ANHANG
Fallstudie "Dunstabzugshaube"
Anhang 1 - Klageschrift
In Sachen
S-Auge LLC
Xx, Estland
Klägerin
vertreten durch RA xx
und patentanwaltlich beraten durch PA yy,
gegen
Schall AG
Xx, Schweiz
Beklagte
patentanwaltlich beraten durch PA Zz
betreffend
Patentverletzung
reichen wir namens und im Auftrag der Klägerin folgende
Klage
ein mit den folgenden
Rechtsbegehren:
1. Der Beklagten sei unter Androhung eines Zwangsgelds (Ordnungsbuße) sowie der Bestrafung ihrer Organe zu verbieten, selber oder durch Dritte in der Schweiz, Deutschland, Estland und den Niederlanden Dunstabzugshauben des Typs Premium gemäß Anspruch 1 der EP 1 234 567 B1 herzustellen, anzubieten, in Verkehr zu bringen, zu gebrauchen oder zu den genannten Zwecken einzuführen oder zu besitzen.
2. Die Beklagte sei unter Androhung eines Zwangsgelds (Ordnungsbuße) sowie der Bestrafung ihrer Organe im Wiederhandlungsfall zu verpflichten, die von ihr in Verkehr gebrachten Dunstabzugshauben gemäß Rechtsbegehren Nr. 1 zurückzurufen, d. h. die ihr bekannten Abnehmer der Produkte gemäß Rechtsbegehren Nr. 1 innerhalb einer Frist von maximal 5 Kalendertagen aufzufordern, die Produkte gemäß Rechtsbegehren Nr. 1 gegen Rückerstattung des Kaufpreises und der übrigen Auslagen zurückzugeben.
3. Alles unter Kosten- und Entschädigungsfolgen zu Lasten der Beklagten einschließlich einer Entschädigung für die patentanwaltlichen Aufwendungen.
Begründung
I. Formelles
A. Zuständigkeit
Bei der Klägerin handelt es sich um eine Limited Liability Company estnischen Rechts mit Sitz in Tallinn. Die Beklagte ist eine Aktiengesellschaft schweizerischen Rechts und hat ihren Sitz in Lugano (CH). Die Verletzungshandlungen werden von der Beklagten in Estland ausgeführt. Das Europäische Patentgericht bzw. seine Regionale Kammer mit Sitz in Stockholm ist damit als Verletzungsgericht nach Art. 5 Nr. 3 Lugano-Übereinkommen bzw. Art. 33 (1) (a) Übereinkommen über ein Einheitliches Patentgericht zuständig, um die vorliegende Klage zu entscheiden.
II. Materielles
A. Die Klägerin und das Klagepatent
1. S-Auge AG
Die Klägerin ist ein Unternehmen im Familienbesitz. Die Klägerin ist führend in der Lüftungstechnologie und hat sich ganz auf Be- und Entlüftungslösungen im Küchenbereich spezialisiert. Die Klägerin beschäftigt über 100 Mitarbeitende und erzielt einen jährlichen Umsatz von über 10 Millionen EUR. Sie umfasst Tochtergesellschaften und ist an 5 Standorten präsent, die in der Schweiz, Deutschland, Estland und den Niederlanden und Italien liegen.
2. Das Klagepatent EP 1 234 567
Die vorliegende Klage stützt sich auf EP 1 234 567 (EP '567 oder Klagepatent), welches von der Klägerin am 1. Januar 2010 angemeldet wurde. Das Klagepatent beansprucht eine Priorität vom 1. Januar 2009. Die Patenterteilung wurde am 10. Februar 2013 im Europäischen Patentblatt veröffentlicht. Das Klagepatent ist als Einheitspatent sowie als europäisches Patent in der Schweiz validiert, und die laufenden Jahresgebühren sind bezahlt.
B. Schall AG
Die Beklagte ist ein Unternehmen im Bereich Haushaltsgeräte. Sie entwickelt, produziert und vertreibt Geräte für die Küche.
B. Die angegriffene Ausführungsform und die patentverletzenden Handlungen der Beklagten
1. Anbieten und Vertrieb der Produktlinie Premium
Die Klage richtet sich gegen das Anbieten und den Vertrieb von Dunstabzugshauben der Linie "Premium" durch die Beklagte. Die Beklagte bewirbt die patentverletzenden Dunstabzugshauben unter anderem auf ihrer Webseite (www.schallag.com). Diese Webseite richtet sich an das schweizerische Publikum und das Publikum in der EU.
Auf der oben abgebildeten Webseite und auch auf dem Videoportal YouTube hat die Beklagte für die neue Premium-Linie ein Promotionsvideo aufgeschaltet. Dieses Video wurde gemäß den auf YouTube verfügbaren Angaben von der Beklagten am 22. Januar 2013 veröffentlicht. Die Klägerin ist anfangs Februar 2013 auf dieses Video aufmerksam geworden. Nachfolgend wird ein Screenshot aus der Plattform YouTube mit dem Video zur Premium-Linie der Beklagten gezeigt:
Im Produktebereich auf der Homepage der Beklagten sind derzeit vier verschiedene Modelle der Premium-Linie aufgeführt, deren Preise pro Gerät je nach Ausstattung zwischen 1 000 CHF und 2 000 CHF variieren. Die Klägerin wurde das erste Mal am 17. Januar 2013 anlässlich einer vom Abzugs-Verband EU organisierten Fachausstellung auf die Premium-Dampfabzugshauben der Beklagten aufmerksam. Nur wenige Tage später, am 22. Januar 2013, veröffentlichte die Beklagte zu ihren neuen Premium-Dunstabzugshauben eine Pressemitteilung. Wie eine einfache Google-Suche zeigt, befinden sich Premium-Dampfabzüge bereits im Handel und können mit kurzer Lieferfrist (5 Tage bzw. sofort) z. B. unter www.haubenshop.ch oder www.dunstshop.ch in zahlreichen Ausführungen bestellt werden. Die Klägerin tätigte Testkäufe in der Schweiz, Deutschland und den Niederlanden und bestellte jeweils eine Dampfabzugshaube der Premium-Linie. Die bestellten Dampfabzugshauben wurden der Klägerin im April 2013 zugestellt. Aus den beigefügen Unterlagen ergibt sich, dass die Hauben in Ivangorod, d. h. in Russland nahe der Grenze zu Estland, hergestellt werden, dort verpackt, mit dem Lastwagen nach Tallinn transportiert und von dort aus nach Lübeck verschifft werden und von dort wiederum mit Lastwagen zu den Verteilern transportiert werden.
2. Aufbau der angegriffenen Ausführungsform
Der Aufbau der Premium-Geräte wird zunächst anhand von Standbildern des von der Beklagten auf ihrer Webseite www.schallag.com veröffentlichten Produkte-Videos gezeigt:
Abbildung 1: Zu sehen ist eine streitgegenständliche Premium-Dampfabzugshaube, bei der die vordere Abdeckung der Dampfabzugshaube entfernt wurde, was einen Blick in deren Innenleben erlaubt. Im Zentrum der Dampfabzugshaube befinden sich ein Ventilator und ein Motor, die nicht einzeln zu sehen sind, weil sie sich in einem Gehäuse befinden. Links und rechts des Ventilators und des Motors befindet sich je ein stehender Aktivkohlefilter. Auf der Unterseite des Ventilators mit seinem Motor befinden sich auf dieser Abbildung drei horizontal übereinander geschichtete, liegende Aktivkohleblöcke. Es gibt bei den Premium-Geräten, wie auch bei denjenigen der Klägerin, zwei verschiedene Längen des Sauggehäuses. Die eine Größe verfügt über eine Bodenkassette, die andere über drei (wie nachfolgend abgebildet). Ob drei oder eine Bodenkassette gewählt werden, hängt grundsätzlich von den Platzverhältnissen im Küchenoberschrank oder von der Raumhöhe ab. Der von der Beklagten auf Bestellung der Klägerin gelieferte Dampfabzug enthält eine (und nicht drei) untenliegende Aktivkohlekassetten.
Abbildung 2: Es ist zu sehen, wie die Luft einerseits durch die unter dem Ventilator und dem Motor horizontal geschichteten Aktivkohlefilter und andererseits durch je eine zwischen den seitlichen Aktivkohlefiltern und der Außenwand der Dampfabzugshaube liegende weitere Kammer und anschließend durch die seitlichen Aktivkohlefilter angesogen wird. D. h. auf dem zweiten Weg wird die Luft seitlich den stehenden Aktivkohlefiltern zugeführt. Die Beklagte weist im Zusammenhang mit dieser Abbildung auf die luftreinigenden Eigenschaften der Aktivkohlefilter hin.
Abbildung 3: Es ist zu sehen, wie die unter dem Ventilator und dem Motor geschichteten Aktivkohlefilter ausgebaut werden können.
Abbildung 4: Diese zeigt den Aufbau der beiden seitlich des Ventilators und Motors angebrachten Aktivkohlefilter bei den streitgegenständlichen Dunstabzugshauben:
Bei der von der Beklagten gekauften streitgegenständlichen Dunstabzugshaube sind die Aktivkohlefilter wie folgt angeordnet (Ansicht von vorne):
Abbildung 5: Bei Dampfabzugshauben, die in Küchenschränke eingebaut werden, können die Aktivkohlefilter gegen vorne ausgebaut (entfernt) werden.
C. Die vorprozessuale Korrespondenz zwischen den Parteien
Nachdem die Klägerin an der Fachmesse Mitte Januar 2013 auf die Premium-Geräte der Beklagten aufmerksam wurde, prüfte sie eine mögliche Verletzung des Klagepatents, soweit dies mit den damals öffentlich verfügbaren Unterlagen (namentlich mit den auf der Homepage der Beklagten publizierten Informationen zur neuen Premium-Produktlinie sowie den von der Beklagten veröffentlichten Werbeaufnahmen) möglich war. Diese Prüfung ergab, dass die Geräte der Premium-Produktelinie Anspruch 1 des Klagepatents verletzen. Herr David Haapsalu, Geschäftsleitungsmitglied der Klägerin, teilte dies mit Schreiben vom 11. Februar 2013 Herrn Dr. Peter Eidgenoss, Direktionspräsident der Beklagten, mit und forderte die Beklagte auf, bis am 22. Februar 2013 mitzuteilen, weshalb sie sich berechtigt sehe, die patentverletzenden Dampfabzugshauben herzustellen, anzubieten und/oder zu verkaufen. In ihrer folgenden Stellungnahme verneint die Beklagte eine Verletzung des EP '567 und behauptete gleichzeitig, das Maßnahmepatent sei nicht rechtsbeständig.
D. Verletzung des Klagepatents
1. Wörtliche Verletzung von Anspruch 1
Aus der Vorkorrespondenz geht hervor, dass hinsichtlich der Patentverletzung zwischen den Parteien einzig umstritten ist, ob bei den streitgegenständlichen Dampfabzugshauben der Beklagten der Saugmotor in der Saugkammer vom Sorptionsfilter saugseitig umgeben ist (nachfolgendes Merkmal K1b von Anspruch 1). Auf dieses umstrittene Merkmal wird deshalb im Anschluss an die folgende Gegenüberstellung der Anspruchsmerkmale von Anspruch 1 noch einmal gesondert eingegangen.
Anfolgend die Merkmalsgliederung von Anspruch 1 und Anspruch 2 des Klagepatents
| Bezeichnung im Anspruch | Verletzungsform |
---|---|---|
O1 |
Lüftungsgerät |
Die Dampfabzugshauben der Premira-Linie sind Lüftungsgeräte gemäß Merkmal 01, |
O2 |
mit einer Ansaugseite (2), |
die über eine Ansaugseite an der Unterseite der Haube verfügen. |
O3 |
einem in einer Saugkammer (6) |
Eine Saugkammer ist ebenfalls vorhanden. Sie wird durch die vier Seitenwände des Dampfabzugskamins und durch die oben- und untenliegenden Abtrennungen gebildet (bei der nachfolgenden Abbildung rot eingefärbt). |
Abluftführung (O5) / Saugkammer (O3) / Gehäuse mit Ventilator und Motor d. h. Saugmotor (O4) / Ansaugseite (O2)
O4 | angeordneten Saugmotor (7) | Innerhalb der Saugkammer ist ein Saugmotor mit Ventilator angeordnet. |
O5 | und mit einer an die Saugkammer (6) angeschlossenen Abluftführung (9), | Die Abluft wird über eine Abluftführung oberhalb der Saugkammer abgeführt. |
| dadurch gekennzeichnet, dass |
|
K1a | der Saugmotor (7) in der Saugkammer (6) von einem Sorptionsfilter | In der Saugkammer sind Aktivkohlefilter vorhanden. Aktivkohlefilter sind typische Sorptionsfilter, die der Abscheidung von gasförmigen Luftfremdstoffen dienen. |
K1b | saugseitig umgeben ist, der | Die Aktivkohlefilter umgebenden Saugmotor saugseitig (siehe dazu die nachfolgende Ausführungen unter Rz. 35). |
K2 | eine Luftreinigungsfunktion einerseits | Aktivkohlefilter dienen wie bereits erwähnt wesensgemäß der Abscheidung von gasförmigen Luftfremdstoffen, d. h. der Luftreinigung. Auch in den Werbeunterlagen der Gesuchstellerin wird ausdrücklich hervorgehoben, dass von den Aktivkohlefiltern eine Luftreinigungsfunktion ausgeht. |
K3 | und eine schalldämmende Funktion andererseits ausführt. | Die Aktivkohlefilter haben aufgrund ihrer physikalischen Eigenschaften auch eine schalldämmende Wirkung. |
2. Insbesondere Merkmal K1b: Saugmotor ist saugseitig umgeben von Sorptionsfilter
Im Schreiben der Beklagten vom 22. März 2013 wird verletzungsseitig wie erwähnt einzig das Teilmerkmal K1b bestritten, wonach der Saugmotor vom Sorptionsfilter saugseitig umgeben sein muss.
Die Beklagte scheint das Merkmal "saugseitig umgeben" dahin auslegen zu wollen, dass der Saugmotor vom Sorptionsfilter mit Ausnahme der Abluftseite vollständig (d. h. auf fünf Seiten) eingefasst sein muss. Dies ergibt sich nach Auffassung der Beklagten angeblich schon aus dem normalen Sprachgebrauch, wonach "umgeben" insbesondere im Sinne von "einkreisen" verstanden werde. Zudem verweist die Beklagte auf Abs. [0012] des Klagepatents, wo festgehalten ist, dass die Filterkassetten einen den Saugmotor umgebenden geschlossenen Raum bilden würden.
Das Verständnis bzw. die Schlussfolgerungen der Beklagten sind aus folgenden Gründen unzutreffend:
Es trifft zu, dass "umgeben" insbesondere auch "einkreisen" bedeuten kann. Ein eingekreister Gegenstand ist aber gerade nicht allseitig umschlossen. Ein Kreis fasst einen Gegenstand nicht vollständig ein, sondern erstreckt sich bloß über zwei Dimensionen. "Saugseitig umgeben" im Sinne von "saugseitig eingekreist" bedeutet demnach, dass der Sorptionsfilter auf einer Seite, nämlich auf der Ansaugseite, den Saugmotor umkreisen muss, d. h. dass die Aktivkohlefilter auf der Ansaugseite einen Halbkreis (oder ein U) um den Saugmotor herum bilden müssen. Dies ist bei den angegriffenen Geräten der Beklagten der Fall: Die beiden stehenden Aktivkohlefilter und der resp. die liegenden Aktivkohlefilter bilden einen Halbkreis (ein U) um den Ventilator und den Motor.
Die Beklagte übersieht weiter, dass sich das in Abs. [0012] des Klagepatents beschriebene Ausführungsbeispiel, bei dem die Filterkassetten einen auf fünf Seiten geschlossenen Raum um den Saugmotor bilden, offensichtlich auf den abhängigen Unteranspruch 3 bezieht, der ausdrücklich einen solchen geschlossenen Raum verlangt. Anspruch 1 entspricht dem in Abs. [0011] des Klagepatents beschriebenen Ausführungsbeispiel (relevant sind die ersten drei Sätze), bei dem keine solche Einschränkung vorgesehen ist. Dadurch, dass im Anspruch 3 des Klagepatents ausdrücklich verlangt wird, dass die Kassetten einen den Saugmotor umgebenden geschlossenen Raum bilden, wird bestätigt, dass eine Abstufung des Schutzgegenstands in dem Sinne definiert ist, dass mit "umgeben" in Anspruch 1 der Schutzgegenstand allgemeiner definiert und der Schutz nicht auf "umschlossen" beschränkt ist. Wenn eine Abzugshaube beispielsweise an einer Wand befestigt wird, wie dies in Abs. [0010] des Klagepatents beschrieben ist, liegt es ebenfalls auf der Hand, dass wandseitig kein Sorptionsfilter notwendig ist bzw. angebracht wird. Anspruch 1 des Klagepatents ist dementsprechend nicht so eng zu verstehen, wie dies die Beklagte gerne hätte.
Gemäß Anspruch 1 des Klagepatents ist es ausreichend, dass der Sorptionsfilter in der Saugkammer den Saugmotor auf der Ansaugseite derart umgibt, dass der Sorptionsfilter saugseitig einen Halbkreis bzw. ein U um den Saugmotor bildet, d. h. den Saugmotor und den Ventilator gegen unten abdeckt und sich über mindestens zwei einander gegenüberliegende Seiten erstreckt und dort seitlich den Saugmotor und den Ventilator ebenfalls abdeckt.
Dies ist bei den Premium-Geräten der Beklagten wie erwähnt der Fall. Die Premium Dampfabzüge verfügen über zwei seitlich vom Saugmotor in der Saugkammer angebrachte Aktivkohlefilter, welche den Saugmotor bis zum Abschluss der Saugkammer unterhalb der Abluftführung seitlich abdecken. Unterhalb dieser auf beiden Seiten vertikal angeordneten Aktivkohlefilter befindet/befinden sich daran anschließend ein dickerer resp. drei dickere Aktivkohlefilter. Dieser untere resp. diese unteren Aktivkohlefilter bildet/bilden zusammen mit den beiden seitlich angebrachten Kohlefiltern saugseitig ein U um den Saugmotor der Premium-Geräte der Beklagten und umgeben diesen also i. S. des Anspruchs 1 des Klagepatents saugseitig:
Die Aktivkohlefilter bei den angegriffenen Dampfabzugshauben der Beklagten sind gleich angeordnet wie diejenigen in Fig. 1 des Klagepatents (Ziff. 10', 11' und 12', auf der nachfolgenden Abbildung rot eingefärbt):
Damit verwirklichen die Geräte der Premium-Linie das Merkmal K1b von Anspruch 1 des Klagepatents.
3. Wortsinngemäße Verletzung von Anspruch 2
Der abhängige Anspruch 2 des Klagepatents beansprucht ein Lüftungsgerät nach Anspruch 1, das dadurch gekennzeichnet ist, dass der Sorptionsfilter aus plattenförmigen Kassetten (10, 11, 12, 10a) besteht, welche jeweils mit Aktivkohle gefüllt sind.
Bei den Premium-Geräten sind die Filter in plattenförmigen Kassetten angeordnet und enthalten als Filtermaterial Aktivkohle. Die kassettenförmige Bauart der Filter ermöglicht bei den Geräten der Beklagte einen unkomplizierten Ein- und Ausbau. Dass die Premium-Geräte Aktivkohle als Filtermaterial aufweisen, bestätigen die Datenblätter der Beklagten (siehe Beilagen 12, 13, 14, 15).
E. Rechtsbeständigkeit des EP '567
Die Beklagte macht in ihrem Schreiben vom 22. März 2013 geltend, falls das Merkmal, wonach der Saugmotor saugseitig vom Sorptionsfilter umgeben sein muss, nicht so zu verstehen sei, dass der Sorptionsfilter auf der Saugseite um den Saugmotor herum einen geschlossenen Raum bilden müsse, sei Anspruch 1 des Klagepatents durch den Stand der Technik neuheitsschädlich vorweggenommen. Zudem meint die Beklagte, das Klagepatent sei im Verlauf des Prüfungsverfahrens in unzulässiger Weise abgeändert worden. Beide Einwände gegen die Rechtsgültigkeit des EP '567 sind unbegründet.
1. Neuheit von EP '567
Auch wenn der Begriff "umgeben" so ausgelegt wird, dass er auch Anordnungen erfasst, bei denen drei ein U bildende Seiten innerhalb des Saugraums mit Filterplatten versehen sind, ist Anspruch 1 des Klagepatents neu.
Die Beklagte verkennt, dass es zwischen dem abhängigen Unteranspruch 3, der verlangt, dass der Sorptionsfilter um den Saugmotor einen geschlossenen Raum bildet, und der Auslegung, welche die Beklagte ihrer Neuheitsprüfung zu Grunde legt, nämlich dass es genügen soll, wenn "nur ein Teil der Seitenflächen des Saugraums mit Filterplatten versehen" ist, Zwischenstufen gibt. Eine solche Zwischenstufe bildet Anspruch 1, der verlangt, dass der Sorptionsfilter den Saugmotor saugseitig umgibt, d. h. auf der Ansaugseite auf drei Seiten um den Saugmotor herum vorhanden ist und ein U bildet.
Insofern die von der Beklagte zitierten Entgegenhaltungen also bloße Vorrichtungen zeigen, bei denen an einzelnen Seiten des Saugmotors Filter angebracht sind, die diesen aber nicht in der Form eines U umgeben, sind diese entgegen der Auffassung der Beklagten nicht neuheitsschädlich für Anspruch 1. Auch zitierte Entgegenhaltungen mit Vorrichtungen, bei denen Filter außerhalb der Saugkammer angebracht sind, sind entgegen der Auffassung der Klägerin nicht neuheitsschädlich für Anspruch 1.
1.1. Neuheit gegenüber EP 1 134 501 A1
Die von der Gesuchgegnerin als Erstes angeführte Anmeldeschrift EP 1 134 501 bezieht sich auf eine Dunstabzugshaube, welche gemäß Anspruch 1 ein Gehäuse (12) aufweist, in dem sich das Gebläse und der entsprechende Motor befinden und das mit mindestens zwei Ansaugöffnungen (3, 17) versehen sein soll. Das Gehäuse weist eine erste, horizontale, saugseitige Ansaugöffnung (3) auf, die mit dem darunter liegenden horizontalen Haubenschirm (1) fest verbunden ist, und eine zweite und resp. mehrere weitere Ansaugöffnungen (17).
Gemäß dem abhängigen Anspruch 3 soll die zusätzliche Ansaugöffnung (17) im inneren Gehäuse (12) mit dem freien Innenvolumen des vom Haubenschirm (1) senkrecht nach oben abstehenden, das Gehäuse (12) umfassenden Kamins (2) kommunizieren, der seinerseits in wenigstens einer der Wände des Kamingehäuses (recte: 2) eine Öffnung (5) zur Luftkommunikation mit der Umgebung hat. Die Öffnung (5) kann mit einer Filterkassette (22) versehen sein.
In Fig. 1 sind der Schirm (1), das innere Gehäuse (12) mit unterer (3) und seitlicher Ansaugöffnung (17) sowie der Kamin (2) gut erkennbar.
In Fig. 2 sind in der unteren Ansaugöffnung (3) zwei Filterplatten (10, 11) und in der mit der seitlichen Ansaugöffnung (17, hierzu kleinere Abbildung in Fig.1) des inneren Gehäuses korrespondierenden seitlichen, luftdurchlässigen Wandpaneelen (5) des Kamins (2) eine Filterkassette (22) angeordnet, wobei die Luft mittels eines Schlauchs (25) zur Ansaugöffnung (17, hierzu kleinere Abbildung in Fig.1) geführt wird (s. Spalte 5, Abs. [0011]).
Die Hauptunterschiede der Dunstabzugshaube nach EP 1 134 501 A1 zu dem Lüftungsgerät nach Anspruch 1 des Klagepatents sind unter anderen folgende:
1. Beim EP '501 bildet das innere Gehäuse (12), in welchem der Gehäuseabschnitt (14) mit dem Verdichter enthalten ist, die Saugkammer, denn nur dort befindet sich der Unterdruck, durch welchen die Luft angesaugt wird. Deshalb befindet sich bloß der Fettfilter (10) bzw. Kohlefilter (11) innerhalb der Saugkammer. Die weiteren seitlich angebrachten Filter (22) sind über den offenen Kamin (Absatz [0010]) resp. mittels Schläuchen (24) und einen Dom (25) (Abs. [0011]) vom Saugmotor getrennt und befinden sich in jedem Fall außerhalb der Saugkammer. Beim Klagepatent sollen sich die luftreinigenden und schalldämmenden Filter gemäß Anspruch 1 dagegen gerade in der Saugkammer befinden.
2. Das EP '501 offenbart mehrere Ein-.Ansaugöffnungen (3, 17), definiert jedoch als Saugseite eindeutig diejenige Seite, welche mit der Ansaugöffnung (3) kommuniziert (Spalte 5, Abs. [0009] "einer mit der Einsaugöffnung (3) korrespondierenden saugseitigen Öffnung"). Die Ansaugöffnungen (17) und die damit kommunizierenden Paneele (5) und Filter (22) in der Kaminwand befinden sich deshalb nicht auf der Ansaugseite, sondern stehen in einem Winkel von 90° zu dieser. Das Klagepatent setzt aber gerade voraus, dass die Sorptionsfilter saugseitig angebracht sind resp. den Saugmotor saugseitig (und nicht irgendwo) umgeben.
3. Durch diese Anordnung von mehreren Ein- bzw. Ansaugöffnungen (3, 17) und davon getrennten, unter einander nicht verbundenen Filtern (11/12 einerseits und 22 anderseits) wird keine schalldämmende Funktion angestrebt resp. erreicht, sondern es werden im Gegenteil unnötige Luftengnisse und Turbulenzen geschaffen, die zu einer höheren Lärmemission führen. Dies im Gegensatz zum Klagepatent, bei dem die Sorptionsfilter den Saugmotor eben deshalb umgeben sollen, um eine nicht nur luftreinigende, sondern auch schalldämmende Funktion zu erzielen.
Es ergeben sich durch diese Unterschiede wesentliche Nachteile der Abzugshaube nach EP '501 gegenüber dem Gerät nach EP '567. Zum einen ergeben die zahlreichen Ansaugöffnungen (3, 17) mit der Kommunikation über den offenen Kamin einen schlechten Wirkungsgrad resp. mit den Schläuchen und Domen einen aufwändigen und unwirtschaftlichen Aufbau der Abzugshaube, welcher zum andern auch platzmäßig sehr ungünstig und damit nicht marktkonform ist, da der umgebende Kamin (12) gegenüber der kompakten Saugkammer des Klagepatents einen annähernd doppelten Umfang ergibt.
Damit ist der Gegenstand des Anspruches 1 durch EP '501 nicht neuheitsschädlich vorweggenommen.
F. Der Anspruch der Klägerin auf Unterlassung und Rückruf der patentverletzenden Produkte
Das Patent verschafft seinem Inhaber das Recht, Dritten zu verbieten, die Erfindung gewerbsmäßig zu benützen. Als Benützung gelten neben dem Gebrauch und der Ausführung insbesondere auch das Herstellen, Lagern, Anbieten, Inverkehrbringen sowie die Ein- und Ausfuhr.
Die Klägerin hat gezeigt, dass die Beklagte in den betroffenen Ländern Dampfabzüge, welche in den Schutzbereich von Anspruch 1 des Klagepatents fallen, bewirbt und verkauft.
...
Rechtsbegehren Nr. 1 ist auf ein Verbot zukünftiger Handlungen gerichtet (Unterlassungsanspruch). Das Rechtsbegehren Nr. 2 verpflichtet die Beklagte, bereits in Verkehr gesetzte Erzeugnisse zurückzurufen (Beseitigungsanspruch). Die Möglichkeit, einen solchen Rückruf zu verlangen, ist in Lehre und Rechtsprechung unbestritten. Für die Klägerin wäre es unverhältnismäßig, gegen jeden einzelnen Händler vorzugehen, der Premium-Dampfabzüge auf Lager hat und verkauft.