INTERNATIONALE VERTRÄGE
PCT
Mitteilung des Präsidenten des Europäischen Patentamts vom 2. November 2001 über die Rationalisierung des Verfahrens der internationalen vorläufigen Prüfung im EPA
I. Einführung
1. Die unvermindert stark ansteigende Belastung des Europäischen Patentamts mit Recherchen- und Prüfungsarbeiten für PCT-Anmeldungen macht es notwendig, das Verfahren der internationalen vorläufigen Prüfung nach Kapitel II PCT im EPA mit Wirkung vom 3. Januar 2002 zu rationalisieren. Ziel dieser Rationalisierungsmaßnahmen ist es, in allen Fällen, in denen der Anmelder weniger an dem Ergebnis der vorläufigen Prüfung als vielmehr an der Verlängerung der internationalen Phase interessiert ist, Prüferkapazität nicht unnötig zu binden, sondern für vordringliche Aufgaben in der Recherche und europäischen Sachprüfung frei zu machen. Um dieses Ziel zu erreichen, soll das Verfahren gestrafft und die internationale vorläufige Prüfung auf ihre Kernelemente konzentriert werden.
2. Die Rationalisierungsmaßnahmen stellen einen Zwischenschritt bis zur vollen Wirksamkeit von bereits beschlossenen und noch zu erwartenden Neuregelungen im Zuge der laufenden PCT-Reform1 dar, durch die eine Entlastung der besonders betroffenen PCT-Behörden bei gleichzeitiger Qualitätsicherung erreicht werden soll.
3. Zentrales Element des rationalisierten Verfahrens ist, das Ergebnis der internationalen Recherche zur Grundlage der internationalen vorläufigen Prüfung zu machen, ohne daß der Sachprüfer erneut eingeschaltet werden muß (Verfahren ohne eingehende Sachprüfung - siehe unten II).
Zusätzlich werden sich im Zuge der Rationalisierung alle schriftlichen Bescheide und vorläufigen Prüfungsberichte des EPA auf die Haupterfordernisse der Neuheit, erfinderischen Tätigkeit und gewerblichen Anwendbarkeit konzentrieren, also auch dann, wenn die Anmeldung eingehend geprüft wird (siehe unten IV).
II. Verfahren ohne eingehende Sachprüfung
Grundsätze
4. Die internationale vorläufige Prüfung durch das EPA setzt voraus, daß auch die internationale Recherche vom EPA durchgeführt worden ist. Mit der amtsweiten Einführung von BEST werden Recherche und Prüfung in der Regel von ein und demselben Prüfer durchgeführt. BEST-Prüfer werden daher schon bei der internationalen Recherche den Haupterfordernissen der internationalen vorläufigen Prüfung nach Artikel 33(1) PCT (Neuheit, erfinderische Tätigkeit, gewerbliche Anwendbarkeit) gebührend Rechnung tragen und zu einem vorläufigen Urteil gelangen, das später im ersten schriftlichen Bescheid und im vorläufigen Prüfungsberichts seinen Niederschlag findet.
5. Änderungen und/oder Gegenvorstellungen oder der ausdrückliche Wunsch nach einer eingehenden vorläufigen Prüfung (bei Antragsstellung oder später) führen stets zur erneuten Bearbeitung der internationalen Anmeldung durch den Sachprüfer. Der Anmelder hat es also in der Hand, ob das Ergebnis der internationalen Recherche Grundlage einer rationalisierten internationalen vorläufigen Prüfung wird oder ob eine eingehendere Sachprüfung stattfindet.
Nachstehend werden diese Grundsätze anhand typischer Fallgruppen verdeutlicht.
"XY-Fälle"
6. Enthält der internationale Recherchenbericht mindestens ein Dokument der Kategorien X oder Y, und hat der Anmelder weder Änderungen nach Artikel 19 oder 34 (2) b) PCT eingereicht noch ausdrücklich eine eingehende vorläufige Prüfung verlangt, so wird der internationale Recherchenbericht Grundlage eines negativen schriftlichen Bescheids, ohne daß der Sachprüfer erneut eingeschaltet wird.
Geht keine Stellungnahme (Regel 66.3 PCT) zu diesem rationalisierten Bescheid ein, so erstellt das EPA einen internationalen vorläufigen Prüfungsbericht, der inhaltlich mit diesem Bescheid übereinstimmt, und erstattet zwei Drittel der für die vorläufige Prüfung entrichteten Gebühr zurück (siehe unten III).
7. Wenn der Anmelder in Reaktion auf den rationalisierten ersten schriftlichen Bescheid (Regel 66.3 PCT) eine eingehende Sachprüfung verlangt (siehe auch oben 5), so erstellt der Sachprüfer ausnahmweise einen zweiten Bescheid, es sei denn, das Ergebnis seiner nunmehr durchgeführten eingehenden Sachprüfung erlaubt unmittelbar einen positiven Prüfungsbericht.
"A-Fälle"
8. Zitiert der internationale Recherchenbericht keine Dokumente der Kategorien X oder Y, und hat der Anmelder weder Änderungen nach Artikel 19 oder 34 (2) b) PCT eingereicht noch ausdrücklich eine eingehende vorläufige Prüfung verlangt, so erstellt das EPA einen positiven rationalisierten Prüfungsbericht, ohne daß der Sachprüfer erneut eingeschaltet wird, und erstattet zwei Drittel der für die vorläufige Prüfung entrichteten Gebühr zurück (siehe unten III).
III. Teilweise Rückerstattung der Gebühr für die internationale vorläufige Prüfung
9. Hat das EPA das Verfahren nach Kapitel II PCT mit einem rationalisierten Prüfungsbericht abgeschlossen, so werden nach Artikel 10d Gebührenordnung in der ab 3. Januar 2002 geltenden Fassung2zwei Drittel der für die internationale vorläufige Prüfung entrichteten Gebühr zurückerstattet. Die Rückerstattung wird vom EPA zusammen mit der Übermittlung dieses Prüfungsberichts veranlaßt.
10. Die neue Regelung ist auf alle internationalen Anmeldungen anzuwenden, für die das EPA ab 3. Januar 2002 einen rationalisierten internationalen vorläufigen Prüfungsbericht erstellt.
IV. Wegfall der 50%igen Ermäßigung der europäischen Prüfungsgebühr
11. Wird eine internationale Anmeldung vor dem EPA als ausgewähltem Amt weiterverfolgt (Euro-PCT-Weg), und hat das Amt zwei Drittel der für die vorläufige Prüfung entrichteten Gebühr zurückerstattet (vgl. oben III), so ist nach Artikel 12(2) Satz 2 Gebührenordnung in der ab 3. Januar 2002 geltenden Fassung3 die volle europäische Prüfungsgebühr zu entrichten. Demgemäß kommt der Anmelder nur noch dann in den Genuß der um 50% ermäßigten europäischen Prüfungsgebühr, wenn das EPA zur Euro-PCT-Anmeldung einen eingehenden internationalen vorläufigen Prüfungsberichts erstellt hat.
V. Weitere Rationalisierungsmaßnahmen
12. Vom EPA bestimmte Fristen zur Einreichung von Änderungen oder Gegenvorstellungen (Regel 66.2d) PCT) werden sich künftig an der unteren Grenze des Zulässigen bewegen. Erörterungen mit dem Anmelder (Regel 66.6 PCT) werden künftig erst nach Stellungnahme zum ersten schriftlichen Bescheid und nur telefonisch erfolgen. Im Übrigen wird in der Regel weiterhin nur ein einziger schriftlicher Bescheid ergehen.
13. Das EPA wird sich bei der eingehenden internationalen vorläufigen Prüfung künftig auf die die Erfindung definierenden Ansprüche und die Haupterfordernisse nach Artikel 33(1) PCT (Neuheit, erfinderische Tätigkeit und gewerbliche Anwendbarkeit) konzentrieren und die übrigen Erfordernisse (z.B. der Form, des Inhalts oder der Klarheit) nach Artikel 34(2)c)ii), Regel 66.2a) PCT nur dann in die Prüfung einbeziehen, wenn dies für die Zwecke der vorläufigen Prüfung unerläßlich ist. In den PCT-Formblättern 408 (erster schriftlicher Bescheid) und 409 (vorläufiger Prüfungsbericht) werden künftig Angaben unter den Abschnitten II (Priorität), VI (angeführte Unterlagen), VII (Mängel der Anmeldung) und VIII (Bemerkungen zur internationalen Anmeldung) grundsätzlich entfallen.
14. Das EPA wird Artikel 34(4) PCT künftig voll ausschöpfen und in den dort bestimmten Fällen keine internationale vorläufige Prüfung durchführen. Entsprechendes gilt für Änderungen, wenn die Unterschiede zur ursprünglichen Anmeldung, und die Gründe für die Änderungen nicht hinlänglich deutlich gemacht worden sind (siehe auch Regel 66.8 a) PCT).
1 vgl. z.B. Änderung der Frist zum Eintritt in die europäische Phase gemäß Regel 107(1) EPÜ (ABl. EPA 2001, 373) und Beschluß der Versammlung der PCT-Union vom 4. Oktober 2001 zur Änderung von Artikel 22 PCT (PCT Newsletter 10/2001).
2 Beschluß des Verwaltungsrats vom 18. Oktober 2001 zur Änderung der Gebührenordnung (ABl. EPA 2001, 492).
3 Beschluß des Verwaltungsrats vom 18. Oktober 2001 zur Änderung der Gebührenordnung (ABl. EPA 2001, 492).