VERWALTUNGSRAT
Berichte über Tagungen des Verwaltungsrats
Bericht über die 50. Tagung des Verwaltungsrats der Europäischen Patentorganisation (7. bis 10. Dezember 1993)
Der Verwaltungsrat der Europäischen Patentorganisation hielt seine 50. Tagung vom 7. bis 10. Dezember 1993 in München ab. Herr Per Lund Thoft (DK), der mit Wirkung vom 19. Oktober 1993 für drei Jahre zum Präsidenten des Rats gewählt worden war, führte dabei erstmals den Vorsitz.
Der Präsident des Amts, Herr Paul Braendli, legte seinen Tätigkeitsbericht für das zweite Halbjahr 1993 vor.
Er stellte eingangs fest, daß für 1993 mit etwas über 70 500 Anmeldungen zu rechnen sei; diese Zahl liege 3,7 % über dem Geschäftsplan. Davon seien 42 700 europäische und 27 800 Euro-PCT-Anmeldungen (4,7 % bzw. 2,2 % über Plan). Etwa 14 200 Euro-PCT-Anmeldungen dürften in die regionale Phase eintreten (12,3 % weniger als angenommen).
Entsprechend dem Anmeldeaufkommen liege auch die Zahl der Recherchenanträge mit 84 400 über dem Geschäftsplan, und zwar um 2,3 %. Im Prüfungsbereich sei der Arbeitsanfall geringfügig zurückgegangen (61 800 Prüfungsaufträge, d. h. 1,7 % unter Plan). Die Zahl der Anträge auf vorläufige Prüfung nach Kapitel II PCT hingegen werde 8 600 erreichen und damit die Planzahl um 11,7 % übersteigen. Die Zahl der Einsprüche sei deutlich niedriger als geschätzt (- 28 %) und dürfte bei 2 000 liegen. Die Zahl der Beschwerden bei den Technischen Beschwerdekammern sei von 1 265 auf 1 130, also um 10,7 %, zurückgegangen. Dies hänge mit einem Rückgang der Zurückweisungsentscheidungen in der Sachprüfung und im Einspruchsverfahren sowie mit einem starken Absinken der Zahl der PCT-Widersprüche zusammen.
Die Leistungsvorgaben in den drei Bereichen Recherche, Prüfung und Beschwerde seien erreicht worden. Der Rückstand bei der europäischen Recherche sei nun weitgehend abgebaut, und auch der Rückstand bei den Erstbescheiden im Prüfungsverfahren sei erheblich zurückgegangen. Besondere Maßnahmen seien jedoch bei den Beschwerden erforderlich, wo sich der Rückstand weiter erhöht habe.
Aus dem Bereich der Recherche berichtete der Präsident, daß zur Förderung der systematischen Einführung der Online-Recherche in der GD 1 ein Programm mit der Bezeichnung "LEARNING PROCESS" ins Leben gerufen worden sei. Es umfasse die Analyse der von erfahrenen Prüfern bereits angewandten Online-Recherchenmethoden, die Einsetzung von zwei erfahrenen Prüfern in jeder Direktion als Koordinatoren zur Unterstützung ihrer Kollegen und die Einrichtung von sogenannten "EPOQUE Clubs", in denen verschiedene Recherchentechniken demonstriert und diskutiert würden. Auch habe die Zahl der Recherchen, bei denen das EPOQUE-System genutzt worden sei, im laufenden Jahr gegenüber 1992 um rund 13 % und die für jede Recherche aufgewandte Computerzeit um 16 % zugenommen - ein Anzeichen für eine intensivere Nutzung des Systems.
Im Zusammenhang mit dem Erteilungs- und dem Beschwerdeverfahren selbst wies der Präsident darauf hin, daß die amtsinterne Harmonisierung und Qualitätskontrolle im Berichtszeitraum weiter ausgebaut worden seien. Zur Förderung der Qualitätssicherung trage auch ein Personalaustausch zwischen dem Amt einerseits und Patentabteilungen der Industrie sowie Patentvertretern andererseits bei, von dem beide Seiten profitierten. Das Programm sei sowohl von den Prüfern als auch von den Patentabteilungen der Unternehmen und den Patentvertretern überaus positiv aufgenommen und deshalb erheblich ausgeweitet worden: In diesem Jahr seien insgesamt 40 Prüfer der GD 1 und 22 Prüfer der GD 2 außerhalb des Amts tätig gewesen. Das Programm entwickle sich uneingeschränkt positiv, und zwar auch in umgekehrter Richtung: 1993 seien 10 externe Trainees im EPA ausgebildet worden.
Unter dem Stichpunkt Patentinformationspolitik erwähnte der Präsident des Amts zunächst das jährliche EPIDOS-Nutzertreffen, das diesmal vom 6. bis 8. Oktober in Brüssel stattfand und rund 300 Teilnehmer zusammenführte. Es wurde erstmals von einer öffentlichen Ausstellung begleitet.
Hinsichtlich der Zusammenarbeit mit den nationalen Ämtern der Vertragsstaaten in Sachen Patentinformation sei zu berichten, daß EPOQUE nunmehr in fast allen Ämtern der Vertragsstaaten einsatzbereit sei und auch zunehmend genutzt werde.
Auch bei den laufenden Projekten der Dienststelle Wien seien Fortschritte zu verzeichnen: Die Entwicklung von CD-ROMs für die nationale Patentdokumentation werde fortgesetzt. Die Online-Fassung des europäischen Patentregisters sei wesentlich verbessert worden. Dank der besseren Nutzbarkeit dieses Produkts sei die Zahl der Benutzer um das Vierfache gestiegen. Das Amt habe sich erfolgreich bemüht, bei der Veröffentlichung der A- und der B-Schriften in Papierform Einsparungen zu erzielen. Die 1992 ins Leben gerufene Aktion "SWAP - CD-ROM statt Papier" lasse für 1993 Einsparungen in Höhe von 3,5 Mio. DEM erwarten. Schließlich seien nach Genehmigung der Preispolitik für Patentinformationsprodukte des EPA mit den Firmen STN, Dialog und InfoPro Verträge über die Vermittlung von EPA-Daten geschlossen worden.
Der Präsident des Amts berichtete dann unter dem Punkt Rechtsfragen und internationale Angelegenheiten von einem Seminar, das vom portugiesischen Patentamt und vom EPA gemeinsam am 18. und 19. November in Lissabon durchgeführt wurde. Ziel dieses Seminars sei es vor allem gewesen, die portugiesische Industrie über das europäische Patentsystem und die Patentinformation zu unterrichten.
Unter der Rubrik Beziehungen zur Europäischen Union in Brüssel zog der Präsident eine erste Zwischenbilanz seit der offiziellen Einweihung des Verbindungsbüros Ende April, die sehr positiv ausfiel. Das Büro habe bereits vielversprechende Kontakte zur Kommission - insbesondere zu den Generaldirektionen I, XII, XIII, XV und XXIII -, aber auch zum Rat und zum Europäischen Parlament aufgenommen und weite seine Beziehungen stetig aus.
Das Kooperationsabkommen mit Slowenien und die ergänzende Vereinbarung über die Erstreckung europäischer Patente, die der Rat auf seiner Tagung in Paris gebilligt habe, seien am 2. Juli 1993 in Ljubljana unterzeichnet worden. Das Inkrafttreten der Erstreckungsvereinbarung sei für den 1. März 1994 ins Auge gefaßt. Bis dahin werde Slowenien die Ausführungsvorschriften erlassen und die administrativen Vorarbeiten abgeschlossen haben.
Der Präsident berichtete auch über die Zusammenarbeit zwischen dem EPA und China. Auf Einladung des Generaldirektors des chinesischen Patentamts, Herrn Gao Lulins, habe er diesem Amt vom 23. bis 27. Juli 1993 einen offiziellen Besuch abgestattet. Zweck dieses Besuchs sei es gewesen, an die im Rahmen des 1985 unterzeichneten Arbeitsabkommens aufgenommenen Kontakte wieder anzuknüpfen und einen Gedankenaustausch über die neuen chinesischen Rechtsvorschriften im Bereich des Patentwesens zu führen. Auch konnte die Tätigkeit im Bereich der Ausbildung und der technischen Hilfe im Zusammenwirken mit der Europäischen Union wiederaufgenommen werden.
Ferner sei die Europäische Patentorganisation im September zusammen mit der WIPO zu einer Sitzung des zwischenstaatlichen Ausschusses der Länder der ehemaligen UdSSR in Uzhgorod eingeladen gewesen. Dieser Ausschuß bereite ein Übereinkommen über die gemeinsame Patenterteilung für diese Länder vor. Inzwischen habe der Präsident des Ausschusses, Herr Petrov, dem EPA den sogenannten "Uzhgorod-Entwurf zu einem Eurasiatischen Patentübereinkommen" zur Begutachtung zukommen lassen. Im Hinblick auf die etwaige Ausarbeitung eines im Rahmen des TACIS-Projekts (Rußland, Weißrußland, Ukraine, Kasachstan) geplanten Programms auf dem Gebiet des Patentwesens habe das Amt am Rande der Ausschußsitzung Gespräche mit den zuständigen Stellen der Europäischen Union geführt.
Der Rat genehmigte die Jahresrechnung 1992 und erteilte dem Präsidenten des Amts nach Erörterung des Berichts der Rechnungsprüfer und Stellungnahme des Haushalts- und Finanzausschusses Entlastung für das Haushaltsjahr 1992. Der Rat stellte anschließend den Haushalt 1994 nach Einnahmen und Ausgaben auf 1 082 Mio. DEM fest und genehmigte den Stellenplan (3 840 Stellen).
Der Rat wurde über die Ergebnisse der 11. jährlichen Dreierkonferenz zwischen EPA, JPO und USPTO unterrichtet, die am 25. und 26. Oktober 1993 in München stattfand und der Harmonisierung des Vorgehens bei der Weitergabe der Patentinformationen sowie der Patenterteilungspraxis gewidmet war.
Der Rat ermächtigte den Präsidenten des Amts auf dessen Wunsch, mit den Republiken Lettland und Litauen - wie schon mit Slowenien - Kooperationsabkommen sowie Vereinbarungen über die Erstreckung der Wirkungen europäischer Patente abzuschließen.
Der Verwaltungsrat genehmigte auf Vorschlag des Präsidenten des Amts einen Entwurf zur Änderung der Vorschriften über die europäische Eignungsprüfung für die beim EPA zugelassenen Vertreter (s. Beschluß auf S. 7 ff.). Er genehmigte ferner die Entwürfe zur Änderung der Regel 102 (1) EPÜ (s. Beschluß auf S. 18) und zur Herabsetzung der Recherchengebühr für einen ergänzenden europäischen Recherchenbericht um 20 %, wenn ein vom chinesischen Patentamt erstellter internationaler Recherchenbericht vorliegt (s. Beschluß auf S. 6).
Außerdem billigte er die Vergabe einiger Aufträge (CD-ROM-Produktion mit Mixed-Mode-Software, Versand der Patentanmeldungen und Patentschriften des Europäischen Patentamts, Herstellung und Versand des Europäischen Patentblatts).
Der Rat nahm den Bericht über den Stand des BEST-Projekts und die Aktualisierung des Automatisierungsplans entgegen und erteilte die für die Ausführung des Plans erforderlichen Ermächtigungen.
Auf Vorschlag des Präsidenten des Amts wurden vom Rat Mitglieder der Großen Beschwerdekammer und der Beschwerdekammern ernannt bzw. wiederernannt. Ferner wurden auf Beschluß des Rates neue Mitglieder in den Forschungsbeirat berufen und einige Beiratsmitglieder in ihrem Amt bestätigt.