BERICHTE NATIONALER RICHTER
NL Niederlande
NL Niederlande - Rian KALDEN - Vizepräsident, District Court, Den Haag - Solvay gegen Honeywell/Vorlage an den EuGH gemäß Artikel 6 Absatz 1 und Artikel 16 Absatz 4 Verordnung Brüssel I1 - Solvay S.A. gegen Honeywell Fluorine Products Europe B.V., Honeywell Belgium N.V. und Honeywell Europe N.V. - Gericht Den Haag, Niederlande, 15. September 2010 Rechtssache 342164/09-2275
Sachverhalt
Solvay ist in Besitz eines für mehrere europäische Länder geltenden europäischen Patents. In einem Verfahren der einstweiligen Anordnung (im Rahmen eines Verfahrens in der Hauptsache) gegen drei zur Honeywell-Gruppe gehörende Unternehmen, ein niederländisches und zwei belgische Unternehmen, ersucht Solvay das niederländische Gericht um einstweilige grenzüberschreitende Anordnung wegen Patentverletzung in mehreren europäischen Ländern (ausgenommen jedoch die Niederlande und Belgien).
Stellungnahme des Beklagten
Honeywell vertritt die Auffassung, dass die Zuständigkeit des Gerichts in Den Haag nach Artikel 22 Absatz 4 der Verordnung Brüssel I und der Entscheidung des EuGH in der Sache Gat/LuK nicht gegeben ist. Ferner führt das Unternehmen an, dass das Patent von Solvay in den betreffenden Ländern nicht gültig sei. Die belgische Honeywell-Unternehmen machen außerdem geltend, dass das Gericht auf der Grundlage des Artikels 6 Absatz 1 der Verordnung Brüssel I und nach der Entscheidung des EuGH in der Sache Roche/Primus nicht für ihren Fall zuständig sei.
Rechtslage
In der Rechtssache Roche/Primus stellte der EuGH fest, dass die Gefahr "einander widersprechender Entscheidungen", wie sie für die Anwendung von Artikel 6 Absatz 1 erforderlich ist, auch bei weiter Auslegung des Begriffs nicht besteht. In diesem Verfahren wurden alle Parteien, die der gleichen Unternehmensgruppe angehören, der Verletzung der nationalen Teile desselben Patents beschuldigt, und zwar jede Partei nur in ihrem eigenen Hoheitsgebiet. Der Kläger behauptete, dass sich der Sachverhalt in dieser Sache von der Rechtssache Roche/Primus unterscheide und die Entscheidung aus diesem Grund nicht auf die vorliegende Rechtssache anwendbar sei.
Das Gericht in Den Haag hat bislang die Auffassung vertreten (z. B. in seiner Entscheidung vom 18. Juni 2008 in der Rechtssache Fort Vale/Pelican), dass die Entscheidung des EuGH in der Sache Gat/LuK, wonach Artikel 22 Absatz 4 des Brüsseler Übereinkommens auch gilt, wenn sich eine Partei in einer Verletzungsklage auf die Ungültigkeit eines Patents beruft, nicht auf Verfahren anwendbar ist, in denen lediglich um eine einstweilige Anordnung ersucht wird. Honeywell erklärte hingegen, dass die Entscheidung in der Rechtssache Gat/LuK so zu interpretieren sei, dass der EuGH entschieden habe, dass Artikel 22 Absatz 4 des Brüsseler Übereinkommens auch für Verfahren gelte, in denen lediglich um eine einstweilige Anordnung ersucht wird.
Entscheidung
Bezüglich seiner Zuständigkeit befand das Gericht in Den Haag, dass die Umstände in dieser Sache, wo zwei Parteien aus verschiedenen Rechtssystemen (Niederlande und Belgien) wegen Verletzung desselben Patents in Bezug auf das gleiche Produkt in einem weiteren Rechtssystem verklagt werden, nicht mit der Situation vergleichbar sind, über die der EuGH in der Rechtssache Roche/Primus zu entscheiden hatte. Das Gericht in Den Haag gelangte zu dem Schluss, dass dann, wenn unterschiedliche Gerichte über die Frage einer grenzüberschreitenden Verletzung derselben (ausländischen) Patente durch zwei Parteien, die zudem unterschiedlichen Rechtssystemen (Niederlande und Belgien) angehören, zu entscheiden haben, die Gefahr einander widersprechender Entscheidungen zur Verletzung desselben Patents durch das gleiche Produkt besteht. Deshalb sei die Frage nach der Auslegung "einander widersprechender Entscheidungen" in Artikel 6 Absatz 1, die in der Entscheidung zur Rechtssache Roche/Primus vom EuGH nicht beantwortet wurde, erneut relevant und dem EuGH auch in diesem Fall vorzulegen.
Hinsichtlich Artikel 22 Absatz 4 der Verordnung Brüssel I entschied das Gericht in Den Haag, dass es Unsicherheiten bezüglich der richtigen Auslegung von Artikel 22 Absatz 4 der Verordnung gibt und diese Fragen deshalb ebenfalls dem EuGH zur Entscheidung vorzulegen sind.
Es erging ein Zwischenurteil, um den Parteien die Möglichkeit zu geben, zu den anstehenden Fragen Stellung zu nehmen.
Das spätere Urteil vom 22. Dezember 2010 sowie die dem EuGH vorgelegten Fragen sind auf www.eplawpatentblog.com in Niederländisch und in einer (nicht amtlichen) englischen Übersetzung veröffentlicht.
1 Veröffentlicht in Niederländisch auf www.eplawpatentblog.com.