichen Kaisernamens verwendet wurde. Wenn ein neuer Kaiser den Thron bestieg und eine neue Ära mit einem neuen Wahlspruch begründete, begann die Jahreszählung wieder mit dem Jahr 1.
Der letzte Kaiser von China dankte schon lange vor der Einführung eines Patentsystems in China ab, die erst im Jahr 1985 erfolgte. Deshalb spielt diese Jahreszählung in der chinesischen Patentdokumentation keine Rolle.
Allerdings haben mehrere andere ostasiatische Länder diese Art der Jahreszählung übernommen, unter anderem auch Japan, das noch immer ein Kaiserreich ist. Bis heute wird das "Kaiserjahr" überall in Japan angegeben, insbesondere auf offiziellen Dokumenten. Es besteht aus dem Namen, den der Kaiser seiner Ära gegeben hat, und der Jahreszahl, wobei "1" für das erste Jahr der kaiserlichen Regierungszeit steht. Der jetzige Kaiser Naruhito bestieg z. B. im Jahr 2019 (bzw. Jahr 1) den Thron und wählte den Wahlspruch Reiwa ("schöne Harmonie"). Damit entspricht das laufende Jahr 2022 dem japanischen Kaiserjahr "Reiwa 4".
Kaiserjahre in der japanischen Patentdokumentation
Im Jahr 2000 erfolgte eine Anpassung an die internationalen Konventionen für Patentanmeldungen und Publikationsnummerierungen, einschließlich der Nutzung der vierstelligen westlichen Jahreszählung. Eine Zeit lang wurden jedoch für den Verweis auf Rechtsstandsereignisse nach wie vor auch die Kaiserjahre genutzt. Seit das japanische Patentamt seine Patentinformationsplattform J‑PlatPat eingeführt hat, werden die Daten zumindest in den englischsprachigen Bereichen jetzt nach der westlichen Jahreszählung angegeben.
Bei der Recherche im Stand der Technik stößt man jedoch weiterhin auch auf Kaiserjahre. Diese sind kürzer (höchstens zweistellig), und je nach Datenbank werden der Jahreszahl ein bis drei Buchstaben als Abkürzung für die Ära vorangestellt.
Das japanische Patentsystem entstand bereits im 19. Jahrhundert. An dieser Stelle wollen wir jedoch ein Beispiel aus den vergangenen hundert Jahren und den späteren Ären betrachten:
- Shōwa (SHO, S) 昭和 ("brillanter Frieden") - Hirohito (Kaiser von 1926 bis 1989)
- Heisei (HEI, H) 平成 ("Frieden schaffen") - Akihito (Kaiser von 1989 bis zum 30. April 2019)
- Reiwa (REI, R) 令和 ("schöne Harmonie") - Naruhito (Kaiser seit dem 1. Mai 2019)
Beispiel
Hier sehen Sie eine japanische Veröffentlichung einer Anmeldung. Der Schriftenartencode A ist leicht erkennbar, und als Veröffentlichungsdatum (INID-Code 43) und Anmeldedatum (INID-Code 22) sind sowohl das japanische Kaiserjahr als auch die westliche Jahreszahl angegeben. Bei der Anmeldenummer (INID-Code 21) und der Veröffentlichungsnummer (INID-Code 11) werden jedoch nur die Kaiserjahre verwendet - siehe die hervorgehobenen Bereiche. Diese bestehen aus dem chinesischen Schriftzeichen für den Namen der Ära und einer Zahl, in diesem Falle "4" bzw. "5". Nun schauen wir uns an, wie man herausfindet, in welcher kaiserlichen Ära das Patent angemeldet und veröffentlicht wurde.
Anhand unserer Äraliste können wir erkennen, dass das Dokument im fünften Jahr der Herrschaft des Kaisers Heisei (die offizielle Bezeichnung für Kaiser Akihito) veröffentlicht wurde. Nun können Sie das Dokument mit Hilfe des Kaiserjahres suchen: H05-182639.
Die folgende Umrechnungstabelle kann Ihnen das Leben bei der Patentrecherche etwas erleichtern:
Shōwa + 1925 = Jahr nach westlicher Zählung Heisei + 1988 = Jahr nach westlicher Zählung Reiwa + 2018 = Jahr nach westlicher Zählung |
Für das Jahr 1989 verwenden Sie entweder das
letzte Jahr Shōwa oder das erste Jahr Heisei, also
Shōwa 64 = Heisei 1.
Das Jahr 2019 ist bis zum 30. April Heisei 31
und ab dem 1. Mai Reiwa 1. Zu diesem Zeitpunkt wurde jedoch bereits die
westliche Jahreszählung verwendet, so dass Sie hier nicht umrechnen müssen.
Weiterführende
Literatur
Nummerierungssystem
- Japan (EPA Patentinformation aus Asien)Überblick über INID-Codes (WIPO)