EUROPÄISCHES PATENTAMT
Mitteilungen des EPA
Mitteilung des Europäischen Patentamts vom 23. November 2021 über die Aussetzung von Verfahren aufgrund der Vorlage G 2/21
1. Die Vorlage G 2/21 ("Plausibilität") ist bei der Großen Beschwerdekammer anhängig. Die vorlegende Kammer möchte klären lassen, ob eine Ausnahme vom Grundsatz der freien Beweiswürdigung dahin gehend zugelassen werden sollte, dass nachveröffentlichte Beweismittel unberücksichtigt bleiben müssen, wenn die erfinderische Tätigkeit auf der Basis einer technischen Wirkung anerkannt wird und der Nachweis für die Wirkung ausschließlich auf nachveröffentlichten Beweismitteln beruht (Frage 1). Für den Fall, dass die nachveröffentlichten Beweismittel unberücksichtigt bleiben müssen, fragt sie ferner, ob diese dann berücksichtigt werden können, wenn der Fachmann am Anmeldetag der Patentanmeldung die Wirkung für plausibel (Frage 2) bzw. nicht für unplausibel (Frage 3) erachtet hätte. Die der Großen Beschwerdekammer vorgelegten Fragen sind in der Entscheidung T 116/18 enthalten.
2. Der Präsident des EPA hat in Anbetracht der potenziellen Auswirkungen der Vorlage beschlossen, dass alle Prüfungs- und Einspruchsverfahren vor dem EPA, deren Ausgang völlig von der Entscheidung der Großen Beschwerdekammer abhängt, von Amts wegen ausgesetzt werden. Die Aussetzung wird möglichst bald, nachdem die Große Beschwerdekammer ihre Entscheidung erlassen hat, aufgehoben.
3. Hiervon betroffen sind Patentanmeldungen und Patente, bei denen die Beurteilung der erfinderischen Tätigkeit ausschließlich auf Beweismitteln wie beispielsweise Versuchsdaten beruht, die vor dem Anmeldetag der Patentanmeldung nicht öffentlich zugänglich waren und erst nach diesem Tag eingereicht wurden.
4. Wird ein Verfahren ausgesetzt, so unterrichtet die zuständige Prüfungs- bzw. Einspruchsabteilung die Beteiligten davon (s. Richtlinien für die Prüfung im EPA, E-VII, 3). Gleichzeitig nimmt sie Mitteilungen zurück, in denen Erwiderungsfristen festgesetzt wurden, und erlässt keine weiteren Mitteilungen zur Festsetzung von Fristen, bis die Entscheidung der Großen Beschwerdekammer ergangen ist. Danach wird ein Bescheid über die Wiederaufnahme des Verfahrens versandt.
5. Diese Mitteilung ist ab sofort anwendbar.