ARBEITSSITZUNG
Welche Rolle spielt die Absicht in Patentansprüchen?
Christopher FLOYD - Richter am Patents Court, London - Die Rolle der Absicht in Patentansprüchen – alter Lack in neuen Dosen
1. In diesem Vortrag geht es darum, ob die Absicht ein echtes Merkmal eines Patentanspruchs sein kann. Welche Probleme ergeben sich daraus, wenn die Absicht als Anspruchsmerkmal zugelassen wird? Kann die Absicht nur bei bestimmten Arten von Ansprüchen Anspruchsmerkmal sein und wenn ja, bei welchen? Wenn dies nur bei bestimmten Anspruchsarten möglich ist, auf welcher Logik beruht eine derartige Einschränkung der Rolle der Absicht? Meine Schlussfolgerung lautet, dass es keinen logischen Grund dafür gibt, auf der Absicht basierende Merkmale aus einem Anspruch irgendeiner Art auszuschließen, vorausgesetzt, daraus resultiert kein Anspruch, der geeignet ist, bekannte Handlungen neu zu monopolisieren. Dies setzt eine größere Flexibilität bei der Abfassung von Ansprüchen voraus. Im Lichte der EuGH-Entscheidung in Monsanto v Cefetra1 über die Auswirkungen der Biotechnologierichtlinie wird diese Fragestellung wahrscheinlich an Bedeutung gewinnen2. Bevor ich näher darauf eingehe, möchte ich kurz in die Thematik einführen und die – jüngere und ältere – Vorgeschichte skizzieren.
Möglichkeiten zur Festlegung des Anspruchsumfangs
2. Die grundlegenden Prinzipien sind allgemein bekannt: Ansprüche können auf Erzeugnisse oder auf Verfahren gerichtet sein. Wie jeder Patentanwalt weiß, kann der Schutzbereich eines Anspruchs durch Hinzufügung von technischen Merkmalen eingeschränkt werden.
3. Bisweilen gerät jedoch in Vergessenheit, dass ein Anspruch auch auf einer zweiten Ebene eingeschränkt werden kann. Ein Anspruch hat einen Schutzbereich auch in dem Sinne, dass bestimmte Handlungen durch den Anspruch untersagt werden. Bei einem Erzeugnis sind dies die Herstellung, der Gebrauch, die Einfuhr, das Anbieten, der Verkauf usw. des Erzeugnisses. Ein Verfahrensanspruch steht dem Gebrauch des Verfahrens entgegen und schützt das mit dem Verfahren unmittelbar gewonnene Erzeugnis.
4. Demnach kann ein Erzeugnisanspruch grundsätzlich nicht nur durch technische Merkmale, sondern auch durch eine Einschränkung der in seinen Schutzbereich fallenden Handlungen enger gefasst werden.
5. Im Grunde muss jeder Anspruch auf eine Erfindung gerichtet sein, ganz gleich, wie diese beansprucht wird. Die Unterscheidung zwischen Erzeugnis- und Verfahrensansprüchen ist für viele Zwecke hilfreich, doch ist sie keineswegs grundlegend. Tatsächlich schließt ein Erzeugnisanspruch in seinem Schutzbereich alle Verfahren zur Herstellung dieses Erzeugnisses ein. Der sogenannte "Verwendungsanspruch" stellt eine Beschränkung eines Erzeugnisanspruchs auf eine der geschützten Handlungen dar, nämlich die Verwendung. Er unterscheidet sich nicht grundlegend von einem Erzeugnisanspruch.
6. Wichtig an Ansprüchen ist nicht die Kategorie, in die sie fallen, sondern, ob sie genau auf den Beitrag des Patentinhabers zum Stand der Technik zugeschnitten sind. Die verschiedenen Ebenen, auf denen der Anspruchsumfang eingeschränkt werden kann, ermöglichen eine große Flexibilität beim Zuschnitt des Anspruchs, sofern hier keine starren Hindernisse aufgestellt werden.
Das englische Recht vor Inkrafttreten des EPÜ
7. Traditionell hat der englische Patentanwalt Patente immer nur als Schutz für Erzeugnisse und Verfahren betrachtet. Die Absicht als solche spielte keine Rolle in einem Patentanspruch. Ein altes Erzeugnis zum Beispiel wurde nicht neu, wenn es zu einem anderen Zweck hergestellt wurde, und ein altes Verfahren wurde nicht neu, wenn es mit einem anderen Ziel durchgeführt wurde. In beiden Fällen mussten die jeweiligen Erzeugnismerkmale oder die physischen Schritte des Verfahrens selbst neu sein. Andernfalls würden durch das Patent alte Gegenstände bzw. alte Tätigkeiten neu monopolisiert.
8. Wenn also ein Erzeugnisanspruch beispielsweise die Formulierung "Vorrichtung zur Reinigung von Holzböden" enthielt und der Beklagte eine Vorrichtung herstellte, die für die Reinigung von Marmorböden vorgesehen war, so konnte damit der Vorwurf der Verletzung nicht entkräftet werden, wenn die Vorrichtung des Beklagten tatsächlich für die Reinigung von Holzböden geeignet war und ansonsten alle Merkmale des klägerischen Anspruchs umfasste; seine Absicht, diese für die Reinigung von Marmorböden zu verwenden, war irrelevant. Das Wörtchen "for" ("zu/für") wurde immer ausgelegt im Sinne von "tatsächlich geeignet zu" und nicht "vom Hersteller, Händler oder Benutzer vorgesehen zu". Ebenso wenig konnte man dadurch einen neuen Anspruch erzeugen, dass man nach der Nennung der Merkmale eines bekannten Bodenreinigers, der sich tatsächlich zur Reinigung von Marmor eignete, lediglich die Worte "zur Reinigung von Holzböden" einfügte.
9. Zumindest theoretisch galt das auch für Verfahrensansprüche. In diesem Fall ist es jedoch sehr viel wahrscheinlicher, dass das Wort "for" etwas über die Verfahrensschritte aussagt. Bei einem Verfahren zur Herstellung der Verbindung A ist es naturgemäß wahrscheinlich, dass sich dieses Verfahren von einem Verfahren zur Herstellung der Verbindung B unterscheidet. Man durfte aber nicht identische Verfahrensschritte einfach durch ein Merkmal neu monopolisieren, das sich auf die Absicht des Benutzers bezog.
10. Das Standardwerk zum Patentrecht des Anwalts Blanco-White enthält einen mit "For" überschriebenen Abschnitt3. Darin rät Blanco-White wegen der sich daraus ergebenden Auslegungsschwierigkeiten dringend von der Verwendung von Formulierungen wie "für ein Fahrrad" in Ansprüchen ab. Die Beschränkung eines Erzeugnisanspruchs auf ein bestimmtes Einsatzgebiet durch Verwendung des Wörtchens "for" führe tendenziell dazu,
"bestenfalls reine Neuheit ohne erfinderischen Gegenstand zu verleihen, und schlimmstenfalls reine 'Neuheit des Zwecks'".
11. Diese Textstelle ist interessant. "Reine Neuheit" suggeriert, dass der Anspruch tatsächlich neu ist, vermutlich, weil es einiger Anpassungen bedarf, damit sich das Erzeugnis für den neuen Zweck eignet. Die Schwierigkeit bei der Auslegung liegt darin, dass entschieden werden muss, wie viel Anpassung vorausgesetzt werden kann. "Ohne erfinderischen Gegenstand" suggeriert, dass eine solche Anpassung an den neuen Zweck als naheliegend anzusehen ist. Das mag in vielen Fällen zutreffen. Ein Beispiel könnte eine Klingel eines Typs sein, der als Türklingel bekannt ist, von der aber angegeben wird, sie sei "für ein Fahrrad". Einige Anpassungen, mit denen die Klingel dafür tauglich gemacht wird, an einem Fahrrad befestigt zu werden, müssten im Anspruchswortlaut ihre Entsprechung finden. Ob der Fachmann tatsächlich daran denken würde, diese besondere Türklingel für ihre Verwendung an einem Fahrrad anzupassen, wäre eine Tatfrage.
12. Wenn Blanco-White von "schlimmstenfalls reine Neuheit des Zwecks" spricht, denkt er dabei vermutlich an die Fälle, in denen das Wort "for" keine Anpassung des Erzeugnisses impliziert. Ein bekannter Lack "zum" Anstreichen von Brücken wäre ein Beispiel. Nach der traditionellen Auffassung wird das Erzeugnis nicht dadurch neu, dass ein neuer Zweck angegeben wird. Auf der Dose kann eine neue Gebrauchsanweisung aufgedruckt sein, doch der Lack bleibt derselbe alte Lack. Aber muss dem immer so sein, wenn es erfinderisch ist, überhaupt an die neue Verwendung zu denken? Kann die Antwort lauten, dass man sich immer statt dessen mit einem entsprechenden Verfahrensanspruch behelfen kann? Die meisten Patentinhaber würden dies wegen der leichteren Durchsetzbarkeit von Erzeugnisansprüchen verneinen. Und welchen Sinn hat es, den Patentinhaber zu zwingen, sich der einen statt der anderen Anspruchsform zu bedienen?
13. In Adhesive Dry Mounting v Trapp4 (1910) war Anspruch 1 des Patents auf ein Verfahren zum Aufziehen von Fotografien gerichtet, bei dem eine dünne Schicht eines wie beschrieben hergestellten Materials zwischen die Fotografie und die Unterlage angebracht wurde und anschließend Wärme und Druck auf die beiden Teile angewandt wurden. Anspruch 2 lautete:
"Zur praktischen Umsetzung des [besagten] Verfahrens wird eine Folie, die bei Erwärmung klebrig wird und aus einem dünnen Blatt Papier oder sonstigem Trägermaterial besteht, das in eine Gummilösung getaucht wurde, sodass der Klebstoff in den Träger aufgenommen wurde…"
14. Der Patentinhaber verklagte einen Folienverkäufer. Er argumentierte, dass Anspruch 2 auf die zur Verwendung im betreffenden Verfahren vorgesehene Folie gerichtet sei, sodass der Verkauf der Folie in der Absicht, sie in diesem Verfahren einzusetzen, eine Patentverletzung darstelle. Mit anderen Worten sagte er damit, dass es sich um einen zweckgebundenen Erzeugnisanspruch handele.
15. Judge Parker stellte fest, dass der Anspruch sich auf die Folie selbst beziehe und es sich somit um einen Erzeugnisanspruch handle, weil damit vermutlich versucht werde, etwas anderes zu beanspruchen als mit dem ersten, auf ein Verfahren gerichteten Anspruch. Dementsprechend verletzten die Verkäufer das Patent durch den Verkauf des Erzeugnisses. Nach seiner Auffassung wurde der Anspruch jedoch durch eine Patentschrift vorweggenommen, in der dasselbe Material für einen anderen Zweck offenbart wurde, nämlich als Pauspapier oder als Tee- oder Tabakverpackung. Parker führte dazu aus:
"Die Idee, ein altes Material zu einem völlig neuen Zweck zu verwenden, der mit seinem bisherigen Verwendungszweck nichts gemein hat, kann zwar durchaus patentierbar sein, würde aber, so erfinderisch sie auch sein mag, kaum einen Anspruch auf das Material selbst rechtfertigen."
16. Der Patentinhaber beantragte indes natürlich kein Monopol auf die Folie selbst, sondern nur auf den Verkauf der Folie in einer bestimmten Absicht – ein beschränkter Sonderfall des durch einen Erzeugnisanspruch verliehenen Schutzes. Der Richter lehnte es ab, den Anspruch auf diese Weise zu betrachten, obwohl er es als erfinderisch wertete, eine neue Verwendung für ein bekanntes Erzeugnis zu finden. Nach dem damals geltenden Recht lag er damit zweifellos richtig – aber sind wir sicher, dass dieser Ansatz grundsätzlich der richtige ist?
17. Sehr viel später musste sich das Patents Appeal Tribunal in Eli Lilly & Co's Application5 mit einer Anmeldung für bekannte chemische Verbindungen befassen, für die neue und nützliche entzündungshemmende Wirkungen entdeckt worden waren. Der Anspruch sollte Folgendes schützen:
"Die Herstellung, die Lieferung oder die Einfuhr von … Verbindungen … in der Absicht, diese als entzündungshemmende Wirkstoffe zu verwenden".
18. Der betreffende Anspruch stellt eine interessante und kreative Anspruchsmischform dar. Ein Anspruch auf ein Erzeugnis verleiht dem Patentinhaber ein Monopol auf alle geschützten Handlungen. Der vorliegende Anspruch bedient sich einiger der Handlungen, die normalerweise bei Erzeugnisansprüchen unter Schutz gestellt werden, nämlich der Herstellung, der Lieferung und der Einfuhr, und schränkt sie durch Angabe der Absicht ein, in der sie ausgeführt werden. Der Patentinhaber ging weiter als derjenige in Adhesive Dry Mounting, der das Gericht aufgefordert hatte, in das Wort "zu" eine Absicht hineinzulesen; er legte in dem Anspruch als ausdrückliches Erfordernis eine Absicht fest.
19. Der Anspruch aus Eli Lilly stellte den Versuch dar, unter der Geltung des früheren englischen Rechts das zu erreichen, was später unter der Geltung des EPÜ in der Entscheidung in Eisai6 mithilfe der schweizerischen Anspruchsform erreicht wurde. In beiden Rechtsordnungen war die Option eines herkömmlichen Verfahrensanspruchs durch den Ausschluss von Verfahren zur Behandlung des menschlichen Körpers versperrt. Daher mussten die Ansprüche auf frühere Schritte bei der Bereitstellung des Erzeugnisses zurückgreifen. In beiden Ansprüchen wird das Augenmerk auf seine Herstellung gerichtet. Der Eli Lilly-Anspruch stellte außerdem auch auf die Lieferung oder Einfuhr ab.
20. Die zur Verteidigung des Eli Lilly-Anspruchs vorgebrachte Argumentation war ebenfalls interessant. Sie lautete, dass Absicht relevant sein kann, wenn es zu entscheiden gilt, ob eine mittelbare Verletzung eines Verfahrensanspruchs vorliegt. Daher gebe es keinen Grund, weshalb das Monopol nicht durch Hinweis auf eine Absicht eingeschränkt werden könne.
21. Das Gericht blieb von dem ausgeklügelten Anspruch und der ebensolchen Argumentation des Anwalts von Eli Lilly unbeeindruckt:
"Die Absicht eines allein handelnden Patentverletzers ist seit den frühesten Tagen stets als für die Frage der Patentverletzung irrelevant erachtet worden. Der Test muss objektiv und nicht subjektiv sein, und das Gericht verweist diesbezüglich auf den bekannten Ausspruch von Sir Thomas Wilde, C. J. in Stead v Anderson aus dem Jahr 1846, (1846) 2 WPC 147, 156: 'unseres Erachtens ist klar, dass die Klage im Hinblick auf das Tun des Beklagten und nicht auf seine Absicht zu rechtfertigen ist.'
22. Diese alten Fälle aus England zeigen, dass man einem Patentinhaber nur ungern zugesteht, einen Anspruch auf ein Erzeugnis zu richten, das für eine bestimmte Verwendung vorgesehen ist, sei es ausdrücklich oder durch Auslegung des Wortes "for". Der Vertreter im Fall Eli Lilly brachte jedoch ein gewichtiges Argument vor, das modern ausgedrückt wie folgt lautet: Wenn es den Rechtsbegriff des "contributory infringement" (mittelbare Patentverletzung) gibt, wonach sich das Verbietungsrecht auf den Handel mit Erzeugnissen erstreckt, von denen der Händler weiß, dass sie dazu geeignet und bestimmt sind, für die Benutzung der Erfindung verwendet zu werden, warum darf man dann nicht gleich einen Anspruch in dieser Weise formulieren?
Rechtslage nach Inkrafttreten des EPÜ
23. Inwieweit hat dieses alte englische Verbot der Beschränkung von Erzeugnisansprüchen auf ihren Zweck die Angleichung des Rechts an das Europäische Patentübereinkommen überlebt? Laut EPA-Prüfungsrichtlinien7 ist "zu" entsprechend dem alten englischen Ansatz im Sinne von "geeignet zu" auszulegen. Dennoch sind der Rechtsprechung der Beschwerdekammern8 zufolge Ansprüche zulässig, deren einzige Neuheit im Verwendungszweck besteht.
24. Verkompliziert wird die Angelegenheit noch durch die Wechselwirkung mit der Patentierbarkeit der zweiten und jeder weiteren medizinischen Verwendung und der in der Rechtsprechung entstandenen umfangreichen Ausnahmeregelung, mit der dieses Problem überwunden werden soll. Über diese Entwicklung ist schon viel geschrieben worden. Insbesondere wurde die spezielle Ausnahme für die erste medizinische Verwendung durch die sogenannte schweizerische Anspruchsform auf die zweite und jede weitere medizinische Verwendung ausgedehnt.
25. Bei der schweizerischen Anspruchsform ist die Neuheit bedingt durch den letztendlichen Behandlungszweck. Der Anspruch hat die Form
Verwendung [des bekannten Stoffes X] zur Herstellung eines Arzneimittels zur Behandlung [der Krankheit Y].
26. Es lohnt sich, einen Augenblick bei diesem Anspruch zu verweilen. Es handelt sich um eine komplexe Anspruchsform. Ausgegangen wurde von einem Erzeugnisanspruch auf die Verbindung X, der auf verschiedene Weise eingeschränkt wurde. Hierbei wurden
a) die geschützten Handlungen auf die "Verwendung" des Erzeugnisses beschränkt,
b) die Verwendung darüber hinaus auf die "Verwendung zur Herstellung eines Arzneimittels" beschränkt, und
b) der Anspruch weiter durch Bezugnahme auf die beabsichtigte Verwendung des Arzneimittels eingeschränkt.
27. Derartige Ansprüche werden genutzt, wenn der Stoff X bereits zur Herstellung eines Arzneimittels zur Behandlung einer Krankheit verwendet wurde. Nichts unterscheidet also den neuen Anspruch von dem alten außer der Zweck, zu dem die Handlungen durchgeführt werden. Es ist deshalb nachvollziehbar, dass die englischen Richter von diesem Ergebnis überrascht waren. Sie folgten jedoch treu der vom EPA vorgegebenen Richtung, wenn auch sichtlich widerstrebend.9
28. Das letzte Kapitel in der Geschichte der medizinischen Verwendung wurde mit der Revision des Europäischen Patentübereinkommens geschrieben. Mit den Änderungen wurde eine gesetzliche Grundlage für Ansprüche geschaffen, die direkt auf ein Erzeugnis zur Verwendung in einem neuen Behandlungsverfahren gerichtet sind, selbst wenn der Stoff oder das Stoffgemisch für ein früheres Behandlungsverfahren bekannt ist10:
Stoffe oder Stoffgemische zur spezifischen Anwendung in einem Verfahren [zur chirurgischen oder therapeutischen Behandlung des menschlichen oder tierischen Körpers und Diagnostizierverfahren, die am menschlichen oder tierischen Körper vorgenommen werden], wenn diese Anwendung nicht zum Stand der Technik gehört.
29. Es ist nunmehr anerkannt, dass diese Vorschrift selbst dann gilt, wenn sich die neue medizinische Verwendung auf eine neue Dosierungsform beschränkt11. Damit ist es nun zulässig, für die neue medizinische Verwendung das Erzeugnis selbst zu beanspruchen. Die schweizerische Anspruchsform hat ihren Zweck erfüllt und kann abgeschafft werden.
30. Dass auf diesem eng begrenzten Gebiet eine explizite Rechtsgrundlage erforderlich war, legt nahe, dass die Angabe einer Absicht oder einer Zweckbestimmung im Allgemeinen nicht geeignet sein wird, einem alten Erzeugnis zu Neuheit zu verhelfen.
31. Man sollte meinen, dass sich mit der Lösung des spezifischen Problems von Erzeugnissen zur medizinischen Behandlung das Problem der Absicht in Patentansprüchen erledigt hätte. In außerhalb der Medizin angesiedelten Fällen müsste es einen zulässigen Verfahrensanspruch geben, der für angemessenen Schutz sorgt. Lange vor dem EPÜ 2000 hat jedoch die schweizerische Anspruchsform für eine zweite medizinische Indikation einen Ableger hervorgebracht: die zweite nicht medizinische Verwendung in Reibungsverringender Zusatz/Mobil12. Für diese Entscheidung hat auch das EPÜ 2000 keine Rechtsgrundlage geschaffen, und die Probleme, die sie aufwirft, sind weiterhin relevant.
32. Ich möchte die bemerkenswerte Urteilsbegründung in diesem Fall in Erinnerung rufen. Mobil hatte entdeckt, dass ein bekannter Schmierölzusatz, von dem bereits offenbart worden war, dass er die Bildung von Rost verhindere, eine bislang unbekannte reibungsverringernde Wirkung hatte. Da das EPA der Firma Mobil einen einfachen Erzeugnisanspruch verweigerte, änderte diese ihren Anspruch dahin gehend, dass die Verwendung des Stoffs "als reibungsverringernder Zusatz" beansprucht wurde.
33. Mobil unternahm keinen Versuch, den Zusatz "zur Reibungsverringerung" zu beanspruchen, d. h., sich eines zweckgebundenen Erzeugnisanspruchs zu bedienen, sondern entschied sich stattdessen dafür, auf einen Anspruch auszuweichen, dem die Verwendung des Zusatzes als reibungsverringender Stoff zugrunde lag. Die Bedeutung des Falls lag darin, dass auch der auf die Verwendung gerichtete Anspruch hinsichtlich der physischen Schritte nichts Neues definierte. Es wurde lediglich verlangt, den Zusatz in der gleichen Menge wie für den alten Zweck in den Motor zu füllen. Aus dem Sachverhalt ergibt sich, dass beide Wirkungen (Verhinderung von Rostbildung/Reibungsverringerung) offenbar zwangsläufig eintraten.
34. Die Technische Beschwerdekammer des EPA stellte in Mobil fest, dass die Verwendung neu sei, weil damit eine im Stand der Technik nicht offenbarte technische Wirkung erzielt werde. Wäre die technische Wirkung nicht von der früher offenbarten Verwendung mitumfasst gewesen, so wäre an dieser Entscheidung natürlich nichts außergewöhnlich gewesen. Die TBK urteilte jedoch, dass die Tatsache, dass die Wirkung der früheren Verwendung innegewohnt habe, irrelevant sei; worauf es ankomme, sei, ob die Wirkung der Öffentlichkeit zugänglich gemacht worden sei.
35. Dementsprechend gestattete die TBK die Patenterteilung aufgrund der Tatsache, dass die neu entdeckte technische Wirkung der Öffentlichkeit durch die früher offenbarte Verwendung nicht zugänglich gemacht worden sei. Diese Urteilsbegründung ist an anderer Stelle kritisiert worden13. Dass sich daraus Schwierigkeiten ergeben, steht außer Zweifel.
36. Wie auch immer man über diese Begründung denken mag – klar ist, dass in vielen Fällen ein wertvoller Beitrag von jemandem geleistet wird, der eine neue technische Wirkung entdeckt, die einer alten Verwendung innewohnt. Die Fälle der medizinischen Behandlung sind dafür Beispiele. Davon ganz abgesehen kann eine Vorveröffentlichung in den Bibliotheken der Welt ungenutzt herumstehen, weil sie ein ziemlich schlechtes Rostschutzmittel offenbart. Der Erfinder, der darauf kommt, dass dieser Stoff eine ganz andere und wertvollere Wirkung besitzt, leistet einen Beitrag. Das Problem besteht darin, wie man diesem Erfinder ein Monopol verleihen kann, bei dem angemessen zwischen Tätigkeiten unterschieden wird, die sich seinen Beitrag zum Stand der Technik zunutze machen, und solchen, bei denen dies nicht zutrifft.
37. Ein Beispiel zeigt, wie schwierig das sein kann. Angenommen, anders als im Mobil-Fall hätte jemand den Zusatz einige Zeit als Rostschutzmittel verkauft, ohne zu merken, dass er eine reibungsverringernde Wirkung hat. Später wäre eine Patent für die Verwendung des Zusatzes zur Reibungsverringerung erteilt und dem Vorbenutzer eine Kopie des Patents übermittelt worden. Dem Vorbenutzer wäre nun bewusst, dass er den Zusatz verkauft, der die neu entdeckte technische Wirkung hat. Er täte nichts anderes als zuvor, und doch beginge er nun eine Patentverletzung, weil er den Zusatz "zu" dem neuen Zweck verwendet. Er hätte die im Patent beanspruchte "Absicht" und müsste entweder den Verkauf einstellen oder sich beim Patentinhaber eine Lizenz beschaffen. Dabei möchte er doch nur das, was er bisher getan hat, auch weiterhin tun.
38. Einige schlagen zur Lösung dieses Problems vor, dem Vorbenutzer das Recht einzuräumen, weiterzumachen. Falls dem so ist, sollte das klargestellt werden – was im Gemeinschaftspatentübereinkommen nicht geschehen ist14. Eine umfassende Lösung ist das jedenfalls nicht. Warum sollte etwa ein Akteur, der erstmals am Markt tätig wird, nicht das Recht haben, das Erzeugnis ausschließlich für die alte Verwendung zu verkaufen?
39. Mobil war tatsächlich ein sehr schwieriger Fall. Meines Erachtens sollte man jedoch den sich daraus ergebenden Schwierigkeiten begegnen, indem man etwas definiert, das tatsächlich neu ist, anstatt einzig und allein auf die Absicht abzustellen. Die Schwierigkeit, vor die uns dieser Fall stellt, liegt darin, ein Monopol zu definieren, das dem späteren Erfinder einen gewissen Schutz gewährt, ohne die Möglichkeit zuzulassen, dass die Öffentlichkeit daran gehindert wird, etwas zu tun, was im Stand der Technik ausdrücklich gelehrt wird. Es wurde vorgebracht, dass der Anspruch in Mobil hierfür ungeeignet gewesen sei15:
"Verwendung von mindestens 1 Gew-% bezogen auf das Gesamtgewicht des Gemisches, eines borierten Glycerin- oder Thioglycerinesters, hergestellt [mit dem Verfahren], als reibungsverringernder Zusatz in einem Schmiermittel mit einem Hauptanteil Schmieröl."
40. Wer das Öl mit dem Zusatz in den Motor einfüllt, verwendet es zwangsläufig als reibungsverringernden Zusatz, ganz unabhängig davon, ob er den Stand der Technik oder das Patent ausführt. Dem Patentsystem liegt der Leitgedanke zugrunde, dass niemand durch ein Patent daran gehindert werden sollte, etwas zu tun, das naheliegend oder alt ist. Dass er genau daran gehindert werden könnte, indem er einfach nur von einer durch sein Handeln hervorgerufenen technischen Wirkung in Kenntnis gesetzt wird, ist ein ziemlich bizarres Ergebnis, insbesondere, wenn der Betreffende an dieser Wirkung gar nicht interessiert ist. Der Anspruch des Patentinhabers sollte nicht so weit reichen, dass er sich auf die gleiche, mit neuem Wissen durchgeführte Handlung erstreckt.
41. Aber was wäre von einem enger gefassten Anspruch zu halten, der auf eine Dose Öl samt Zusatz in Verbindung mit Anweisungen zu seinem Gebrauch zur Reibungsverringerung gerichtet ist? Oder von einem Anspruch, der auf die Förderung der Verwendung des Zusatzes oder auf Werbung hierfür in Verbindung mit einem Anspruch auf die Reibungsverringerung gerichtet ist? Solche Ansprüche sind neu, stützen sich nicht auf eine Absicht an sich, sondern vielmehr auf objektive Anhaltspunkte für eine Absicht, und beeinträchtigen die Verwendung zu dem alten Zweck nicht. Wer für die neue Wirkung wirbt, macht direkten Gebrauch vom Beitrag des Patentinhabers zum Stand der Technik – anders als derjenige, der das Erzeugnis lediglich in Kenntnis dieser Wirkung verwendet.
42. Auch mit diesem Ansatz hätte es vor Inkrafttreten des EPÜ im Vereinigten Königreich Probleme gegeben. In der Entscheidung Ciba Geigy (Durr's Applications) [1977] RPC 83 ging es um die Entdeckung, dass ein bekanntes Unkrautvernichtungsmittel gegen dikotyles Unkraut zur selektiven Bekämpfung von monokotylem Unkraut bei monokotylen Feldfrüchten eingesetzt werden konnte. Der Court of Appeal stellte sich auf einen legalistischen Standpunkt und lehnte es ab, einen mit einer entsprechenden Gebrauchsanweisung versehenen Anspruch auf die bekannte Verbindung zuzulassen. Er urteilte, dass dies keine "Art neues Erzeugnis" sei. Für die Geschäftswelt ist es aber genau das.
43. Man mag einwenden, dass damit ein "Gedankendelikt" geschaffen wird, was gegen die altmodischen Grundsätze verstößt, die ich erwähnt habe. Da aber das Patentsystem dazu dient, den Gebrauch von erfinderischen Ideen durch Dritte zu verhindern, gibt es keinen Grund, den Schutz nicht auf grundsätzlich alle Tätigkeiten auszudehnen, die von der Idee Gebrauch machen, sofern diese Form von Schutz nicht potentiell bekannte Tätigkeiten beeinträchtigen kann.
44. Dass diese einfachen Problemlösungen sich nicht durchgesetzt haben, ist meines Erachtens auf die vermeintliche fehlende Flexibilität bei der Abfassung von Ansprüchen zurückzuführen. Eine größere Flexibilität bei der Anspruchsformulierung würde es jedoch erlauben, einen angemessen Schutz zu gewähren, ohne unter Umständen den freien Zugang zu Teilen des Stands der Technik zu versperren.
45. Das EPA hat auf Gebrauchsanweisungen gerichtete Ansprüche verworfen, da es die Anweisungen als nichttechnische Merkmale ansah, siehe z. B. Procter & Gamble/Stain removal method T 553/02. Ist es aber richtig, Anweisungen zu den bei einem Verfahren durchzuführenden Schritten als nichttechnisch und die Schritte selbst als technisch anzusehen?
46. In anders gelagerten Fällen könnte es noch bessere Wege geben, den Beitrag des Patentinhabers zum Stand der Technik zu erfassen, ohne das Recht zur Verwendung zum alten Zweck zu beeinträchtigen, sofern nicht zu starre Vorschriften über die Abfassung von Ansprüchen dies verhindern.
47. Der britische Court of Appeal deutete dies in Actavis v Merck [2008] EWCA Civ 444 zumindest in Bezug auf die schweizerische Anspruchsform an:
"Im Fall Bristol-Myers Squibb fragte sich Justice Jacob, wie ein solcher Anspruch funktionieren könnte, was die Verletzung betreffe, und war der Ansicht, dass er zu Schwierigkeiten führen könnte. In manchen Fällen mag das so sein (z. B. wenn das Erzeugnis als einfaches Standardprodukt vertrieben wird, wie etwa bei Aspirintabletten). In vielen Fällen könnte die Schwierigkeit jedoch eher theoretisch als real sein, denn Hersteller, insbesondere von verschreibungspflichtigen und wahrscheinlich auch von vielen anderen Arzneimitteln, müssen detaillierte Anweisungen und Informationen über die Anwendung(en) und Dosierung(en) ihrer Erzeugnisse bereitstellen. In der Praxis lässt sich also ermitteln, ob jemand X zur Herstellung eines Arzneimittels zur Behandlung von Y verwendet hat. Auf seinem Beipackzettel muss er angeben, dass sein Erzeugnis zur Behandlung von Y bestimmt ist."
48. Warum ist es also nicht legitim, "Stoff X in Verbindung mit Anweisungen für seine Verwendung im Verfahren Y" zu beanspruchen? Ein EPA-Fall und ein englischer Fall legen nahe, dass dies nicht möglich sei. Ich frage mich aber, warum dem so sein sollte16.
49. Im oben erwähnten Fall wird der Grundsatz, dass der Zweck generell Neuheit verleihen kann, in einem obiter dictum offenbar in gewisser Weise gebilligt:
"Anders verhält es sich nach der Rechtsprechung des EPA, die 1984 im Fall Eisai begründet wurde. Bevor wir näher auf Eisai eingehen, ist es wichtig, auf eine parallele, eng damit zusammenhängende Entwicklung hinzuweisen, die etwas später in einem anderen Zusammenhang als dem der medizinischen Verwendung eingetreten ist. In [Mobil] hat die Große Beschwerdekammer festgestellt, dass die "Verwendung von X als reibungsverringender Zusatz in einem Schmiermittel" neu sei, obwohl die Verwendung von X in einem solchen Mittel zur Verhinderung von Rostbildung bekannt war. Ein neuer Zweck für eine Verwendung kann auch dann Neuheit begründen, wenn der Stoff alt und als solcher nicht patentierbar ist. Lord Hoffmann hat in Merrell Dow v Norton [1996] RPC 76 auf die Schwierigkeiten hingewiesen, die sich bei dieser Art Anspruch im Hinblick auf eine Patentverletzung ergeben könnten, hat aber offensichtlich bewusst davon abgesehen, einen Verwendungsanspruch des Typs "Mobil " für ungültig zu erklären." (Hervorhebung hinzugefügt).
50. Später führt der Richter aus:
"Die rechtspolitischen Gründe, derartige Ansprüche zuzulassen, ähneln stark denjenigen, die hinter Mobil/reibungsverringernder Zusatz stehen (ohne die Komplikation durch das Verbot von Ansprüchen auf eine therapeutische Verwendung). Wie Justice Jacob in BMS angemerkt hat: 57. … Es lässt sich darüber streiten, ob es einen logischen oder vernünftigen Unterschied zwischen [Mobil] und der Entscheidung in Eisai gibt. Schließlich ist es der neue Zweck (die zweite medizinische Verwendung), zu dem das Erzeugnis bei der schweizerischen Anspruchsform hergestellt wird, der angeblich Neuheit begründet. Das Erzeugnis und sein Herstellungsverfahren sind alt. Der Versuch, einen Kurs zu steuern, bei dem man Eisai akzeptiert und Mobil dennoch für falsch hält, wird bestenfalls mehr verquaste Logik hervorbringen."
51. Ich glaube, dass eine gewisse Vorsicht geboten ist, bevor man das Konzept uneingeschränkt übernimmt, wonach der Verwendungszweck einem Stoff Neuheit verleiht. Die Debatte ist nach Actavis in zwei erstinstanzlichen englischen Entscheidungen weitergeführt worden.
52. Ich möchte die beiden nach Actavis v Merck entschiedenen Fälle aus England kurz schildern. Der erste ist FNM Corporation v Drammock International Limited [2009] EWHC 1294 (Pat). In diesem Fall musste Justice Arnold den Begriff "Stoffgemisch zur Herstellung eines Vorrats an wässriger Kühllösung" auslegen. Es handelte sich also um ein für einen bestimmten Zweck vorgesehenes Erzeugnis. Die Kontrahenten behaupteten nun, dies bedeute "zum Zwecke …" (Patentinhaber) bzw. "geeignet zu" (Beklagter). Aus der Behauptung des Patentinhabers folgte, dass die Stoffgemische aus dem Stand der Technik, die nicht ausdrücklich für die angegebene Verwendung bestimmt waren, die Erfindung nicht vorwegnahmen. Er berief sich auf die Ausführungen von Lord Justice Jacob in Actavis v Merck, die ich weiter oben zitiert habe, und argumentierte weiter, dass das Konzept, wonach der Zweck ein Anspruchsmerkmal sein könne, für Erzeugnis- und Verfahrensansprüche gleichermaßen gelte. Justice Arnold stellte zutreffend fest, dass das Recht bislang nur Verwendungsansprüche abdecke. Was wäre aber, wenn der Anspruch dahin gehend geändert oder ausgelegt worden wäre, dass er "Stoffgemisch mit einer Gebrauchsanweisung" bedeute?
53. Der zweite Fall ist Folding Attic Stairs Limited v The Loft Stairs Company Limited [2009] EWHC 1221 (Pat). Laut dem Anspruch in diesem Fall musste eine bestimmte Distanz "vorgegeben" werden. Richter Peter Prescott QC urteilte, dass damit eine gewisse Absicht auf Seiten des Herstellers geltend gemacht werde. Er zog die allgemeine These, dass ein Patentanspruch kein Absichtselement enthalten kann, mit folgenden Worten in Zweifel:
"Im Patentrecht gibt es ein altes Vorurteil bzw. eine alte Tradition, wonach in Patentansprüchen keine Formulierung verwendet werden sollte, die eine Absicht zum Ausdruck bringt (siehe Eli Lilly & Co's Application [1975] RPC 438, 444). Angeblich reicht diese Tradition bis ins frühe neunzehnte Jahrhundert zurück; doch erscheint fraglich, ob dies heute noch geltendes Recht nach dem Patents Act von 1977 und dem Europäischen Patentübereinkommen ist. Dieser Ansatz ist in vielen Pharmapatenten aufgegeben worden, deren Ansprüche in der sogenannten schweizerischen Anspruchsform abgefasst sind. Was diese tatsächlich bedeuten (und das bestreitet niemand mehr), ist "Verwendung einer bekannten Zutat X zur Herstellung eines Arzneimittels zur Behandlung der Krankheit Y", d. h., zu dem Zwecke oder in der Absicht, die Krankheit Y zu behandeln. In diesem Fall hat sich das Recht zweifellos weiterentwickelt. Entscheidend war in einer jüngeren Entscheidung des Court of Appeal nicht einmal die Absicht, ein anderes Krankheitsbild zu behandeln, sondern die Absicht, dies mit einer anderen Dosierung zu tun (Actavis UK Ltd v. Merck & Co Inc [2008] EWCA Civ 444). Der wirkliche Grund, aus dem solche Ansprüche zugelassen werden, ist, dass der Erfinder andernfalls seine Erfindung überhaupt nicht schützen lassen könnte. Sie setzen jedoch voraus, dass der Zweck oder die Absicht aufseiten des Herstellers geprüft wird. Ist das aber bei Pharmapatenten zulässig, dann sehe ich nicht ein, warum dies auf anderen Gebieten nicht der Fall sein könnte. Ich glaube, dass die Worte 'vorbestimmt' oder 'vorgegeben' von den Verfassern von Patenten schon lange dazu verwendet worden sind, eine Absicht anzuzeigen, wenngleich eher verdeckt. Warum nicht offen dazu stehen?"
54. Ein anderer Richter hat die Allgemeingültigkeit der These, dass "zu" niemals "zum Zwecke" bedeuten kann, ebenfalls in Zweifel gezogen: siehe Judge Lewison in Zeno Corporation v BSM Bionic Solutions Management GmbH [2009] EWHC 1829 (Pat) at [26] – [30].
55. In einem Fall aus der Schweiz17 bezogen sich die Ansprüche auf eine Vorrichtung zum Beschichten nicht textiler Materialien mit einer pulverförmigen Substanz. Es stellte sich die Frage, ob die Ansprüche in Bezug auf nachgeahmte Vorrichtungen durchgesetzt werden konnten, die zum Beschichten von Textilunterlagen vertrieben wurden. Das Bundesgericht stellte fest, dass die Angabe einer Absicht oder einer Zweckbestimmung den Schutzbereich eines Anspruchs in der Regel nicht einschränkt. Der vorliegende Fall ließ jedoch den Schluss zu – ich glaube, aufgrund der Verfahrensgeschichte des Patents –, dass eine bewusste Entscheidung getroffen worden war, die Verwendung der Vorrichtung einzuschränken und nicht die Vorrichtung selbst. Daher wurde eine Patentverletzung verneint. Auf diese Weise wurde der Angabe der Zweckbestimmung effektive Geltung verliehen.
56. Die Unterscheidung zwischen der Wirkung einer Zweckbindung bei Verwendungsansprüchen einerseits und Erzeugnisansprüchen andererseits entspricht offenbar nach wie vor der Praxis des EPA. So haben die Beschwerdekammern in einer Reihe von Entscheidungen geurteilt, dass die Angabe einer Zweckbestimmung einem ansonsten bekannten Erzeugnis keine Neuheit verleiht; sie bedeute lediglich, dass das Erzeugnis für diesen Zweck geeignet sein müsse18.
57. Ich denke, dass all das vielleicht zu starr ist. Besinnt man sich bei diesem Thema auf die Grundprinzipien zurück, so soll die Existenz des Patentsystems doch dazu dienen, erfinderische Ideen zu schützen. Ist ein neuer Zweck für ein bekanntes Erzeugnis erfinderisch, dann müsste es grundsätzlich möglich sein, diesen durch ein Monopol für Tätigkeiten zu schützen, die von dieser Idee Gebrauch machen. Ganz offensichtlich war das Ergebnis in Mobil von diesem Wunsch motiviert. Andererseits sollte der Patentinhaber aber gezwungen werden, sich auf einen Anspruch zu beschränken, der seine Erfindung monopolisiert und die bekannten Verwendungen des Zusatzes nicht beeinträchtigen kann. Dieser Wunsch stand bei der schweizerischen Anspruchsform Pate – doch machte ihre zweifelhafte Rechtsgrundlage ein Tätigwerden des Gesetzgebers notwendig.
58. Ich würde für eine viel flexiblere Anspruchsformulierung plädieren, um Schutz für Erfindungen zu ermöglichen, die zum Stand der Technik beitragen, indem sie einen neuen Verwendungszweck für ein altes Erzeugnis schaffen, vorausgesetzt, solche Ansprüche sind so formuliert, dass sie den erfinderischen Beitrag umfassen, ohne den Stand der Technik zu monopolisieren. Woran ich denke, ist sozusagen "alter Lack in neuen Dosen" mit Anweisungen für den beabsichtigten Gebrauch.
1 Rechtssache C 428-08 vom 6. Juli 2010. Diese Entscheidung könnte bedeuten, dass Patentinhaber sich nicht mehr auf den absoluten Schutz verlassen können, den man sich gewöhnlich von einem Erzeugnisanspruch verspricht.
2 Richtlinie (EG) 98/44.
3 Patents for Inventions, T. A. Blanco White QC, 1974 Paragraph 2-213 Seite 68-9.
4 (1910) 27 RPC 341.
5 [1975] RPC 438.
7 Stand April 2009, C-III, Abschnitt 4.13.
8 5. Auflage, I.C. 5.3.3.
9 Siehe John Wyeth & Brother Limited's Application [1985] RPC 545.
10 Siehe Artikel 54 (5) EPÜ.
11 Siehe in England Actavis v Merck [2008] EWCA Civ 444 und beim EPA G 2/08.
12 ABl. EPA 1990, 93; [1990] EPOR 73.
13 Floyd: Novelty under the Patents Act 1977: the state of the art after Merrell Dow [1996] EIPR 480 – Herchel Smith Lecture 1996.
14 Artikel 37 (1) GPÜ ist zumindest im Vereinigten Königreich in einer Weise umgesetzt worden, die ihn in einem solchen Fall wohl unanwendbar macht. Diese Vorschrift greift nur, wenn die Vorbenutzung bei einem gültigen Patent den Tatbestand der Patentverletzung erfüllt. Dies wäre jedoch nicht der Fall gewesen, weil die Handlung nicht mit der einschlägigen Absicht ausgeführt worden wäre. Patents Act 1977, Section 64.
15 Siehe T 59/87 [1990] EPOR 544.
16 Ich bin Justine Pila von der Universität Oxford für den Hinweis dankbar, dass Justice Graham in einer Reihe von Entscheidungen die Patentierung von Arzneimitteln durch Bezugnahme auf ihre Verpackung als Möglichkeit zur Umgehung des Patentierungsverbots für Behandlungsverfahren gebilligt hat: Organon Laboratories [1970] RPC 574 (auf eine Karte mit Gebrauchshinweisen gepackte Antibabypillen); Blendax-Werke [1980] RPC 491 (für die sukzessive Verabreichung von Bestandteilen einer Zahnpasta ausgestaltete Packung).
17 Entscheidung des Bundesgerichts BGE 122 III 81 vom 12. Februar 1996; IIC 29 706.
18 Siehe Rechtsprechung der Beschwerdekammern des EPA, 5. Auflage 2006, I.C.5.3.3, und die Verweise auf T 215/84; T 523/89; T 303/90; T 401/90; T 15/91; T 637/92.