EUROPÄISCHES PATENTAMT
Mitteilungen des EPA
Mitteilung des Europäischen Patentamts vom 30. Juni 2016 über die Rückerstattung der Prüfungsgebühr (Artikel 11 der Gebührenordnung)
Mit Beschluss vom 29. Juni 20161 erhält Artikel 11 der Gebührenordnung (GebO) folgende Fassung:
"Die Prüfungsgebühr nach Artikel 94 Absatz 1 des Übereinkommens wird
a) in voller Höhe zurückerstattet, wenn die europäische Patentanmeldung zurückgenommen oder zurückgewiesen wird oder als zurückgenommen gilt, bevor die Sachprüfung begonnen hat;
b) zu 50 % zurückerstattet, wenn die europäische Patentanmeldung zurückgenommen wird, nachdem die Sachprüfung begonnen hat und
- bevor die Frist für die Erwiderung auf die erste von der Prüfungsabteilung selbst erlassene Aufforderung nach Artikel 94 Absatz 3 des Übereinkommens abgelaufen ist oder,
- falls die Prüfungsabteilung keine solche Aufforderung erlassen hat, vor dem Datum der Mitteilung nach Regel 71 Absatz 3 des Übereinkommens."
Der geänderte Artikel 11 a) GebO sieht vor, dass die Prüfungsgebühr in voller Höhe - anstatt wie bisher zu 75 % - zurückerstattet wird, wenn die Anmeldung zurückgenommen oder zurückgewiesen wird oder als zurückgenommen gilt, bevor die Sachprüfung begonnen hat.
Damit die Anmelder größtmöglichen Nutzen aus dieser Rückerstattungsmöglichkeit ziehen können, wird ihnen für bestimmte Akten und soweit betrieblich machbar der beabsichtigte Beginn der Sachprüfung mindestens zwei Monate im Voraus vom Amt mitgeteilt.
Eine solche Mitteilung verpflichtet das Amt, nicht vor dem genannten Datum mit der Sachprüfung zu beginnen; ein späterer Beginn ist selbstverständlich möglich. Den Anmeldern wird die Prüfungsgebühr in voller Höhe zurückerstattet, wenn ihre Anmeldung vor dem Tag, an dem mit der Sachprüfung begonnen wird, zurückgenommen oder zurückgewiesen wird oder als zurückgenommen gilt. Dieses Datum wird erfasst und ist im Europäischen Patentregister einsehbar.2
Der geänderte Artikel 11 a) GebO findet auf alle europäischen Patentanmeldungen Anwendung, die ab dem 1. Juli 2016 zurückgenommen oder zurückgewiesen werden oder als zurückgenommen gelten.
Gemäß dem geänderten Artikel 11 b) GebO wird die Prüfungsgebühr zu 50 % zurückerstattet, wenn die Anmeldung vor Ablauf der Frist für die Erwiderung auf den ersten Bescheid der Prüfungsabteilung gemäß Artikel 94 (3) EPÜ zurückgenommen wird. Die Rückerstattung erhalten die Anmelder bei einer aktiven Zurücknahme ihrer Anmeldung, nicht aber, wenn die Anmeldung nach Beginn der Sachprüfung zurückgewiesen wird oder als zurückgenommen gilt.
Mitteilungen nach Artikel 94 (3) EPÜ ergehen, wenn die Prüfung ergibt, dass die Anmeldung oder die Erfindung, die sie zum Gegenstand hat, den Erfordernissen des EPÜ nicht genügt. In Aufforderungen nach Regel 137 (4) EPÜ und Niederschriften über telefonische oder persönliche Rücksprachen, die zusammen mit einer Aufforderung zur Mängelbeseitigung übermittelt werden, wird auf die Möglichkeit der Rücknahmefiktion nach Artikel 94 (4) EPÜ hingewiesen; auch sie zählen als Mitteilungen nach Artikel 94 (3) EPÜ. Dasselbe gilt für Mitteilungen betreffend die Beurteilung des Kriteriums "vollständig enthalten" bei fehlenden Teilen der Beschreibung und/oder fehlenden Zeichnungen, die gemäß Regel 56 (3) EPÜ nachgereicht wurden.
Dagegen ist eine Mitteilung, in der auf rein formale Mängel der Anmeldungsunterlagen hingewiesen wird und die von einem Formalsachbearbeiter im Rahmen der ihm nach Regel 11 (3) EPÜ übertragenen Geschäfte erlassen wird3 - selbst wenn sie auf der Grundlage von Artikel 94 (3) EPÜ ergeht -, keine "von der Prüfungsabteilung selbst erlassene" Mitteilung nach Artikel 94 (3) EPÜ. Auch Mitteilungen, die auf einer anderen Rechtsgrundlage basieren - selbst wenn sie von der Prüfungsabteilung selbst erlassen werden -, wirken sich nicht auf den Zeitraum aus, in dem eine Zurücknahme zu einer Rückerstattung von 50 % der Gebühr berechtigt. Dies gilt insbesondere für Mitteilungen nach Regel 164 (2) a) EPÜ sowie Mitteilungen, in denen der Anmelder aufgefordert wird, gemäß Regel 53 (3) EPÜ eine Übersetzung einzureichen bzw. gemäß Artikel 124 EPÜ Auskünfte über den Stand der Technik zu erteilen.
Ergeht also eine dieser Mitteilungen als erster Bescheid im Prüfungsverfahren, kann der Anmelder immer noch 50 % der Prüfungsgebühr zurückerstattet bekommen, wenn die Anmeldung zurückgenommen wird, bevor die Prüfungsabteilung selbst die erste Mitteilung nach Artikel 94 (3) EPÜ erlässt.
Im Falle einer Direkterteilung, d. h. wenn der Mitteilung nach Regel 71 (3) EPÜ keine Mitteilung nach Artikel 94 (3) EPÜ vorausgeht, besteht die Möglichkeit der Rückerstattung von 50 % bis zu dem Tag vor dem Datum, an dem die Prüfungsabteilung die Mitteilung nach Regel 71 (3) EPÜ erlässt, also dem auf der Mitteilung abgedruckten Datum. Geht die Erklärung über die Zurücknahme am Tag der Mitteilung nach Regel 71 (3) EPÜ beim EPA ein, erhält der Anmelder deshalb keine Rückerstattung von 50 %.
Eine Zurücknahme unter der Bedingung, dass die Gebühr zu 50 % zurückerstattet wird, ist in der Regel möglich.4
Der geänderte Artikel 11 b) GebO findet auf alle europäischen Patentanmeldungen Anwendung, für die die Sachprüfung ab dem 1. November 2016 beginnt.
1 Beschluss des Verwaltungsrats vom 29. Juni 2016 zur Änderung von Artikel 11 der Gebührenordnung (CA/D 4/16) (ABl. EPA 2016, A48).
2 Siehe die Mitteilung des Europäischen Patentamts vom 29. Januar 2013 über die Anpassung der in den Artikeln 9 (1) und 11 b) Gebührenordnung vorgesehenen Rückerstattung von Recherchen- und Prüfungsgebühren im Sinne der Entscheidungen J 25/10 und J 9/10 der Juristischen Beschwerdekammer (ABl. EPA 2013, 153).
3 Siehe den Beschluss des Präsidenten des Europäischen Patentamts vom 12. Dezember 2013 über die Wahrnehmung einzelner den Prüfungs- oder Einspruchsabteilungen obliegender Geschäfte durch Bedienstete, die keine Prüfer sind (ABl. EPA 2014, A6), in der durch den Beschluss vom 23. November 2015 (ABl. EPA 2015, A104) geänderten Fassung.
4 Siehe Richtlinien für die Prüfung, E-VII, 6.3.