ERÖFFNUNG DES SYMPOSIUMS UND BEGRÜßUNGSANSPRACHEN
Dermot DOYLE - Controller, Irisches Patentamt
Guten Morgen und willkommen in meiner Heimatstadt Dublin.
Wie viele andere Städte auch wird Dublin von einem Fluss, in diesem Fall vom Fluss Liffey, durchschnitten.
Der Liffey trennt den Norden vom Süden, wo wir uns befinden, und bildet nicht nur eine physische Trennlinie, sondern gleichzeitig auch einen als solchen empfundenen kulturellen Graben. Der stereotype Southsider ist kultiviert und gebildet, der Nachbar aus dem Norden eher nicht. Wir machen uns über die Northsider lustig, und einer der humorvolleren Witze geht so: "Wie nennt man einen Northsider, der Anzug, Hemd und Krawatte trägt?" Die Antwort lautet "den Beklagten".
Ich bin ein Northsider mit Anzug, Hemd und Krawatte, daher sehen Sie es mir bitte nach, wenn ich vor so vielen Richtern stehend nervös bin.
Als Vertreter des irischen Patentamts freue ich mich und empfinde es als eine Ehre, hier auf dem Symposium europäischer Patentrichter sprechen zu dürfen.
Als Thema habe ich Patente und das Patentsystem in Irland gewählt, weil einige Symposiumsteilnehmer Interesse bekundet hatten zu erfahren, wie es mit der Patenttätigkeit in Irland steht und ob unser System zur Bearbeitung von Patentanmeldungen und Erteilung von Patenten mit dem britischen System vergleichbar ist.
Zunächst möchte ich etwas auf den historischen Hintergrund eingehen, um zu erläutern, welche Rolle die enge und lange Verbindung zwischen Irland und England hinsichtlich Regierungsführung und Recht bei der Entwicklung des irischen Patentsystems gespielt hat.
Vor der englischen Herrschaft hatte Irland sein eigenes indigenes Recht (The Brehon Laws) aus der Zeit der Kelten, das bis zum 17. Jahrhundert überlebte, als es schließlich durch das englische Gewohnheitsrecht ersetzt wurde. Das englische Recht galt in Irland bis zur Gründung des irischen Freistaats im Jahr 1922.
Vor 1852 mussten irische Erfinder ein schwerfälliges, kompliziertes und kostspieliges Verfahren durchlaufen, um von der Krone ein Patent zu erhalten. Für eine irische Patentanmeldung musste ein Gesuch mit Angabe des Titels der Erfindung verfasst werden sowie mit der Bestätigung, dass der Gesuchsteller auch der Erfinder war. Diesem Gesuch war eine Erklärung vor einem Master in Chancery zur Bestätigung dieser Angaben beizufügen. Gesuch und Erklärung wurden dem Lord Lieutenant und anschließend dem Attorney General for Ireland übermittelt, die beide hier in Dublin Castle ihren Sitz hatten - bis zur Unabhängigkeit das Zentrum der britischen Herrschaft in Irland. Wenn es keinen Einspruch gab, wurde die Patentanmeldung nach London geschickt, wo eine Urkunde ausgestellt und eine Abschrift des Gesuchs dem König zur Unterzeichnung vorgelegt wurde. Nach einigen weiteren Phasen, in denen wiederum die Unterschrift des Königs erforderlich war, ging es nach Dublin Castle zurück, wo es mit dem Great Seal of Ireland versehen wurde. Es wurden nur wenige Patentanmeldungen eingereicht, da das Verfahren erhebliche Kosten verursachte und sechs Monate dauerte – 1850 galt dies als inakzeptabel, heutzutage jedoch würde man von einem sehr zügigen Verfahren sprechen!
Bedenken gegenüber diesem Verfahren spiegelten sich in einem 1851 in Dublin veröffentlichten Bericht eines gewissen Dr. J. A. Lawson wider, der die Gründung eines einzigen Patentamts für das Vereinigte Königreich forderte. Seiner Empfehlung kamen die englischen Behörden rasch nach; der Patent Amendment Act von 1852 schaffte irische Patente ab und leitete die Gründung des britischen Patentamts ein. Außerdem sah er die Veröffentlichung eines einzigen britischen Patents anstatt der Erteilung separater Patente für jede Nation des Vereinigten Königreichs vor.
Infolgedessen stieg die Anzahl der in Irland geschützten Erfindungen dramatisch an (1850 waren es 60, wovon nur 3 von in Irland ansässigen Personen stammten, 1862 hingegen hatten rund 21 000 Patente Rechtsbestand). Ein weiterer UK Patents Act von 1883 führte eine beschränkte Form der Prüfung von Patentanmeldungen durch Patentprüfer ein; dies sollte in erster Linie gewährleisten, dass die Patentschrift die Erfindung richtig beschreibt, ohne jedoch auf die Neuheit einzugehen - das Neuheitserfordernis wurde erst im UK Patents Act von 1902 ausdrücklich genannt.
Mit der Gründung des Freistaats Irland (Saorstat Eireann) im Jahr 1922 entstand im Hinblick auf Patente (und andere IP-Rechte) eine mehrjährige Lücke. Der neue Staat übernahm die britischen Gesetze, soweit sie auf Irland anwendbar waren, und diese Gesetze hatten weiterhin Bestand, solange sie nicht verfassungswidrig waren oder vom irischen Parlament (dem Oireachtas) außer Kraft gesetzt oder geändert wurden. Erst 1927 setzte das erste irische Gesetz zum gewerblichen Rechtsschutz, der Industrial and Commercial Property Act, die vorherigen britischen Gesetze zu Patenten, Mustern, Marken und Urheberrechten offiziell außer Kraft.
Zwar sah das Gesetz von 1927 die Gründung eines unabhängigen irischen Patentamts vor, gleichzeitig erkannte man jedoch, dass das Amt zumindest in der Anfangsphase nicht die gleiche Prüfungstiefe würde bieten können wie das britische Amt. Daher forderte man von den Anmeldern, für die Neuheit Anscheinsbeweise in Form einer angenommenen gleichwertigen britischen (UK-)Patentanmeldung vorzulegen. Vor dem 1. Oktober 1927 datierte UK-Patente konnten auf den irischen Freistaat ausgeweitet werden, sofern die Jahresgebühren entrichtet und beglaubigte Abschriften der entsprechenden Einträge im UK-Patentregister eingereicht wurden. Zwischen 1927 und 1964 gingen ca. 25 000 Patentanmeldungen ein, von denen ca. 55 % zur Erteilung führten.
Die nächste Revision des irischen Patentrechts mündete in den Patents Act von 1964 ein – neben vielen Gemeinsamkeiten wies dieser jedoch auch einige beachtliche Unterschiede zum UK Patents Act von 1949 auf. Der Patents Act 1964 führte erstmalig den Begriff der universellen Neuheit ein und ersetzte damit die alte Regelung, dass eine Erfindung als neu gilt, wenn sie noch nicht im Freistaat veröffentlicht wurde. Damit war Irland konform zum Straßburger Übereinkommen zur Vereinheitlichung gewisser Begriffe des materiellen Rechts der Erfindungspatente. Der Patents Act 1964 trug zudem der Tatsache Rechnung, dass es für das irische Patentamt nicht machbar war, Neuheitsrecherchen zu allen Anmeldungen durchzuführen, und sah die Zulässigkeit von Neuheitsbelegen in unterschiedlicher Form vor. Dazu gehörten Recherchenergebnisse des britischen Amts oder des Internationalen Patentinstituts in Den Haag.
Kopien von Patentschriften zu erteilten Patenten aus dem britischen oder dem deutschen Amt konnten ebenfalls herangezogen werden, um das Neuheitserfordernis zu erfüllen.
Zwischen 1964 und 1992 nahmen die Anmeldezahlen stetig zu und erreichten 1990 einen Spitzenwert von knapp 5 000. Nach 1992 jedoch gingen die nationalen Anmeldungen erheblich zurück, was auf Irlands Ratifikation des Europäischen Patentübereinkommens (EPÜ) und des Patent Cooperation Treaty (PCT) zurückzuführen war. Der Patents Act 1992 sah die Ratifikation dieser beiden Verträge vor und passte das irische Patentrecht an das Recht der anderen europäischen Länder, insbesondere unserer EU-Partner an.
Anders als der Patents Act 1964 enthält der Patents Act 1992 keine Definition des Neuheitsbegriffs, mit der Festlegung einer Reihe von Patentierbarkeitskriterien lehnt er sich vielmehr eng an das EPÜ an. Es gibt keine Einspruchsfrist mehr, und die Patentlaufzeit wurde von 16 auf 20 Jahre ohne Verlängerungsmöglichkeit heraufgesetzt. Wie bereits im Patents Act 1964 wurde die Festlegung, mit welchen Unterlagen der Anmelder die Neuheit nachweisen kann, auf EP- und PCT-Recherchenberichte sowie erteilte EP-Patente ausgeweitet. Für Patentanmeldungen ist nach wie vor nur eine beschränkte Prüfung, also keine Sachprüfung, vorgesehen, und es obliegt dem Anmelder, materiellrechtliche Fragen wie unvollständige Offenbarung, Neuheitsmangel etc. selbst zu klären. Wenn er dem nicht nachkommt, kann dies vom Gericht oder dem Controller als guter Grund für den Widerruf des Patents gewertet werden. Neu im Patents Act 1992 war die Einführung eines Patents mit einer Laufzeit von nur 10 Jahren. Dieses Patent ist einem Gebrauchsmuster sehr ähnlich und zielt auf kleinere, unabhängige Erfinder und technisch weniger komplexe Erfindungen ab. In diesem Fall ist kein Recherchenbericht erforderlich, und es besteht keine Verpflichtung, Nachweise für die Patentierbarkeit zu erbringen, wie dies bei herkömmlichen 20-Jahres-Patenten der Fall ist. Folglich ist das Patent kostengünstig und kann rasch erteilt werden. Um jedoch ein Patent mit kurzer Laufzeit gegenüber Dritten im Wege einer Verletzungsklage durchzusetzen, muss der Inhaber zuerst beim Amt eine Recherche im Stand der Technik beantragen, deren Ergebnisse sowohl dem Patentinhaber als auch dem angeblichen Patentverletzer mitgeteilt werden.
Es ist richtig, dass das irische Patentrecht vor dem Patents Act 1992 in vielen Aspekten auf dem britischen Patentrecht basierte, und daher hatten die Entscheidungen der britischen Gerichte zu Patentfällen eine erhebliche Überzeugungskraft in der irischen Rechtsprechung. Dies ist auch heute noch der Fall, jedoch bietet Abschnitt 129 des Patents Act 1992 einen breiteren Rahmen, denn er sieht ausdrücklich vor, dass Richter und Controller das EPÜ und den PCT sowie die Entscheidungen und Stellungnahmen der Großen Beschwerdekammer des EPA zu EPÜ-relevanten Fragen zu beachten haben. Darüber hinaus berücksichtigen irische Gerichte Urteile aus anderen Rechtskreisen in Fragen, zu denen es in Irland noch keine Entscheidung gibt, und sie können auch Verfahren in anderen Vertragsstaaten verfolgen.
Seit Inkrafttreten des Patents Act 1992 wurden in Irland sehr wenige Patentfälle verhandelt, und wenn es zu einem Verfahren kommt, einigt man sich oft vor der Verhandlung. Vor dem Patents Act 1992 ging es in den meisten Verfahren, in denen der High Court nach dem Patents Act 1964 zu entscheiden hatte, um Anträge auf Verlängerung der Patentlaufzeit über die seinerzeit geltende Standardlaufzeit von 16 Jahren hinaus. Diese Verfahren betrafen in erster Linie pharmazeutische Patente, wo die Inhaber einen längeren Patentschutz begehrten, um einen Ausgleich für die lange Wartezeit bis zum Erhalt der behördlichen Genehmigung für das Inverkehrbringen dieser Erzeugnisse zu schaffen.
Zwar setzte der Patents Act 1992 die Patentlaufzeit auf 20 Jahre herauf, gleichzeitig schaffte er jedoch die Möglichkeit für Patentinhaber ab, die Laufzeit eines Patents zu verlängern.
Im Januar 1993 ratifizierte Irland allerdings auch eine EU-Verordnung, mit der ein ergänzendes Schutzzertifikat (SPC) für medizinische Erzeugnisse geschaffen wurde. Unter dieser Verordnung können Pharmaunternehmen die Laufzeit eines Patents auf ein medizinisches Erzeugnis verlängern, um für eine Gesamtdauer von maximal 15 Jahren ab dem Zeitpunkt, an dem die erste Genehmigung für das Inverkehrbringen dieses Erzeugnisses als Arzneimittel innerhalb der EU erteilt wurde, Schutz zu erhalten. Da das SPC eine Patentlaufzeitverlängerung von bis zu fünf Jahren ermöglicht, ist es europaweit zu einem äußerst wertvollen Recht des gewerblichen Rechtsschutzes geworden, denn es verlängert den ausschließlichen Schutz eines medizinischen Erzeugnisses an einem Punkt in seinem Lebenszyklus, an dem sich erhebliche Profite erzielen lassen.
Ich erwähne die SPCs, weil dieser Bereich des Patentrechts sich derzeit sehr schnell weiterentwickelt. Das SPC-Anmeldeaufkommen ist mit 1 SPC-Anmeldung auf 12 Standardpatentanmeldungen im internationalen Vergleich sehr hoch, denn beispielsweise im deutschen Amt kommt 1 SPC-Anmeldung auf 1 000 Standardanmeldungen. Trotz der niedrigeren Anmeldezahlen waren SPCs für eine überproportional große Anzahl von Gerichtsverfahren auf nationaler Ebene und zunehmend auch vor dem Europäischen Gerichtshof (EuGH) verantwortlich, und auch daran lässt sich ihr kommerzieller Wert für Pharmaunternehmen ablesen. In den letzten zehn Jahren betrafen die im irischen Amt anhängigen Verfahren zu Patentstreitigkeiten in erster Linie SPC-Fragen, wobei es in einem Fall zu einer Beschwerde vor der für Handelsfragen zuständigen Kammer des Irish High Court kam. Ich freue mich, berichten zu können, dass das Gericht in dieser Instanz die Entscheidung des Controllers bestätigt hat.
Zum Abschluss möchte ich kurz auf die aktuelle Patenttätigkeit in Irland sowie auf die neuesten Entwicklungen in unserem Patentrecht eingehen.
Den erheblichen Rückgang bei den nationalen Patentanmeldungen seit Irlands Ratifikation des EPÜ habe ich bereits erwähnt. In den letzten zehn Jahren wurden im Durchschnitt 998 nationale Anmeldungen pro Jahr eingereicht. Das Anmeldeaufkommen ist seit 2008 Jahr für Jahr zurückgegangen - ein Anzeichen dafür, dass sich die Wirtschaftskrise nach wie vor auf die Investitionen in Innovation auswirkt, und dies insbesondere bei kleineren Unternehmen.
Die Aussichten sind jedoch nicht ganz so düster, denn der Zuwachs bei Patentanmeldungen (für EP-, PCT-, UK- und US-Patente), die von Unternehmen mit Sitz in Irland eingereicht wurden, weist darauf hin, dass exportorientierte Unternehmen ihre Marktpräsenz verstärken und in neue internationale Märkte vorstoßen, neue Unternehmen gründen und wettbewerbsfähiger und innovativer werden. Dies ist eine positive Entwicklung und spiegelt die Rückkehr zum exportorientierten Wachstum wider, die seit ungefähr einem Jahr zu erkennen ist.
Auch wenn der Patents Act 1992 nach wie vor die Grundlage des irischen Patentrechts bildet, wurde er geändert, um die irische Rechtsprechung an internationale Standards anzupassen und so durch Anwendung der besten Praktiken erfolgreicher Patentverwaltungssysteme Innovation und technischen Fortschritt zu fördern. Beispielsweise wurde der Act durch den Patents (Amendment) Act von 2006 geändert, in erster Linie um die Revision des EPÜ umzusetzen, die Einhaltung des TRIPS-Abkommens in Bezug auf Zwangslizenzen zu gewährleisten und den im Juni 2000 in Genf angenommenen Patentrechtsvertrag zu erfüllen.
Ich freue mich, Ihnen mitteilen zu können, dass die Ministerialverordnung zum Patents (Amendment) Act 2012 am 2. September unterzeichnet wurde (ja, Minister arbeiten tatsächlich auch am Sonntag); damit wird das Londoner Übereinkommen umgesetzt und eine vereinfachte Übersetzungsregelung eingeführt, die eine Kostenreduzierung für Patentanmelder ermöglicht.
Was die Zukunft angeht, so sind wir bemüht, unser Patentrecht mit weiteren Änderungen an die Anforderungen der zunehmend innovationsgetriebenen Weltwirtschaft des 21. Jahrhunderts anzupassen, um sicherzustellen, dass Irland mit seinem nationalen Patentsystem keine Wettbewerbsnachteile gegenüber den Konkurrenzsystemen weltweit erleidet.
Ich danke Ihnen für Ihre Aufmerksamkeit und wünsche Ihnen allen ein anregendes und interessantes Symposium.