MITTEILUNGEN DES EPA
RECHTSAUSKÜNFTE DES EUROPÄISCHEN PATENTAMTS* - Nr. 18/92
Artikel 22 (1), (3), 39 (1), 27 (7), 49 PCT
Artikel 133 (2), 150, 153 (1), 156, Regel 104b EPÜ
Handlungen, die der "auswärtige" Anmelder von Euro-PCT-Anmeldungen gegenüber dem EPA als Bestimmungsamt oderausgewähltem Amt selbst vornehmen kann
I. Der Anmelder einer Euro-PCT-Anmeldung1, der weder Wohnsitz noch Sitz in einem Vertragsstaat des EPÜ hat ("auswärtiger Anmelder"), muß in der regionalen Phase vor dem EPA als Bestimmungsamt oder ausgewähltem Amt durch einen beim EPA zugelassenen Vertreter vertreten sein und Handlungen durch ihn vornehmen.
II. Der Anmelder kann jedoch die Aufnahme der Bearbeitung der internationalen Anmeldung selbst einleiten, sofern dies vor Ablauf des 21. oder 31. Monats nach dem Prioritätsdatum2geschieht.
III. Der Vertreter des Anmelders in der internationalen Phase kann vor dem EPA als Bestimmungsamt oder ausgewähltem Amt nur auftreten, wenn er auch in Verfahren vor dem EPA vertretungsberechtigt ist (Artikel 49 PCT, 133 (2) EPÜ).
IV. Gebühren kann jedermann entrichten, also auch der auswärtige Anmelder oder sein Vertreter in der internationalen Phase(s. Rechtsauskunft Nr. 6/91 rev., ABl. EPA 1991, 573).
1. Nach Artikel 133 (2) EPÜ müssen Anmelder, die weder Wohnsitz noch Sitz in einem Vertragsstaat des EPÜ haben ("auswärtige Anmelder"), in jedem durch das Europäische Patentübereinkommen geschaffenen Verfahren durch einen beim EPA zugelassenen Vertreter vertreten sein und Handlungen mit Ausnahme der Einreichung einer europäischen Patentanmeldung durch ihn vornehmen. Dem zugelassenen Vertreter ist ein vor dem EPA vertretungsberechtigter Rechtsanwalt gemäß Artikel 134 (7) EPÜ gleichgestellt.
2. An das EPA wird immer wieder die Frage gerichtet, ob der auswärtige Anmelder einer internationalen Anmeldung, für die das EPA als Bestimmungsamt oder ausgewähltes Amt tätig wird, die Handlungen zur Einleitung der regionalen Phase beim EPA selbst oder durch seinen Vertreter in der internationalen Phase, der kein beim EPA zugelassener Vertreter ist, vornehmen kann. Insbesondere wird gefragt, ob die in Artikel 133 (2) EPÜ enthaltene Ausnahme "Einreichung einer europäischen Patentanmeldung" auch für die Handlungen gilt, die der Anmelder einer internationalen Anmeldung gemäß Artikel 22 (1) bzw. 39 (1) a) PCT vorzunehmen hat.
Die Frage ist wie folgt zu beantworten:
3. Nach Artikel 27 (7) PCT kann jedes Bestimmungsamt, das mit der Bearbeitung der internationalen Anmeldung begonnen hat, das nationale (regionale) Recht anwenden, soweit dieses verlangt, daß der Anmelder durch einen zur Vertretung vor diesem Amt befugten Anwalt vertreten ist. Das EPA macht von dieser Möglichkeit Gebrauch:
Artikel 133 (2) EPÜ findet vom Zeitpunkt der Aufnahme der Bearbeitung der internationalen Anmeldung an (siehe Nummer 6), spätestens jedoch mit Ablauf des 21. bzw. 31. Monats nach dem Prioritätsdatum auf eine Euro-PCT-Anmeldung Anwendung.
4. Die in Artikel 133 (2) EPÜ vorgeschriebene Ausnahme "Einreichung der europäischen Patentanmeldung" soll es dem Anmelder einer europäischen Patentanmeldung ermöglichen, einen Anmeldetag ohne Verzögerung, d. h. auch ohne vorherige Bestellung eines zugelassenen Vertreters zu erhalten. Das Anmeldedatum der internationalen Anmeldung wird bereits in der internationalen Phase nach ihrer Einreichung festgesetzt. Eine internationale Anmeldung, für die das EPA als Bestimmungsamt oder ausgewähltes Amt tätig wird, gilt als europäische Patentanmeldung (Artikel 150 (3) EPÜ). Die Einleitung der regionalen Phase vor dem EPA als Bestimmungsamt oder ausgewähltem Amt kann daher nicht mit der Einreichung einer europäischen Patentanmeldung gleichgesetzt werden.
5. Der auswärtige Anmelder kann die Aufnahme der Bearbeitung der Anmeldung durch das EPA als Bestimmungsamt oder ausgewähltem Amt selbst einleiten, sofern dies vor dem Ablauf des 21. bzw. 31. Monats nach dem Prioritätsdatum geschieht. Für das EPA besteht zwar nach Artikel 23 und 40 PCT bis zum Ablauf des 20. bzw. 30. Monats nach dem Prioritätsdatum ein Bearbeitungs- und Prüfungsverbot, der Anmelder wird dadurch aber nicht gehindert, jederzeit vor dem Ablauf des 21. bzw. 31. Monats nach dem Prioritätsdatum die regionale Phase vor dem EPA selbst einzuleiten.
Über diesen Rahmen hinaus besteht kein Bedürfnis, vom Vertretungszwang des Artikels 133 (2) EPÜ in der regionalen Phase vor dem EPA als Bestimmungsamt oder ausgewähltem Amt abzusehen. Der auswärtige Anmelder hat nach Erhalt des internationalen Recherchenberichts oder, falls er von Kapitel II PCT rechtzeitig Gebrauch gemacht hat, nach Erhalt des internationalen vorläufigen Prüfungsberichts bis zum Ablauf des 21. bzw. 31. Monats nach dem Prioritätsdatum genügend Zeit, die Handlungen für die Einleitung der regionalen Phase vor dem EPA vorzunehmen.
6. Die Bearbeitung der Anmeldung wird an dem Tag aufgenommen, der dem Tag folgt, an dem die in Artikel 22 (1) bzw. Artikel 39 (1) a) PCT in Verbindung mit Artikel 157 (2) b) und Regel 104b(1) EPÜ vorgeschriebenen Handlungen vorgenommen worden sind. Vor Ablauf des 20. bzw. 30. Monats nach dem Prioritätsdatum wird jedoch die Bearbeitung nur auf ausdrücklichen Antrag des Anmelders aufgenommen (Art. 23, 40 PCT). Zu den vorgeschriebenen Handlungen3 zählen
a) die Einreichung der Übersetzung der Anmeldung nach Artikel 158 (2) EPÜ, wenn die internationale Anmeldung nicht in einer Amtssprache des EPA veröffentlicht worden ist,
b) die Zahlung der nationalen Gebühr nach Artikel 158 (2) EPÜ, die sich zusammensetzt aus der nationalen Grundgebühr, den Benennungsgebühren und ggf. den Anspruchsgebühren, und
c) die Zahlung der Recherchengebühr nach Artikel 157 (2) b) EPÜ, sofern nicht ein Fall vorliegt, in dem ein ergänzender europäischer Recherchenbericht nach Artikel 157 (3) a) EPÜ nicht erstellt wird.
7. Gleichzeitig mit den genannten Handlungen (aber nicht später) kann der auswärtige Anmelder den Prüfungsantrag nach Artikel 94 (1), (2) EPÜ stellen sowie ggf. geänderte Anmeldungsunterlagen nach Regel 86 (2) EPÜ einreichen. Außerdem kann er, falls dies noch nicht geschehen ist, eine Ausstellungsbescheinigung, die Erfindernennung sowie im Falle der Inanspruchnahme der Priorität einer früheren Anmeldung das Aktenzeichen, die Abschrift und die Übersetzung der früheren Anmeldung beifügen (Regel 104b (1) f), (2), (3) EPÜ).
8. Vom Zeitpunkt der Aufnahme der Bearbeitung der Anmeldung an oder, falls der Anmelder die hierfür erforderlichen Handlungen nicht rechtzeitig vornimmt, nach Ablauf des 21. bzw. 31. Monatsnach dem Prioritätsdatum kann der auswärtige Anmelder gemäß Artikel 133 (2) EPÜ nur noch durch einen beim EPA zugelassenen Vertreter handeln. Der Anmelder kann z. B. keinen wirksamen Antrag nach Regel 69 (2) EPÜ oder keinen wirksamen Antrag auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand nach Artikel 122 EPÜ stellen. Nimmt der Anmelder trotzdem Handlungen vor, so sind sie - mit Ausnahme von Zahlungen, die jedermann bewirken kann (s. Rechtsauskunft Nr. 6/91 rev., ABl. EPA 1991, 573) -unwirksam.
9. Der Vertreter des auswärtigen Anmelders in der internationalen Phase, der kein beim EPA zugelassener Vertreter ist, kann in keinem Fall, also auch nicht vor Ablauf des 21. oder 31. Monatsnach dem Prioritätsdatum, für den Anmelder gegenüber dem EPA als Bestimmungsamt oder ausgewähltem Amt handeln. Er hat nach Artikel 49 PCT nicht das Recht, vor dem EPA als Bestimmungsamt oder ausgewähltem Amt aufzutreten. Nimmt er trotzdem Handlungen (mit Ausnahme von Zahlungen) vor, so sind sie unwirksam (Art. 134 (1) EPÜ).
10. Wird durch unwirksame Handlungen des auswärtigen Anmelders oder seines Vertreters in der internationalen Phase, der kein beim EPA zugelassener Vertreter ist, eine Frist versäumt, so kann dies zu Rechtsverlusten oder Rechtsnachteilen führen.
Wird z. B. die Übersetzung der Anmeldung nicht rechtzeitig eingereicht, so gilt die Anmeldung gemäß Artikel 24 (1) iii) oder 39 (2) PCT als zurückgenommen. Wird der Aufforderung, einen beim Europäischen Patentamt zugelassenen Vertreter zu bestellen, nicht rechtzeitig entsprochen, so wird die Anmeldung zurückgewiesen (Art. 91 (3) oder 97 (1) EPÜ) oder die Anmeldung gilt als zurückgenommen (Art. 96 (3) EPÜ). Werden die in Ziffer 6 b) oder c) genannten Gebühren nicht rechtzeitig entrichtet oder wird der Prüfungsantrag nicht rechtzeitig gestellt, so werden die Zuschlagsgebühren nach den Regeln 85a und 85b EPÜ fällig. Zustellungen an den Anmelder werden in diesen Fällen dadurch bewirkt, daß das zuzustellende Schriftstück als gewöhnlicher Brief unter der dem Europäischen Patentamt bekannten letzten Anschrift des Anmelders zur Post gegeben wird. Die Zustellungen werden bereits mit der Aufgabe zur Post als bewirkt angesehen, selbst wenn der Brief als unbestellbar zurückkommt (Regel 78 (2) EPÜ). Ein Rechtsverlust oder ein Rechtsnachteil kann daher eintreten, ohne daß der Anmelder eine Entscheidung oder eine Mitteilung des Europäischen Patentamts erhalten hat.
Auswärtigen Anmeldern wird aus diesen Gründen dringend empfohlen, rechtzeitig einen beim EPA zugelassenen Vertreter mit ihrer Vertretung im Verfahren vor dem EPA als Bestimmungsamt oderausgewähltem Amt zu beauftragen.
* Unter dieser Rubrik werden Stellungnahmen zu Anfragen von allgemeinem Interesse veröffentlicht. Der Informationsaufgabe dieser Rubrik entspricht es, daß formale Fragen des Verfahrens im Vordergrund stehen. Die Rechtsauskünfte binden die zuständigen Organe des Europäischen Patentamts, insbesondere die Beschwerdekammern und die Große Beschwerdekammer, nicht.
1 Das ist eine internationale Anmeldung, für die das EPA als Bestimmungsamt oder ausgewähltes Amt tätig wird (vgl. Artikel 150 (3) EPÜ).
2 Prioritätsdatum bedeutet entweder das Anmeldedatum der Anmeldung, deren Priorität in Anspruch genommen wird, oder, wenn für die internationale Anmeldung mehrere Prioritäten in Anspruch genommen werden, das Anmeldedatum der ältesten Anmeldung, deren Priorität in Anspruch genommen wird, oder, wenn keine Priorität in Anspruch genommen wird, das internationale Anmeldedatum der Anmeldung (Artikel 2 xi) PCT).
3 Vgl. hierzu Hinweise für PCT-Anmelder betreffend Fristen und Verfahrenshandlungen vor dem EPA als Bestimmungsamt bzw. ausgewähltem Amt im ABl. EPA 1991, 328 und 339.