INTERNATIONALE VERTRÄGE
Europäische Union
Am 5. Oktober 1998 fand in Brüssel eine Anhörung der interessierten Kreise über eine Schonfrist für Patente statt. Die Ergebnisse dieser anhörung hat die Europäische Kommission im folgenden Bericht zusammengefaßt*.
Bericht über die Anhörung am 5. Oktober 1998 zur Neuheitsschonfrist im Patentrecht
Der vorliegende Bericht soll in erster Linie Aufschluß über die in der Anhörung vorgebrachten Argumente und Anregungen geben. Gelegentlich wurden ergänzende Erklärungen aufgenommen, wenn diese für das Verständnis der Materie notwendig sind. Einleitend wird zunächst die europäische Rechtslage dargestellt. Die Ergebnisse der Anhörung sind am Ende des Berichts zusammengefaßt.
Die europäische Rechtslage
Der europäische Rechtsrahmen wird durch das Münchner Übereinkommen über die Erteilung europäischer Patente (EPÜ) abgesteckt.
Im europäischen Recht gibt es keine Schonfrist. Das Erfordernis der Neuheit, das erfüllt sein muß, damit für eine Erfindung ein Patent erteilt werden kann1, hat absolute Geltung. In Artikel 54 EPÜ heißt es im einzelnen:
"1) Eine Erfindung gilt als neu, wenn sie nicht zum Stand der Technik gehört.
2) Den Stand der Technik bildet alles, was vor dem Anmeldetag der europäischen Patentanmeldung der Öffentlichkeit durch schriftliche oder mündliche Beschreibung, durch Benutzung oder in sonstiger Weise zugänglich gemacht worden ist."
In Artikel 55 EPÜ sind allerdings zwei Arten unschädlicher Offenbarungen vorgesehen. Danach ist die Offenbarung der Erfindung vor dem Anmeldetag der Patentanmeldung für die Erfindung nicht neuheitsschädlich, wenn sie zurückgeht:
"a) auf einen offensichtlichen Mißbrauch zum Nachteil des Anmelders oder seines Rechtsvorgängers oder
b) auf die Tatsache, daß der Anmelder oder sein Rechtsvorgänger die Erfindung auf amtlichen oder amtlich anerkannten Ausstellungen im Sinn des am 22. November 1928 in Paris unterzeichneten und zuletzt am 30. November 1972 revidierten Übereinkommens über internationale Ausstellungen zur Schau gestellt hat. "
In der Rechtsprechung des Europäischen Patentamts (EPA) hat sich im Lauf der Jahre immer wieder Gelegenheit zur genaueren Abgrenzung des Begriffs der absoluten Neuheit geboten2.
Der Begriff der "Öffentlichkeit" ist danach so zu verstehen, daß eine Information der Öffentlichkeit zugänglich ist, wenn auch nur ein einziges Mitglied derselben die Möglichkeit hatte, die Information zu erlangen und zu verstehen, und keine Geheimhaltungspflicht bestand. Somit genügt ein einziger Verkauf, um den verkauften Gegenstand der Öffentlichkeit zugänglich zu machen, sofern der Käufer nicht zur Geheimhaltung verpflichtet wurde. Es braucht nicht nachgewiesen zu werden, daß andere tatsächlich Kenntnis von dem Gegenstand hatten. War allerdings die Person, die die Möglichkeit der Kenntnisnahme hatte, zur Geheimhaltung verpflichtet, dann wird davon ausgegangen, daß die Erfindung der Öffentlichkeit nicht zugänglich geworden ist.
Die Geheimhaltungsverpflichtung muß sich nach der Rechtsprechung des EPA aus einer ausdrücklichen Vereinbarung ergeben. Problematisch sind die Fälle einer stillschweigenden Geheimhaltungsvereinbarung oder solche, in denen sich die Geheimhaltungsverpflichtung aus den Umständen ergibt. So kann eine technische Beschreibung, die an Kunden verteilt wurde, nicht als geheime Information betrachtet werden. Bei Verkaufsverhandlungen erscheint die Rechtsprechung des EPA dagegen weniger streng, sondern neigt dazu, das Vorhandensein einer Geheimhaltungspflicht zu bejahen. Dasselbe gilt, wenn Dritten zu Analyse- oder Testzwecken eine Probe überlassen wird.
"Zugänglich gemacht" ist eine Information nach Auffassung der Beschwerdekammern des EPA schon dann, wenn die theoretische Möglichkeit der Kenntnisnahme besteht. Es genügt also, wenn die Öffentlichkeit die Möglichkeit hatte, von einer Information Kenntnis zu nehmen. Die Zugänglichmachung hängt nicht davon ab, daß irgendein Mitglied der Öffentlichkeit von der Möglichkeit der Kenntnisnahme gewußt und sie tatsächlich genutzt hat.
Im Hinblick auf die unschädlichen Offenbarungen enthält die Rechtsprechung des EPA auch einige Entscheidungen zur Frage des offensichtlichen Mißbrauchs. Grundsätzlich liegt ein offensichtlicher Mißbrauch dann vor, wenn klar und unzweifelhaft feststeht, daß ein Dritter ohne Genehmigung in Schädigungsabsicht oder in Kenntnis seiner Nichtberechtigung unter Inkaufnahme eines Nachteils für den Erfinder oder unter Verletzung eines Vertrauensverhältnisses anderen Personen die erhaltene Information mitgeteilt hat. Die Absichten, die derjenige verfolgt, der mißbräuchlich handelt, spielen dabei eine entscheidende Rolle.
Angesichts der vorstehenden Ausführungen ist ohne weiteres nachvollziehbar, daß die Neuheitsschonfrist im europäischen Patentrecht nicht anerkannt wird. Eine Schonfrist würde bedeuten, daß ein Erfinder seine Erfindung während einer bestimmten befristeten Zeitspanne vor Einreichung einer Patentanmeldung offenbaren könnte, ohne daß dadurch die Neuheit der Erfindung in Frage gestellt wäre.
Die Argumente
Im folgenden soll zunächst auf die Argumente für die Einführung einer Schonfrist und dann auf die Gegenargumente eingegangen werden.
Argumente für die Einführung einer Schonfrist
Vor der Anhörung am 5. Oktober 1998 war in dem Fragebogen, den die zuständigen Stellen der Kommission den interessierten Kreisen zugeleitet hatten, davon ausgegangen worden, daß eine Schonfrist vor allem Forschern außerhalb der Industrie, Einzelerfindern und den KMU zugute käme. Die Anhörung am 5. Oktober 1998 hat gezeigt, daß im wesentlichen den Forschern außerhalb der Industrie und vor allem Einzelerfindern an der Schonfrist gelegen ist. Nachstehend wird zunächst die Begründung der Forscher wiedergegeben.
Ziel eines jeden Forschers ist primär die Mehrung des naturwissenschaftlichen Kenntnisstandes. Vor diesem Hintergrund ist die wirtschaftliche Bedeutung, die Forschungsergebnisse erlangen könnten, für ihn kein ausreichender Motivationsfaktor.
Er empfindet die Erfordernisse des Patentrechts vor allem als Zwang neben einigen anderen Sachzwängen, mit denen sich die Forscher zunehmend konfrontiert sehen, wie Werbung, Marketing und Entwicklungsforschung.
Andererseits haben die Forscher ihr eigenes Bewertungssystem. Was zählt, sind Veröffentlichungen in wissenschaftlichen Fachzeitschriften mit wissenschaftlichem Gutachtergremium. Eine Anmeldung zum Patent hat wenig Gewicht.
Durch das Internet wird die Situation noch komplizierter, da jeder Forscher seine neuesten Ergebnisse sofort publik machen kann. In der Biotechnologie ist dieses Phänomen besonders ausgeprägt.
Notwendig ist letztlich eine geeignete Aufklärung über die Erfordernisse des Patentrechts. Bis dahin kann es sich aber niemand leisten, Erfindungen zu verlieren.
In diesem Sinne muß die Schonfrist als rechtlich vertretbare Lösung verstanden werden, auch wenn sie kein Allheilmittel ist. Die Schonfrist kann nur eine Kompromißlösung sein, durch die sich die Möglichkeit bietet, unterlaufene Fehler wiedergutzumachen. Es geht darum, ein Sicherheitsnetz zu spannen. In Frankreich hat eine Arbeitsgruppe dem Ministerium für Bildung, Forschung und Technologie einen Bericht zu dieser Frage vorgelegt. Darin sind folgende Modalitäten für die Schonfrist vorgesehen:
1) Da in Europa das Erstanmelderprinzip gilt3, darf die Schonfrist nicht wie eine Priorität wirken, sondern nur Immunität verleihen; sie darf also nicht die Prioritätsfrist in Lauf setzen und soll den Erfinder oder seinen Rechtsnachfolger schützen und auch Offenbarungen Dritter abdecken, die die Offenbarung des Erfinders ganz oder teilweise wiedergeben oder aufgreifen.
2) Eine Schonfrist sollte zumindest auf europäischer Ebene, vorzugsweise aber weltweit eingeführt werden.
3) Die Schonfrist sollte für alle Gebiete der Technik und jede Form der Veröffentlichung gelten.
(4) Die Schonfrist sollte nur als Ausnahmeregelung verstanden werden, die an strikte Bedingungen geknüpft ist (Einreichung der Patentanmeldung innerhalb von 6 Monaten nach der Offenbarung, Erklärung des Anmelders und Entrichtung einer Gebühr).
Bei Einführung einer derartigen Schonfrist bestünde keine Notwendigkeit, in Europa das Erstanmelderprinzip aufzugeben und das in den Vereinigten Staaten angewandte Ersterfinderprinzip zu übernehmen. Letzteres gilt als überaus kompliziertes System, weil der Zeitpunkt der Erfindung ermittelt werden muß und dies an sich nichts mit der Schonfrist zu tun hat4.
Als Beispiel für das gelungene Nebeneinander von Schonfrist und Erstanmelderprinzip wird Artikel 28.2 des kanadischen Gesetzes angeführt:
"1) Der von einem Anspruch definierte Gegenstand in einer Patentanmeldung ... darf nicht offenbart worden sein a) mehr als ein Jahr vor dem Tag der Einreichung durch den Anmelder oder durch eine Person, die direkt oder indirekt vom Anmelder in einer Weise Kenntnis erlangte, daß der Anmeldegegenstand für die Öffentlichkeit in Kanada oder anderenorts zugänglich wurde; b) vor dem Anspruchsdatum durch eine nicht unter Buchstabe a genannte Person in einer Weise, daß der Gegenstand für die Öffentlichkeit in Kanada oder anderenorts zugänglich wurde ...".
Die Einzelerfinder fordern eine allgemeine Schonfrist von 12 Monaten. Aus ihrer Sicht wird damit nicht unbedacht Offenbarungen Vorschub geleistet. Ihnen geht es darum, die Neuheit von Erfindungen zu schützen, deren Inhalt die Erfinder notgedrungen offenbaren müssen, weil sie die Finanzierung sichern oder Tests durchführen müssen, um sich zu vergewissern, daß ihre Erfindung funktioniert, weil sie ihre Erfindung bekanntmachen wollen oder weil sie diese offenbaren, ohne zu wissen, daß sie mit gutem Grund eine Patentanmeldung einreichen könnten.
Wenn sich der Erfinder zu früh Gedanken über die Einleitung eines Anmeldeverfahrens machen muß, wird möglicherweise der Erfindungsprozeß gehemmt. Zudem kostet die Anmeldung den Einzelerfinder Geld, das er anderweitig hätte brauchen können, um die Arbeit an seiner Erfindung abzuschließen.
Hingewiesen wurde auch darauf, daß die Offenbarung in bestimmten Wirtschaftszweigen unumgänglich sei, so bei der Entwicklung landwirtschaftlicher Geräte, bei der Schuhherstellung oder im medizinischen Bereich bei der Herstellung orthopädischer Bandagen5.
Im deutschen Recht gab es vor dessen Anpassung an das EPÜ eine Schonfristregelung, ohne daß schwerwiegende Probleme aufgetreten wären. Im deutschen Gebrauchsmustergesetz besteht die Schonfrist immer noch.
Argumente gegen die Einführung einer Schonfrist
Die Gegenargumente kamen von den Vertretern der Industrie und den beim EPA zugelassenen Vertretern. Die Gegner betonten vor allem, daß die Investitionsentscheidungen, die Unternehmen unabhängig von ihrer Größe treffen müssen, keine tragfähige Grundlage mehr hätten, wenn sie mit zu vielen Unwägbarkeiten behaftet wären. Entscheidend für den Schutz der Investitionen sind Wert und Bestandskraft der jeweiligen Patente.
Eine Erfindung erlangt erst dann wirtschaftliche Bedeutung, wenn sie patentiert ist und gewerblich verwertet wird. In diesem Rahmen wäre die Schonfrist nur ein Faktor der Unsicherheit.
Wenn beispielsweise etwas veröffentlicht wird und wirtschaftlich interessant erscheint, wird diese Idee unter den gegebenen Wettbewerbsbedingungen gerne von anderen aufgegrifffen. Ist jedoch ungewiß, ob aus dieser Veröffentlichung möglicherweise ein Patentrecht hervorgeht, so werden die Investitionsentscheidungen erheblich erschwert, und darunter leidet auch der Wettbewerb.
Auch wenn die Wettbewerber davon ausgehen, daß auf die Veröffentlichung eine Patentanmeldung folgen könnte, vermag niemand mit Sicherheit vorauszusagen, welcher Schutzbereich in der Anmeldung beansprucht werden könnte.
Abgesehen von dem Hinweis auf die im Gefolge der Schonfrist befürchtete Rechtsunsicherheit kam auch der Einwand, es ließe sich wohl von niemandem verhindern, daß die erste Veröffentlichung in einer zweiten Veröffentlichung - gutgläubig oder nicht - aufgegriffen wird; dann aber drohten langwierige Rechtsstreitigkeiten darüber, wer zur Veröffentlichung berechtigt war.
Des weiteren wurde vorgebracht, daß die amerikanische Wettbewerbsstärke nicht mit der Schonfrist zusammenhänge und die Schonfrist in den Vereinigten Staaten wenig in Anspruch genommen werde. Es wurde die Auffassung vertreten, daß durch die Einführung einer Schonfrist in Europa vor allem die amerikanischen und japanischen Anmelder bei der Erlangung von Patentschutz in Europa begünstigt würden - und nicht umgekehrt -, wenn Europa am Erstanmelderprinzip festhält, weil die Inanspruchnahme der Schonfrist in den Vereinigten Staaten und in Japan an bestimmte Erfordernisse geknüpft ist.
Es wurde betont, daß die derzeitigen Verhältnisse nicht mehr den Gegebenheiten in den siebziger Jahren entsprechen. Die Lage hat sich geändert. Was damals galt, trifft heute nicht mehr zu, zumal die KMU entgegen manchen Annahmen in Wirklichkeit dieselben Probleme haben wie die Großindustrie.
Die akademische Veröffentlichungstradition ist ein Faktum. Wenn die Hochschulen aber voll in die Wirtschaftswelt einsteigen wollen, müssen die bisherigen Gewohnheiten geändert werden. Es muß umgedacht werden. Durch eine entsprechende Aufklärung dürften sich hier gewisse Verbesserungen erreichen lassen, wobei allerdings keineswegs sicher ist, daß sich diejenigen, für die das schonfristlose Patentrecht bisher ein Buch mit sieben Siegeln war, im Patentrecht mit Schonfrist besser auskennen werden.
In jedem Fall sollten alle Überlegungen zur Schonfrist stets von einer wesentlichen Prämisse ausgehen, nämlich daß ein internationaler Konsens zustande kommen muß, da ein Vorstoß nur einer Seite unweigerlich deren Wettbewerbsposition schwächen würde.
Anregungen
Nach dem Meinungsaustausch kristallisierten sich in der Diskussion verschiedene Anregungen heraus, die bei den Teilnehmern auf Interesse stießen. Sie werden nachstehend wiedergegeben und gegebenenfalls näher erläutert, um ihre Tragweite zu verdeutlichen und Denkanstöße zu geben.
Können bestimmte Schwierigkeiten durch eine vorläufige Anmeldung oder eine Anmeldung mit vereinfachten Formerfordernissen ausgeräumt werden?
Seit dem 8. Juni 1995 gibt es in den Vereinigten Staaten das Institut der vorläufigen Anmeldung (provisional application)6. Diese Regelung gestattet die Einreichung einer Anmeldung mit vereinfachten Formerfordernissen: Verlangt werden eine Beschreibung der Erfindung, die erforderlichen Zeichnungen, die Namen der Erfinder, die Entrichtung einer Anmeldegebühr sowie ein Schriftstück, das die Anmeldung als vorläufige Patentanmeldung ausweist. Die wichtigste Besonderheit dieser Regelung besteht darin, daß die Ansprüche fehlen. Das amerikanische Amt empfiehlt allerdings eine möglichst vollständige Beschreibung. Für die endgültige Anmeldung, die binnen eines Jahres nachgereicht werden muß, wird die vorläufige Anmeldung nämlich nur dann rechtlich anerkannt, wenn die später beanspruchte Erfindung dem entspricht, was in der vorläufigen Anmeldung beschrieben ist.
Die einjährige Geltungsdauer der vorläufigen Anmeldung ist nicht Teil der Patentlaufzeit von 20 Jahren, die sich erst aus der endgültigen Anmeldung ergibt.
Nach Auffassung des amerikanischen Amts bietet die vorläufige Anmeldung die Möglichkeit, mit zunächst geringem finanziellen Aufwand das wirtschaftliche Potential einer Erfindung auszuloten, bevor die hohen Kosten einer endgültigen Anmeldung anfallen. Darüber hinaus kann die Erfindung dank der vorläufigen Anmeldung sofort gewerblich verwertet werden und ist besser gegen einen etwaigen Diebstahl abgesichert. Mit dem Tag der vorläufigen Anmeldung beginnt die Prioritätsfrist nach der Pariser Verbandsübereinkunft.
Neben diesem System der vorläufigen Anmeldung ist auch eine Anmelderegelung denkbar, in deren Rahmen bei vereinfachten Formerfordernissen ein fester Tag vergeben wird. Dieser Tag gilt dann als endgültiger Anmeldetag, so daß die Berechnung der Laufzeit von 20 Jahren anders als in den Vereinigten Staaten mit diesem Anmeldetag beginnt. Es brauchen aber nicht sämtliche Formerfordernisse erfüllt zu werden, die sonst Voraussetzung dafür sind, daß eine Patentanmeldung als wirksam eingereicht gilt.
In Artikel 80 EPÜ heißt es hierzu: "Der Anmeldetag einer europäischen Patentanmeldung ist der Tag, an dem die vom Anmelder eingereichten Unterlagen enthalten:
a) einen Hinweis, daß ein europäisches Patent beantragt wird;
b) die Benennung mindestens eines Vertragsstaats;
c) Angaben, die es erlauben, die Identität des Anmelders festzustellen;
d) ... eine Beschreibung und einen oder mehrere Patentansprüche, selbst wenn die Beschreibung und die Patentansprüche nicht den übrigen Vorschriften dieses Übereinkommens entsprechen."
Der Entwurf des Patentrechtsabkommens der WIPO (SCP/1/3) sieht diese Möglichkeit in Artikel 4, der den Anmeldetag betrifft, ebenfalls vor: "1) ... bestimmt jede Vertragspartei, daß der Anmeldetag einer Patentanmeldung der Tag ist, an dem ihr Amt ... erhalten hat:
i) einen expliziten oder impliziten Hinweis darauf, daß die Unterlagen als Anmeldung zu betrachten sind;
ii) Angaben, anhand deren die Identität des Anmelders festgestellt werden oder das Amt Verbindung mit dem Anmelder aufnehmen kann;
iii) einen Teil, der offensichtlich als Beschreibung angesehen werden kann ... "
Es fällt auf, daß die Einreichung eines oder mehrerer Ansprüche hier nicht verlangt wird.
Mehrere Teilnehmer haben hervorgehoben, daß eine Regelung, die eine vorläufige Anmeldung oder eine Anmeldung mit vereinfachten (später aber natürlich noch ergänzten) Formerfordernissen und Vergabe eines festen Anmeldetags vorsähe, für die Erfinder, die durch die Vorschriften des Patentrechts bisweilen überfordert sind, eine große Hilfe sein könnte - vor allem, wenn nicht sofort eine Gebühr fällig würde.
Der Begriff des offensichtlichen Mißbrauchs sollte überprüft werden.
Mehrere Teilnehmer vertraten die Auffassung, daß im Rahmen des bestehenden Patentrechts, d. h. des Artikels 55 EPÜ, der unschädliche Offenbarungen betrifft, die Auslegung des Begriffs des offensichtlichen Mißbrauchs überprüft werden sollte. Sie wird als zu eng empfunden, weil sie versehentliche Offenbarungen ohne Schädigungsabsicht nicht ebenfalls abdeckt. Dies wäre aber gerade dann hilfreich, wenn eine Offenbarung auf eine frühere, unter dem Siegel der Vertraulichkeit vorgenommene Offenbarung zurückgeht, also beispielsweise ein Erfinder einem Dritten seine Erfindung zur Erprobung überläßt und dieser sie dann offenbart. Gegebenenfalls könnte der Begriff des offensichtlichen Mißbrauchs durch ein flexibleres Konzept ersetzt werden.
Das Konzept der internationalen Ausstellung ist zu restriktiv.
Im Zusammenhang mit den unschädlichen Offenbarungen wurde auch vorgebracht, daß zu wenige internationale Ausstellungen amtlich anerkannt sind, Einzelerfinder ihre Erfindungen aber gerne auf regelmäßig stattfindenden Ausstellungen zur Schau stellen.
Das Gebrauchsmuster könnte eine Lösung sein.
Einige Teilnehmer meinten, daß ein Gebrauchsmustersystem wahrscheinlich interessante Antworten für die Anliegen der Einzelerfinder bieten könnte, deren Betätigungsfeld zumeist die Mechanik ist.
Zusammenfassung der Ergebnisse
Die Gegner der Schonfrist bringen als Kernargument vor, daß die Rechtssicherheit für Investitionen gefährdet würde.
Manchmal läßt es sich nicht vermeiden, daß Erfinder ihre Erfindung - beispielsweise zu Testzwecken - offenbaren.
Bei Vergleichen mit der Situation in den Vereinigten Staaten ist Vorsicht geboten, weil das Patentsystem dort anders konzipiert ist als in Europa.
Die Auswirkungen des Internet auf die Veröffentlichungsmöglichkeiten müssen näher untersucht werden.
Im Hinblick auf biotechnologische Erfindungen ist anzumerken, daß die Kommission gemäß der Richtlinie 98/44/EG bis zum 30. Juli 2000 einen Bericht herausgeben wird, in dem beurteilt werden soll, welche Auswirkungen es auf die Grundlagenforschung in der Gentechnik hat, wenn Unterlagen, deren Gegenstand patentierbar sein könnte, nicht oder mit Verzögerung veröffentlicht werden.
Wenn eine Schonfrist in Zukunft konkrete Gestalt annehmen soll, müßte grundsätzlich eine weltweite Regelung angestrebt werden.
Näher untersucht werden sollten die Möglichkeiten, die eine vorläufige Anmeldung oder eine Anmeldung mit vereinfachten Formerfordernissen ohne Gebühren eröffnet.
Einer Überprüfung bedürfen die beiden bisher vorgesehenen Fälle unschädlicher Offenbarungen: der offensichtliche Mißbrauch zum Nachteil des Anmelders und die Zurschaustellung der Erfindung auf einer amtlich anerkannten internationalen Ausstellung.
Von größter Bedeutung ist eine bessere Verbreitung von Informationen über die Erfordernisse des Patentrechts. Die Kommission wird sich mit dieser Frage befassen und die Anstrengungen, die schon bisher auf Gemeinschaftsebene unternommen werden, besser strukturieren. Es wird eine Mitteilung zu dieser Thematik ins Auge gefaßt.
* EPA-Übersetzung des von der Kommission in französischer Sprache abgefaßten Berichts.
1 Artikel 52 (1) EPÜ: "Europäische Patente werden für Erfindungen erteilt, die neu sind, auf einer erfinderischen Tätigkeit beruhen und gewerblich anwendbar sind".
2 Die angeführten Beispiele sind der 1996 vom Europäischen Patentamt in München herausgegebenen Veröffentlichung "Rechtsprechung der Beschwerdekammern des Europäischen Patentamts" entnommen.
3 Vom Erstanmelderprinzip wird gesprochen, weil derjenige, der die Erfindung zum Patent anmeldet, als berechtigt gilt, das Recht auf das Patent geltend zu machen, auch wenn nicht der Erfinder ist. Letzterer hat gegenüber dem Inhaber der Patentanmeldung anspruch darauf, als Erfinder genannt zu werden. In den Vereinigten Staaten gilt hingegen das Ersterfinderprinzip: Hier kann nur derjenige, der die Erfinung gemacht hat, das Recht auf das Patent geltend machen.
4 Nach Artikel 102 b) des Titels 35 des United States Code besteht unter folgenden Voraussetzungen Anspruch auf ein Patent: "die Erfindung darf nicht mehr als ein Jahr vor dem Tage ihrer inländischen Anmeldung zum Patent im In- oder Ausland patentiert oder in einer in- oder ausländischen öffentlichen Druckschrift beschrieben oder im Inland offenkundig benutzt oder verkauft worden sein."
5 Zu Erfindungen auf dem Gebiet der Medizin ist anzumerken, daß in Europa Verfahren zur chirurgischen oder therapeutischen Behandlung des menschlichen oder tierischen Körpers und Diagnostizierverfahren, die am menschlichen oder tierischen Körper vorgenommen werden, nicht patentfähig sind (Art. 52 (4) EPÜ). In den Vereinigten Staaten ist dies nicht der Fall.
6 Artikel 111 b) des Titels 35 des United States Code.