BESCHWERDEKAMMERN
Entscheidungen der Juristischen Berschwerdekammer
Entscheidung der Juristischen Beschwerdekammer vom 27. Februar 1995 - J 27/94 - 3.1.1
(Übersetzung)
Zusammensetzung der Kammer:
Vorsitzender: | R. Schulte |
Mitglieder: | R. E. Teschemacher |
J.-C. Saisset |
Anmelder: Université Laval
Stichwort: Teilanmeldung/UNIVERSITE LAVAL
Artikel: 76, 111 (2) EPÜ
Regel: 25 (1), 51 (4) EPÜ
Schlagwort: "Behandlung der Anmeldung als Teilanmeldung (bejaht)" - "Auslegung einer in der Zustimmung zu der für die Erteilung vorgesehenen Fassung enthaltenen Bedingung" - "Verfahrenserklärungen dürfen nicht an Bedingungen geknüpft werden" - "Vertrauensschutz" - "venire contra factum proprium"
Leitsätze
I. Im Interesse der Rechtssicherheit müssen Verfahrenserklärungen eindeutig sein (Bestätigung der Entscheidung J 11/94, ABl. EPA 1995, 596). Das heißt, daß sie nicht an Bedingungen geknüpft sein dürfen, weil dadurch offen bleibt, ob das EPA aufgrund dieser Erklärung das Verfahren fortsetzen kann.
II. Wenn eine an eine Bedingung geknüpfte Erklärung als wirksame Verfahrenshandlung behandelt worden ist, darf das EPA später nicht seinem eigenen früheren Verhalten zuwiderhandeln, weil dies gegen das allgemein anerkannte Verbot des "venire contra factum proprium" verstoßen würde (im Anschluß an die Entscheidung J 14/94ABl. EPA 1995, 824).
III. Die Bindung nach Artikel 111 (2) EPÜ gilt nur für den jeweils entschiedenen Fall.
IV. Für die erste Instanz bestand keine Verpflichtung nach dem Grundsatz des Vertrauensschutzes, die Einreichung von Teilanmeldungen aufgrund der Entscheidung J 11/91 (ABl. EPA 1994, 28) auch noch nach der Erklärung des Einverständnisses mit der zu erteilenden Fassung solange zuzulassen, bis die Stellungnahme G 10/92 (ABl. EPA 1994, 633) bekannt gemacht wurde.
Sachverhalt und Anträge
I. Die europäische Patentanmeldung Nr. 94 100 421.0 wurde am 13. Januar 1994 eingereicht. In Feld 35 des Antragsformblatts war angegeben, daß es sich um eine Teilanmeldung zur früheren Anmeldung Nr. 90 906 829.8 handelte.
II. Mit Bescheid vom 25. Februar 1994 teilte die Eingangsstelle dem Anmelder mit, daß der Präsident des EPA der Großen Beschwerdekammer die Rechtsfrage vorgelegt habe, bis zu welchem Zeitpunkt ein Anmelder eine Teilanmeldung zu einer anhängigen früheren europäischen Patentanmeldung einreichen könne (Sache G 10/92, Vorlage s. ABl. EPA 1993, 6). Da die diesbezügliche Rechtslage noch nicht geklärt sei, werde eine Entscheidung erst getroffen, wenn die Stellungnahme der Großen Beschwerdekammer vorliege.
III. In seiner Erwiderung vom 6. April 1994 beantragte der Anmelder, daß die Teilanmeldung auf der Grundlage der Entscheidung in den miteinander verbundenen Fällen J 11/91 und J 16/91 (ABl. EPA 1994, 28, nachstehend J 11/91 genannt) unverzüglich weiterbearbeitet wird. Er machte geltend, daß mit dieser Entscheidung die Möglichkeit eingeräumt worden sei, auch noch nach der Erwiderung auf die Mitteilung nach Regel 51 (4) EPÜ eine Teilanmeldung einzureichen. Weder berühre die Einreichung der Teilanmeldung die genehmigte Fassung, noch sei der Erteilungsbeschluß zur früheren Anmeldung vor Einreichung der Teilanmeldung bekanntgemacht worden. Damit seien die in der Entscheidung J 11/91 genannten Voraussetzungen erfüllt. Der Anmelder habe in gutem Glauben gehandelt, da das EPA die Anmelder in der Folge nicht darauf hingewiesen habe, daß es sich nicht an die eigene Rechtsprechung halten werde. Die Vorlage der Rechtsfrage durch den Präsidenten des EPA habe keine aufschiebende Wirkung. Im vorliegenden Fall sei klar gewesen, daß eine Teilanmeldung eingereicht werde. Der Anmelder habe bereits in der Erwiderung auf den ersten Prüfungsbescheid angegeben, daß er eine Teilanmeldung einreichen werde. In der Folge habe er in seiner Erwiderung auf die Mitteilung nach Regel 51 (4) EPÜ ausdrücklich und unter Berufung auf die Entscheidung J 11/91 erklärt, daß er später eine Teilanmeldung einreichen werde. Spätestens zu diesem Zeitpunkt hätte er einen warnenden Hinweis erwarten können. Für den Fall, daß die Eingangsstelle an ihrer Auffassung festhalte, beantrage er eine sofortige beschwerdefähige Entscheidung.
IV. In einem zweiten Schreiben gleichen Datums wurde unter Entrichtung der entsprechenden Gebühr die Wiedereinsetzung in die Frist für die Einreichung einer Teilanmeldung beantragt und darauf hingewiesen, daß dieser Antrag vorsichtshalber gestellt werde. Der Anmelder habe die klare Anweisung erteilt, daß für den aus der früheren Anmeldung herausgenommenen Gegenstand eine Teilanmeldung eingereicht und die Einreichung so lange wie möglich hinausgeschoben werden sollte. Der Vertreter, dem die Entscheidung J 11/91 der Juristischen Beschwerdekammer, deren Leitsatz bereits in ABl. EPA 1993, Heft 1 - 2 veröffentlicht worden sei, bekannt gewesen sei, habe dem Anmelder geraten, die Teilanmeldung spätestens bis zu seiner Erwiderung auf die Mitteilung nach Regel 51 (6) EPÜ einzureichen.
V. Er habe sich auf die Richtigkeit dieser Entscheidung verlassen, zumal bereits in mehreren Entscheidungen Technischer Beschwerdekammern festgestellt worden sei, daß die Erwiderung auf eine Mitteilung nach Regel 51 (4) EPÜ nicht endgültig und unwiderruflich sei. Obwohl ihm bekannt gewesen sei, daß der Präsident des EPA der Großen Beschwerdekammer diesbezüglich eine Rechtsfrage vorgelegt habe, habe er nicht damit rechnen können, daß sich das EPA über die Entscheidung der Juristischen Beschwerdekammer hinwegsetzen würde, solange noch keine Stellungnahme der Großen Beschwerdekammer ergangen sei.
VI. Am 6. Juli 1994 entschied die Eingangsstelle, daß die Anmeldung nicht als Teilanmeldung behandelt werde, und wies den Wiedereinsetzungsantrag zurück. In der Begründung wurde der Anmelder auf die Stellungnahme G 10/92 (ABl. EPA 1994, 633) verwiesen, wonach der Anmelder eine Teilanmeldung nur bis zu seiner Zustimmung zur Fassung der Stammanmeldung gemäß Regel 51 (4) EPÜ einreichen darf. Es habe kein Grund bestanden, sich an die Entscheidung J 11/91 zu halten, da die Entscheidung einer Beschwerdekammer nur für den ihr zugrunde liegenden Fall bindend sei. Außerdem habe es Abweichungen innerhalb der Rechtsprechung gegeben, die durch die Stellungnahme der Großen Beschwerdekammer behoben worden seien.
VII. Am 9. August 1994 legte der Anmelder gegen diese Entscheidung unter Entrichtung der Beschwerdegebühr Beschwerde ein. Die Beschwerdebegründung wurde am 4. November 1994 eingereicht.
VIII. Darin machte der Beschwerdeführer geltend, daß die Erwiderung auf die Mitteilung nach Regel 51 (4) EPÜ nicht nur die Erklärung des Einverständnisses mit der für die Erteilung vorgeschlagenen Fassung enthalten habe, sondern daß er darin auch ausdrücklich seine Absicht bekundet habe, eine Teilanmeldung für die aus der Stammanmeldung herausgenommenen Gegenstände einzureichen, die eindeutig als die Ansprüche 1 - 7 definiert gewesen seien. Da weder der Artikel 76 noch die Regel 25 EPÜ eine besondere Form vorschrieben, sei diese Erklärung als Einreichung einer Teilanmeldung anzusehen gewesen. Außerdem habe die Erklärung insofern keine klare, endgültige Zustimmung zur vorgeschlagenen Fassung enthalten, als darin eindeutig die Absicht bekundet worden sei, die zuvor herausgenommenen Gegenstände durch eine Teilanmeldung schützen zu lassen.
IX. Hilfsweise brachte der Beschwerdeführer vor, daß die Eingangsstelle - wie die Entscheidung J 11/90 vom 6. August 1992 (nicht in ABl. EPA veröffentlicht) bestätige - gemäß Artikel 111 (2) Satz 1 EPÜ durch die Entscheidung J 11/91 gebunden sei, da der vorliegende Fall ähnlich gelagert sei wie die früher entschiedenen. Diese Entscheidungen stünden im Einklang mit den zur Regel 25 EPÜ in der seit 1. Oktober 1988 geltenden Fassung ergangenen, wonach die Einreichung einer Teilanmeldung auch nach erfolgter Zustimmung zu der für die Erteilung vorgeschlagenen Fassung nicht ausgeschlossen sei. Die gleichzeitig mit der Erwiderung auf die Mitteilung nach Regel 51 (6) EPÜ vorgenommene Einreichung der in Frage stehenden Anmeldung sei im Vertrauen auf die im Amtsblatt veröffentlichten Entscheidungen erfolgt, durch die der Widerspruch zwischen Artikel 76 und Regel 25 EPÜ ausgeräumt worden sei. Wenn das EPA nicht die Absicht gehabt habe, sich an die Rechtsprechung zu halten, hätte es darauf hinweisen müssen, daß eine Teilanmeldung nur noch bis zum Ende der Frist nach Regel 51 (4) EPÜ eingereicht werden könne. Im anderen Falle hätte die Prüfungsabteilung eine Aufforderung nach Regel 51 (5) EPÜ ergehen lassen oder die Prüfung wiederaufnehmen müssen. Nach dem in der Rechtsprechung der Beschwerdekammern verankerten Grundsatz des Vertrauensschutzes dürften die berechtigten Erwartungen des Anmelders nicht mißachtet werden. Der Beschwerdeführer habe zu Recht davon ausgehen können, daß das EPA den Artikel 76 und die Regel 25 - entsprechend der Auslegung in der Entscheidung J 11/91 - auf diejenigen Fälle anwenden werde, die bis zur Bekanntmachung der Stellungnahme G 10/92 eingereicht worden seien. Dies entspräche der von der Großen Beschwerdekammer in der Entscheidung G 5/93 (ABl. EPA 1994, 447) angewandten Regelung.
X. Der Beschwerdeführer beantragte, daß die vorliegende Anmeldung als Teilanmeldung zur Anmeldung Nr. 90 906 829.8 behandelt werde.
Entscheidungsgründe
1. Die - zulässige - Beschwerde richtet sich gegen die Entscheidung der Eingangsstelle, die vorliegende Anmeldung nicht als Teilanmeldung zu behandeln. Diese Entscheidung stützte sich auf die Stellungnahme G 10/92 der Großen Beschwerdekammer (s. oben), wonach ein Anmelder eine Teilanmeldung zu der anhängigen früheren Anmeldung nur bis zu seiner Zustimmung gemäß Regel 51 (4) EPÜ einreichen darf.
2. Die Kammer kann die Auffassung des Anmelders nicht gelten lassen, er habe mit seiner Erwiderung auf die Mitteilung nach Regel 51 (4) EPÜ eine Teilanmeldung eingereicht. Erstens geht aus dem Wortlaut der zum damaligen Zeitpunkt abgegebenen Erklärung "der Anmelder ... wird zu gegebener Zeit eine Teilanmeldung einreichen" zwar hervor, daß der Anmelder beabsichtigte, zu gegebener Zeit eine Anmeldung einzureichen, nicht jedoch, daß dies mit dieser Erklärung selbst geschehen sollte. Zweitens waren die Erfordernisse für die Zuerkennung eines Anmeldetags für die Teilanmeldung zum damaligen Zeitpunkt nicht erfüllt, da keine Unterlagen eingereicht worden waren, die als Beschreibung und Anspruch (Ansprüche) zu dieser Anmeldung hätten angesehen werden können (Art. 80 d) in Verbindung mit Art. 90 (1) a) EPÜ).
3. Entgegen dem Vorbringen des Beschwerdeführers war die Eingangsstelle nicht an die Entscheidung der Juristischen Beschwerdekammer gebunden, wonach auch nach erfolgter Zustimmung zur Fassung der früheren Anmeldung noch eine Teilanmeldung möglich ist. Der Beschwerdeführer versucht, dies aus Artikel 111 (2) Satz 1 EPÜ herzuleiten, der besagt, daß das erstinstanzliche Organ bei gleicher Sachlage durch die ratio decidendi einer Kammer gebunden ist. Diese Bindung gilt jedoch jeweils nur für den Fall, den die Kammer an die erste Instanz zurückverweist, wie aus dem einleitenden Teil dieser Vorschrift hervorgeht. Eine bindende Wirkung für Fälle, über die die Kammer nicht entschieden hat, ist jedoch in Artikel 111 EPÜ nicht vorgesehen (vgl. van Empel, The Granting of European Patents, Leyden 1975, Rdn. 519).
4. Außerdem ist das Argument des Beschwerdeführers, J 11/91 sei nach dem Grundsatz des Vertrauensschutzes für die erste Instanz verbindlich, nicht stichhaltig. In der Regel gibt es für die erstinstanzlichen Organe gute Gründe, sich an die Entscheidungen der Beschwerdekammern zu halten, damit eine einheitliche Praxis gewahrt bleibt und unnötige Beschwerden vermieden werden. Im EPÜ ist jedoch kein Grundsatz zu finden, der die erste Instanz daran hindern würde, eine bereits von einer Kammer entschiedene Rechtsfrage in einem anderen Fall von derselben oder einer anderen Kammer erneut prüfen zu lassen. Dies kann in entsprechenden Fällen zur Weiterentwicklung des Rechts beitragen (s. z. B. die nachstehenden Entscheidungen zur Auslegung der Regel 28 (2) EPÜ: J 8/87, ABl. EPA 1989, 9; Prüfungsabteilung, ABl. EPA 1990, 156 - "Rockefeller"; T 815/90, ABl. EPA 1994, 389; G 2/93ABl. EPA 1995, 275).
5. In manchen Fällen darf die Öffentlichkeit allerdings zu Recht darauf vertrauen, daß die erste Instanz nicht von der ständigen Rechtsprechung abweicht, etwa dann, wenn sie fester Bestandteil der ständigen Praxis der ersten Instanz ist und der Öffentlichkeit insbesondere durch Richtlinien, Rechtsauskünfte oder Mitteilungen des EPA bekanntgegeben worden ist. In einem solchen Fall kann der Anmelder zu Recht erwarten, daß eine Praxis, die eine bestimmte Verfahrensweise zuläßt oder gar nahelegt, nicht ohne entsprechende vorherige Mitteilung geändert wird.
6. Dies ist hier jedoch nicht der Fall. Der Leitsatz der Entscheidung J 11/91 wurde in derselben Ausgabe des Amtsblatts des EPA veröffentlicht wie die Vorlage der Rechtsfrage an die Große Beschwerdekammer (ABl. EPA 1993, 6). In Anbetracht dessen lag kein Grund zu der Annahme vor, die erste Instanz würde sich in künftigen Fällen an die Entscheidung J 11/91 halten. Es ist vielmehr festzustellen, daß die Richtlinien für die Prüfung im EPA, A-IV, 1.1.2 unverändert blieben, so daß zu Recht angenommen werden konnte, daß sich auch die darauf beruhende Praxis nicht ändern würde. In dieser Hinsicht unterscheidet sich der Sachverhalt im vorliegenden Fall grundlegend von demjenigen in der Sache G 5/93, in der das EPA die Anmelder ausdrücklich darauf hingewiesen hatte, daß nach der Rechtsprechung in bestimmten Fällen die Möglichkeit besteht, nach einem Rechtsverlust wieder in den vorigen Stand eingesetzt zu werden (Hinweis für PCT-Anmelder, ABl. EPA 1991, 328, B.II.7, C.7).
Die Gründe, aus denen die Große Beschwerdekammer in der Entscheidung G 5/93 zuließ, daß die Auslegung einer aufgehobenen Entscheidung auf anhängige Verfahren angewandt wird, sind hier nicht gegeben.
7. Dementsprechend kommt die Regel 25 EPÜ in der von der Großen Beschwerdekammer gegebenen Auslegung im vorliegenden Fall zur Anwendung. In der angefochtenen Entscheidung wurden allerdings die vom Anmelder auf die Mitteilung nach Regel 51 (4) EPÜ hin abgegebenen Erklärungen falsch interpretiert.
8. Der erste Satz der schriftlichen Erwiderung auf die Mitteilung enthielt zwar eine Einverständniserklärung zu der dem Anmelder mitgeteilten Fassung, die für sich genommen klar und unmißverständlich war. Im zweiten Satz jedoch fügte der Anmelder unter Hinweis auf die Entscheidung J 11/91 hinzu, daß er für die aus der Anmeldung herausgenommenen Gegenstände zu gegebener Zeit eine Teilanmeldung einreichen werde. Diese beiden Erklärungen können aber nicht voneinander getrennt werden, ohne daß ihr innerer Zusammenhang und ihre gegenseitige Abhängigkeit darunter leiden würden. Der Anmelder hatte ganz klar zum Ausdruck gebracht, daß er sein Einverständnis nur deshalb erklärte, weil es ihm aufgrund der Rechtsprechung, auf die er sich berief, danach noch immer möglich war, eine Teilanmeldung einzureichen. Der zweite Satz hätte deshalb als fester Bestandteil der Einverständniserklärung angesehen werden müssen. Die Prüfungsabteilung hätte also das Schreiben nicht als gültige Zustimmung nach Regel 51 (4) EPÜ behandeln dürfen, da es eine Bedingung enthielt, die die Zustimmung ungültig machte. Das Einverständnis mit der für die Erteilung vorgesehenen Fassung ist eine notwendige Voraussetzung für den nächsten Verfahrensschritt, nämlich die Mitteilung nach Regel 51 (6) EPÜ. Es muß für das EPA bei Erhalt der Einverständniserklärung klar sein, ob sie eine geeignete Grundlage für die Absendung dieser Mitteilung darstellt oder nicht. Im Interesse der Rechtssicherheit hat die Kammer festgestellt, daß Verfahrenserklärungen eindeutig sein müssen (J 11/94, ABl. EPA 1995, 596). Dies bedeutet, daß sie keine Bedingungen enthalten dürfen, weil dadurch offenbleibt, ob das EPA aufgrund einer solchen Erklärung das Verfahren fortsetzen kann. Die Prüfungsabteilung hätte die ungültige Einverständniserklärung - gegebenenfalls mit der in Regel 51 (5) Satz 1 EPÜ vorgesehenen Folge - beanstanden müssen.
9. Legt man Regel 25 EPÜ zugrunde, so hat die Prüfungsabteilung im Lichte der Entscheidung G 5/93 nicht richtig gehandelt, als sie nicht in der vorstehend beschriebenen Weise verfuhr. Dadurch, daß sie die Einverständniserklärung nicht beanstandete, ging sie auf die Erklärung des Anmelders als Ganzes ein, nämlich darauf, daß der Anmelder mit der Fassung einverstanden und daß die Einreichung einer Teilanmeldung unter den in der Entscheidung J 11/91 genannten Bedingungen noch möglich sei. Durch die implizite Billigung des Standpunkts des Anmelders weckte die Prüfungsabteilung beim Anmelder die berechtigte Erwartung, daß gegen die Einreichung einer Teilanmeldung keine Einwände erhoben würden. Es würde gegen den Grundsatz des Vertrauensschutzes verstoßen, wenn das EPA seinem früheren Verhalten zuwiderhandeln dürfte, das dem Anmelder als Richtschnur für sein Vorgehen diente. Dies käme einem "venire contra factum proprium" gleich, was im Verfahren vor dem EPA nicht zulässig ist (J ../87, ABl. EPA 1988, 323, Nr. 3.14 der Entscheidungsgründe; J 14/94, ABl. EPA 1995, 824). Deshalb darf das EPA dem Anmelder nicht das Recht absprechen, mit der Erwiderung auf die Mitteilung nach Regel 51 (6) EPÜ eine Teilanmeldung einzureichen.
10. Der vorsichtshalber gestellte Wiedereinsetzungantrag ist hinfällig. Da die entsprechende Gebühr grundlos entrichtet worden ist, ist sie an den Beschwerdeführer zurückzuzahlen (J 11/85, ABl. EPA 1986,1).
Entscheidungsformel
Aus diesen Gründen wird entschieden:
1. Die angefochtene Entscheidung wird aufgehoben.
2. Die Anmeldung ist als Teilanmeldung zur Anmeldung Nr. 90 906 829.8 zu behandeln.
3. Die Wiedereinsetzungsgebühr ist zurückzuzahlen.