BESCHWERDEKAMMERN
Entscheidungen der Technische Beschwerdekammern
Entscheidung der Technischen Beschwerdekammer 3.2.1 vom 18. Juli 2002 - T 131/01 - 3.2.1
(Übersetzung)
Zusammensetzung der Kammer:
Vorsitzender: | F. Gumbel |
Mitglieder: | M. Ceyte |
| G. Weiss |
Patentinhaber/Beschwerdegegner: Mather Seal Company
Einsprechender/Beschwerdeführer: CR Elastomere GmbH
Stichwort: Neuer Einspruchsgrund/MATHER SEAL COMPANY
Artikel: 54, 56, 100 a), 104 (1) und 114 (2) EPÜ
Regel: 55 c), 71a (1) EPÜ
Schlagwort: "Zulässigkeit der Beschwerde (bejaht)" - "Zulässigkeit des Einspruchs (bejaht)" - "Einspruchsgrund der mangelnden erfinderischen Tätigkeit gegenüber einem angeblich neuheitsschädlichen Stand der Technik in der Einspruchsschrift vorgebracht, aber nicht gesondert begründet" - "neuer Einspruchsgrund (verneint)" - "verspätet vorgebrachte Argumente (nicht ausgeschlossen nach Artikel 114 (2) und Regel 71a (1) EPÜ)" - "Antrag auf Verteilung der Kosten (abgelehnt)"
Leitsatz:
Ist gegen ein Patent gemäß Artikel 100 a) EPÜ wegen mangelnder Neuheit und mangelnder erfinderischer Tätigkeit gegenüber einem Dokument des Stands der Technik Einspruch eingelegt und der Einwand der mangelnden Neuheit gemäß Regel 55 c) EPÜ begründet worden, so ist eine gesonderte Begründung des Einwands der mangelnden erfinderischen Tätigkeit weder erforderlich - denn die Untersuchung der erfinderischen Tätigkeit setzt Neuheit voraus und die wird der Erfindung ja abgesprochen - noch überhaupt möglich, ohne daß ein Widerspruch zu den Argumenten entsteht, mit denen die mangelnde Neuheit begründet wurde.
In einem solchen Fall ist der Einwand der mangelnden erfinderischen Tätigkeit kein neuer Einspruchsgrund und kann somit ohne das Einverständnis des Patentinhabers im Beschwerdeverfahren geprüft werden (siehe Nr. 3.1 der Entscheidungsgründe).
Sachverhalt und Anträge
I. Die Beschwerdegegnerin ist Inhaberin des europäischen Patents Nr. 0 771 398 (Anmeldenr. 95 926 656.0).
Die unabhängigen Ansprüche 1 und 10 in der erteilten Fassung lauten wie folgt:
"1. Wellendichtung (8) umfassend:
eine ringförmige Kunststoffscheibe (14) mit einem konzentrisch um die Zentralachse (47) der Scheibe verlaufenden äußeren und inneren Rand (35), wobei die Scheibe eine Dichtungsfläche (16) hat, die mit einer Wellenfläche (18) um den inneren Rand der Scheibe herum in Eingriff gebracht werden kann; und
eine erste (27) und eine zweite (29) Spiralnut, die in der Dichtungsfläche zum Pumpen von Flüssigkeit durch die Nuten in beide Rotationsrichtungen der Welle vorgesehen sind, dadurch gekennzeichnet, daß sich die erste Nut (27) von der Zentralachse (47) in eine erste Richtung radial nach außen windet und sich die zweite Nut (29) von der Zentralachse (47) in eine entgegengesetzte zweite Richtung radial nach außen windet; und daß jede Spiralnut (27, 29) mindestens eine volle Spiralwindung jeweils in die erste oder die zweite Richtung um die Zentralachse (47) herum ausführt, wobei die Nuten (27, 29) versetzt angeordnet sind, so daß sich jede Windung der ersten Nut (27) mit einer entsprechenden Windung der zweiten Nut (29) schneidet."
"10. Verfahren zum Ausbilden einer bidirektionalen hydrodynamischen Wellendichtungsscheibe (14) aus einem Kunststoffmaterial, wobei das Verfahren das Ausbilden einer ersten Spiralnutung (27) in dem Kunststoffmaterial, die sich über mindestens eine volle Spiralwindung in eine Richtung (57) radial nach außen windet, und das Ausbilden einer zweiten Spiralnutung (29) in dem Kunststoffmaterial, die sich über mindestens eine volle Spiralwindung in eine zweite, zur ersten entgegengesetzte Richtung (58) radial nach außen windet, umfaßt, so daß die erste und die zweite Spiralnutung einander schneiden (51)."
II. Die Beschwerdeführerin legte Einspruch gegen das Patent ein und begründete ihn mit mangelnder Neuheit und mangelnder erfinderischer Tätigkeit gegenüber:
DE-A-2 021 382, nachfolgend als DE-Entgegenhaltung bezeichnet.
Für den Fall, daß die Patentinhaberin das Vorbringen in bezug auf die Neuheit anfechten sollte, machte die Beschwerdeführerin in der Einspruchsschrift vorsorglich geltend, daß die DE-Entgegenhaltung den Anspruchsgegenstand in einer Art und Weise vorwegnehme, daß der Fachmann nicht erfinderisch tätig werden müsse. Näher begründete sie diese Aussage nicht.
III. In ihrer Entscheidung vom 22. Januar 2001 wies die Einspruchsabteilung den Einspruch zurück.
In der Begründung hieß es:
- der Einspruch sei in bezug auf den Einwand der mangelnden Neuheit zulässig, der gemäß Regel 55 c) EPÜ ordnungsgemäß vorgebracht und begründet worden sei;
- das Vorbringen der mangelnden erfinderischen Tätigkeit sei nicht in der Einspruchsschrift, sondern erst in der mündlichen Verhandlung begründet worden. Da diese Begründung prima facie für nicht relevant gehalten wurde, habe die Einspruchsabteilung entschieden, im Lichte der Rechtsprechung von ihrem Ermessen Gebrauch zu machen und diesen Einspruchsgrund nicht zu berücksichtigen.
Der Niederschrift der mündlichen Verhandlung ist zu entnehmen, daß sie sich in diesem Zusammenhang auf Regel 71a (1) EPÜ und die Richtlinien für die Prüfung, E-III, 8.6 berief.
IV. Am 27. Januar 2001 legte die Beschwerdeführerin (Einsprechende) Beschwerde gegen diese Entscheidung ein und zahlte die entsprechende Gebühr.
Mit gleichem Datum wurde auch die Beschwerdebegründung eingereicht.
V. Die mündliche Verhandlung vor der Kammer fand am 18. Juli 2002 statt.
Die Beschwerdeführerin (Einsprechende) beantragte, die angefochtene Entscheidung aufzuheben und das europäische Patent in vollem Umfang zu widerrufen.
Die Beschwerdegegnerin (Patentinhaberin) beantragte, die Beschwerde zurückzuweisen und das Patent in der erteilten Fassung aufrechtzuerhalten. Ferner beantragte sie eine Verteilung der Kosten, falls die Kammer den Einspruchsgrund der mangelnden erfinderischen Tätigkeit zulassen sollte.
VI. Zur Begründung ihres Antrags brachte die Beschwerdeführerin im wesentlichen folgendes vor:
i) Sie habe gegen das europäische Patent wegen mangelnder Neuheit gegenüber der DE-Entgegenhaltung und mangelnder erfinderischer Tätigkeit gegenüber demselben Stand der Technik Einspruch eingelegt. Unstrittig sei, daß der Einspruchsgrund der mangelnden Neuheit gemäß Regel 55 c) EPÜ hinreichend substantiiert worden sei. Die Frage, ob es der beanspruchten Erfindung gegenüber dem Stand der Technik an erfinderischer Tätigkeit mangele, stelle sich nur, wenn Neuheit gegeben sei, d. h. wenn es einen Unterschied zwischen der beanspruchten Erfindung und diesem Stand der Technik gebe. Daraus folge, daß es eigentlich gar nicht möglich sei, mangelnde erfinderische Tätigkeit gegenüber einem Dokument des Stands der Technik zu begründen, ohne der früheren Feststellung, daß die Erfindung gegenüber diesem Stand der Technik nicht neu sei, zu widersprechen.
Ein Einsprechender, der seine Einwände der mangelnden Neuheit einer Erfindung gegenüber einem Dokument des Stands der Technik und der mangelnden erfinderischen Tätigkeit gegenüber demselben Stand der Technik schlüssig und logisch begründen wolle, müsse zwangsläufig so argumentieren wie im vorliegenden Fall, d. h. darauf abheben, daß selbst wenn einige Merkmale des beanspruchten Gegenstands nicht in allen Details mit denen des Stands der Technik übereinstimmten, die Unterschiede doch sehr gering seien und nicht ausreichten, um dem beanspruchten Gegenstand erfinderischen Charakter zu verleihen. Im vorliegenden Fall könne daher der Einwand der mangelnden erfinderischen Tätigkeit gegenüber dem neuheitsschädlichen Stand der Technik in der Einspruchsschrift schwerlich besser begründet werden, weswegen er keinen neuen Einspruchsgrund darstelle.
ii) Die DE-Entgegenhaltung offenbare eine Wellendichtung mit einer ringförmigen Scheibe aus Kunststoff. Um die Dichtungswirkung zu verbessern, sei die Scheibe mit einer Art Rückförderschraube oder -schnecke versehen, die in Form einer schraubenlinienförmigen Rippe oder Nut auf der Oberfläche der Dichtung ausgebildet sei. Weiter heiße es, daß bei einer geeigneten Wahl der Richtung der Schraubenlinie in bezug auf die normale Drehrichtung der Welle die relative Drehung bewirke, daß Öl, das dazu neige, durch die Dichtung zu lecken, zurückbefördert werde.
Diese bekannte Wellendichtung diene dazu, bei jeder Drehrichtung der Welle eine Rückförderung des leckenden Öls zu bewirken. Auf der Oberfläche der Dichtung seien zwei Gruppen einander schneidender entgegengesetzt gerichteter schraubenlinienförmiger Rippen ausgebildet. Diese befänden sich auf dem kegelstumpfförmigen Teil der Dichtung und bildeten somit zugleich eine Spirale. Da im einleitenden Teil der DE-Entgegenhaltung außerdem gesagt sei, daß die Rückförderwirkung durch Rippen oder Nuten erreicht werden könne, sei für den Fachmann sofort ersichtlich, daß die Rippen der abgebildeten Ausführungsform durch Nuten ersetzt werden könnten. Die Wellendichtung nach Anspruch 1 unterscheide sich also vom Stand der Technik allein dadurch, daß die Nuten in mindestens einer vollen Spiralwindung um die Mittelachse der Welle verliefen. In der DE-Entgegenhaltung sei der aktive kegelstumpfförmige Teil der Wellendichtung relativ schmal, so daß sich die darauf befindliche Nut oder Rippe nur über ungefähr eine halbe Spiralwindung erstrecke. Die angebliche Erfindung erschöpfe sich somit in der naheliegenden Wahl einer bestimmten Spiralenlänge. Bei einer Wellendichtung mit einem breiteren kegelstumpfförmigen Teil würde der Fachmann selbstverständlich die Spirale verlängern, um eine bessere Rückförderwirkung zu erzielen, und so zu der beanspruchten Wellendichtung gelangen, die daher nicht erfinderisch sei.
Dasselbe gelte für den Verfahrensanspruch 10, da auch das zusätzliche Merkmal des Ausbildens von Spiralnuten durch einen Schneidevorgang bereits aus dem Stand der Technik bekannt sei (siehe z. B. US-A-3 857 156).
VII. Die Beschwerdegegnerin (Patentinhaberin) wies die Argumente der Beschwerdeführerin in aller Ausführlichkeit zurück und brachte im wesentlichen folgendes vor:
i) Zulässigkeit der Beschwerde
In der Beschwerdeschrift habe die Beschwerdeführerin (Einsprechende) lediglich Argumente in bezug auf die mangelnde erfinderische Tätigkeit der Ansprüche 1 und 10 angeführt.
Sie habe nicht vorgebracht, daß die Entscheidung, was die Zulässigkeit von Argumenten bezüglich der mangelnden erfinderischen Tätigkeit betrifft, unrichtig sei und weder dargelegt noch begründet, warum diese Argumente zulässig sein sollten.
Nach ständiger Rechtsprechung (siehe z. B. T 213/85, ABl. EPA 1987, 482) sei die Beschwerde daher unzulässig, weil sie nicht hinreichend begründet sei.
ii) Zulässigkeit des Einwands der mangelnden erfinderischen Tätigkeit
Die Große Beschwerdekammer habe in der Entscheidung G 9/91 und in der Stellungnahme G 10/91 (ABl. EPA 1993, 408 und 420) die Auffassung vertreten, daß die Einspruchsabteilung oder Beschwerdekammer nur die Einspruchsgründe prüfen müsse, die in der Einspruchsschrift ordnungsgemäß vorgebracht und begründet seien.
In der vorliegenden Sache sei mangelnde erfinderische Tätigkeit in der Einspruchsschrift nur kurz als Einspruchsgrund erwähnt, aber nicht, wie in Regel 55 c) EPÜ gefordert, begründet worden. Deshalb sei der Einwand der mangelnden erfinderischen Tätigkeit, wie die Einspruchsabteilung in ihrer Entscheidung betont habe, unbegründet und als prima facie nicht relevant einzustufen.
De facto habe die Beschwerdeführerin (Einsprechende) den Einwand der mangelnden erfinderischen Tätigkeit erstmals in der Beschwerdebegründung erhoben, also nachdem sie erkannt habe, daß der ursprüngliche und in der Einspruchsschrift als einziger begründete Einwand der mangelnden Neuheit ins Leere gehe und der beanspruchte Gegenstand neu sei. Der Hauptzweck des Beschwerdeverfahrens bestehe in der Überprüfung erstinstanzlicher Entscheidungen. Es sei nicht hinnehmbar, einem Einsprechenden das Vorbringen weiterer Einwände zu gestatten, die er gemäß Regel 55 c) EPÜ ordnungsgemäß in der Einspruchsschrift hätte erheben müssen.
Ein erstmals im Beschwerdeverfahren vorgetragener Einwand sei demnach ein neuer Einspruchsgrund und dürfe ohne das Einverständnis der Patentinhaberin nicht zugelassen werden.
iii) Für den Fall, daß der Einwand der mangelnden erfinderischen Tätigkeit trotz der obigen Ausführungen zugelassen werden sollte, beantrage sie in bezug auf diesen neuen Einspruchsgrund eine Kostenverteilung nach Artikel 104 (1) EPÜ zu ihren Gunsten.
iv) Der Gegenstand der Ansprüche 1 und 10 ergebe sich keineswegs in naheliegender Weise aus dem verfügbaren Stand der Technik.
Entscheidungsgründe
1. Zulässigkeit der Beschwerde
Die Kammer kann sich der Argumentation der Beschwerdegegnerin in bezug auf die Unzulässigkeit der Beschwerde nicht anschließen.
In der von der Beschwerdegegnerin zitierten Entscheidung T 213/85 (s. o.) heißt es zwar, daß sich schon aus dem unmittelbaren Wortsinn des Ausdrucks "begründen" ergibt, daß die Beschwerdebegründung, um dem Zulässigkeitskriterium zu genügen, angeben muß, warum die angefochtene Entscheidung nach Auffassung des Beschwerdeführers keinen Bestand haben kann, oder - gemäß der Entscheidung T 220/83 (ABl. EPA 1986, 249) - aus welchen rechtlichen oder tatsächlichen Gründen die Entscheidung aufgehoben werden soll (Nr. 2 der Entscheidungsgründe). Das bedeutet aber nicht, daß eine Beschwerde, die die Gründe der strittigen Entscheidung unangefochten läßt, automatisch unzulässig wäre (vgl. die verschiedenen Entscheidungen in der Rechtsprechung der Beschwerdekammern, 4. Aufl. 2001, VII-D Nr. 7.5.2).
Zudem hat die Einspruchsabteilung im vorliegenden Fall den auf Artikel 100 a) EPÜ (mangelnde Neuheit und mangelnde erfinderische Tätigkeit) gestützten Einspruch zurückgewiesen, weil sie der Auffassung war, daß der Gegenstand des Streitpatents die Erfordernisse der Neuheit und der erfinderischen Tätigkeit erfüllt. Dementsprechend kam sie zu dem Schluß, daß die nach Artikel 100 a) EPÜ vorgebrachten Einspruchsgründe der Aufrechterhaltung des Patents in der erteilten Fassung nicht entgegenstehen (Art. 102 (2) EPÜ), und wies den Einspruch zurück.
In ihrer Begründung führt die Beschwerdeführerin eindeutig faktische Gründe dafür an, warum diese Schlußfolgerung ihrer Ansicht nach nicht richtig ist und die Entscheidung aufgehoben werden sollte. Der Einwand der mangelnden erfinderischen Tätigkeit ist in der Begründung zweifellos hinreichend substantiiert, was von der Beschwerdegegnerin (Patentinhaberin) auch nicht bestritten wird.
Somit liegt die nach Artikel 108 Satz 3 EPÜ erforderliche Beschwerdebegründung vor. Da die Beschwerde auch den Erfordernissen der Artikel 106 und 107 sowie der Regel 64 EPÜ genügt, ist sie zulässig.
2. Zulässigkeit des Einspruchs
Im vorliegenden Fall wurde gegen das europäische Patent wegen mangelnder Neuheit gegenüber der DE-Entgegenhaltung und mangelnder erfinderischer Tätigkeit gegenüber demselben Stand der Technik nach Artikel 100 a) EPÜ Einspruch eingelegt. Unbestritten ist, daß der Einspruchsgrund der mangelnden Neuheit nach Regel 55 c) EPÜ ordnungsgemäß in der Einspruchsschrift angegeben und substantiiert wurde. Nach Überzeugung der Kammer ist der Einspruch daher zulässig.
Selbst wenn man - wie die Einspruchsabteilung - davon ausginge, daß die Einspruchsschrift keine wie auch immer geartete Begründung für den Einwand der mangelnden erfinderischen Tätigkeit enthält, wäre der Einspruch deswegen nicht unzulässig, da nach der Rechtsprechung der Beschwerdekammern ein Einspruch grundsätzlich zulässig ist, wenn mindestens ein Einspruchsgrund gemäß Regel 55 c) EPÜ ordnungsgemäß substantiiert wird, was hier der Fall ist (s. o. G 9/91, Nr. 12 der Entscheidungsgründe). Mit anderen Worten: ein Einspruch kann nicht "teilweise" zulässig sein; er ist entweder zulässig oder unzulässig.
3. Zulässigkeit des vorgebrachten Einspruchsgrunds der mangelnden erfinderischen Tätigkeit
3.1 In der Entscheidung G 7/95 (ABl. EPA 1996, 626) vertrat die Große Beschwerdekammer die Auffassung, daß die Einwände der mangelnden Neuheit und der mangelnden erfinderischen Tätigkeit nach den Artikeln 54 bzw. 56 EPÜ unterschiedliche Rechtsgrundlagen innerhalb des Artikels 100 a) EPÜ bilden und damit zwei verschiedene Einspruchsgründe darstellen. Nach Maßgabe der Entscheidung G 9/91 und der Stellungnahme G 10/91 (s. o.) darf ein neuer Einspruchsgrund "in der Beschwerdephase grundsätzlich nicht mehr in das Verfahren eingeführt werden. ... Eine berechtigte Ausnahme vom vorstehend dargelegten Grundsatz liegt jedoch dann vor, wenn der Patentinhaber mit der Prüfung eines neuen Einspruchsgrunds einverstanden ist" (Nr. 18 der Entscheidungsgründe).
In der vorliegenden Sache betrachtete die Beschwerdegegnerin (Patentinhaberin) den Einwand der mangelnden erfinderischen Tätigkeit als neuen Einspruchsgrund, mit dessen Einführung in das Beschwerdeverfahren sie nicht einverstanden war. Es stellt sich somit die Frage, ob mangelnde erfinderische Tätigkeit unter den gegebenen Umständen ein neuer Einspruchsgrund ist und ob er denn ausführlich begründet werden mußte, wo doch laut der Entscheidung G 7/95, wenn der Stand der Technik für den beanspruchen Gegenstand neuheitsschädlich ist, dieser Gegenstand offensichtlich auch nicht erfinderisch sein kann (Nr. 7.2 der Entscheidungsgründe).
Im Standardformular EPO 2300.2-04.89 heißt es im einschlägigen Abschnitt, daß der Gegenstand des europäischen Patents nicht patentfähig ist (Art. 100 a) EPÜ). Hier war das Kästchen für mangelnde erfinderische Tätigkeit (Art. 52 (1) und 56 EPÜ) angekreuzt. Überdies geht aus dem letzten Absatz auf Seite 4 der Einspruchsschrift hervor, daß der beanspruchte Gegenstand selbst dann nicht als erfinderisch gegenüber der DE-Entgegenhaltung angesehen werde, wenn Anspruch 1 Merkmale enthalten sollte, die nicht in identischer Form in diesem Stand der Technik vorkämen, da sie für den Fachmann trotzdem naheliegend wären.
Vor dieser Äußerung hatte die Beschwerdeführerin in ihrer Einspruchsschrift ausführlich dargelegt, warum sich die beanspruchte Wellendichtung ihrer Ansicht nach nicht von der in der DE-Entgegenhaltung offenbarten unterscheide, woraus sie folgerte, daß der beanspruchte Gegenstand gegenüber diesem Stand der Technik nicht neu sei. Auch wenn diese Begründung im Kontext der mangelnden Neuheit abgegeben wurde, ist doch bei der Prüfung des Einwands mangelnder erfinderischer Tätigkeit zu berücksichtigen, daß die Frage nach der erfinderischen Tätigkeit bei Zugrundelegung ein und desselben Dokuments des Stands der Technik logischerweise nur gestellt werden kann, wenn es einen Unterschied zwischen der Erfindung und dem Stand der Technik gibt, d. h. wenn der Erfindung Neuheit zuerkannt werden kann.
Laut G 7/95 (s. o.) sind mangelnde Neuheit und mangelnde erfinderische Tätigkeit zwar zwei verschiedene Einspruchsgründe, das bedeutet aber nicht, daß kein inhaltlicher Zusammenhang zwischen ihnen besteht, zumindest in den Fällen, in denen die beanspruchte Erfindung in beiderlei Hinsicht mit demselben einschlägigen Dokument des Stands der Technik zu vergleichen ist. Wird festgestellt, daß die beanspruchte Erfindung gegenüber einer Vorveröffentlichung nicht neu ist, so erübrigt sich logischerweise die Prüfung, ob sie gegenüber diesem Stand der Technik erfinderisch ist. Die Begründung des Einwands der mangelnden erfinderischen Tätigkeit geht in einem solchen Fall unweigerlich mit der Betrachtung etwaiger Unterschiede zwischen dem beanspruchten Gegenstand und dem Dokument des Stands der Technik einher, wodurch der Einsprechende Gefahr läuft, in der Einspruchsschrift zwei widersprüchliche Argumentationslinien zu verfolgen. Zur Stützung des Neuheitseinwands müßte er nämlich argumentieren, daß kein Unterschied besteht, zur Stützung der mangelnden erfinderischen Tätigkeit müßte er dagegen vorbringen, daß es durchaus Unterschiede zwischen dem beanspruchten Gegenstand und dem Dokument des Stands der Technik gibt. Im vorliegenden Fall war es der Einsprechenden also nicht möglich, die mangelnde erfinderische Tätigkeit eingehender zu begründen, als sie es mit der Feststellung getan hat, daß ein Vergleich der aus der DE-Entgegenhaltung bekannten Wellendichtung mit der in Anspruch 1 offenbarten keinen Unterschied ergebe und daß etwaige Unterschiede, die bis dato nicht erkennbar waren, zu geringfügig seien, als daß sie dem beanspruchten Gegenstand erfinderischen Charakter verleihen könnten.
Zusammenfassend ist festzustellen, daß in einem Fall, in dem gegen ein Patent gemäß Artikel 100 a) EPÜ wegen mangelnder Neuheit gegenüber einem Dokument des Stands der Technik und mangelnder erfinderischer Tätigkeit gegenüber demselben Dokument des Stands der Technik Einspruch eingelegt und der Einwand der mangelnden Neuheit gemäß Regel 55 c) EPÜ begründet worden ist, eine gesonderte Begründung des Einwands der mangelnden erfinderischen Tätigkeit weder erforderlich ist - denn die Untersuchung der erfinderischen Tätigkeit setzt Neuheit voraus und die wird der Erfindung ja abgesprochen - noch überhaupt möglich, ohne daß ein Widerspruch zu den Argumenten entsteht, mit denen die mangelnde Neuheit begründet wurde.
In einem solchen Fall ist der Einwand mangelnder erfinderischer Tätigkeit kein neuer Einspruchsgrund und kann somit ohne das Einverständnis des Patentinhabers im Beschwerdeverfahren geprüft werden.
3.2 Die Kammer kann jedenfalls die Behauptung der Beschwerdegegnerin nicht nachvollziehen, daß in der Einspruchsschrift entgegen dem Erfordernis der Regel 55 c) EPÜ keine wie auch immer geartete Begründung des vorgebrachten Einwands der mangelnden erfinderischen Tätigkeit gegeben worden sein soll. Nach Maßgabe dieser Regel muß die Einspruchsschrift "die Angabe der zur Begründung [des Einspruchs] vorgebrachten Tatsachen und Beweismittel" enthalten (englischer Wortlaut: "facts, evidence and arguments"). Die "Angabe der Tatsachen und Beweismittel" zur Stützung der vorgebrachten Einspruchsgründe wird häufig als "Substantiierung" bezeichnet (s. T 1002/92, ABl. EPA 1995, 605, Nr. 3.1 der Entscheidungsgründe).
Im vorliegenden Fall enthält die Einspruchsschrift durchaus eine Angabe der Tatsachen und Beweismittel, auf die der vorgebrachte Einwand der mangelnden erfinderischen Tätigkeit gestützt wird, und zwar in Form der DE-Entgegenhaltung, ihrer Analyse und des Vergleichs der darin offenbarten, also bekannten Wellendichtung mit der in Anspruch 1 beanspruchten. Sie enthält auch diesbezügliche Argumente, die mangelnde erfinderische Tätigkeit belegen sollen, nämlich die Feststellung, daß der Vergleich keinen Unterschied ergeben habe und etwaige, nicht erkennbare Unterschiede nicht so geartet seien, daß sie dem beanspruchten Gegenstand bei Zugrundelegung des allgemeinen Wissenstands des Fachmanns erfinderischen Charakter verleihen könnten. Damit erfüllt diese Substantiierung des Einwands der mangelnden erfinderischen Tätigkeit zumindest formal die Erfordernisse der Regel 55 c) EPÜ.
Das Vorbringen der Beschwerdegegnerin, daß der Einwand der mangelnden erfinderischen Tätigkeit inhaltlich nicht relevant sei, betrifft den Sachverhalt und damit die Begründetheit dieses Einspruchsgrunds, nicht seine Zulässigkeit. Für die Zulässigkeit eines Einspruchsgrunds ist es unerheblich, ob er der Aufrechterhaltung des Patents entgegensteht oder nicht.
3.3 Im übrigen ist festzuhalten, daß das oben Gesagte nicht im Widerspruch zu den Grundsätzen steht, die die Große Beschwerdekammer in der oben zitierten Entscheidung G 7/95 aufgestellt hat.
Erstens war die Sachlage bei der von der Großen Beschwerdekammer getroffenen Entscheidung eine andere als im vorliegenden Fall, wo der Einspruchsgrund der mangelnden Neuheit - und nicht der der mangelnden erfinderischen Tätigkeit - ordnungsgemäß in der Einspruchsschrift vorgebracht und substantiiert wurde.
Zweitens läßt sich die oben erwähnte Entscheidung der Großen Beschwerdekammer nicht einfach analog auf einen Fall übertragen, in dem ein Patent allein wegen mangelnder Neuheit gegenüber einem Dokument des Stands der Technik angefochten und der Einspruchsgrund der mangelnden erfinderischen Tätigkeit durch die Einspruchsschrift nicht gestützt worden ist; in dem von der Großen Beschwerdekammer entschiedenen Fall führte die später getroffene Feststellung der mangelnden Neuheit ja unweigerlich zu dem Schluß, daß der beanspruchte Gegenstand auch nicht erfinderisch sein kann, wohingegen die Feststellung der mangelnden erfinderischen Tätigkeit voraussetzt, daß der beanspruchte Gegenstand gegenüber dem nächstliegenden Stand der Technik neu ist.
Schließlich ging es in der Entscheidung der Großen Beschwerdekammer um einen neuen, in der Einspruchsschrift weder vorgebrachten noch substantiierten Einspruchsgrund und nicht um einen, der in der Einspruchsschrift zwar vorgebracht, aber angeblich nicht substantiiert wurde, denn die beiden Vorlageentscheidungen T 937/91 und T 514/92 betrafen jeweils einen neuen Einspruchsgrund, der erstmals im Beschwerdeverfahren vorgebracht wurde.
Die Entscheidung G 7/95 der Großen Beschwerdekammer gibt demnach keine Antwort auf die sich hier stellende Frage.
4. Verspätetes Vorbringen
4.1 In der mündlichen Verhandlung vor der Einspruchsabteilung erläuterte die Einsprechende, warum der Fachmann ihrer Ansicht nach den beanspruchten Gegenstand in naheliegender Weise aus der DE-Entgegenhaltung hätte herleiten können.
Die Einspruchsabteilung entschied sich zu Unrecht gegen die Zulassung dieses mündlichen Vortrags gemäß Regel 71a (1) EPÜ. Laut den von der Einspruchsabteilung angezogenen Richtlinien, E-III, 8.6 besagt Regel 71a (1) EPÜ, daß die Einspruchsabteilung neue Tatsachen oder Beweismittel, die nicht vor dem in der Ladung angegebenen Zeitpunkt vorgebracht wurden, nicht zu berücksichtigen braucht, soweit sie nicht wegen einer Änderung des dem Verfahren zugrundeliegenden Sachverhalts zuzulassen sind.
Die einzigen neuen Ausführungen, die bei verspätetem Vorbringen unberücksichtigt bleiben können, sind somit die in Regel 71a (1) EPÜ genannten, nämlich "neue Tatsachen und Beweismittel" ("new facts and evidence").
Einschlägige neue Argumente zur Stützung bereits angeführter Tatsachen muß die Einspruchsabteilung also gemäß dieser Regel berücksichtigen, auch wenn sie nach dem in der Ladung angegebenen Zeitpunkt vorgebracht werden.
Wie aus der Niederschrift der mündlichen Verhandlung ersichtlich ist, wurden keine neuen Tatsachen und Beweismittel vorgebracht. Die DE-Entgegenhaltung war in der Einspruchsschrift zitiert und analysiert worden, so daß ihr Inhalt keine neue Tatsache darstelt.
4.2 Die Kammer läßt auch nicht gelten, daß die Einspruchsabteilung die in der mündlichen Verhandlung vorgetragenen neuen Argumente in Ausübung ihres Ermessens nach Artikel 114 (2) EPÜ unberücksichtigt gelassen hat. Diese Vorschrift betrifft ebenfalls, wie in allen drei Amtssprachen klar erkennbar ist, verspätet vorgebrachte Tatsachen und Beweismittel, nicht aber Argumente ("facts and evidence" im Englischen bzw. "faits ... et preuves" im Französischen). Die Große Beschwerdekammer definiert "neue Argumente" in ihrer Stellungnahme G 4/92 (ABl. EPA 1994, 149) wie folgt: "es handelt sich ... nicht um ein neues Vorbringen als solches, sondern um eine Untermauerung der ... Tatsachen und Rechtsgründe" (Nr. 10 der Entscheidungsgründe).
Nach Auffassung der Kammer können daher verspätet vorgebrachte Argumente nicht unter Berufung auf Artikel 114 (2) EPÜ zurückgewiesen werden.
5. Neuheit
Die Kammer ist davon überzeugt, daß der Gegenstand der Ansprüche 1 und 10 in der erteilten Fassung gegenüber der DE-Entgegenhaltung neu ist.
Da dies im Beschwerdeverfahren nicht in Frage gestellt wurde, erübrigt sich jede weitere Begründung.
6. Erfinderische Tätigkeit
6.1 Das Streitpatent nennt als Ausgangspunkt für die beanspruchte Erfindung das Dokument des Stands der Technik US-A-4 118 856 (nachfolgend US-Entgegenhaltung).
Die US-Entgegenhaltung betrifft eine Wellendichtung, die eine Dichtungsfläche hat, die mit einer Wellenfläche in Eingriff gebracht werden kann und auf der umlaufende Rippen oder Nuten ausgebildet sind, um Flüssigkeit in beide Rotationsrichtungen der Welle zu pumpen.
Genaugenommen beschreibt die Entgegenhaltung ein Verfahren zur Herstellung einer solchen Wellendichtung, bei dem auf der Dichtung, solange sie flach als Ring oder Scheibe vorliegt, mehrere Rippen oder Nuten in Form nichtkonzentrischer Kreisabschnitte ausgebildet werden und dann zumindest ein Teil des Rings oder der Scheibe in die Form eines Kegelstumpfs gebracht wird, so daß die kreisförmigen Rippen oder Nuten eine Spiral- oder Ellipsenform annehmen.
Die Herstellung dieser bekannten Wellendichtung erfolgt demnach in einem zweistufigen Verfahren, wobei in einem ersten Schritt nichtkonzentrische Nuten in eine flache ringförmige Scheibe eingeformt werden und dann in einem zweiten Schritt der radial innere Teil der Scheibe in die Form eines Kegelstumpfs gebracht wird.
Die technische Aufgabe, die von der hier beanspruchten Erfindung gelöst werden soll, kann also in der Bereitstellung einer Wellendichtung mit verbesserter Dichtungswirkung gesehen werden, die einfacher herzustellen ist.
Die Aufgabe wird durch folgende Merkmale des Anspruchs 1 gelöst:
i) Die Nuten winden sich in entgegengesetzter Richtung über mindestens eine volle Spiralwindung radial nach außen.
ii) Die Wellendichtung hat die Form einer ringförmigen Kunststoffscheibe.
Bei der Installation der erfindungsgemäßen Wellendichtung wird der radial innere Teil der ringförmigen Kunststoffscheibe axial gebogen, damit er an der Welle anliegt und so die besagte Dichtungsfläche bildet. Die beanspruchte Wellendichtung ist leichter herzustellen, da der zweite Schritt, bei dem der radial innere Teil kegelstumpfförmig ausgebildet wird, entfällt und die Spiralnuten in einem kontinuierlichen Schneidevorgang erzeugt werden können. Ferner bietet sie eine große Kontaktfläche zwischen den Nuten und der Welle, wodurch die Rückförder- und Pumpwirkung verbessert wird.
6.2 Die in der DE-Entgegenhaltung offenbarte Wellendichtung unterscheidet sich in Art und Ausführung erheblich von der des Streitpatents. Während das Hauptelement der beanspruchten Dichtung eine flache ringförmige Kunststoffscheibe mit zwei ebenen Axialflächen ist, besteht die Wellendichtung der DE-Entgegenhaltung aus einem geformten Dichtungsring mit rinnen- oder U-förmigem Querschnitt, der eine zylindrische äußere Wand, eine kegelstumpfförmige innere Wand und einen sich radial erstreckenden Verbindungsteil umfaßt. Die entgegengesetzt verlaufenden Gruppen spiralförmiger Rippen oder Nuten sind an der kegelstumpfförmigen Innenwand des Dichtungsrings ausgebildet. Die zylindrische Außenwand des Dichtungsrings ist durch eine Einlage mit L-förmigem Querschnitt versteift, während die kegelstumpfförmige Wand von einer Radialfeder umgeben ist.
Der Rückgriff auf Spiralnuten, die sich über mindestens eine volle Spiralwindung erstrecken (s. o. Unterscheidungsmerkmal i)), wird in der DE-Entgegenhaltung weder offenbart noch nahegelegt und ergibt sich somit nicht in naheliegender Weise aus der Lehre dieser Entgegenhaltung.
Die Kammer kann sich der Argumentation der Beschwerdeführerin nicht anschließen, wonach der Einsatz von Nuten, die sich über eine volle Windung erstrecken, der einzige Weg sei, die aus der DE-Entgegenhaltung bekannte Dichtung durch Verbreiterung der relativ schmalen kegelstumpfförmigen Innenwand zu verbessern und dadurch ihre Dichtungswirkung zu erhöhen. Ebensogut könnten z. B. die Querschnittsmaße der Nuten oder ihr Auftreffwinkel verändert oder andere Abwandlungen vorgenommen werden. Im übrigen beruht dieses Vorbringen auf einer rückschauenden Betrachtung, denn in der DE-Entgegenhaltung findet sich kein einziger Hinweis darauf, daß sich die Dichtung durch eine volle Spiralwindung wirklich verbessern ließe.
Die oben aufgeführten Unterscheidungsmerkmale i) und ii) werden also in der DE-Entgegenhaltung weder offenbart noch nahegelegt. Folglich würde der Fachmann, selbst wenn er die Lehre dieser Entgegenhaltung auf die aus der US-Entgegenhaltung bekannte Wellendichtung anwenden würde, nicht zu der erfindungsgemäßen Lehre gelangen.
6.3 Die Kammer ist daher der Auffassung, daß sich der Gegenstand des Anspruchs 1 nicht in naheliegender Weise aus diesem Stand der Technik ergibt und somit auf einer erfinderischen Tätigkeit beruht (Art. 56 EPÜ).
7. Die abhängigen Ansprüche 2 bis 9 betreffen besondere Ausführungsformen der in Anspruch 1 beanspruchten Wellendichtung und sind somit ebenfalls gewährbar.
Da die Wellendichtung nach Anspruch 1 gegenüber dem Stand der Technik neu und erfinderisch ist, gilt dasselbe zwangsläufig auch für den unabhängigen Anspruch 10, betreffend ein Verfahren, das unweigerlich zur Herstellung der in Anspruch 1 beanspruchten Wellendichtung führt.
Mithin ist das Verfahren nach Anspruch 10 ebenfalls erfinderisch (Art. 56 EPÜ).
8. Die Einspruchsgründe stehen somit einer Aufrechterhaltung des Patents in der erteilten Fassung nicht entgegen.
9. Antrag auf Kostenverteilung
Dem Antrag auf Kostenverteilung für den Fall, daß die Kammer den Einspruchsgrund der mangelnden erfinderischen Tätigkeit zulassen sollte, lag offensichtlich die Annahme zugrunde, daß dieser Einwand zu spät substantiiert worden sei. Wie jedoch vorstehend dargelegt, verhält es sich so, daß der Einspruchsgrund der mangelnden erfinderischen Tätigkeit gegenüber der DE-Entgegenhaltung in der Einspruchsschrift ordnungsgemäß vorgebracht wurde und seine Substantiierung unter den gegebenen Umständen nicht kritisiert werden kann. Der Antrag ist somit unbegründet und zurückzuweisen.
Entscheidungsformel
Aus diesen Gründen wird entschieden:
1. Die Beschwerde wird zurückgewiesen.
2. Der Antrag auf Kostenverteilung wird zurückgewiesen.