BERICHTE NATIONALER RICHTER
NO Norwegen
NO Norwegen - Are STENVIK - Stellvertretender Vorsitzender der Beschwerdekammer des Norwegischen Amts für gewerbliche Rechte, Universität Oslo - Jüngste Entwicklungen in der norwegischen Rechtsprechung
1. Äquivalenzlehre – Oberster Gerichtshof, 2. September 2009 (Rt. 2009, S. 1055)
In diesem Fall - der ein Analogieverfahren für die Herstellung des Arzneimittels Donepezil (Medikament gegen Alzheimer) betraf - hat der Oberste Gerichtshof Norwegens die Äquivalenzlehre bestätigt und erstmals die Anforderungen an ein Äquivalenzverfahren festgelegt. Dem Gericht zufolge muss § 39 des norwegischen Patentgesetzes im Lichte von Artikel 69 EPÜ und dem Protokoll über die Auslegung des Artikels 69 in der durch das EPÜ 2000 geänderten Fassung gelesen werden. Das Gericht führte weiter aus:
"Artikel 2 [des Protokolls] über den Schutz von Äquivalenten ist als Ausdruck einer mehr oder weniger einheitlichen europäischen Rechtsprechung zu sehen, an der auch Norwegen beteiligt ist. Ich verstehe die sogenannte Äquivalenzdoktrin als Versuch, theoretisch zu beschreiben, dass man bei einer so großen Ähnlichkeit - Äquivalenz - zwischen dem angeblich patentverletzenden und dem patentierten Gegenstand innerhalb des Schutzbereichs liegt. Ich bin deshalb der Meinung, dass man bei der Interpretation von § 39 [Patentgesetz] offen sein muss für das, was das Berufungsgericht als Bewertung der Identität oder Bewertung der Äquivalenz bezeichnet hat."
Der Oberste Gerichtshof hat dem Berufungsgericht ferner darin zugestimmt, dass eine äquivalente Ausführungsform die folgenden drei Bedingungen erfüllen muss:
- Der angeblich patentverletzende Gegenstand muss dieselbe Aufgabe lösen wie die patentierte Erfindung.
- Die vom Beklagten vorgenommenen Änderungen müssen für den Fachmann naheliegend gewesen sein.
- Der angeblich patentverletzende Gegenstand darf nicht zum Stand der Technik gehören, dessen Benutzung jedermann freistehen muss.
In Bezug auf die zweite Bedingung führte das Gericht aus:
"Die Äquivalenzlehre, wie ich sie beschrieben habe, ist ein Mittel, um den Schutz auf Verfahren zu erweitern, die relativ identisch sind und deshalb als Änderungen des Patents bezeichnet werden können. Der Schutzbereich würde andernfalls weitere Forschungsaktivitäten sowie eine legitime Konkurrenz auf dem Markt verhindern. ... Für die Entscheidung muss konkret beurteilt werden, ob das Verfahren nahe genug am Verfahren des Patentanspruchs liegt, um als relativ identisch beschrieben werden zu können. Andernfalls würde man sich zu weit von der Prämisse entfernen, wonach die Patentansprüche den Schutzbereich definieren."
2. Mittelbare Patentverletzung – Oberster Gerichtshof, 22. Dezember 2009 (Rt. 2009, S. 1665)
Nach § 3 Absatz 2 Patentgesetz erstreckt sich das ausschließliche Recht des Patentinhabers auch auf die Lieferung von Mitteln, die sich auf ein wesentliches Element der Erfindung beziehen, wenn der Lieferant wusste oder wissen musste, dass das Mittel zur Benutzung der Erfindung geeignet und bestimmt war. In diesem Urteil befand der Oberste Gerichtshof, dass ein Computerprogramm als "Mittel" zur Benutzung der Erfindung betrachtet werden kann. In der betreffenden Erfindung ging es um eine Vorrichtung zum Zählen von Fischen in der Fischzucht. Der Oberste Gerichtshof befand ferner, dass sich der Lieferant des Computerprogramms - SINTEF, ein großes norwegisches Forschungsinstitut - nicht auf das Forschungsprivileg nach § 3 Absatz 3 Patentgesetz berufen kann. Dieses gilt nur für Aktivitäten zur Entwicklung von neuem Wissen und nicht für die Lieferung von "Mitteln", die auf diesem Wissen beruhen, an andere Parteien.