III. VERFAHRENSORDNUNGEN DER BESCHWERDEKAMMERN
Die nachfolgenden Texte sind zugleich mit dem revidierten EPÜ in Kraft getreten.
III.1
Beschluss des Verwaltungsrats vom 7. Dezember 2006 zur Genehmigung von Änderungen der Verfahrensordnung der Großen Beschwerdekammer des Europäischen Patentamts1
DER VERWALTUNGSRAT DER EUROPÄISCHEN PATENTORGANISATION,
gestützt auf das Europäische Patentübereinkommen, insbesondere auf Artikel 23 Absatz 4,
gestützt auf die am 6. November 2006 nach Regel 11 Absatz 2 der Ausführungsordnung zum Europäischen Patentübereinkommen erlassenen Änderungen der Verfahrensordnung der Großen Beschwerdekammer,
BESCHLIESST:
Die Änderungen der Verfahrensordnung der Großen Beschwerdekammer im Anhang zu diesem Beschluss werden genehmigt.
Geschehen zu München am 7. Dezember 2006
Für den Verwaltungsrat
Der Präsident
Roland GROSSENBACHER
ANHANG
BESCHLUSS
Änderung der Verfahrensordnung der Großen Beschwerdekammer, ABl. EPA 1983, 3 in der Fassung von ABl. EPA 1989, 362, ABl. EPA 1994, 443 und ABl. EPA 2003, 58
Die Große Beschwerdekammer beschließt hiermit nach Regel 11 der Ausführungsordnung zum Europäischen Patentübereinkommen die Änderung ihrer Verfahrensordnung. Die so geänderte Verfahrensordnung lautet wie folgt:
Artikel 1
Anwendungsbereich
In den Verfahren vor der Großen Beschwerdekammer gemäß Artikel 112 EPÜ und Artikel 112a EPÜ gelten die Vorschriften dieser Verfahrensordnung.
Artikel 2
Geschäftsverteilung und Besetzung
(1) Vor Beginn eines jeden Geschäftsjahres stellen die nach Artikel 11 Absatz 3 EPÜ ernannten Mitglieder der Großen Beschwerdekammer einen Geschäftsverteilungsplan auf. Dieser bestimmt die ständigen Mitglieder und ihre Vertreter in Verfahren nach Artikel 112 EPÜ für die Rechtsfragen, die im Laufe des Jahres vorgelegt werden, und die ständigen Mitglieder und gegebenenfalls ihre Vertreter in Verfahren nach Artikel 112a EPÜ für die Anträge, die im Laufe des Jahres gestellt werden. Der Plan kann im Laufe des Jahres geändert werden.
(2) Der Vorsitzende der Großen Beschwerdekammer bestimmt nach Maßgabe des Geschäftsverteilungsplans die Zusammensetzung der Kammer im Einzelfall.
(3) Für die Prüfung eines Antrags nach Artikel 112a EPÜ in der Besetzung nach Regel 109 Absatz 2 b) EPÜ wird die Besetzung für die Prüfung nach Regel 109 Absatz 2 a) EPÜ um zwei rechtskundige Mitglieder erweitert.
(4) In den Verfahren vor der Großen Beschwerdekammer nach Artikel 112 Absatz 1 a) EPÜ dürfen mindestens vier Mitglieder nicht an dem Verfahren vor der die Rechtsfrage vorlegenden Kammer mitgewirkt haben.
(5) Artikel 24 EPÜ findet auf Verfahren nach Artikel 112a EPÜ Anwendung. Der nach Artikel 11 Absatz 3 EPÜ ernannte Vorsitzende der Kammer, gegen deren Entscheidung sich der Antrag auf Überprüfung richtet, darf am Überprüfungsverfahren nicht mitwirken.
(6) Unmittelbar nach ihrer Bestimmung oder Änderung wird die Zusammensetzung der Kammer den Beteiligten mitgeteilt.
Artikel 3
Vertretung der Mitglieder
(1) Vertretungsgründe sind Verhinderungsgründe, wie insbesondere Krankheit, Arbeitsüberlastung und unvermeidbare Verpflichtungen.
(2) Will ein Mitglied vertreten werden, so unterrichtet es den Vorsitzenden der Kammer unverzüglich von seiner Verhinderung.
(3) Der Vorsitzende der Großen Beschwerdekammer kann ein anderes ständiges rechtskundiges Mitglied der Kammer nach Maßgabe des Geschäftsverteilungsplans vertretungsweise zum Vorsitzenden bestimmen.
Artikel 4
Ausschließung und Ablehnung
(1) Das Verfahren nach Artikel 24 Absatz 4 EPÜ ist auch anzuwenden, wenn die Kammer von einem möglichen Ausschließungsgrund auf andere Weise als von dem Mitglied oder einem Beteiligten Kenntnis erhält.
(2) Das betroffene Mitglied wird aufgefordert, sich zu dem Ausschließungsgrund zu äußern.
(3) Vor der Entscheidung über die Ausschließung des Mitglieds wird das Verfahren in der Sache nicht weitergeführt.
Artikel 5
Berichterstatter
(1) Der Vorsitzende der Kammer bestimmt für jeden Fall eines der Mitglieder der Kammer oder sich selbst als Berichterstatter. Der Vorsitzende kann einen Mitberichterstatter bestimmen. Der Berichterstatter der Kammer in der Besetzung nach Regel 109 Absatz 2 a) EPÜ bleibt in der Regel Berichterstatter für das Verfahren in der Besetzung nach Regel 109 Absatz 2 b) EPÜ.
(2) Ist ein Mitberichterstatter bestimmt worden, so werden die in den Absätzen 3 bis 5 vorgesehenen Maßnahmen vorbehaltlich einer Anordnung des Vorsitzenden gemeinsam vom Berichterstatter und dem Mitberichterstatter getroffen.
(3) Der Berichterstatter führt eine vorläufige Untersuchung des Falles durch und kann vorbehaltlich einer Anordnung des Vorsitzenden der Kammer Bescheide an die mitwirkungsberechtigten Beteiligten abfassen. Die Bescheide werden vom Berichterstatter im Auftrag der Kammer unterzeichnet.
(4) Der Berichterstatter bereitet die Sitzungen und mündlichen Verhandlungen der Kammer vor.
(5) Der Berichterstatter entwirft die Entscheidungen bzw. Stellungnahmen.
(6) Ist der Berichterstatter oder der Mitberichterstatter der Ansicht, dass seine Kenntnisse der Verfahrenssprache für die Abfassung von Bescheiden und Entscheidungen bzw. Stellungnahmen nicht ausreichen, so kann er diese in einer anderen Amtssprache entwerfen. Die Entwürfe werden vom Europäischen Patentamt in die Verfahrenssprache übersetzt; die Übersetzungen werden von dem Berichterstatter oder von einem anderen Mitglied der Kammer überprüft.
Artikel 6
Geschäftsstelle
(1) Bei der Großen Beschwerdekammer wird eine Geschäftsstelle eingerichtet, deren Aufgaben vom Leiter der Geschäftsstellen der Beschwerdekammern oder von den ihm zu diesem Zweck zugeordneten Geschäftsstellenbeamten wahrgenommen werden.
(2) Die nach Artikel 11 Absatz 3 EPÜ ernannten Mitglieder der Großen Beschwerdekammer können der Geschäftsstelle Aufgaben übertragen, die technisch und rechtlich keine Schwierigkeiten bereiten, wie insbesondere Aufgaben betreffend Akteneinsicht, Ladung, Zustellung oder Gewährung von Weiterbehandlung.
(3) Niederschriften über mündliche Verhandlungen und Beweisaufnahmen werden vom Leiter der Geschäftsstellen, einem ihm zu diesem Zweck zugeordneten Geschäftsstellenbeamten oder von einem anderen Bediensteten des Amts, den der Vorsitzende dazu bestimmt, angefertigt.
Artikel 7
Änderung in der Zusammensetzung der Kammer
(1) Ändert sich die Zusammensetzung der Kammer nach einer mündlichen Verhandlung, so werden die mitwirkungsberechtigten Beteiligten unterrichtet, dass auf Antrag eine erneute mündliche Verhandlung vor der Kammer in ihrer neuen Zusammensetzung stattfindet. Eine erneute mündliche Verhandlung findet auch dann statt, wenn das neue Mitglied dies beantragt und die übrigen Mitglieder der Kammer damit einverstanden sind.
(2) Absatz 1 findet keine Anwendung auf eine Änderung der Zusammensetzung gemäß Artikel 2 Absatz 3. In diesem Fall gilt ein Antrag auf mündliche Verhandlung auch dann weiter, wenn bereits eine mündliche Verhandlung stattgefunden hat.
(3) Jedes neue Mitglied ist an bereits getroffene Zwischenentscheidungen wie die übrigen Mitglieder gebunden.
(4) Ist ein Mitglied der Kammer nach einer Endentscheidung verhindert, so wird es nicht ersetzt. Ist der Vorsitzende verhindert, so unterzeichnet in seinem Auftrag das im Rahmen der Kammer dienstälteste rechtskundige Mitglied der Kammer und bei gleichem Dienstalter das älteste Mitglied.
Artikel 8
Verbindung von Verfahren
Liegen der Kammer mehrere Rechtsfragen gleicher oder ähnlicher Art oder mehrere Anträge auf Überprüfung derselben Beschwerdeentscheidung vor, so kann die Kammer sie in einem gemeinsamen Verfahren behandeln.
Artikel 9
Äußerungsrecht des Präsidenten des Europäischen Patentamts
In den Verfahren gemäß Artikel 112 EPÜ kann die Kammer den Präsidenten des Europäischen Patentamts von Amts wegen oder auf dessen schriftlichen begründeten Antrag auffordern, sich zu Fragen von allgemeinem Interesse, die sich im Rahmen eines vor der Kammer anhängigen Verfahrens stellen, schriftlich oder mündlich zu äußern. Die Beteiligten sind berechtigt, zu diesen Äußerungen Stellung zu nehmen.
Artikel 10
Stellungnahmen Dritter
(1) Im Rahmen der Verfahren gemäß Artikel 112 EPÜ können schriftliche Stellungnahmen, die von Dritten eingereicht werden und die in diesem Verfahren zu klärende Rechtsfragen betreffen, nach dem Ermessen der Kammer behandelt werden.
(2) Die Kammer kann im Amtsblatt des Europäischen Patentamts nähere Bestimmungen betreffend diese Stellungnahmen bekanntmachen.
Artikel 11
Besondere Mitteilungen an die Beteiligten in Verfahren nach Artikel 112a EPÜ
Unbeschadet der nach anderen Vorschriften erforderlichen Zustellungen oder Mitteilungen:
a) wird den anderen Beteiligten der Eingang eines Antrags auf Überprüfung zusammen mit einer Abschrift des Antrags und unter Hinweis auf Regel 109 Absatz 3 EPÜ mitgeteilt;
b) wird den Beteiligten die Verwerfung in einer mündlichen Verhandlung eines Antrags auf Überprüfung als offensichtlich unzulässig oder unbegründet mitgeteilt;
c) wird den Beteiligten die Weiterleitung eines Antrags auf Überprüfung an die Kammer in der Besetzung nach Regel 109 Absatz 2 b) EPÜ mitgeteilt.
Artikel 12
Neues Vorbringen nach Fristablauf in Verfahren nach Artikel 112a EPÜ
(1) Unbeschadet der Regel 109 Absatz 3 EPÜ kann die Kammer neues Vorbringen des Antragstellers nach Ablauf der Frist für die Einreichung des Antrags auf Überprüfung berücksichtigen, wenn besondere Gründe dies rechtfertigen.
(2) Entsprechendes gilt im Verfahren in der Besetzung nach Regel 109 Absatz 2 b) EPÜ für neues Vorbringen der anderen Beteiligten nach deren Erwiderung.
Artikel 13
Nicht bindende Mitteilungen der Kammer
Hält die Kammer es für zweckmäßig, den mitwirkungsberechtigten Beteiligten ihre Ansicht über die Beurteilung sachlicher oder rechtlicher Fragen mitzuteilen, so hat das so zu geschehen, dass die Mitteilung nicht als bindend für die Kammer verstanden werden kann.
Artikel 14
Mündliche Verhandlungen
(1) Ist eine mündliche Verhandlung vorgesehen, so bemüht sich die Kammer darum, dass die mitwirkungsberechtigten Beteiligten vor der mündlichen Verhandlung die erforderlichen Informationen und Unterlagen einreichen.
(2) Die Kammer kann in der Mitteilung nach Artikel 13 auf Punkte hinweisen, die von besonderer Bedeutung zu sein scheinen, oder auf die Tatsache, dass bestimmte Fragen offenbar nicht mehr strittig sind; die Mitteilung kann auch andere Bemerkungen enthalten, die es erleichtern, die mündliche Verhandlung auf das Wesentliche zu konzentrieren.
(3) Eine mündliche Verhandlung kann nach dem Ermessen der Kammer nach Eingang eines schriftlichen und begründeten Antrags ausnahmsweise verlegt werden; der Antrag ist so früh wie möglich vor dem anberaumten Termin zu stellen.
(4) Die Kammer ist nicht verpflichtet, einen Verfahrensschritt einschließlich ihrer Entscheidung aufzuschieben, nur weil ein ordnungsgemäß geladener Beteiligter in der mündlichen Verhandlung nicht anwesend ist; dieser kann dann so behandelt werden, als stütze er sich lediglich auf sein schriftliches Vorbringen.
(5) Der Vorsitzende leitet die mündliche Verhandlung und stellt ihre faire, ordnungsgemäße und effiziente Durchführung sicher.
(6) Ist eine Sache in der mündlichen Verhandlung entscheidungsreif, so stellt der Vorsitzende die abschließenden Anträge der mitwirkungsberechtigten Beteiligten fest und erklärt die sachliche Debatte für beendet. Nach Beendigung der sachlichen Debatte können die Beteiligten nichts mehr vorbringen, es sei denn, die Kammer beschließt, die Debatte wieder zu eröffnen.
(7) Die Kammer stellt sicher, dass die Sache am Ende der mündlichen Verhandlung entscheidungsreif ist, sofern nicht besondere Umstände vorliegen. Vor dem Ende der mündlichen Verhandlung kann der Vorsitzende die Entscheidung bzw. Stellungnahme der Kammer verkünden.
Artikel 15
Beteiligung von Dolmetschern
Soweit erforderlich, sorgt der Vorsitzende der Kammer bei mündlichen Verhandlungen, Beweisaufnahmen und Beratungen der Kammer für Übersetzungen.
Artikel 16
Beratung und Abstimmung
(1) An einer Beratung nehmen nur die Mitglieder der Kammer teil; der Vorsitzende kann jedoch die Anwesenheit anderer Bediensteter zulassen. Die Beratungen sind geheim.
(2) Bei den Beratungen der Kammer äußert zuerst der Berichterstatter, dann ggf. der Mitberichterstatter und, wenn der Berichterstatter nicht der Vorsitzende ist, zuletzt der Vorsitzende seine Meinung.
(3) Die gleiche Reihenfolge gilt für Abstimmungen; auch wenn der Vorsitzende Berichterstatter ist, stimmt er zuletzt ab. Stimmenthaltungen sind nicht zulässig.
Artikel 17
Weiterleitung des Falles von der Kammer in der Besetzung nach Regel 109 Absatz 2 a) EPÜ an die Kammer in der Besetzung nach Regel 109 Absatz 2 b) EPÜ
Kommt die Kammer in Verfahren gemäß Artikel 112a EPÜ in der Besetzung nach Regel 109 Absatz 2 a) EPÜ nach Beratung nicht einstimmig zu dem Ergebnis, dass der Antrag auf Überprüfung als offensichtlich unzulässig oder unbegründet zu verwerfen ist, so legt sie den Antrag unverzüglich ohne sachliche Stellungnahme der Kammer in der Besetzung nach Regel 109 Absatz 2 b) EPÜ zur Entscheidung vor.
Artikel 18
Begründung von Entscheidungen und Stellungnahmen
(1) Vorbehaltlich Regel 109 Absatz 2 a) EPÜ entspricht die Entscheidung oder Stellungnahme der Kammer dem Votum der Mehrheit ihrer Mitglieder.
(2) In den Verfahren gemäß Artikel 112 EPÜ können in die Begründung der Entscheidung oder Stellungnahme auch die Erwägungen einer Minderheit aufgenommen werden, wenn die Kammermitglieder dem mehrheitlich zustimmen. Die Namen der diese Minderheit bildenden Mitglieder oder deren Anzahl dürfen nicht angegeben werden.
Artikel 19
Verbindlichkeit der Verfahrensordnung
Diese Verfahrensordnung ist für die Große Beschwerdekammer verbindlich, soweit sie nicht zu einem mit dem Geist und Ziel des Übereinkommens unvereinbaren Ergebnis führt.
Artikel 20
Inkrafttreten
Diese Verfahrensordnung tritt mit Inkrafttreten der revidierten Fassung des Europäischen Patentübereinkommens nach Artikel 8 der Revisionsakte in Kraft.
Geschehen zu München am 6. November 2006
Für die Große Beschwerdekammer
Der Vorsitzende
Peter MESSERLI
III.2
Beschluss des Verwaltungsrats vom 25. Oktober 2007 zur Genehmigung von Änderungen der Verfahrensordnung der Beschwerdekammern des Europäischen Patentamts2
DER VERWALTUNGSRAT DER EUROPÄISCHEN PATENTORGANISATION,
gestützt auf das Europäische Patentübereinkommen, insbesondere auf Artikel 23 Absatz 4,
gestützt auf die am 12. September 2007 nach Regel 10 Absatz 3 der Ausführungsordnung zum Europäischen Patentübereinkommen erlassenen Änderungen der Verfahrensordnung der Beschwerdekammern,
nach Stellungnahme des Ausschusses "Patentrecht",
BESCHLIESST:
Die Änderungen der Verfahrensordnung der Beschwerdekammern im Anhang zu diesem Beschluss werden genehmigt.
Geschehen zu München am 25. Oktober 2007
Für den Verwaltungsrat
Der Präsident
Roland GROSSENBACHER
ANHANG
BESCHLUSS
Änderung der Verfahrensordnung der Beschwerdekammern, ABl. EPA 1983, 7 in der Fassung von ABl. EPA 1989, 361, ABl. EPA 2000, 316, ABl. EPA 2003, 61, ABl. EPA 2003, 89 und ABl. EPA 2004, 541
Das Präsidium beschließt hiermit nach Regel 10 Absatz 3 der Ausführungsordnung zum Europäischen Patentübereinkommen die Änderung der Verfahrensordnung der Beschwerdekammern. Die so geänderte Verfahrensordnung lautet wie folgt:
Artikel 1
Geschäftsverteilung und Besetzung
(1) Vor Beginn eines jeden Geschäftsjahres stellt das in Regel 12 Absatz 4 EPÜ erwähnte Präsidium einen Geschäftsverteilungsplan auf, nach dem alle Beschwerden, die im Laufe des Jahres eingereicht werden, auf die Beschwerdekammern verteilt und die Mitglieder und deren Vertreter bestimmt werden, die in den einzelnen Kammern tätig werden können. Der Plan kann im Laufe des Jahres geändert werden.
(2) Der Vorsitzende jeder Beschwerdekammer bestimmt nach Maßgabe des Geschäftsverteilungsplans die Zusammensetzung der Kammer im Einzelfall.
Artikel 2
Vertretung der Mitglieder
(1) Vertretungsgründe sind Verhinderungsgründe, wie insbesondere Krankheit, Arbeitsüberlastung und unvermeidbare Verpflichtungen.
(2) Will ein Mitglied vertreten werden, so unterrichtet es den Vorsitzenden der betreffenden Kammer unverzüglich von seiner Verhinderung.
(3) Der Vorsitzende der Kammer kann ein anderes Mitglied der Kammer nach Maßgabe des Geschäftsverteilungsplans vertretungsweise zum Vorsitzenden für eine bestimmte Beschwerde bestimmen.
Artikel 3
Ausschließung und Ablehnung
(1) Das Verfahren nach Artikel 24 Absatz 4 EPÜ ist auch anzuwenden, wenn eine Kammer von einem möglichen Ausschließungsgrund auf andere Weise als von dem Mitglied oder einem Beteiligten Kenntnis erhält.
(2) Das betroffene Mitglied wird aufgefordert, sich zu dem Ausschließungsgrund zu äußern.
(3) Vor der Entscheidung über die Ausschließung des Mitglieds wird das Verfahren in der Sache nicht weitergeführt.
Artikel 4
Kontrolle des Verfahrens
(1) Der Vorsitzende bestimmt für jede Beschwerde ein Mitglied der Kammer oder sich selbst für die Prüfung, ob die Beschwerde zulässig ist.
(2) Der Vorsitzende oder ein von ihm bestimmtes Mitglied stellt sicher, dass die Beteiligten diese Verfahrensordnung und die Anweisungen der Kammer befolgen und schlägt hierfür geeignete Maßnahmen vor.
Artikel 5
Berichterstatter
(1) Der Vorsitzende der Kammer bestimmt für jede Beschwerde eines der Mitglieder der Kammer oder sich selbst als Berichterstatter. Der Vorsitzende kann einen Mitberichterstatter bestimmen, wenn dies im Hinblick auf den Beschwerdegegenstand zweckmäßig erscheint.
(2) Ist ein Mitberichterstatter bestimmt worden, so werden die in den Absätzen 3 bis 5 vorgesehenen Maßnahmen vorbehaltlich einer Anordnung des Vorsitzenden gemeinsam vom Berichterstatter und dem Mitberichterstatter getroffen.
(3) Der Berichterstatter führt eine vorläufige Untersuchung der Beschwerde durch und kann vorbehaltlich einer Anordnung des Vorsitzenden der Kammer Bescheide an die Beteiligten abfassen. Die Bescheide werden vom Berichterstatter im Auftrag der Kammer unterzeichnet.
(4) Der Berichterstatter bereitet die Sitzungen und mündlichen Verhandlungen der Kammer vor.
(5) Der Berichterstatter entwirft die Entscheidungen.
(6) Ist der Berichterstatter oder der Mitberichterstatter der Ansicht, dass seine Kenntnisse der Verfahrenssprache für die Abfassung von Bescheiden und Entscheidungen nicht ausreichen, so kann er diese in einer anderen Amtssprache entwerfen. Die Entwürfe werden vom Europäischen Patentamt in die Verfahrenssprache übersetzt; die Übersetzungen werden von dem Berichterstatter oder von einem anderen Mitglied der Kammer überprüft.
Artikel 6
Geschäftsstellen
(1) Bei den Beschwerdekammern werden Geschäftsstellen eingerichtet, deren Aufgaben von Geschäftsstellenbeamten wahrgenommen werden. Einer der Geschäftsstellenbeamten wird zum Leiter der Geschäftsstellen bestellt.
(2) Das in Regel 12 Absatz 1 EPÜ erwähnte Präsidium kann den Geschäftsstellenbeamten Aufgaben übertragen, die technisch und rechtlich keine Schwierigkeiten bereiten, wie insbesondere Aufgaben betreffend Akteneinsicht, Ladung, Zustellung oder Gewährung von Weiterbehandlung.
(3) Der Geschäftsstellenbeamte legt dem Vorsitzenden der Kammer zu jeder neu eingegangenen Beschwerde einen Bericht über die Zulässigkeit der Beschwerde vor.
(4) Niederschriften über mündliche Verhandlungen und Beweisaufnahmen werden vom Geschäftsstellenbeamten oder von einem anderen Bediensteten des Amtes, den der Vorsitzende dafür bestimmt, angefertigt.
Artikel 7
Beteiligung von Dolmetschern
Soweit erforderlich, sorgt der Vorsitzende der Kammer bei mündlichen Verhandlungen, Beweisaufnahmen und Beratungen der Kammer für Übersetzungen.
Artikel 8
Änderung in der Zusammensetzung der Kammer
(1) Ändert sich die Zusammensetzung einer Kammer nach einer mündlichen Verhandlung, so werden die Beteiligten unterrichtet, dass auf Antrag eine erneute mündliche Verhandlung vor der Kammer in ihrer neuen Zusammensetzung stattfindet. Eine erneute mündliche Verhandlung findet auch dann statt, wenn das neue Mitglied dies beantragt und die übrigen Mitglieder der Kammer damit einverstanden sind.
(2) Jedes neue Mitglied ist an bereits getroffene Zwischenentscheidungen wie die übrigen Mitglieder gebunden.
(3) Ist ein Mitglied der Kammer nach einer Endentscheidung verhindert, so wird es nicht ersetzt. Ist der Vorsitzende verhindert, so unterzeichnet in seinem Auftrag das im Rahmen der Beschwerdekammern dienstälteste Mitglied der Kammer und bei gleichem Dienstalter das älteste Mitglied.
Artikel 9
Erweiterung einer Beschwerdekammer
Ist eine Beschwerdekammer, die sich aus zwei technisch vorgebildeten Mitgliedern und einem rechtskundigen Mitglied zusammensetzt, der Meinung, dass die Art der Beschwerde es erfordert, dass sich die Beschwerdekammer aus drei technisch vorgebildeten Mitgliedern und zwei rechtskundigen Mitgliedern zusammensetzt, so entscheidet die Kammer hierüber zu dem frühestmöglichen Zeitpunkt bei der Prüfung der Beschwerde.
Artikel 10
Verbindung von Beschwerdeverfahren
(1) Sind gegen eine Entscheidung mehrere Beschwerden eingelegt, so werden sie im selben Verfahren behandelt.
(2) Sind Beschwerden gegen verschiedene Entscheidungen eingelegt worden und ist für deren Behandlung eine Kammer in der gleichen Zusammensetzung zuständig, so kann diese Kammer diese Beschwerden mit Zustimmung der Beteiligten in einem gemeinsamen Verfahren behandeln.
Artikel 11
Zurückverweisung an die erste Instanz
Eine Kammer verweist die Angelegenheit an die erste Instanz zurück, wenn das Verfahren vor der ersten Instanz wesentliche Mängel aufweist, es sei denn, dass besondere Gründe gegen die Zurückverweisung sprechen.
Artikel 12
Grundlage des Verfahrens
(1) Dem Beschwerdeverfahren liegen zugrunde
a) die Beschwerde und die Beschwerdebegründung nach Artikel 108 EPÜ;
b) in Fällen mit mehr als einem Beteiligten alle schriftlichen Erwiderungen des bzw. der anderen Beteiligten, die innerhalb von vier Monaten nach Zustellung der Beschwerdebegründung einzureichen sind;
c) Mitteilungen der Kammer und Antworten hierauf, die gemäß den Anweisungen der Kammer eingereicht worden sind.
(2) Die Beschwerdebegründung und die Erwiderung müssen den vollständigen Sachvortrag eines Beteiligten enthalten. Sie müssen deutlich und knapp angeben, aus welchen Gründen beantragt wird, die angefochtene Entscheidung aufzuheben, abzuändern oder zu bestätigen, und sollen ausdrücklich und spezifisch alle Tatsachen, Argumente und Beweismittel anführen. Alle Unterlagen, auf die Bezug genommen wird, sind
a) als Anlagen beizufügen, soweit es sich nicht um im Zuge des Erteilungs-, Einspruchs- oder Beschwerdeverfahrens bereits eingereichte Unterlagen oder vom Amt in diesen Verfahren erstellte oder eingeführte Schriftstücke handelt;
b) jedenfalls einzureichen, soweit die Kammer dazu im Einzelfall auffordert.
(3) Vorbehaltlich der Artikel 113 und 116 EPÜ kann die Kammer nach Einreichung der Beschwerdebegründung bzw. in Fällen mit mehr als einem Beteiligten nach Ablauf der Frist nach Absatz 1 Buchstabe b jederzeit über die Sache entscheiden.
(4) Unbeschadet der Befugnis der Kammer, Tatsachen, Beweismittel oder Anträge nicht zuzulassen, die bereits im erstinstanzlichen Verfahren hätten vorgebracht werden können oder dort nicht zugelassen worden sind, wird das gesamte Vorbringen der Beteiligten nach Absatz 1 von der Kammer berücksichtigt, wenn und soweit es sich auf die Beschwerdesache bezieht und die Erfordernisse nach Absatz 2 erfüllt.
(5) Fristen können nach dem Ermessen der Kammer nach Eingang eines schriftlichen und begründeten Antrags ausnahmsweise verlängert werden.
Artikel 13
Änderungen des Vorbringens eines Beteiligten
(1) Es steht im Ermessen der Kammer, Änderungen des Vorbringens eines Beteiligten nach Einreichung seiner Beschwerdebegründung oder Erwiderung zuzulassen und zu berücksichtigen. Bei der Ausübung des Ermessens werden insbesondere die Komplexität des neuen Vorbringens, der Stand des Verfahrens und die gebotene Verfahrensökonomie berücksichtigt.
(2) Die anderen Beteiligten sind berechtigt, zu geändertem Vorbringen Stellung zu nehmen, das von der Kammer nicht von Amts wegen als unzulässig erachtet worden ist.
(3) Änderungen des Vorbringens werden nach Anberaumung der mündlichen Verhandlung nicht zugelassen, wenn sie Fragen aufwerfen, deren Behandlung der Kammer oder dem bzw. den anderen Beteiligten ohne Verlegung der mündlichen Verhandlung nicht zuzumuten ist.
Artikel 14
Beitritte
Die Artikel 12 und 13 gelten entsprechend für Beitritte, die während eines anhängigen Beschwerdeverfahrens erklärt werden.
Artikel 15
Mündliche Verhandlungen
(1) Ist eine mündliche Verhandlung vorgesehen, so kann die Kammer eine Mitteilung erlassen, in der auf Punkte, die von besonderer Bedeutung zu sein scheinen, oder auf die Tatsache hingewiesen wird, dass bestimmte Fragen offenbar nicht mehr strittig sind; die Mitteilung kann auch andere Bemerkungen enthalten, die es erleichtern, die mündliche Verhandlung auf das Wesentliche zu konzentrieren.
(2) Eine mündliche Verhandlung kann nach dem Ermessen der Kammer nach Eingang eines schriftlichen und begründeten Antrags ausnahmsweise verlegt werden; der Antrag ist so früh wie möglich vor dem anberaumten Termin zu stellen.
(3) Die Kammer ist nicht verpflichtet, einen Verfahrensschritt einschließlich ihrer Entscheidung aufzuschieben, nur weil ein ordnungsgemäß geladener Beteiligter in der mündlichen Verhandlung nicht anwesend ist; dieser kann dann so behandelt werden, als stütze er sich lediglich auf sein schriftliches Vorbringen.
(4) Der Vorsitzende leitet die mündliche Verhandlung und stellt ihre faire, ordnungsgemäße und effiziente Durchführung sicher.
(5) Ist eine Sache in der mündlichen Verhandlung entscheidungsreif, so stellt der Vorsitzende die abschließenden Anträge der Beteiligten fest und erklärt die sachliche Debatte für beendet. Nach Beendigung der sachlichen Debatte können die Beteiligten nichts mehr vorbringen, es sei denn, die Kammer beschließt, die Debatte wieder zu eröffnen.
(6) Die Kammer stellt sicher, dass die Sache am Ende der mündlichen Verhandlung entscheidungsreif ist, sofern nicht besondere Umstände vorliegen. Vor dem Ende der mündlichen Verhandlung kann der Vorsitzende die Entscheidung der Kammer verkünden.
Artikel 16
Kosten
(1) Vorbehaltlich Artikel 104 Absatz 1 EPÜ kann die Kammer auf Antrag anordnen, dass ein Beteiligter die Kosten eines anderen Beteiligten teilweise oder ganz zu tragen hat. Unbeschadet des Ermessens der Kammer gehören hierzu die Kosten, die entstanden sind durch
a) Änderungen gemäß Artikel 13 am Vorbringen eines Beteiligten gemäß Artikel 12 Absatz 1;
b) Fristverlängerung;
c) Handlungen oder Unterlassungen, die die rechtzeitige und effiziente Durchführung der mündlichen Verhandlung beeinträchtigen;
d) Nichtbeachtung einer Anweisung der Kammer;
e) Verfahrensmissbrauch.
(2) Bei den Kosten, deren Erstattung angeordnet wird, kann es sich um die Gesamtheit oder einen Teil der dem Berechtigten erwachsenen Kosten handeln; sie können unter anderem als Prozentsatz oder als bestimmter Betrag angegeben werden. In letzterem Fall ist die Entscheidung der Kammer unanfechtbar im Sinne des Artikels 104 Absatz 3 EPÜ. Zu den Kosten, deren Erstattung angeordnet werden kann, gehören Kosten, die einem Beteiligten von seinem zugelassenen Vertreter in Rechnung gestellt worden sind, Kosten, die einem Beteiligten selbst unabhängig davon erwachsen sind, ob er durch einen zugelassenen Vertreter vertreten wurde, und Kosten für Zeugen oder Sachverständige, die ein Beteiligter getragen hat; die Erstattung beschränkt sich auf notwendige und angemessene Aufwendungen.
Artikel 17
Unterrichtung der Beteiligten
(1) Im schriftlichen Abschnitt des Verfahrens erfolgen Antworten auf Anträge und Anweisungen zu Verfahrensfragen in Form von Mitteilungen.
(2) Hält die Kammer es für zweckmäßig, den Beteiligten ihre Ansicht über die Beurteilung sachlicher oder rechtlicher Fragen mitzuteilen, so hat das so zu geschehen, dass die Mitteilung nicht als bindend für die Kammer verstanden werden kann.
Artikel 18
Äußerungsrecht des Präsidenten des Europäischen Patentamts
Die Kammer kann den Präsidenten des Europäischen Patentamts von Amts wegen oder auf dessen schriftlichen, begründeten Antrag auffordern, sich zu Fragen von allgemeinem Interesse, die sich im Rahmen eines vor der Kammer anhängigen Verfahrens stellen, schriftlich oder mündlich zu äußern. Die Beteiligten sind berechtigt, zu diesen Äußerungen Stellung zu nehmen.
Artikel 19
Beratung und Abstimmung
(1) Sind nicht alle Mitglieder der Kammer der gleichen Ansicht über die zu treffende Entscheidung, so findet eine Beratung statt. An der Beratung nehmen nur die Mitglieder der Kammer teil; der Vorsitzende kann jedoch die Anwesenheit anderer Bediensteter zulassen. Die Beratungen sind geheim.
(2) Bei den Beratungen der Kammer äußert zuerst der Berichterstatter, dann ggf. der Mitberichterstatter und, wenn der Berichterstatter nicht der Vorsitzende ist, zuletzt der Vorsitzende seine Meinung.
(3) Die gleiche Reihenfolge gilt für Abstimmungen; auch wenn der Vorsitzende Berichterstatter ist, stimmt er zuletzt ab. Stimmenthaltungen sind nicht zulässig.
Artikel 20
Abweichung von einer früheren Entscheidung einer Kammer oder von den Richtlinien
(1) Hält es eine Kammer für notwendig, von einer Auslegung oder Erläuterung des Übereinkommens abzuweichen, die in einer früheren Entscheidung einer Kammer enthalten ist, so ist dies zu begründen, es sei denn, dass diese Begründung mit einer früheren Stellungnahme oder der Entscheidung der Großen Beschwerdekammer in Einklang steht. Der Präsident des Europäischen Patentamts wird hierüber unterrichtet.
(2) Legt eine Kammer in einer Entscheidung das Übereinkommen anders aus, als es in den Richtlinien vorgesehen ist, so begründet sie dies, wenn ihrer Meinung nach diese Begründung zum Verständnis der Entscheidung beitragen kann.
Artikel 21
Abweichung von einer Entscheidung oder Stellungnahme der Großen Beschwerdekammer
Will eine Kammer von einer Auslegung oder Erläuterung des Übereinkommens, die in einer Stellungnahme oder Entscheidung der Großen Beschwerdekammer enthalten ist, abweichen, so befasst sie die Große Beschwerdekammer mit der Frage.
Artikel 22
Verweisung einer Frage an die Große Beschwerdekammer
(1) Soll eine Frage der Großen Beschwerdekammer vorgelegt werden, so trifft die Kammer darüber eine Entscheidung.
(2) Die Entscheidung enthält die in Regel 102 Buchstaben a, b, c, d und f EPÜ genannten Angaben sowie die Frage, welche die Kammer der Großen Beschwerdekammer vorlegt. Dabei ist auch anzugeben, in welchem Zusammenhang sich die Frage stellt.
(3) Die Entscheidung wird den Beteiligten mitgeteilt.
Artikel 23
Verbindlichkeit der Verfahrensordnung
Diese Verfahrensordnung ist für die Beschwerdekammern verbindlich, soweit sie nicht zu einem mit dem Geist und Ziel des Übereinkommens unvereinbaren Ergebnis führt.
Artikel 24
Inkrafttreten
Diese Verfahrensordnung tritt mit Inkrafttreten der revidierten Fassung des Europäischen Patentübereinkommens nach Artikel 8 der Revisionsakte in Kraft.
Geschehen zu München am 12. September 2007
Für das Präsidium
Der Vorsitzende
Peter MESSERLI
III.3
Ergänzende Verfahrensordnung der Beschwerdekammer in Disziplinarangelegenheiten des Europäischen Patentamts
Konsolidierte Fassung auf der Grundlage der in ABl. EPA 1980, 188 veröffentlichten Fassung unter Berücksichtigung der in ABl. EPA 2007, 548 ff. veröffentlichten Änderungen
Die in Artikel 5 Buchstabe c der Vorschriften in Disziplinarangelegenheiten von zugelassenen Vertretern vom 21. Oktober 1977 (nachstehend "Vorschriften in Disziplinarangelegenheiten" genannt) vorgesehene Beschwerdekammer in Disziplinarangelegenheiten des Europäischen Patentamts gibt sich hiermit nach Artikel 25 Absatz 2 dieser Vorschriften anstelle der am 30. November 1979 erlassenen und mit Beschluss des Verwaltungsrats vom gleichen Tag genehmigten vorläufigen ergänzenden Verfahrensordnung folgende ergänzende Verfahrensordnung:
Artikel 1
Geschäftsverteilungsplan
Zu Beginn eines jeden Geschäftsjahres stellt der Vorsitzende der Beschwerdekammer in Disziplinarangelegenheiten einen Plan für die Behandlung aller im Laufe des Jahres eingehenden Beschwerden auf, in dem die Mitglieder und deren Vertreter bestimmt werden, die für die Prüfung aller Beschwerden zuständig sind, und der eine nach Artikel 10 Absatz 4 der Vorschriften in Disziplinarangelegenheiten erstellte Liste enthält. Der Plan kann im Laufe des Jahres geändert werden.
Artikel 2
Vertretung der Mitglieder
(1) Vertretungsgründe sind insbesondere Interessenskonflikte, Krankheit, Arbeitsüberlastung und unvermeidbare Verpflichtungen.
(2) Will ein Mitglied vertreten werden, so unterrichtet es den Vorsitzenden der Beschwerdekammer in Disziplinarangelegenheiten unverzüglich von seiner Verhinderung.
(3)3 Der Vorsitzende der Beschwerdekammer in Disziplinarangelegenheiten kann ein anderes rechtskundiges Mitglied der Beschwerdekammer in Disziplinarangelegenheiten nach Maßgabe des Geschäftsverteilungsplans vertretungsweise zum Vorsitzenden für eine bestimmte Beschwerde bestimmen.
Artikel 3
Ausschließung und Ablehnung
(1) Erhält die Beschwerdekammer in Disziplinarangelegenheiten von einem möglichen Ausschließungs- oder Ablehnungsgrund auf andere Weise als von dem Mitglied oder einem Beteiligten Kenntnis, so entscheidet die Beschwerdekammer in Disziplinarangelegenheiten ohne Mitwirkung des betroffenen Mitglieds. Bei dieser Entscheidung wird das betroffene Mitglied durch seinen Vertreter ersetzt.
(2) Das betroffene Mitglied wird aufgefordert, sich zu dem Ausschließungsgrund zu äußern.
(3) Vor der Entscheidung über die Ausschließung eines Mitglieds wird das Verfahren in der Sache nicht weitergeführt.
Artikel 44
Der Geschäftsstellenbeamte
Ein Geschäftsstellenbeamter der Beschwerdekammern des Europäischen Patentamts wird als Geschäftsstellenbeamter der Beschwerdekammer in Disziplinarangelegenheiten tätig. Ein weiterer Bediensteter des Europäischen Patentamts wird vom Vorsitzenden der Beschwerdekammer in Disziplinarangelegenheiten zum stellvertretenden Geschäftsstellenbeamten, der bei Verhinderung des Geschäftsstellenbeamten tätig wird, bestellt.
Artikel 5
Berichterstatter
(1) Der Vorsitzende der Beschwerdekammer in Disziplinarangelegenheiten bestimmt für jede Beschwerde ein rechtskundiges Mitglied oder sich selbst als Berichterstatter.
(2) Der Berichterstatter kann Ermittlungen nach den Artikeln 15 und 25 Absatz 1 der Vorschriften in Disziplinarangelegenheiten durchführen; er entwirft Bescheide, führt sonstige Vorarbeiten durch und entwirft Entscheidungen.
(3) Die Entwürfe werden den anderen Mitgliedern der Beschwerdekammer in Disziplinarangelegenheiten vorgelegt, die sie genehmigen oder Änderungen vorschlagen. Kann nach diesem Verfahren keine Einigung erzielt werden, so tritt die Beschwerdekammer zur Beratung der endgültigen Fassung zusammen.
(4) Bescheide werden vom Berichterstatter im Auftrag der Beschwerdekammer in Disziplinarangelegenheiten unterzeichnet.
(5) Der Berichterstatter bereitet die Sitzungen und mündlichen Verhandlungen der Beschwerdekammer in Disziplinarangelegenheiten vor. Er stellt die Fragen zusammen, die einer Klärung bedürfen, und sendet erforderlichenfalls den Beteiligten einen diesbezüglichen Bescheid.
(6) Ist der Berichterstatter der Ansicht, dass seine Kenntnisse der Verfahrenssprache für die Abfassung von Bescheiden oder Entscheidungen nicht ausreichen, so kann er diese in einer anderen Amtssprache des Europäischen Patentamts entwerfen. Die Entwürfe werden vom Europäischen Patentamt in die Verfahrenssprache übersetzt; die Übersetzungen werden vom Berichterstatter oder von einem anderen Mitglied der Beschwerdekammer in Disziplinarangelegenheiten überprüft.
Artikel 6
Einlegung einer Beschwerde
(1) Die Beschwerde hat Namen und Anschrift des Beschwerdeführers zu enthalten und die Entscheidung zu bezeichnen, gegen die Beschwerde eingelegt wird; des Weiteren ist anzugeben, gegen welche Teile der Entscheidung Beschwerde eingelegt wird oder ob gegen die gesamte Entscheidung Beschwerde eingelegt wird und welchen Antrag der Beschwerdeführer stellt. Sie ist von dem Beschwerdeführer oder seinem Vertreter zu unterzeichnen. Ist die Beschwerde von einem Vertreter unterzeichnet, so hat dieser die schriftliche Vollmacht des Beschwerdeführers vorzulegen.
(2)5 Die Beschwerde sowie jede Beschwerdebegründung können durch Telefax eingereicht werden; innerhalb von zwei Wochen nach dessen Eingang ist jedoch ein unterzeichnetes Schriftstück, das den Inhalt der Beschwerde oder Beschwerdebegründung wiedergibt, nachzureichen.
Artikel 7
Übermittlung von Beschwerdeunterlagen
(1) Der Vorsitzende der Beschwerdekammer in Disziplinarangelegenheiten veranlasst die Übermittlung einer Kopie einer jeden von einem zugelassenen Vertreter eingereichten Beschwerde oder Beschwerdebegründung an den Präsidenten des Rates des Instituts der zugelassenen Vertreter und den Präsidenten des Europäischen Patentamts sowie an den Vorsitzenden des Disziplinarorgans, gegen dessen Entscheidung Beschwerde eingelegt worden ist.
(2) Der Präsident des Rates des Instituts der zugelassenen Vertreter und der Präsident des Europäischen Patentamts stellen sicher, dass eine Kopie einer jeden von ihnen eingereichten Beschwerde oder Beschwerdebegründung unmittelbar dem betroffenen zugelassenen Vertreter oder seinem Vertreter übermittelt wird.
Artikel 8
Niederschrift
(1)6 Über eine mündliche Verhandlung oder Beweisaufnahme wird von dem Geschäftsstellenbeamten oder einem anderen, vom Vorsitzenden der Beschwerdekammer in Disziplinarangelegenheiten bestimmten Bediensteten des Europäischen Patentamts eine Niederschrift aufgenommen. Regel 124 EPÜ ist auf die Aufnahme der Niederschriften entsprechend anzuwenden.
(2) Der Vorsitzende der Beschwerdekammer in Disziplinarangelegenheiten kann anordnen, dass von einer mündlichen Beweisaufnahme oder mündlichen Erklärungen zusätzlich zur Niederschrift über diese Beweisaufnahme oder Erklärungen eine Tonbandaufnahme angefertigt wird.
Artikel 9
Verfahrenssprache
(1)7 Die Verfahrenssprache ist diejenige Amtssprache des Europäischen Patentamts, in der das Verfahren vor dem Disziplinarorgan stattgefunden hat, dessen Entscheidung angefochten wird; Regel 4 EPÜ ist jedoch auf Verfahren vor der Beschwerdekammer in Disziplinarangelegenheiten entsprechend anzuwenden.
(2) Ist eine mündliche Verhandlung vorgesehen und hat der betroffene zugelassene Vertreter mindestens zwei Wochen vor dem Termin der mündlichen Verhandlung beantragt, dass in seine eigene Sprache und aus dieser übersetzt wird, so sorgt der Vorsitzende der Beschwerdekammer für Übersetzung.
(3) Falls der betroffene zugelassene Vertreter einen entsprechenden Antrag stellt, erhält er Übersetzungen aller Unterlagen, die sich auf seinen Fall beziehen, in seiner eigenen Sprache und kann sich in seiner eigenen Sprache verteidigen.
Artikel 10
Änderung in der Zusammensetzung der Beschwerdekammer
(1) Ändert sich die Zusammensetzung der Beschwerdekammer in Disziplinarangelegenheiten nach einer mündlichen Verhandlung, so wird jeder Beteiligte unterrichtet, dass auf seinen Antrag eine erneute mündliche Verhandlung vor der Beschwerdekammer in Disziplinarangelegenheiten in ihrer neuen Zusammensetzung stattfindet. Eine erneute mündliche Verhandlung findet auch dann statt, wenn das neue Mitglied dies beantragt und die übrigen Mitglieder der Beschwerdekammer in Disziplinarangelegenheiten damit einverstanden sind.
(2) Das neue Mitglied ist an bereits getroffene Zwischenentscheidungen wie die übrigen Mitglieder gebunden.
(3)8 Ist ein Mitglied der Beschwerdekammer nach einer Endentscheidung verhindert, so wird es nicht ersetzt. Ist der Vorsitzende verhindert, so unterzeichnet in seinem Auftrag das im Rahmen der Beschwerdekammer dienstältere rechtskundige Mitglied der Kammer, bei gleichem Dienstalter das ältere Mitglied.
Artikel 11
Verbindung von Beschwerdeverfahren
(1) Sind gegen eine Entscheidung mehrere Beschwerden eingelegt worden, so werden sie im selben Verfahren behandelt.
(2) Sind Beschwerden gegen verschiedene Entscheidungen eingelegt worden und ist für deren Behandlung die Beschwerdekammer in Disziplinarangelegenheiten in der gleichen Zusammensetzung zuständig, so kann die Beschwerdekammer diese Beschwerden mit Zustimmung der Beteiligten in einem gemeinsamen Verfahren behandeln.
Artikel 12
Zurückverweisung an den Disziplinarrat oder den Disziplinarausschuss oder die Prüfungskommission
Weist das Verfahren vor dem Disziplinarorgan, gegen dessen Entscheidung Beschwerde eingelegt worden ist, oder vor der Prüfungskommission wesentliche Mängel auf, so verweist die Beschwerdekammer in Disziplinarangelegenheiten die Angelegenheit an dieses Organ oder diese Kommission zurück, es sei denn, dass besondere Gründe gegen die Zurückverweisung sprechen.
Artikel 13
Mündliche Verhandlung
(1) Ist eine mündliche Verhandlung vorgesehen, so bemüht sich die Beschwerdekammer in Disziplinarangelegenheiten darum, dass vor der mündlichen Verhandlung die erforderlichen Informationen und Unterlagen eingeholt werden.
(2) Die Beschwerdekammer kann der Ladung zur mündlichen Verhandlung eine Mitteilung beifügen, in der auf Punkte, die von besonderer Bedeutung zu sein scheinen, oder auf die Tatsache, dass bestimmte Fragen nicht mehr strittig zu sein scheinen, hingewiesen wird; die Mitteilung kann auch andere Bemerkungen enthalten, die es erleichtern, dass die mündliche Verhandlung auf das Wesentliche konzentriert wird.
(3) Findet eine mündliche Verhandlung statt, so bemüht sich die Beschwerdekammer darum, dass die Sache am Ende der mündlichen Verhandlung entscheidungsreif ist, sofern nicht besondere Umstände vorliegen.
Artikel 14
Unterrichtung der Beteiligten
Hält die Beschwerdekammer in Disziplinarangelegenheiten es für zweckmäßig, den Beteiligten ihre Ansicht über die Beurteilung sachlicher oder rechtlicher Fragen mitzuteilen, so hat das so zu geschehen, dass die Mitteilung nicht als bindend für die Beschwerdekammer verstanden werden kann.
Artikel 15
Beratung vor der Entscheidung
Sind nicht alle Mitglieder der Beschwerdekammer in Disziplinarangelegenheiten der gleichen Ansicht über die zu treffende Entscheidung, so findet eine Beratung statt. Bei der Beratung der Beschwerdekammer dürfen mit Ausnahme des Geschäftsstellenbeamten und der gegebenenfalls nach Artikel 9 anwesenden Dolmetscher keine weiteren Personen zugegen sein.
Artikel 16
Reihenfolge bei der Abstimmung
(1) Bei der Beratung der Beschwerdekammer in Disziplinarangelegenheiten äußert zuerst der Berichterstatter und, wenn der Berichterstatter nicht der Vorsitzende ist, zuletzt der Vorsitzende seine Meinung.
(2)9 Die gleiche Reihenfolge gilt für Abstimmungen; auch wenn der Vorsitzende Berichterstatter ist, so stimmt er zuletzt ab. Stimmenthaltungen sind nicht zulässig.
Artikel 17
Entscheidungen
10Wird durch die Entscheidung nicht die Zurückweisung der Angelegenheit bestätigt oder die Angelegenheit nach Artikel 12 zurückverwiesen, so ist in der Entscheidung anzugeben, welche berufliche Regel verletzt, und, gegebenenfalls, welche nach Artikel 4 Buchstabe c der Vorschriften über die Errichtung eines Instituts der beim Europäischen Patentamt zugelassenen Vertreter ausgesprochene Empfehlung nicht befolgt worden ist. Regel 102 EPÜ ist entsprechend anzuwenden.
Artikel 18
Veröffentlichung von Entscheidungen
Es liegt im Ermessen der Beschwerdekammer in Disziplinarangelegenheiten, ob Entscheidungen veröffentlicht werden; die Beteiligten und der Anzeigeerstatter werden jedoch nicht benannt, es sei denn, sie erklären sich mit der Bekanntgabe ihrer Namen einverstanden.
Artikel 19
Inkrafttreten
Diese ergänzende Verfahrensordnung tritt am Tag ihrer Genehmigung durch den Verwaltungsrat der Europäischen Patentorganisation in Kraft. Mit Inkrafttreten dieser ergänzenden Verfahrensordnung tritt die ergänzende Verfahrensordnung der Beschwerdekammer in Disziplinarangelegenheiten, die am 30. November 1979 von dieser Beschwerdekammer erlassen und mit Beschluss des Verwaltungsrats der Europäischen Patentorganisation vom gleichen Tag genehmigt worden ist, außer Kraft.
Geschehen zu München am 9. April 1980
Für die Beschwerdekammer in Disziplinarangelegenheiten des Europäischen Patentamts
Der Vorsitzende
G. TROTTA
1 Veröffentlicht im ABl. EPA 2007, 303 ff.
2 Veröffentlicht im ABl. EPA 2007, 536 ff.
3 Hinzugefügt durch Beschluss der Beschwerdekammer in Disziplinarangelegenheiten vom 24. September 2007 und genehmigt durch Beschluss des Verwaltungsrats vom 25. Oktober 2007. Änderungen in Kraft getreten am 13. Dezember 2007.
4 Geändert durch Beschluss der Beschwerdekammer in Disziplinarangelegenheiten vom 24. September 2007 und genehmigt durch Beschluss des Verwaltungsrats vom 25. Oktober 2007. Änderungen in Kraft getreten am 13. Dezember 2007.
5 Geändert durch Beschluss der Beschwerdekammer in Disziplinarangelegenheiten vom 24. September 2007 und genehmigt durch Beschluss des Verwaltungsrats vom 25. Oktober 2007. Änderungen in Kraft getreten am 13. Dezember 2007.
6 Geändert durch Beschluss der Beschwerdekammer in Disziplinarangelegenheiten vom 24. September 2007 und genehmigt durch Beschluss des Verwaltungsrats vom 25. Oktober 2007. Änderungen in Kraft getreten am 13. Dezember 2007.
7 Geändert durch Beschluss der Beschwerdekammer in Disziplinarangelegenheiten vom 24. September 2007 und genehmigt durch Beschluss des Verwaltungsrats vom 25. Oktober 2007. Änderungen in Kraft getreten am 13. Dezember 2007.
8 Geändert durch Beschluss der Beschwerdekammer in Disziplinarangelegenheiten vom 24. September 2007 und genehmigt durch Beschluss des Verwaltungsrats vom 25. Oktober 2007. Änderungen in Kraft getreten am 13. Dezember 2007.
9 Geändert durch Beschluss der Beschwerdekammer in Disziplinarangelegenheiten vom 24. September 2007 und genehmigt durch Beschluss des Verwaltungsrats vom 25. Oktober 2007. Änderungen in Kraft getreten am 13. Dezember 2007.
10 Geändert durch Beschluss der Beschwerdekammer in Disziplinarangelegenheiten vom 24. September 2007 und genehmigt durch Beschluss des Verwaltungsrats vom 25. Oktober 2007. Änderungen in Kraft getreten am 13. Dezember 2007.