VERWALTUNGSRAT
Berichte über Tagungen des Verwaltungsrats
Bericht über die 43. Tagung des Verwaltungsrats der Europäischen Patentorganisation - (10. bis 13. Dezember 1991)
Die 43. Tagung des Verwaltungsrats der Europäischen Patentorganisation fand unter dem Vorsitz von Herrn Jean-Claude Combaldieu (FR) vom 10. bis 13. Dezember 1991 in München statt.
Es war die erste Ratstagung, an der das Fürstentum Monaco, das das EPÜ mit Wirkung vom 1. Dezember 1991 ratifiziert hat, als Vollmitglied teilnahm. Am 1. Januar 1992 ist Portugal der Organisation beigetreten.
Der Präsident des Amts, Herr Paul Braendli, legte seinen Tätigkeitsbericht für das zweite Halbjahr 1991 vor.
Der Präsident stellte eine gewisse Abschwächung der Anmeldetätigkeit fest. Für 1991 wird mit 60 000 europäischen Patentanmeldungen gerechnet. Der Trend zum Euro-PCT-Weg hat sich 1991 fortgesetzt: 13 600 Euro-PCT-Anmeldungen sind in die regionale Phase eingetreten (+ 29 %).
Der Präsident berichtete auch von den Ergebnissen der von den Harmonisierungsgruppen in den Generaldirektionen 1 und 2 durchgeführten Untersuchungen. Sie zeigen, daß trotz des steigenden Anteils neuer Prüfer Zahl und Art der Abweichungen unabhängig von den technischen Gebieten und den Erfahrungsstufen der Prüfer im Rahmen der vorhergehenden Untersuchungsergebnisse geblieben sind. Der Präsident berichtete ferner über die Studie von Professor Dr. Leberl über die Beurteilung der erfinderischen Tätigkeit und der Klarheit der Ansprüche. Diese Studie wurde anhand von Interviews und eines Fragebogens erstellt, der in Europa an die Industrie, die zugelassenen Vertreter und die prüfenden Patentämter versandt wurde. Dabei ergab sich im wesentlichen, daß der vom Amt an die erfinderische Tätigkeit angelegte Maßstab von etwa 80 % der Unternehmen weiterhin als angemessen betrachtet wird. Der Präsident stellte fest, daß die Studie die Praxis des Amts bestätigt, und erklärte, daß die von den Anmeldern vorgebrachten Anregungen eingehend geprüft würden.
Die 1990 eingeführten sieben Maßnahmen zur Beschleunigung des Verfahrens wurden ergänzt, um Anmeldern entgegenzukommen, die eine raschere Prüfung wünschen. Das Amt wird sich bemühen, diesen Anmeldern den ersten Bescheid der Prüfungsabteilung innerhalb von 4 Monaten nach Eingang der Akte zu übermitteln. Außerdem sollen alle weiteren Bescheide innerhalb von 3 Monaten nach Erhalt der Erwiderung des Anmelders erstellt werden.
Hinsichtlich der Patentinformationspolitik stellte der Präsident unter anderem fest, daß die Zusammenarbeit mit den nationalen Ämtern der Mitgliedstaaten auf dem Gebiet der CD-ROMs fortgesetzt und ausgebaut wird: Produktion von ESPACE-GB und ESPACE-AT mit britischer bzw. österreichischer Dokumentation; auch die deutsche Dokumentation wird derzeit als ESPACE-DE im selben Format wie die europäischen ESPACE-Platten hergestellt. Der Präsident berichtete ferner, daß die zur Tradition von INPADOC gehörende jährliche Benutzerversammlung im September in München stattgefunden hat. Dieses Treffen, zu dem rund 300 Benutzer der Patentinformationsdienste des EPA gekommen waren, bot dem Amt Gelegenheit, den Kunden des ehemaligen INPADOC zu versichern, daß dessen Dienstleistungen vom Europäischen Patentamt weitergeführt und in den nächsten Jahren noch verbessert werden. Die zweite PATLIB-Konferenz, an der Vertreter von Patentbibliotheken aus ganz Europa teilnahmen, wurde in Wien abgehalten; zu den auf der Konferenz angesprochenen Hauptthemen gehörten die Auswirkungen der CD-ROM-Technologie und die Möglichkeiten, die sich mit EPOQUE eröffnen. Die Hauptdirektion "Patentinformation" wird im übrigen bereits im Januar 1992 das neue Dienstgebäude der Dienststelle Wien beziehen.
Der Präsident erstattete dem Rat ferner Bericht über den Verfahrensstand der Patentanmeldung für die "Krebsmaus". Die Beschwerdekammer hatte die Sache zur weiteren Entscheidung an die Prüfungsabteilung zurückverwiesen; diese hat dem Anmelder nach erneuter Prüfung angekündigt, daß sie ein Patent zu erteilen beabsichtigt. Sie legte - anders als sonst üblich - auch die Gründe hierfür dar und stellte unter anderem fest, daß bei der Entscheidung über die Erteilung eines Patents der Nutzen für die Menschheit gegen das mögliche Leiden der Tiere abgewogen werden muß; dabei ist jeder Einzelfall zu prüfen. Die Entscheidung zugunsten des "Krebsmaus"-Patents darf nicht als Präzedenzfall angesehen werden, der generell zur Patentierung neuer Tiere berechtigt.
In bezug auf die internationalen Angelegenheiten berichtete der Präsident des Amts über den Stand der Zusammenarbeit bei den beratenden und technischen Hilfsmaßnahmen in den Bereichen Dokumentation, Patentinformation und Datenverarbeitung für mittel- und osteuropäische Länder. Mitte November veranstaltete das Amt gemeinsam mit der WIPO ein Seminar in Budapest über die Entwicklung des gewerblichen Rechtsschutzes in Polen, der Tschechoslowakei und Ungarn. Es bot Gelegenheit zur Vertiefung der Beziehungen und fand ein einhellig positives Echo.
Der Rat genehmigte für 1992 ein Programm zur technischen Zusammenarbeit mit Ungarn, Polen und der Tschechoslowakei sowie mit einigen anderen mittel- und osteuropäischen Ländern. Er genehmigte auch die Beschlußvorlagen betreffend die Ausführung des Automatisierungsplans sowie die Vergabe der Aufträge für das ELFOS-Projekt (elektronische Archivierung und Bearbeitung der Anmeldeakten). Der Rat wurde über den Stand der von den Partnern der dreiseitigen Zusammenarbeit (amerikanisches, japanisches und europäisches Amt) in Angriff genommenen technischen Arbeiten unterrichtet, die das Interesse Japans an dem inzwischen im Europäischen Patentamt angelaufenen EPOQUE-System erkennen lassen. Die dreiseitige Zusammenarbeit bei den neuen Informationsverarbeitungssystemen läßt sich außerordentlich vielversprechend an.
Der Rat genehmigte die Haushaltsrechnung für das Haushaltsjahr 1990. Nach Erörterung des Berichts der Rechnungsprüfer und Stellungnahme des Haushalts- und Finanzausschusses erteilte er dem Präsidenten Entlastung für das Haushaltsjahr 1990. Anschließend stellte der Rat den Haushaltsplan 1992 mit Einnahmen und Ausgaben in Höhe von 1 108 Millionen DEM fest. Des weiteren genehmigte er den Stellenplan (4 006 Stellen). Diese Zahlen beinhalten 31 Stellen und 15 Millionen DEM, die bis zu einem im Lauf des Jahres 1992 zu treffenden Beschluß des Haushalts- und Finanzausschusses und des Verwaltungsrats gesperrt bleiben.
Der Rat ernannte auf Vorschlag des Präsidenten des Amts den Vorsitzenden einer Technischen Beschwerdekammer sowie acht Beschwerdekammermitglieder und bestätigte mehrere Vorsitzende und Mitglieder der Beschwerdekammern und der Großen Beschwerdekammer sowie nach Artikel 160 (2) EPÜ ernannte Beschwerdekammermitglieder in ihrem Amt. Er bestätigte ferner alle Mitglieder des Forschungsbeirats für weitere zwei Jahre in ihrem Amt.