ARBEITSSITZUNG
Die jüngste Rechtsprechung zur Patentierung biotechnologischer Erfindungen
Richard ARNOLD - Richter am Patentgericht London - Rechtsprechung des Gerichtshofs der Europäischen Union
Rechtssache C-34/10 Brüstle gegen Greenpeace eV Slg. 2011, I-0000
Oliver Brüstle war Inhaber eines deutschen Patents, das isolierte und gereinigte neurale Vorläuferzellen, Verfahren zu ihrer Herstellung aus embryonalen Stammzellen sowie die Verwendung dieser Zellen für die Behandlung neuraler Defekte (z. B. der Parkinsonschen Krankheit) betraf. Hinsichtlich der Verwendung von Hirngewebe menschlicher Embryonen bestanden ethische Hindernisse, doch wurde in dem Patent festgestellt, dass embryonale Stammzellen pluripotent seien und daher in alle Zell- und Gewebetypen ausdifferenzieren könnten, womit sich neue Perspektiven für die Herstellung von Zellen für Transplantationszwecke ergäben. Das Patent zielte darauf ab, die Herstellung einer praktisch unbegrenzten Menge von aus embryonalen Stammzellen gewonnenen erwünschten Vorläuferzellen zu ermöglichen.
Auf Klage von Greenpeace erklärte das Bundespatentgericht (BPatG) das Patent für nichtig, soweit es Vorläuferzellen, die aus menschlichen embryonalen Stammzellen gewonnen werden, und die Verfahren zu ihrer Herstellung umfasst. Das BPatG konstatierte, dass die Erfindung nach den innerstaatlichen Vorschriften zur Umsetzung von Artikel 6 der Richtlinie 98/44/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 6. Juli 1998 über den rechtlichen Schutz biotechnologischer Erfindungen ("Biotech-Richtlinie") nicht patentierbar sei. Artikel 6 bestimmt:
"(1) Erfindungen, deren gewerbliche Verwertung gegen die öffentliche Ordnung oder die guten Sitten verstoßen würde, sind von der Patentierbarkeit ausgenommen; dieser Verstoß kann nicht allein daraus hergeleitet werden, dass die Verwertung durch Rechts- oder Verwaltungsvorschriften verboten ist.
(2) Im Sinne von Absatz 1 gelten unter anderem als nicht patentierbar:
…
c) … die Verwendung von menschlichen Embryonen zu industriellen oder kommerziellen Zwecken;
…"
Im Berufungsverfahren legte der Bundesgerichtshof dem Gerichtshof der Europäischen Union drei Fragen zur Auslegung von Artikel 6 Absatz 2 Buchstabe c vor.
Frage 1
"Was ist unter dem Begriff 'menschliche Embryonen' in Artikel 6 Abs. 2 Buchst. c der [Richtlinie] zu verstehen?
a) Sind alle Entwicklungsstadien menschlichen Lebens von der Befruchtung der Eizelle an umfasst, oder müssen zusätzliche Voraussetzungen wie z. B. das Erreichen eines bestimmten Entwicklungsstadiums erfüllt sein?
b) Sind auch folgende Organismen umfasst:
- unbefruchtete menschliche Eizellen, in die ein Zellkern aus einer ausgereiften menschlichen Zelle transplantiert worden ist;
- unbefruchtete menschliche Eizellen, die im Wege der Parthenogenese zur Teilung und Weiterentwicklung angeregt worden sind?
c) Sind auch Stammzellen umfasst, die aus menschlichen Embryonen im Blastozystenstadium gewonnen worden sind?"
Der Gerichtshof der Europäischen Union befand in den Randnrn. [25]-[29], dass die Richtlinie keine Definition des Begriffs "menschliches Embryo" enthalte und dieser daher als autonomer Begriff des Unionsrechts anzusehen sei, der im gesamten Gebiet der Union einheitlich auszulegen sei. In Randnr. [30] stellte der Gerichtshof anschließend fest:
"Was die Bedeutung angeht, die dem Begriff des menschlichen Embryos in Artikel 6 Abs. 2 Buchst. c der Richtlinie zukommt, ist hervorzuheben, dass es sich bei der Definition des menschlichen Embryos zwar um ein Thema handelt, das in vielen Mitgliedstaaten gesellschaftspolitisch sehr sensibel und von deren unterschiedlichen Traditionen und Werthaltungen geprägt ist, der Gerichtshof durch das vorliegende Vorabentscheidungsersuchen aber nicht dazu aufgerufen ist, auf Fragen medizinischer oder ethischer Natur einzugehen, sondern sich darauf zu beschränken hat, die einschlägigen Vorschriften der Richtlinie juristisch auszulegen …"
Unter Hinweis auf die Erwägungsgründe 16 und 38 stellte der Gerichtshof ferner fest:
"34. Der Zusammenhang und das Ziel der Richtlinie lassen somit erkennen, dass der Unionsgesetzgeber jede Möglichkeit der Patentierung ausschließen wollte, sobald die der Menschenwürde geschuldete Achtung dadurch beeinträchtigt werden könnte. Daraus folgt, dass der Begriff des menschlichen Embryos im Sinne von Artikel 6 Abs. 2 Buchst. c der Richtlinie weit auszulegen ist.
35. Insofern ist jede menschliche Eizelle vom Stadium ihrer Befruchtung an als 'menschlicher Embryo' im Sinne und für die Anwendung von Artikel 6 Abs. 2 Buchst. c der Richtlinie anzusehen, da die Befruchtung geeignet ist, den Prozess der Entwicklung eines Menschen in Gang zu setzen.
36. Das Gleiche gilt für die unbefruchtete menschliche Eizelle, in die ein Zellkern aus einer ausgereiften menschlichen Zelle transplantiert worden ist oder die durch Parthenogenese zur Teilung und Weiterentwicklung angeregt worden ist. Selbst wenn diese Organismen, genau genommen, nicht befruchtet worden sind, sind sie, wie aus den beim Gerichtshof abgegebenen schriftlichen Erklärungen hervorgeht, infolge der zu ihrer Gewinnung verwendeten Technik geeignet, wie der durch Befruchtung einer Eizelle entstandene Embryo den Prozess der Entwicklung eines Menschen in Gang zu setzen.
37. Was Stammzellen angeht, die von einem menschlichen Embryo im Stadium der Blastozyste gewonnen werden, ist es Sache des nationalen Gerichts, im Licht der technischen Entwicklung festzustellen, ob sie geeignet sind, den Prozess der Entwicklung eines Menschen in Gang zu setzen, und folglich unter den Begriff des menschlichen Embryos im Sinne und für die Anwendung von Artikel 6 Abs. 2 Buchst. c der Richtlinie fallen."
Frage 2
"Was ist unter dem Begriff 'Verwendung von menschlichen Embryonen zu industriellen oder kommerziellen Zwecken' zu verstehen? Fällt hierunter jede gewerbliche Verwertung im Sinne des Artikel 6 Abs. 1 der Richtlinie, insbesondere auch eine Verwendung zu Zwecken der wissenschaftlichen Forschung?"
Der Gerichtshof der Europäischen Union stellte zunächst in Randnr. [40] fest, dass
" … die Richtlinie nicht zum Gegenstand hat, die Verwendung menschlicher Embryonen im Rahmen wissenschaftlicher Untersuchungen zu regeln. Ihr Gegenstand beschränkt sich auf die Patentierbarkeit biotechnologischer Erfindungen."
Nachdem der Gerichtshof in Randnr. [41] entschieden hatte, dass "die Erteilung eines Patents für eine Erfindung grundsätzlich ihre industrielle oder kommerzielle Verwertung einschließt", stellte er im Weiteren fest:
"43. Selbst wenn das Ziel der wissenschaftlichen Forschung von industriellen oder kommerziellen Zwecken unterschieden werden muss, kann die Verwendung menschlicher Embryonen zu Forschungszwecken, die Gegenstand der Patentanmeldung wäre, nicht vom Patent selbst und den daran geknüpften Rechten getrennt werden.
44. Die Erläuterung im 42. Erwägungsgrund der Richtlinie, wonach der Ausschluss von der Patentierung in Artikel 6 Abs. 2 Buchst. c nicht 'gilt … für Erfindungen, die therapeutische oder diagnostische Zwecke verfolgen und auf den menschlichen Embryo zu dessen Nutzen angewandt werden', bestätigt ebenfalls, dass die Verwendung menschlicher Embryonen zur wissenschaftlichen Forschung, die Gegenstand einer Patentanmeldung ist, nicht von einer industriellen und kommerziellen Verwertung getrennt werden und dadurch dem Ausschluss von der Patentierung entgehen kann."
Wie der Gerichtshof feststellte, deckt sich diese Auslegung mit derjenigen der Großen Beschwerdekammer des Europäischen Patentamts zu Regel 28 c der Ausführungsordnung zum EPÜ in G 2/06 Verwendung von Embryonen/WARF, ABl. EPA 2009, 306.
Frage 3
"Ist eine technische Lehre auch dann gemäß Artikel 6 Abs. 2 Buchst. c der Richtlinie von der Patentierung ausgeschlossen, wenn die Verwendung menschlicher Embryonen nicht zu der mit dem Patent beanspruchten technischen Lehre gehört, aber notwendige Voraussetzung für die Anwendung dieser Lehre ist,
- weil das Patent ein Erzeugnis betrifft, dessen Herstellung die vorhergehende Zerstörung menschlicher Embryonen erfordert,
- oder weil das Patent ein Verfahren betrifft, für das als Ausgangsmaterial ein solches Erzeugnis benötigt wird?"
Zu dieser Frage stellte der Gerichtshof der Europäischen Union in Randnr. [48] fest, "dass die Entnahme einer Stammzelle aus einem menschlichen Embryo im Blastozystenstadium die Zerstörung dieses Embryos nach sich zieht". Des Weiteren befand er:
"49. Aus denselben Gründen wie denen, die in den Randnrn. 32 bis 35 des vorliegenden Urteils aufgeführt sind, ist daher eine Erfindung – selbst wenn die Patentansprüche nicht die Verwendung menschlicher Embryonen betreffen – als von der Patentierung ausgeschlossen anzusehen, wenn die Verwertung der Erfindung die Zerstörung menschlicher Embryonen erfordert. Auch in diesem Fall liegt eine Verwendung menschlicher Embryonen im Sinne von Artikel 6 Abs. 2 Buchst. c der Richtlinie vor. Dass diese Zerstörung gegebenenfalls in einem Stadium erfolgt, das weit vor der Verwertung der Erfindung liegt, wie im Fall der Herstellung embryonaler Stammzellen aus einer Stammzell-Linie, die nur durch die Zerstörung menschlicher Embryonen aufgebaut werden konnte, ist insoweit ohne Bedeutung.
50. Würde eine beanspruchte technische Lehre nicht in den Bereich des in Artikel 6 Abs. 2 Buchst. c der Richtlinie festgelegten Ausschlusses von der Patentierung einbezogen, weil die Verwendung menschlicher Embryonen, die deren vorhergehende Zerstörung voraussetzt, darin nicht erwähnt wird, hätte dies zur Folge, dass der betreffenden Vorschrift ihre praktische Wirksamkeit genommen würde, indem es dem Patentanmelder ermöglicht würde, ihre Anwendung durch eine geschickte Abfassung des Anspruchs zu umgehen."
Auch hierzu stellte der Gerichtshof fest, dass sich diese Auslegung mit derjenigen der Großen Beschwerdekammer in G 2/06 decke.
Rechtsprechung in England und Wales
Human Genome Sciences Inc gegen Eli Lilly and Co [2011] UKSC 51, [2012] RPC 6
Mit dem Streitpatent wurde die Nukleotid- und Aminosäuresequenz eines neuartigen Mitglieds der TNF-Ligand-Proteinsuperfamilie mit der Bezeichnung Neutrokin-α offenbart und beansprucht. Sowohl der damalige Richter Kitchin ([2008] EWHC 1903 (Pat), [2008] RPC 29) als auch das Beschwerdegericht ([2010] EWCA Civ 33, [2010] RPC 14) erkannten für Recht, dass das Patent ungültig sei, weil die beanspruchten Erfindungen nicht dem Erfordernis der gewerblichen Anwendbarkeit gemäß Abschnitt 1 Abs. 1 Buchst. c und 4 des Patentgesetzes (Patents Act) von 1977 genügten, die Artikel 52 (1) und 57 EPÜ entsprechen.
Zur Begründung seiner Entscheidung führte Richter Kitchin im Wesentlichen aus, der Patentinhaber habe nicht mehr geleistet, als Neutrokin-α zu entdecken und seine Zugehörigkeit zur TNF-Ligand-Superfamilie festzustellen, und die Angaben im Patent zur gewerblichen Verwertung seien reine Mutmaßungen. So enthalte die Beschreibung eine erstaunliche Anzahl von Krankheiten und körperlichen Befindlichkeiten, bei denen Neutrokin-α und Antikörper gegen Neutrokin-α zu Diagnose- und Behandlungszwecken zum Einsatz kommen könnten, jedoch seien keinerlei Daten zur Untermauerung der Patentansprüche vorgelegt worden. Der Fachmann würde es für völlig an den Haaren herbeigezogen halten, dass Neutrokin-α für alle diese Zwecke verwendet werden könnte, und müsste zu dem Schluss gelangen, dass die Verfasser keine klare Vorstellung davon hätten, worin die Aktivität des Proteins bestehe, und deshalb alle nur denkbaren Möglichkeiten aufgeführt hätten. Dass Neutrokin-α nach dem allgemeinen Wissensstand des Fachmanns wahrscheinlich eine Rolle bei der Regulierung der Aktivität von B- und T-Zellen spielt und eine nicht näher bestimmte Rolle bei der Regulierung der Immun- und der Entzündungsreaktion spielt, liefere keine Anhaltspunkte dafür, wie es zur Lösung eines wie auch immer gearteten Problems eingesetzt werden könne. Weder das Patent noch das allgemeine Fachwissen gäben Aufschluss über eine Krankheit oder einen Zustand, zu deren Diagnose oder Therapie Neutrokin-α verwendet werden könne. Seine Wirkungsweise sei bestenfalls mit Erwartungen verbunden und zudem auf einer viel zu allgemeinen Ebene angesiedelt, als dass sie eine solide oder konkrete Grundlage für etwas anderes als ein Forschungsprojekt bilden könne.
Das Beschwerdegericht schloss sich dieser Auffassung an. Es wies darauf hin, dass die Technische Beschwerdekammer des EPA in T 18/09 zwar zu einer anderen Entscheidung gelangt sei, stellte aber auch fest, dass die Beweislage vor den englischen Gerichten eine andere als die vor dem EPA sei.
Der Oberste Gerichtshof (Supreme Court) erklärte die Berufung des Patentinhabers für zulässig. Als Berichterstatter für das Urteil fungierte Lord Neuberger, und Lord Hope gab eine beipflichtende Stellungnahme ab.
Lord Neuberger stellte in [91] fest, dass es in Anbetracht der Bedeutung, die die weitestmögliche Angleichung des britischen Patentrechts an die Rechtsprechung des EPA habe, geboten sei, die Rechtsprechung der Beschwerdekammer als gegebenes Recht zu betrachten, was jedoch nicht notwendigerweise zu demselben Ergebnis verpflichte, zu dem die Kammer in T 18/09 gelangt sei. Dementsprechend habe der Oberste Gerichtshof die Frage zu prüfen, ob sich die Gerichte der unteren Instanzen an die Rechtsprechung des EPA gehalten hätten. Er habe entschieden, dass dies nicht der Fall sei.
Lord Neuberger fasste die Rechtsprechung der Kammer zu den Erfordernissen des Artikels 57 in Bezug auf biologisches Material in [107] wie folgt zusammen:
"Die allgemeinen Grundsätze lauten:
(i) Das Patent muss 'eine praktische Anwendung' und 'eine gewinnbringende Nutzung' für den beanspruchten Stoff offenbaren, sodass das daraus resultierende Monopol 'einen gewissen kommerziellen Nutzen erwarten lässt' (T 870/04, Randnr. 4; T 898/05, Randnr. 2 und 4);
(ii) ein 'konkreter Nutzen', nämlich die 'gewerbliche Nutzung in der Praxis' muss bei Zugrundelegung des allgemeinen Fachwissens 'unmittelbar aus der Beschreibung herleitbar sein' (T 898/05, Randnr. 6; T 604/04, Randnr. 15);
(iii) ein lediglich 'spekulativer' Nutzen reicht nicht aus, d. h. 'ein vager und spekulativer Hinweis auf mögliche Ziele, die erreicht werden könnten oder auch nicht', genügt nicht. (T 870/04, Randnr. 21; T 898/05, Randnr. 6 und 21);
(iv) das Patent und das allgemeine Fachwissen müssen den Fachmann in die Lage versetzen, die beanspruchte Erfindung 'ohne unzumutbaren Aufwand' und ohne Durchführung eines 'Forschungsprogramms' 'nachzuarbeiten' oder 'gewerblich zu verwerten' (T 604/04, Randnr. 22; T 898/05, Randnr. 6);
Bei Offenbarung eines neuen Proteins und seines kodierenden Gens in einem Patent:
(v) Das Patent muss unter Heranziehung des allgemeinen Fachwissens 'eine reale und nicht nur eine theoretische Verwertungsmöglichkeit aufweisen' (T 604/04, Randnr. 15; T 898/05, Randnr. 6, 22 und 31);
(vi) es reicht nicht aus, lediglich die Struktur eines Proteins zu identifizieren, ohne ihm eine klare Rolle zuzuweisen oder einen praktischen Nutzen anzugeben bzw. nur einen vagen und spekulativen Hinweis auf mögliche Ziele zu geben, die erreicht werden könnten (T 870/04, Randnr. 6-7, 11 und 21; T 898/05, Randnr. 7, 10 und 31);
(vii) das Fehlen experimentell oder im Labor erbrachter Aktivitätsnachweise für das beanspruchte Protein stellt keinen Versagungsgrund dar (T 898/05, Randnr. 21 und 31; T 1452/06, Randnr. 5);
(viii) eine 'plausible' oder eine 'hinlänglich glaubwürdige' Nutzung bzw. eine 'fundierte Vermutung' können ausreichen (T 1329/04, Randnr. 6 und 11; T 640/04, Randnr. 6; T 898/05, Randnr. 8, 21, 27 und 31; T 1452/06, Randnr. 6; T 1165/06, Randnr. 25);
(ix) die Plausibilität kann dadurch untermauert werden, dass 'nachträgliche Nachweise' beigebracht werden; allerdings sind nachträgliche Nachweise alleine nicht ausreichend (T 1329/04, Randnr. 12; T 898/05, Randnr. 24; T 1452/06, Randnr. 6; T 1165/06, Randnr. 25);
(x) Die Erfordernisse einer plausiblen und spezifischen Verwertungsmöglichkeit können sich auf die biochemische, die zelluläre und die biologische Ebene erstrecken (T 898/05, Randnr. 29–30);
Bei behaupteter Zugehörigkeit des Proteins zu einer Familie bzw. Superfamilie:
(xi) Wenn alle bekannten Mitglieder 'eine Rolle bei der Verbreitung, Differenzierung und/oder Aktivierung von Immunzellen spielen' oder 'an der Steuerung der Physiologie, Entwicklung und Differenzierung mammaler Zellen mitwirken', kann es ausreichen, dem Protein eine ähnliche Rolle zuzuweisen (T 1329/04, Randnr. 13; T 898/85, Randnr. 21; T 1165/06, Randnr. 14 und 16; T 870/04, Randnr. 12);
(xii) daher kann es sich 'bei dem in einem solchen Fall zu lösenden Problem' darum handeln, ein weiteres Mitglied der [Familie] zu isolieren (T 1329/04, Randnr. 4; T 604/04, Randnr. 22; T 1165/06, Randnr. 14 und 16);
(xiii) wenn die Offenbarung 'für die pharmazeutische Industrie wichtig ist', kann die Offenbarung der Sequenzen des Proteins und seines Gens auch dann ausreichend sein, wenn seine Rolle nicht 'eindeutig definiert worden ist' (T 604/04, Randnr. 18);
(xiv) anders kann es sich verhalten, wenn sich im Patent oder an anderer Stelle Beweise finden lassen, die die beanspruchte Rolle oder Mitgliedschaft in der Familie infrage stellen (T 898/05, Randnr. 24; T 1452/06, Randnr. 5);
(xv) anders kann es sich auch dann verhalten, wenn die bekannten Mitglieder unterschiedliche Aktivitäten aufweisen, wenn diese auch nicht immer 'hinsichtlich ihrer biologischen Wirkung vollständig austauschbar' sein müssen und es zulässig sein kann, dass die 'meisten' von ihnen eine gemeinsame Rolle ausüben (T 870/04, Randnr. 12; T 604/04, Randnr. 16; T 898/05, Randnr. 27)."
Nach Auffassung von Lord Neuberger war die Entscheidung in T 18/09 mit der Rechtsprechung der Kammer vereinbar, wohingegen dies aus folgenden Gründen bei den Entscheidungen der unteren Instanzen nicht der Fall war:
"108. … Richter Kitchin stellte fest, dass a) das Patent Neutrokin-α als neues Mitglied der TNF-Ligand-Superfamilie offenbare, b) alle bekannten Mitglieder der Superfamilie pleiotrope Effekte aufwiesen, c) einige Merkmale vorhanden seien, die allen diesen bekannten Mitgliedern gemeinsam seien, wie z. B. Expression durch T-Zellen und eine Rolle bei der Regulierung der T-Zellen-Proliferation und T-Zell-vermittelte Reaktionen, d) es jedoch andere Merkmale gebe, über die einige Mitglieder der Familie verfügten, andere hingegen nicht, e) davon ausgegangen werde, dass 'sich die Aktivitäten von Neutrokin-α auf T-Zellen beziehen und sie insbesondere auf T-Zellen exprimiert werden sowie ein Ko-Stimulans für die B-Zellen-Produktion sein könnten', dass es bei der Immunantwort und der Kontrolle von Tumoren und bösartigen Krankheiten eine Rolle spielen könne, dass es sich auf die B-Zellen-Proliferation auswirken könne', f) die Forschung später bestätigt habe, dass dies tatsächlich der Fall sei, g) nach neuen Mitgliedern der Familie gesucht werde, weil sie für die pharmazeutische Industrie von Interesse seien.
109. Unter diesen Umständen hätten meines Erachtens … die Offenbarung der Existenz und der Struktur von Neutrokin-α und seiner Gensequenz sowie seine Zugehörigkeit zur TNF-Ligand-Superfamilie ausreichend sein müssen, um unter Berücksichtigung des allgemeinen Fachwissens und in Anbetracht der Grundsätze, die ich in Randnr. 107 zusammenzufassen versucht habe, den Erfordernissen des Artikels 57 gerecht zu werden. Die Punkte (viii), (ix) und (x) kommen in Betracht, insoweit es die Plausibilität zumindest einiger der Ansprüche betrifft, und die Punkte (xi), (xii) und (xiii) sind angesichts der Nachweise im Zusammenhang mit der TNF-Ligand-Superfamilie erfüllt, (und auf Punkt (xiv) kann sich Eli Lilly nicht berufen).
110. … Ich sehe mich in meiner Ansicht in hohem Maße durch den in T 18/09, Randnr. 22 dargelegten Ansatz, der mir voll und ganz mit der (in Randnr. 107 dargelegten) Rechtsprechung der Kammer vereinbar zu sein scheint, und durch die Anwendung dieses Ansatzes auf die Auffassung der Kammer hinsichtlich der zentralen relevanten Sachverhalte in den folgenden vier Ziffern bestärkt, die ich (vorbehaltlich der im nächsten Abschnitt dieser Entscheidung erörterten Argumente) für nicht unvereinbar mit den von Richter Kitchin getroffenen Feststellungen halte.
111. … Die Entscheidung der Kammer besagte faktisch, dass die Offenbarung eines als neues Mitglied der TNF-Ligand-Superfamilie akzeptierten Stoffs (verbunden mit Einzelheiten seiner Gewebeverteilung) Artikel 57 gerecht werde, weil alle bekannten Mitglieder auf T-Zellen ausgedrückt würden und in der Lage seien, als Ko-Stimulans für die T-Zellen-Proliferation zu wirken, sodass von Neutrokin-α eine ähnliche Wirkungsweise zu erwarten sei. Diese Schlussfolgerung wurde durch die Erklärung unterstützt bzw. bekräftigt, dass Neutrokin-α in B-Zellen- und T-Zellen-Lymphomen ausgedrückt werde (vgl. T 18/09, Randnr. 30), und zusätzlich durch das Interesse und die Bemühungen der pharmazeutischen Industrie, ein neues Mitglied der Superfamilie zu entdecken (wie von Richter Kitchin in [2008] R.P.C. 29, Randnr. 72–74 erläutert)."
MedImmune Ltd gegen Novartis Pharmaceuticals UK Ltd [2011] EWHC 1669 (Pat)
MedImmune war gemeinsamer Inhaber und ausschließlicher Lizenznehmer zweier Patente für ein als "Antikörper-Phagen-Display" bekanntes Antikörper-Screening-Verfahren. MedImmune machte geltend, dass Novartis die Patente durch den Vertrieb eines Produkts mit der Bezeichnung Ranibizumab (Handelsname Lucentis), eines von Genentech entwickelten Arzneistoffs zur Behandlung der feuchten altersbedingten Makuladegeneration im Auge, verletzt habe. Novartis erhob Widerklage auf Widerruf der Patente und stützte sich dabei auf die 1. fehlende Priorität, was zur Ungültigkeit gegenüber dem zwischenzeitlich eingetretenen Stand der Technik führte, 2. Offensichtlichkeit aufgrund eines Vortrags des Wissenschaftlers, der die verwandte Technik des Antigen-Phage-Displays entwickelte, 3. unzureichende Offenbarung und 4. unzulässige Erweiterung. Die Patente wurden wegen fehlender Priorität und Offensichtlichkeit, aber nicht wegen unzureichender Offenbarung und unzulässiger Erweiterung für ungültig erklärt. Es wurde zudem festgestellt, dass sie im Falle ihrer Gültigkeit bei korrekter Auslegung der Ansprüche nicht verletzt worden wären. Außerdem wurde darauf hingewiesen, dass es sich bei Ranibizumab, wenn es durch ein Verfahren hergestellt werden sollte, das unter diese Ansprüche fällt, um ein Produkt handele, das mithilfe dieses Verfahrens gewonnen wurde. Im hier fraglichen Zusammenhang sind die interessantesten Aspekte der Entscheidung diejenigen, die die unzureichende Offenbarung und die Frage betreffen, ob das Produkt unmittelbar mithilfe dieses Verfahrens gewonnen wurde.
Unzureichende Offenbarung
Das Gericht prüfte die Rechtslage im Lichte dreier Entscheidungen, mit denen das Oberhaus befasst war (Biogen gegen Medeva plc [1997] RPC 49, Kirin-Amgen Inc gegen Hoechst Marion Roussel Ltd [2004] UKHL 46, [2005] RPC 9 und Generics (UK) Ltd gegen H. Lundbeck A/S [2009] UKHL 12, [2009] RPC 13), und drei Entscheidungen der Technischen Beschwerdekammern des EPA (T 292/85 Genentech 1/Polypeptide expression ABl. EPA 1989, 275, T 923/92 Genentech/Menschlicher tPA ABl. EPA 1996, 564 und T 1063/06 Bayer Schering Pharma AG/Durchgriffsanspruch ABl. EPA 2009, 516).
Novartis vertrat die Auffassung, dass die Breite der von MedImmune geltend gemachten Ansprüche über den technischen Beitrag hinausgehe, den die Erfindung gegenüber dem Stand der Technik leiste. Novartis bezeichnete die Ansprüche als "erschlichene Durchgriffsansprüche", da damit die Forschungsergebnisse anderer beansprucht würden, die weit über die technische Lehre der Beschreibung hinausgingen. So werde im vorliegenden Fall behauptet, dass Ranibizumab diese Ansprüche verletze, obwohl a) in der Beschreibung keine Antikörper zur Behandlung der altersbedingten Makuladegeneration erwähnt werden, b) in der Beschreibung der monoklonale Antikörper, mit dem Genentech begonnen hat, nicht bezeichnet wird, c) die Beschreibung dem Fachmann keine Lehre in Bezug auf die Humanisierung eines derartigen murinen Antikörpers vermittelt, d) die Beschreibung das Team nicht lehre, welche Änderungen erforderlich sind, um die Affinität des humanisierten Antikörpers zu verbessern und e) die Beschreibung dem Fachteam nichts zu anderen Verfahren vermittelt, die von Genentech angewendet wurden.
Selbst bei Auslegung der Ansprüche in der Form, wie sie MedImmune geltend gemacht hat, erstreckten sich die Ansprüche auf die Mutation nach Phagen-Display im Zusammenhang mit (i) der Identifizierung eines Ziels, (ii) der Erstellung einer Antikörperbibliothek, (iii) des Screenings dieser Bibliothek durch Phagen-Display, (iv) der Mutation des durch Phagen-Display identifizierten Antikörperfragments zur Verbesserung seiner Bindungseigenschaften und (v) der Herstellung dieses Mutanten in einem rekombinanten System. Novartis brachte vor, dass der technische Beitrag der Patente lediglich aus Schritt (iii) bestehe und die Patente dem Fachteam keine Lehre in Bezug auf die Schritte (i), (ii), (iv) und (v) vermittelten. Darüber hinaus erklärte Novartis, dass selbst hinsichtlich des Schritts (iii) der technische Beitrag der Patente lediglich darin bestehe, dass das Screening durch Phagen-Display schneller und leichter ablaufe als das Screening nach dem als "Plaque-Lift" bekannten Verfahren, das dem Stand der Technik entspreche. Laut Novartis sei kein Nachweis erbracht, dass das patentierte Verfahren den Verfahren nach dem Stand der Technik zur Entdeckung von Bindemolekülen, wie etwa "Plaque-Lift", überlegen sei, was allerdings von MedImmune bestritten wurde.
Richter Arnold wies diese Argumentation in [491] aus folgenden Gründen zurück:
"Nach meinem Urteil bezeichnet MedImmune die in den Patenten offenbarte Erfindung zu Recht als Prinzip zur allgemeinen Anwendung. In seinem Kern handelt es sich um ein technisches Verfahren zur Selektion eines Bindemoleküls von Belang aus einer potenziell großen Grundgesamtheit anderer Bindemoleküle. Das Verfahren hängt nicht von der genauen Identität des Bindemoleküls ab. Vielmehr beruht der Nutzen des Verfahrens zum Teil darauf, dass es sich auf eine Vielfalt von Bindemolekülen, Fragmenten und Derivaten anwenden lässt. Ebenso wenig hängt das Verfahren von der genauen Anwendung ab, die der Nutzer beabsichtigt. Auch ist die Umsetzung des Verfahrens zum Zweck einer neuen Anwendung für das Fachteam nicht mit unzumutbarem Aufwand verbunden …"
Unmittelbar durch ein Verfahren gewonnenes Produkt
MedImmune machte eine Verletzung nach Abschnitt 60 Abs. 1 Buchst. c des Patentgesetzes von 1977 geltend, der sich mit Artikel 64 (2) EPÜ und Artikel 25c GPÜ deckt. Die Leitentscheidung im Zusammenhang mit dieser Bestimmung in England ist die Entscheidung des Beschwerdegerichts in der Rechtssache Pioneer Electronics Capital Inc gegen Warner Music Manufacturing Europe GmbH [1997] RPC 757, in der Lordrichter Nourse eine Reihe deutscher Entscheidungen prüfte und in 771 feststellte:
"Die Prüfung der einschlägigen Gerichtsentscheidungen in Deutschland zwischen 1897 und 1977 zeigt, dass sie untereinander wie mit einem roten Faden verbunden sind: Das unmittelbar durch ein patentiertes Verfahren gewonnene Produkt ist das Produkt, das am Ende des Verfahrens steht; es hört nicht auf, das so gewonnene Produkt zu sein, wenn es einer weiteren Verarbeitung unterzogen wird, die nicht zur Folge hat, dass es seine Identität verliert, wobei dieser Verlust nicht eintritt, wenn es seine wesentlichen Merkmale behält."
Novartis räumte ein, dass Ranibizumab, falls das in der Sache Pioneer gegen Warner zugrunde gelegte Kriterium des Identitätsverlusts im vorliegenden Fall angewendet würde, ein unmittelbar durch die von MedImmune beanspruchten Verfahren gewonnenes Produkt wäre. Novartis führte jedoch an, dass es nicht angehen könne, das Kriterium des Identitätsverlusts im vorliegenden Fall bedingungslos zugrunde zu legen. Stattdessen sollten das Schwergewicht auf die erfinderische Leistung des Anspruchs bzw. den erfinderischen Anteil des Anspruchs gelegt und die Frage gestellt werden, ob das angeblich patentverletzende Produkt unmittelbar durch dieses Verfahren gewonnen wird. Zur Untermauerung wies Novartis darauf hin, dass der Anspruch eines der angeblich verletzten Patente a) eng gefasster sei als die Ansprüche, bei denen keine Verletzung geltend gemacht worden sei, und b) sich von dem Anspruch unterscheide, bei dem eine erfinderische Leistung nur unter Hinzufügung konventioneller Fertigungsschritte vorliege.
Richter Arnold wies diese Argumentation in [546]-[548] aus drei Gründen zurück. Erstens sei Pioneer gegen Warner für das Patentgericht bindend, und das in diesem Fall vom Beschwerdegericht zugrunde gelegte Kriterium des Identitätsverlusts stelle ein allgemeines Kriterium dar, das bedingungslos angewendet worden sei. Zweitens habe das Beschwerdegericht in diesem Fall das Gutachten von Dr. Bruchhausen als maßgebend angesehen. Er vertrat die Auffassung, dass die Frage davon abhänge, wie die Ansprüche abgefasst waren, und dass der Patentinhaber das Recht habe, durch die Geltendmachung von Ansprüchen auf das gesamte Verfahren Schutz zu erlangen, der über ein erfinderisches Zwischenprodukt hinausgehe. Drittens gehe es bei dem Streit im Wesentlichen um die Territorialität. Novartis bestreite nicht, dass, wenn die Auslegung von MedImmune korrekt sei, die beanspruchten Erfindungen von Genentech zur Herstellung von Ranibizumab verwendet werden. Novartis meine in Wirklichkeit, dass MedImmune Genentech wegen Patentverletzung in den USA und nicht Novartis in England hätte verklagen sollen. Zwar gilt im Patentsystem das Territorialprinzip, jedoch findet es keine strikte Anwendung.
Novartis machte auch geltend, dass die Patente in den Anwendungsbereich von Artikel 8 Absatz 2 der Biotech-Richtlinie fielen und dass Artikel 8 Absatz 2 der Abgrenzung des Patentschutzes diene, sodass das Handeln von Novartis im Zusammenhang mit Ranibizumab (selbst wenn es ansonsten kraft Abschnitt 60 Abs. 1 des Patentgesetzes von 1977 eine Verletzung darstellte) keine Verletzung darstelle. Artikel 8 Absatz 2 bestimmt:
"Der Schutz eines Patents für ein Verfahren, das die Gewinnung eines aufgrund der Erfindung mit bestimmten Eigenschaften ausgestatteten biologischen Materials ermöglicht, umfasst das mit diesem Verfahren unmittelbar gewonnene biologische Material und jedes andere mit denselben Eigenschaften ausgestattete biologische Material, das durch generative oder vegetative Vermehrung in gleicher oder abweichender Form aus dem unmittelbar gewonnenen biologischen Material gewonnen wird."
Richter Arnold wies dieses Argument in [572]-[576] aus den folgenden Gründen zurück. Erstens vertrat er die Ansicht, dass der korrekte Ansatz der sei, den durch den betreffenden Anspruch gewährten Schutz zu berücksichtigen. Bei den von MedImmune geltend gemachten Ansprüchen handele es sich um Verfahren zur Herstellung von Bindemolekülen. Bindemoleküle seien kein biologisches Material im Sinne von Artikel 2 Absatz 1 Buchstabe a der Richtlinie. Es sei unerheblich, dass bei den Verfahren biologisches Material beteiligt sei. Zweitens würde die Anwendung von Artikel 8 Absatz 2 auf Ansprüche wie diese zu überraschenden Konsequenzen führen. Insbesondere wäre es schwierig, wenn nicht gar unmöglich, Patentschutz für rekombinante Verfahren zur Herstellung von Proteinen zu erlangen, da Proteine kein "biologisches Material" im Rahmen der Begriffsbestimmung des Artikels 2 Absatz 1 Buchstabe a sind, rekombinante Verfahren zu ihrer Herstellung aber die Herstellung von biologischem Material beinhalten. Drittens gehe aus den Schlussanträgen von Generalanwalt Jacobs in der Rechtssache C-377/98 Königreich der Niederlande gegen Europäisches Parlament und den Rat der Europäischen Union Slg. 2001, I-07079, hervor, dass der Zweck von Artikel 8 Absatz 2 nicht darin bestehe, den Schutz bei Patenten für biotechnologische Erfindungen durch Verfahrensansprüche einzuschränken, sondern eher auszuweiten.
Regeneron Pharmaceuticals Inc gegen Genentech Inc [2012] EWHC 657 (Pat)
Genentech war Inhaber eines Patents zur Verwendung eines Antagonisten des humanen VEGF (vaskulärer endothelialer Wachstumsfaktor) bei der Vorbereitung eines Arzneimittels zur Behandlung einer nicht neoplastischen (d. h. nicht kanzerogenen) Erkrankung. Genentech machte geltend, dass Regeneron und Bayer das Patent durch die Vermarktung von VEGF Trap-Eye zur Behandlung der altersbedingten Makuladegeneration verletzt hätten. Regeneron und Bayer brachten vor, dass das Patent aus Gründen fehlender Neuheit und fehlender erfinderischer Tätigkeit sowie wegen unzureichender Offenbarung ungültig sei. Richter Floyd erkannte darauf, dass das Patent gültig und verletzt worden sei.
Regeneron und Bayer brachten vor, dass das Patent aus einer Reihe von Gründen unzureichend sei, von denen hier nur der erste erörtert wird. Sie argumentierten, es sei nicht möglich, anhand der Daten im Patent eine zuverlässige Prognose zu treffen, dass die Anti-VEGF-Therapie anspruchsgemäß bei allen nicht neoplastischen Krankheiten wirksam sein werde. Dementsprechend sei das Patent wegen ungebührlicher Anspruchsbreite unzureichend. Richter Floyd wies diese Argumentation aus folgenden Gründen zurück:
"189. Ich bin der Auffassung, dass das Patent insofern ein Prinzip zur allgemeinen Anwendung im Sinne der maßgeblichen Gerichtsentscheidungen offenbart, als es den Anti-VEGF-Antagonismus als Behandlung für alle nicht neoplastischen Krankheiten beansprucht. Die im Patent aufgeführten Tumordaten belegen, dass die VEGF-Hemmung wahrscheinlich eine erfolgreiche Strategie zur Krebsbehandlung darstellt. Der fachlich versierte Leser wird erkennen, dass der Grund, aus dem sie erfolgreich sein dürfte, darin besteht, dass die VEGF-Hemmung zumindest bei Krebsmodellen einen ausreichenden Eingriff zur Verhinderung der Angiogenese darstellt. Nach übereinstimmender Ansicht ist es möglich, diese Schlussfolgerung auf zumindest einige nicht neoplastische Krankheiten auszuweiten …"
"191. Es wäre natürlich nicht möglich, eine einigermaßen zuverlässige Prognose zu treffen, wenn aus der Nachweislage hervorginge, dass die Angiogenese je nach Krankheit in stark unterschiedlicher Form auftritt, sodass bei unterschiedlichen Krankheiten völlig verschiedene Moleküle das Ziel des VEGF-Antagonismus sein könnten. Nach meinem Urteil geht dies aus der Nachweislage ganz und gar nicht hervor ... Nachdem die Erfinder bewiesen hatten, dass die VEGF-Hemmung zur Verhinderung der pathologischen Angiogenese bei Tumoren ausreichte, war die Annahme vertretbar, dass sie auch bei anderen Krankheiten ausreichen werde. Selbstverständlich war in dem Patent der Beweis nicht erbracht, dass dies tatsächlich der Fall war – das ist aber auch nicht notwendig. Wenn das Patent als unzureichend eingestuft werden soll, so kann dies nicht einfach auf der Grundlage geschehen, dass eine therapeutische Wirkung bei allen nicht neoplastischen Krankheiten beansprucht wird."