INTERNATIONALE VERTRÄGE
Europäische Union
Übereinkommen über ein einheitliches Patentgericht
DIE VERTRAGSMITGLIEDSTAATEN –
IN DER ERWÄGUNG, dass die Zusammenarbeit zwischen den Mitgliedstaaten der Europäischen Union auf dem Gebiet des Patentwesens einen wesentlichen Beitrag zum Integrationsprozess in Europa leistet, insbesondere zur Schaffung eines durch den freien Waren- und Dienstleistungsverkehr gekennzeichneten Binnenmarkts innerhalb der Europäischen Union und zur Verwirklichung eines Systems, mit dem sichergestellt wird, dass der Wettbewerb im Binnenmarkt nicht verzerrt wird,
IN DER ERWÄGUNG, dass der fragmentierte Patentmarkt und die beträchtlichen Unterschiede zwischen den nationalen Gerichtssystemen sich nachteilig auf die Innovation auswirken, insbesondere im Falle kleiner und mittlerer Unternehmen, für die es schwierig ist, ihre Patente durchzusetzen und sich gegen unberechtigte Klagen und Klagen im Zusammenhang mit Patenten, die für nichtig erklärt werden sollten, zu wehren,
IN DER ERWÄGUNG, dass das Europäische Patentübereinkommen (EPÜ), das von allen Mitgliedstaaten der Europäischen Union ratifiziert worden ist, ein einheitliches Verfahren für die Erteilung europäischer Patente durch das Europäische Patentamt vorsieht,
IN DER ERWÄGUNG, dass Patentinhaber nach der Verordnung (EU) Nr. 1257/20121 eine einheitliche Wirkung ihrer europäischen Patente beantragen können, damit sie in den Mitgliedstaaten der Europäischen Union, die an der Verstärkten Zusammenarbeit teilnehmen, einen einheitlichen Patentschutz genießen,
IN DEM WUNSCH, durch die Errichtung eines Einheitlichen Patentgerichts für die Regelung von Rechtsstreitigkeiten über die Verletzung und Rechtsgültigkeit von Patenten die Durchsetzung von Patenten und die Verteidigung gegen unbegründete Klagen und Klagen im Zusammenhang mit Patenten, die für nichtig erklärt werden sollten, zu verbessern und die Rechtssicherheit zu stärken,
IN DER ERWÄGUNG, dass das Einheitliche Patentgericht in der Lage sein sollte, rasche und hochqualifizierte Entscheidungen sicherzustellen und dabei einen angemessenen Interessenausgleich zwischen den Rechteinhabern und anderen Parteien unter Berücksichtigung der erforderlichen Verhältnismäßigkeit und Flexibilität zu gewährleisten,
IN DER ERWÄGUNG, dass das Einheitliche Patentgericht ein gemeinsames Gericht der Vertragsmitgliedstaaten und somit Teil ihres Rechtswesens sein sollte und dass es mit einer ausschließlichen Zuständigkeit für europäische Patente mit einheitlicher Wirkung und für die nach dem EPÜ erteilten Patente ausgestattet sein sollte,
IN DER ERWÄGUNG, dass der Gerichtshof der Europäischen Union die Einheitlichkeit der Rechtsordnung der Union und den Vorrang des Rechts der Europäischen Union sicherzustellen hat,
UNTER HINWEIS AUF die Verpflichtungen der Vertragsmitgliedstaaten im Rahmen des Vertrags über die Europäische Union (EUV) und des Vertrags über die Arbeitsweise der Europäischen Union (AEUV), einschließlich der Verpflichtung zur loyalen Zusammenarbeit nach Artikel 4 Absatz 3 EUV und der Verpflichtung, durch das Einheitliche Patentgericht die uneingeschränkte Anwendung und Achtung des Unionsrechts in ihrem jeweiligen Hoheitsgebiet und den gerichtlichen Schutz der dem Einzelnen aus diesem Recht erwachsenden Rechte zu gewährleisten,
IN DER ERWÄGUNG, dass das Einheitliche Patentgericht, wie jedes nationale Gericht auch, das Unionsrecht beachten und anwenden und in Zusammenarbeit mit dem Gerichtshof der Europäischen Union – dem Hüter des Unionsrechts – seine korrekte Anwendung und einheitliche Auslegung sicherstellen muss; insbesondere muss es bei der ordnungsgemäßen Auslegung des Unionsrechts mit dem Gerichtshof der Europäischen Union zusammenarbeiten, indem es sich auf dessen Rechtsprechung stützt und ihn gemäß Artikel 267 AEUV um Vorabentscheidungen ersucht,
IN DER ERWÄGUNG, dass nach der Rechtsprechung des Gerichtshofs der Europäischen Union zur außervertraglichen Haftung die Vertragsmitgliedstaaten für Schäden, die durch Verstöße des Einheitlichen Patentgerichts gegen das Unionsrecht einschließlich des Versäumnisses, den Gerichtshof der Europäischen Union um eine Vorabentscheidung zu ersuchen, entstanden sind, haften sollten,
IN DER ERWÄGUNG, dass Verstöße des Einheitlichen Patentgerichts gegen das Unionsrecht, einschließlich des Versäumnisses, den Gerichtshof der Europäischen Union um eine Vorabentscheidung zu ersuchen, unmittelbar den Vertragsmitgliedstaaten anzulasten sind und daher gemäß den Artikeln 258, 259 und 260 AEUV gegen jeden Vertragsmitgliedstaat ein Verletzungsverfahren angestrengt werden kann, um die Achtung des Vorrangs des Unionsrechts und seine ordnungsgemäße Anwendung zu gewährleisten,
UNTER HINWEIS auf den Vorrang des Unionsrechts, das den EUV, den AEUV, die Charta der Grundrechte der Europäischen Union, die vom Gerichtshof der Europäischen Union entwickelten allgemeinen Grundsätze des Unionsrechts, insbesondere das Recht auf einen wirksamen Rechtsbehelf vor einem Gericht und das Recht, von einem unabhängigen und unparteiischen Gericht in einem fairen Verfahren öffentlich und innerhalb angemessener Frist gehört zu werden, sowie die Rechtsprechung des Gerichtshofs der Europäischen Union und das Sekundärrecht der Europäischen Union umfasst,
IN DER ERWÄGUNG, dass dieses Übereinkommen jedem Mitgliedstaat der Europäischen Union zum Beitritt offenstehen sollte; Mitgliedstaaten, die beschlossen haben, nicht an der Verstärkten Zusammenarbeit im Bereich der Schaffung eines einheitlichen Patentschutzes teilzunehmen, können sich in Bezug auf europäische Patente, die für ihr jeweiliges Hoheitsgebiet erteilt wurden, an diesem Übereinkommen beteiligen,
IN DER ERWÄGUNG, dass dieses Übereinkommen am 1. Januar 2014 in Kraft treten sollte oder aber am ersten Tag des vierten Monats nach Hinterlegung der 13. Ratifikations- oder Beitrittsurkunde, sofern dem Kreis der Vertragsmitgliedstaaten, die ihre Ratifikations- oder Beitrittsurkunden hinterlegt haben, die drei Staaten angehören, in denen es im Jahr vor dem Jahr der Unterzeichnung des Übereinkommens die meisten gültigen europäischen Patente gab, oder aber am ersten Tag des vierten Monats nach dem Inkrafttreten der Änderungen der Verordnung ( EU) 1215/20122, die das Verhältnis zwischen jener Verordnung und diesem Übereinkommen betreffen, je nachdem, welcher Zeitpunkt der späteste ist –
SIND WIE FOLGT ÜBEREINGEKOMMEN:
TEIL I – ALLGEMEINE UND INSTITUTIONELLE BESTIMMUNGEN
KAPITEL I – ALLGEMEINE BESTIMMUNGEN
Artikel 1
Einheitliches Patentgericht
Es wird ein Einheitliches Patentgericht für die Regelung von Streitigkeiten über europäische Patente und europäische Patente mit einheitlicher Wirkung errichtet.
Das Einheitliche Patentgericht ist ein gemeinsames Gericht der Vertragsmitgliedstaaten und unterliegt somit denselben Verpflichtungen nach dem Unionsrecht wie jedes nationale Gericht der Vertragsmitgliedstaaten.
Artikel 2
Begriffsbestimmungen
Für die Zwecke dieses Übereinkommens bezeichnet der Ausdruck
a) "Gericht" das Einheitliche Patentgericht, das mit diesem Übereinkommen errichtet wird,
b) "Mitgliedstaat" einen Mitgliedstaat der Europäischen Union,
c) "Vertragsmitgliedstaat" einen Mitgliedstaat, der Vertragspartei dieses Übereinkommens ist,
d) "EPÜ" das Übereinkommen über die Erteilung europäischer Patente vom 5. Oktober 1973 mit allen nachfolgenden Änderungen,
e) "europäisches Patent" ein nach dem EPÜ erteiltes Patent, das keine einheitliche Wirkung aufgrund der Verordnung (EU) Nr. 1257/2012 hat,
f) "europäisches Patent mit einheitlicher Wirkung" ein nach dem EPÜ erteiltes Patent, das aufgrund der Verordnung (EU) Nr. 1257/2012 einheitliche Wirkung hat,
g) "Patent" ein europäisches Patent und/ oder ein europäisches Patent mit einheitlicher Wirkung,
h) "ergänzendes Schutzzertifikat" ein nach der Verordnung (EG) Nr. 469/20093 oder der Verordnung (EG) Nr. 1610/964 erteiltes ergänzendes Schutzzertifikat,
i) "Satzung" die als Anhang I beigefügte Satzung des Gerichts, die Bestandteil dieses Übereinkommens ist,
j) "Verfahrensordnung" die gemäß Artikel 41 festgelegte Verfahrensordnung des Gerichts.
Artikel 3
Geltungsbereich
Dieses Übereinkommen gilt
a) für alle europäischen Patente mit einheitlicher Wirkung,
b) für alle ergänzenden Schutzzertifikate, die zu einem durch ein Patent geschützten Erzeugnis erteilt worden sind,
c) unbeschadet des Artikels 83 für alle europäische Patente, die zum Zeitpunkt des Inkrafttretens dieses Übereinkommens noch nicht erloschen sind oder die nach diesem Zeitpunkt erteilt werden und
d) unbeschadet des Artikels 83 für alle europäischen Patentanmeldungen, die zum Zeitpunkt des Inkrafttretens dieses Übereinkommens anhängig sind oder die nach diesem Zeitpunkt eingereicht werden.
Artikel 4
Rechtsstellung
(1) Das Gericht besitzt in jedem Vertragsmitgliedstaat Rechtspersönlichkeit und die weitestgehende Rechtsund Geschäftsfähigkeit, die juristischen Personen nach dessen Rechtsvorschriften zuerkannt wird.
(2) Das Gericht wird vom Präsidenten des Berufungsgerichts vertreten, der im Einklang mit der Satzung gewählt wird.
Artikel 5
Haftung
(1) Die vertragliche Haftung des Gerichts unterliegt dem für den betreffenden Vertrag geltenden Recht gemäß der Verordnung (EG) Nr. 593/2008 (Rom I)5, sofern anwendbar, oder andernfalls gemäß dem Recht des Mitgliedstaats des befassten Gerichts.
(2) Die außervertragliche Haftung des Gerichts für durch das Gericht oder sein Personal in Ausübung seiner Amtstätigkeit verursachte Schäden – sofern es sich dabei nicht um eine Zivil- und Handelssache im Sinne der Verordnung (EG) Nr. 864/2007 (Rom II)6 handelt – richtet sich nach dem Recht des Vertragsmitgliedstaats, in dem der Schaden eingetreten ist. Diese Bestimmung lässt Artikel 22 unberührt.
(3) Die Zuständigkeit für die Beilegung von Rechtsstreitigkeiten nach Absatz 2 liegt bei einem Gericht des Vertragsmitgliedstaats, in dem der Schaden eingetreten ist.
KAPITEL II – INSTITUTIONELLE BESTIMMUNGEN
Artikel 6
Gericht
(1) Das Gericht besteht aus einem Gericht erster Instanz, einem Berufungsgericht und einer Kanzlei.
(2) Das Gericht nimmt die ihm mit diesem Übereinkommen übertragenen Aufgaben wahr.
Artikel 7
Gericht erster Instanz
(1) Das Gericht erster Instanz umfasst eine Zentralkammer sowie Lokalkammern und Regionalkammern.
(2) Die Zentralkammer hat ihren Sitz in Paris und verfügt über eine Abteilung in London und eine Abteilung in München. Die Verfahren vor der Zentralkammer werden gemäß Anhang II, der Bestandteil dieses Übereinkommens ist, verteilt.
(3) Eine Lokalkammer wird in einem Vertragsmitgliedstaat auf dessen Antrag hin in Einklang mit der Satzung errichtet. Ein Vertragsmitgliedstaat, in dessen Gebiet eine Lokalkammer errichtet wird, benennt deren Sitz.
(4) In einem Vertragsmitgliedstaat wird auf seinen Antrag hin eine zusätzliche Lokalkammer für jeweils einhundert Patentverfahren errichtet, die in diesem Vertragsmitgliedstaat pro Kalenderjahr vor oder nach dem Inkrafttreten dieses Übereinkommens in drei aufeinanderfolgenden Jahren eingeleitet worden sind. Die Anzahl der Lokalkammern je Vertragsmitgliedstaat darf vier nicht überschreiten.
(5) Für zwei oder mehr Vertragsmitgliedstaaten wird auf deren Antrag hin im Einklang mit der Satzung eine Regionalkammer errichtet. Diese Vertragsmitgliedstaaten benennen den Sitz der betreffenden Kammer. Die Regionalkammer kann an unterschiedlichen Orten tagen.
Artikel 8
Zusammensetzung der Spruchkörper des Gerichts erster Instanz
(1) Alle Spruchkörper des Gerichts erster Instanz sind multinational zusammengesetzt. Unbeschadet des Absatzes 5 und des Artikels 33 Absatz 3 Buchstabe a bestehen sie aus drei Richtern.
(2) Jeder Spruchkörper einer Lokalkammer in einem Vertragsmitgliedstaat, in dem vor oder nach dem Inkrafttreten dieses Übereinkommens in drei aufeinanderfolgenden Jahren durchschnittlich weniger als fünfzig Patentverfahren je Kalenderjahr eingeleitet worden sind, besteht aus einem rechtlich qualifizierten Richter, der Staatsangehöriger des Vertragsmitgliedstaats ist, in dessen Gebiet die betreffende Lokalkammer errichtet worden ist, und zwei rechtlich qualifizierten Richtern, die nicht Staatsangehörige dieses Vertragsmitgliedstaats sind und ihm gemäß Artikel 18 Absatz 3 von Fall zu Fall aus dem Richterpool zugewiesen werden.
(3) Ungeachtet des Absatzes 2 besteht jeder Spruchkörper einer Lokalkammer in einem Vertragsmitgliedstaat, in dem vor oder nach dem Inkrafttreten dieses Übereinkommens in drei aufeinanderfolgenden Jahren durchschnittlich mindestens fünfzig Patentverfahren je Kalenderjahr eingeleitet worden sind, aus zwei rechtlich qualifizierten Richtern, die Staatsangehörige des Vertragsmitgliedstaats sind, in dessen Gebiet die betreffende Lokalkammer errichtet worden ist, und einem rechtlich qualifizierten Richter, der nicht Staatsangehöriger dieses Vertragsmitgliedstaats ist und der ihm gemäß Artikel 18 Absatz 3 aus dem Richterpool zugewiesen wird. Dieser dritte Richter ist langfristig in der Lokalkammer tätig, wo dies für eine effiziente Arbeit von Kammern mit hoher Arbeitsbelastung notwendig ist.
(4) Jeder Spruchkörper einer Regionalkammer besteht aus zwei rechtlich qualifizierten Richtern, die aus einer regionalen Liste mit Richtern ausgewählt werden und Staatsangehörige eines der betreffenden Vertragsmitgliedstaaten sind, und einem rechtlich qualifizierten Richter, der nicht Staatsangehöriger eines der betreffenden Vertragsmitgliedstaaten ist und ihm gemäß Artikel 18 Absatz 3 aus dem Richterpool zugewiesen wird.
(5) Auf Antrag einer der Parteien ersucht jeder Spruchkörper einer Lokal- oder Regionalkammer den Präsidenten des Gerichts erster Instanz, ihm gemäß Artikel 18 Absatz 3 aus dem Richterpool einen zusätzlichen technisch qualifizierten Richter zuzuweisen, der über eine entsprechende Qualifikation und Erfahrung auf dem betreffenden Gebiet der Technik verfügt. Überdies kann jeder Spruchkörper einer Lokal- oder Regionalkammer nach Anhörung der Parteien auf eigene Initiative ein solches Ersuchen unterbreiten, wenn er dies für angezeigt hält.
Wird ihm ein solcher technisch qualifizierter Richter zugewiesen, so darf ihm kein weiterer technisch qualifizierter Richter nach Artikel 33 Absatz 3 Buchstabe a zugewiesen werden.
(6) Jeder Spruchkörper der Zentralkammer besteht aus zwei rechtlich qualifizierten Richtern, die Staatsangehörige unterschiedlicher Vertragsmitgliedstaaten sind, und einem technisch qualifizierten Richter, der ihm gemäß Artikel 18 Absatz 3 aus dem Richterpool zugewiesen wird und über eine entsprechende Qualifikation und Erfahrung auf dem betreffenden Gebiet der Technik verfügt. Jeder Spruchkörper der Zentralkammer, der mit Klagen nach Artikel 32 Absatz 1 Buchstabe i befasst ist, besteht jedoch aus drei rechtlich qualifizierten Richtern, die Staatsangehörige unterschiedlicher Vertragsmitgliedstaaten sind.
(7) Ungeachtet der Absätze 1 bis 6 und im Einklang mit der Verfahrensordnung können die Parteien vereinbaren, dass ihre Rechtsstreitigkeit von einem rechtlich qualifizierten Richter als Einzelrichter entschieden wird.
(8) Den Vorsitz in jedem Spruchkörper des Gerichts erster Instanz führt ein rechtlich qualifizierter Richter.
Artikel 9
Berufungsgericht
(1) Jeder Spruchkörper des Berufungsgerichts tagt in einer multinationalen Zusammensetzung aus fünf Richtern. Er besteht aus drei rechtlich qualifizierten Richtern, die Staatsangehörige unterschiedlicher Vertragsmitgliedstaaten sind, und zwei technisch qualifizierten Richtern, die über eine entsprechende Qualifikation und Erfahrung auf dem betreffenden Gebiet der Technik verfügen. Die technisch qualifizierten Richter werden dem Spruchkörper vom Präsidenten des Berufungsgerichts aus dem Richterpool gemäß Artikel 18 zugewiesen.
(2) Ungeachtet des Absatzes 1 besteht ein Spruchkörper, der mit Klagen nach Artikel 32 Absatz 1 Buchstabe i befasst ist, aus drei rechtlich qualifizierten Richtern, die Staatsangehörige unterschiedlicher Vertragsmitgliedstaaten sind.
(3) Den Vorsitz in jedem Spruchkörper des Berufungsgerichts führt ein rechtlich qualifizierter Richter.
(4) Die Spruchkörper des Berufungsgerichts werden im Einklang mit der Satzung gebildet.
(5) Das Berufungsgericht hat seinen Sitz in Luxemburg.
Artikel 10
Kanzlei
(1) Am Sitz des Berufungsgerichts wird eine Kanzlei eingerichtet. Sie wird vom Kanzler geleitet und nimmt die ihr durch die Satzung zugewiesenen Aufgaben wahr. Vorbehaltlich der in diesem Übereinkommen festgelegten Bedingungen und der Verfahrensordnung ist das von der Kanzlei geführte Register öffentlich.
(2) An allen Kammern des Gerichts erster Instanz werden Nebenstellen der Kanzlei eingerichtet.
(3) Die Kanzlei führt Aufzeichnungen über alle vor dem Gericht verhandelten Verfahren. Nach der Einreichung unterrichtet die betreffende Nebenstelle die Kanzlei über jedes Verfahren.
(4) Das Gericht ernennt im Einklang mit Artikel 22 der Satzung den Kanzler und legt die Bestimmungen zu dessen Amtsführung fest.
Artikel 11
Ausschüsse
Zur Sicherstellung einer effektiven Durchführung und Funktionsweise dieses Übereinkommens werden ein Verwaltungsausschuss, ein Haushaltsausschuss und ein Beratender Ausschuss eingesetzt. Diese nehmen insbesondere die in diesem Übereinkommen und in der Satzung vorgesehenen Aufgaben wahr.
Artikel 12
Verwaltungsausschuss
(1) Der Verwaltungsausschuss setzt sich aus je einem Vertreter der Vertragsmitgliedstaaten zusammen. Die Europäische Kommission ist bei den Sitzungen des Verwaltungsausschusses als Beobachter vertreten.
(2) Jeder Vertragsmitgliedstaat verfügt über eine Stimme.
(3) Der Verwaltungsausschuss fasst seine Beschlüsse mit Dreiviertelmehrheit der vertretenen Vertragsmitgliedstaaten, die eine Stimme abgeben, sofern in diesem Übereinkommen oder der Satzung nicht etwas anderes bestimmt ist.
(4) Der Verwaltungsausschuss gibt sich eine Geschäftsordnung.
(5) Der Verwaltungsausschuss wählt aus seiner Mitte einen Vorsitzenden für eine Amtszeit von drei Jahren. Die Wiederwahl ist zulässig.
Artikel 13
Haushaltsausschuss
(1) Der Haushaltsausschuss setzt sich aus je einem Vertreter der Vertragsmitgliedstaaten zusammen.
(2) Jeder Vertragsmitgliedstaat verfügt über eine Stimme.
(3) Der Haushaltsausschuss fasst seine Beschlüsse mit der einfachen Mehrheit der Vertreter der Vertragsmitgliedstaaten. Zur Feststellung des Haushaltsplans ist jedoch eine Dreiviertelmehrheit der Vertreter der Vertragsmitgliedstaaten erforderlich.
(4) Der Haushaltsausschuss gibt sich eine Geschäftsordnung.
(5) Der Haushaltsausschuss wählt aus seiner Mitte einen Vorsitzenden für eine Amtszeit von drei Jahren. Die Wiederwahl ist zulässig.
Artikel 14
Beratender Ausschuss
(1) Der Beratende Ausschuss
a) unterstützt den Verwaltungsausschuss bei der Vorbereitung der Ernennung der Richter des Gerichts,
b) unterbreitet dem in Artikel 15 der Satzung genannten Präsidium Vorschläge zu den Leitlinien für den in Artikel 19 genannten Schulungsrahmen für Richter und
c) übermittelt dem Verwaltungsausschuss Stellungnahmen zu den Anforderungen an die in Artikel 48 Absatz 2 genannte Qualifikation.
(2) Dem Beratenden Ausschuss gehören Patentrichter und auf dem Gebiet des Patentrechts und der Patentstreitigkeiten tätige Angehörige der Rechtsberufe mit der höchsten anerkannten Qualifikation an. Sie werden gemäß dem in der Satzung festgelegten Verfahren für eine Amtszeit von sechs Jahren ernannt. Die Wiederernennung ist zulässig.
(3) Die Zusammensetzung des Beratenden Ausschusses muss ein breites Spektrum an einschlägigem Sachverstand und die Vertretung eines jeden Vertragsmitgliedstaats gewährleisten. Die Mitglieder des Beratenden Ausschusses üben ihre Tätigkeit in völliger Unabhängigkeit aus und sind an keine Weisungen gebunden.
(4) Der Beratende Ausschuss gibt sich eine Geschäftsordnung.
(5) Der Beratende Ausschuss wählt aus seiner Mitte einen Vorsitzenden für eine Amtszeit von drei Jahren. Die Wiederwahl ist zulässig.
KAPITEL III – RICHTER DES GERICHTS
Artikel 15
Auswahlkriterien für die Ernennung der Richter
(1) Das Gericht setzt sich sowohl aus rechtlich qualifizierten als auch aus technisch qualifizierten Richtern zusammen. Die Richter müssen die Gewähr für höchste fachliche Qualifikation bieten und über nachgewiesene Erfahrung auf dem Gebiet der Patentstreitigkeiten verfügen.
(2) Die rechtlich qualifizierten Richter müssen die für die Berufung in ein richterliches Amt in einem Vertragsmitgliedstaat erforderliche Qualifikation haben.
(3) Die technisch qualifizierten Richter müssen über einen Hochschulabschluss und nachgewiesenen Sachverstand auf einem Gebiet der Technik verfügen. Sie müssen auch über nachgewiesene Kenntnisse des für Patentstreitigkeiten relevanten Zivil- und Zivilverfahrensrechts verfügen.
Artikel 16
Ernennungsverfahren
(1) Der Beratende Ausschuss erstellt im Einklang mit der Satzung eine Liste der Kandidaten, die am besten geeignet sind, um zu Richtern des Gerichts ernannt zu werden.
(2) Der Verwaltungsausschuss ernennt auf Grundlage dieser Liste einvernehmlich die Richter des Gerichts.
(3) Die Durchführungsbestimmungen für die Ernennung der Richter werden in der Satzung festgelegt.
Artikel 17
Richterliche Unabhängigkeit und Unparteilichkeit
(1) Das Gericht, seine Richter und der Kanzler genießen richterliche Unabhängigkeit. Bei der Ausübung ihrer Amtstätigkeit sind die Richter an keine Weisungen gebunden.
(2) Rechtlich qualifizierte Richter und technisch qualifizierte Richter, die Vollzeitrichter des Gerichts sind, dürfen keine andere entgeltliche oder unentgeltliche Berufstätigkeit ausüben, es sei denn, der Verwaltungsausschuss hat eine Ausnahme von dieser Vorschrift zugelassen.
(3) Ungeachtet des Absatzes 2 schließt die Ausübung des Richteramtes die Ausübung einer anderen richterlichen Tätigkeit auf nationaler Ebene nicht aus.
(4) Die Ausübung des Amtes eines technisch qualifizierten Richters, bei dem es sich um einen Teilzeitrichter des Gerichts handelt, schließt die Ausübung anderer Aufgaben nicht aus, sofern kein Interessenkonflikt besteht.
(5) Im Fall eines Interessenkonflikts nimmt der betreffende Richter nicht am Verfahren teil. Die Vorschriften für die Behandlung von Interessenkonflikten werden in der Satzung festgelegt.
Artikel 18
Richterpool
(1) Nach Maßgabe der Satzung wird ein Richterpool eingerichtet.
(2) Dem Richterpool gehören alle rechtlich qualifizierten Richter und alle technisch qualifizierten Richter des Gerichts erster Instanz an, die Vollzeitrichter oder Teilzeitrichter des Gerichts sind. Dem Richterpool gehört für jedes Gebiet der Technik mindestens ein technisch qualifizierter Richter mit einschlägiger Qualifikation und Erfahrung an. Die technisch qualifizierten Richter des Richterpools stehen auch dem Berufungsgericht zur Verfügung.
(3) Wenn in diesem Übereinkommen oder in der Satzung vorgesehen, werden die Richter aus dem Richterpool vom Präsidenten des Gerichts erster Instanz der betreffenden Kammer zugewiesen. Die Zuweisung der Richter erfolgt auf der Grundlage ihres jeweiligen rechtlichen oder technischen Sachverstands, ihrer Sprachkenntnisse und ihrer einschlägigen Erfahrung. Die Zuweisung von Richtern gewährleistet, dass sämtliche Spruchkörper des Gerichts erster Instanz mit derselben hohen Qualität arbeiten und über dasselbe hohe Niveau an rechtlichem und technischem Sachverstand verfügen.
Artikel 19
Schulungsrahmen
(1) Um den verfügbaren Sachverstand auf dem Gebiet der Patentstreitigkeiten zu verbessern und zu vermehren und eine geografisch breite Streuung dieser speziellen Kenntnisse und Erfahrungen sicherzustellen, wird ein Schulungsrahmen für Richter geschaffen, der im Einzelnen in der Satzung festgelegt wird. Die Einrichtung für diesen Schulungsrahmen befindet sich in Budapest.
(2) Der Schulungsrahmen weist insbesondere folgende Schwerpunkte auf:
a) Praktika bei nationalen Patentgerichten oder bei Kammern des Gerichts erster Instanz mit einem hohen Aufkommen an Patenstreitsachen;
b) Verbesserung der Sprachkenntnisse;
c) technische Aspekte des Patentrechts;
d) Weitergabe von Kenntnissen und Erfahrungen in Bezug auf das Zivilverfahrensrecht für technisch qualifizierte Richter;
e) Vorbereitung von Bewerbern für Richterstellen.
(3) Der Schulungsrahmen leistet eine kontinuierliche Schulung. Es werden regelmäßige Sitzungen aller Richter des Gerichts veranstaltet, um die Entwicklungen im Patentrecht zu erörtern und die Einheitlichkeit der Rechtsprechung des Gerichts zu gewährleisten.
KAPITEL IV – VORRANG DES UNIONSRECHTS SOWIE HAFTUNG UND VERANTWORTLICHKEIT DER VERTRAGSMITGLIEDSTAATEN
Artikel 20
Vorrang und Achtung des Unionsrechts
Das Gericht wendet das Unionsrecht in vollem Umfang an und achtet seinen Vorrang.
Artikel 21
Vorabentscheidungsersuchen
Als gemeinsames Gericht der Vertragsmitgliedstaaten und Teil ihres Gerichtssystems arbeitet das Gericht – wie jedes nationale Gericht – mit dem Gerichtshof der Europäischen Union zur Gewährleistung der korrekten Anwendung und einheitlichen Auslegung des Unionsrechts insbesondere im Einklang mit Artikel 267 AEUV zusammen. Entscheidungen des Gerichtshofs der Europäischen Union sind für das Gericht bindend.
Artikel 22
Haftung für durch Verstöße gegen das Unionsrecht entstandene Schäden
(1) Die Vertragsmitgliedstaaten haften gesamtschuldnerisch für Schäden, die durch einen Verstoß des Berufungsgerichts gegen das Unionsrecht entstanden sind, gemäß dem Unionsrecht über die außervertragliche Haftung der Mitgliedstaaten für Schäden, die durch Verstöße ihrer nationalen Gerichte gegen das Unionsrecht entstanden sind.
(2) Eine Klage wegen solcher Schäden ist gegen den Vertragsmitgliedstaat, in dem der Kläger seinen Wohnsitz oder den Sitz seiner Hauptniederlassung oder – in Ermangelung derselben – seinen Geschäftssitz hat, bei der zuständigen staatlichen Stelle dieses Vertragsmitgliedstaats zu erheben. Hat der Kläger seinen Wohnsitz oder den Sitz seiner Hauptniederlassung oder – in Ermangelung derselben – seinen Geschäftssitz nicht in einem Vertragsmitgliedstaat, so kann er seine Klage gegen den Vertragsmitgliedstaat, in dem das Berufungsgericht seinen Sitz hat, bei der zuständigen staatlichen Stelle dieses Vertragsmitgliedstaats erheben.
Die zuständige staatliche Stelle wendet bei allen Fragen, die nicht im Unionsrecht oder in diesem Übereinkommen geregelt sind, die lex fori mit Ausnahme ihres internationalen Privatrechts an. Der Kläger hat Anspruch darauf, von dem Vertragsmitgliedstaat, gegen den er geklagt hat, die von der zuständigen staatlichen Stelle zuerkannte Schadenssumme in voller Höhe erstattet zu bekommen.
(3) Der Vertragsmitgliedstaat, der für die Schäden aufgekommen ist, hat einen Anspruch darauf, von den anderen Vertragsmitgliedstaaten anteilige Beiträge zu erlangen, die gemäß der Methode nach Artikel 37 Absätze 3 und 4 festzusetzen sind. Die Einzelheiten bezüglich der Beiträge der Vertragsmitgliedstaaten nach diesem Absatz werden vom Verwaltungsausschuss festgelegt.
Artikel 23
Verantwortlichkeit der Vertragsmitgliedstaaten
Handlungen des Gerichts sind jedem Vertragsmitgliedstaat einzeln, einschließlich für die Zwecke der Artikel 258, 259 und 260 AEUV, und allen Vertragsmitgliedstaaten gemeinsam unmittelbar zuzurechnen.
KAPITEL V – RECHTSQUELLEN UND MATERIELLES RECHT
Artikel 24
Rechtsquellen
(1) Unter uneingeschränkter Beachtung des Artikels 20 stützt das Gericht seine Entscheidungen in Rechtsstreitigkeiten, in denen es nach diesem Übereinkommen angerufen wird, auf
a) das Unionsrecht einschließlich der Verordnung (EU) Nr. 1257/2012 und der Verordnung (EU) Nr. 1260/20127,
b) dieses Übereinkommen,
c) das EPÜ,
d) andere internationale Übereinkünfte, die für Patente gelten und für alle Vertragsmitgliedstaaten bindend sind, und
e) das nationale Recht.
(2) Soweit das Gericht seine Entscheidungen auf nationale Rechtsvorschriften stützt, gegebenenfalls auch auf das Recht von Nichtvertragsstaaten, wird das anwendbare Recht wie folgt bestimmt:
a) durch unmittelbar anwendbare Vorschriften des Unionsrechts, die Bestimmungen des internationalen Privatrechts enthalten, oder
b) in Ermangelung unmittelbar anwendbarer Vorschriften des Unionsrechts oder in Fällen, in denen diese nicht anwendbar sind, durch internationale Rechtsinstrumente, die Bestimmungen des internationalen Privatrechts enthalten, oder
c) in Ermangelung von Vorschriften im Sinne der Buchstaben a und b durch nationale Vorschriften zum internationalen Privatrecht nach Bestimmung durch das Gericht.
(3) Das Recht von Nichtvertragsstaaten gilt insbesondere in Bezug auf die Artikel 25 bis 28 und die Artikel 54, 55, 64, 68 und 72, wenn es in Anwendung der in Absatz 2 genannten Vorschriften als anwendbares Recht bestimmt wird.
Artikel 25
Recht auf Verbot der unmittelbaren Benutzung der Erfindung
Ein Patent gewährt seinem Inhaber das Recht, Dritten zu verbieten, ohne seine Zustimmung
a) ein Erzeugnis, das Gegenstand des Patents ist, herzustellen, anzubieten, in Verkehr zu bringen, zu gebrauchen oder zu den genannten Zwecken einzuführen oder zu besitzen;
b) ein Verfahren, das Gegenstand des Patents ist, anzuwenden, oder, falls der Dritte weiß oder hätte wissen müssen, dass die Anwendung des Verfahrens ohne Zustimmung des Patentinhabers verboten ist, zur Anwendung im Hoheitsgebiet der Vertragsmitgliedstaaten, in denen dieses Patent Wirkung hat, anzubieten;
c) ein durch ein Verfahren, das Gegenstand des Patents ist, unmittelbar hergestelltes Erzeugnis anzubieten, in Verkehr zu bringen, zu gebrauchen oder zu den genannten Zwecken einzuführen oder zu besitzen.
Artikel 26
Recht auf Verbot der mittelbaren Benutzung der Erfindung
(1) Ein Patent gewährt seinem Inhaber das Recht, Dritten zu verbieten, ohne seine Zustimmung im Hoheitsgebiet der Vertragsmitgliedstaaten, in denen dieses Patent Wirkung hat, anderen als zur Benutzung der patentierten Erfindung berechtigten Personen Mittel, die sich auf ein wesentliches Element der Erfindung beziehen, zur Benutzung der Erfindung in diesem Gebiet anzubieten oder zu liefern, wenn der Dritte weiß oder hätte wissen müssen, dass diese Mittel dazu geeignet und bestimmt sind, für die Benutzung der Erfindung verwendet zu werden.
(2) Absatz 1 gilt nicht, wenn es sich bei den Mitteln um allgemein im Handel erhältliche Erzeugnisse handelt, es sei denn, dass der Dritte den Belieferten bewusst veranlasst, in einer nach Artikel 25 verbotenen Weise zu handeln.
(3) Personen, die die in Artikel 27 Buchstaben a bis e genannten Handlungen vornehmen, gelten nicht als zur Benutzung der Erfindung berechtigte Personen im Sinne des Absatzes 1.
Artikel 27
Beschränkungen der Wirkungen des Patents
Die Rechte aus einem Patent erstrecken sich nicht auf
a) Handlungen, die im privaten Bereich zu nichtgewerblichen Zwecken vorgenommen werden;
b) Handlungen zu Versuchszwecken, die sich auf den Gegenstand der patentierten Erfindung beziehen;
c) die Verwendung biologischen Materials zum Zwecke der Züchtung, Entdeckung oder Entwicklung anderer Pflanzensorten;
d) erlaubte Handlungen nach Artikel 13 Absatz 6 der Richtlinie 2001/82/EG8 oder Artikel 10 Absatz 6 der Richtlinie 2001/83/EG9, im Hinblick auf alle Patente, die das Erzeugnis im Sinne einer dieser Richtlinien erfassen;
e) die unmittelbare Einzelzubereitung von Arzneimitteln in Apotheken aufgrund ärztlicher Verordnung und auf Handlungen, welche die auf diese Weise zubereiteten Arzneimittel betreffen;
f) den Gebrauch des Gegenstands der patentierten Erfindung an Bord von Schiffen derjenigen Länder des Internationalen Verbands zum Schutz des gewerblichen Eigentums (Pariser Verband) oder Mitglieder der Welthandelsorganisation, die nicht zu den Vertragsmitgliedstaaten gehören, in denen das Patent Wirkung hat, im Schiffskörper, in den Maschinen, im Takelwerk, an den Geräten und sonstigem Zubehör, wenn die Schiffe vorübergehend oder zufällig in die Gewässer eines Vertragsmitgliedstaats gelangen, in dem das Patent Wirkung hat, vorausgesetzt, dieser Gegenstand wird dort ausschließlich für die Bedürfnisse des Schiffs verwendet;
g) den Gebrauch des Gegenstands der patentierten Erfindung in der Bauausführung oder für den Betrieb von Luft- oder Landfahrzeugen oder sonstigen Transportmitteln derjenigen Länder des Internationalen Verbands zum Schutz des gewerblichen Eigentums (Pariser Verband) oder Mitglieder der Welthandelsorganisation, die nicht zu den Vertragsmitgliedstaaten gehören, in denen das Patent Wirkung hat, oder des Zubehörs solcher Luft- oder Landfahrzeuge, wenn diese vorübergehend oder zufällig in das Hoheitsgebiet eines Vertragsmitgliedstaats gelangen, in dem das Patent Wirkung hat;
h) die in Artikel 27 des Abkommens vom 7. Dezember 1944 über die Internationale Zivilluftfahrt10 genannten Handlungen, wenn diese Handlungen ein Luftfahrzeug eines Vertragsstaats jenes Abkommens betreffen, der nicht zu den Vertragsmitgliedstaaten gehört, in denen das Patent Wirkung hat;
i) die Verwendung seines Ernteguts durch einen Landwirt zur generativen oder vegetativen Vermehrung durch ihn selbst im eigenen Betrieb, sofern das pflanzliche Vermehrungsmaterial vom Patentinhaber oder mit dessen Zustimmung zum landwirtschaftlichen Anbau an den Landwirt verkauft oder auf andere Weise in Verkehr gebracht wurde. Das Ausmaß und die Modalitäten dieser Verwendung entsprechen denjenigen des Artikels 14 der Verordnung (EG) Nr. 2100/9411;
j) die Verwendung von geschützten landwirtschaftlichen Nutztieren durch einen Landwirt zu landwirtschaftlichen Zwecken, sofern die Zuchttiere oder anderes tierisches Vermehrungsmaterial vom Patentinhaber oder mit dessen Zustimmung an den Landwirt verkauft oder auf andere Weise in Verkehr gebracht wurden. Diese Verwendung erstreckt sich auch auf die Überlassung der landwirtschaftlichen Nutztiere oder des anderen tierischen Vermehrungsmaterials zur Ausübung der landwirtschaftlichen Tätigkeit des Landwirts, jedoch nicht auf seinen Verkauf mit dem Ziel oder im Rahmen einer Vermehrung zu Erwerbszwecken;
k) Handlungen und die Verwendung von Informationen, die gemäß den Artikeln 5 und 6 der Richtlinie 2009/24/EG12, insbesondere den Bestimmungen betreffend Dekompilierung und Interoperabilität, erlaubt sind und
l) Handlungen, die gemäß Artikel 10 der Richtlinie 98/44/EG13 erlaubt sind.
Artikel 28
Recht des Vorbenutzers der Erfindung
Wer in einem Vertragsmitgliedstaat ein Vorbenutzungsrecht oder ein persönliches Besitzrecht an einer Erfindung erworben hätte, wenn ein nationales Patent für diese Erfindung erteilt worden wäre, hat in diesem Vertragsmitgliedstaat die gleichen Rechte auch in Bezug auf ein Patent, das diese Erfindung zum Gegenstand hat.
Artikel 29
Erschöpfung der Rechte aus einem europäischen Patent
Die durch das europäische Patent verliehenen Rechte erstrecken sich nicht auf Handlungen, die ein durch das Patent geschütztes Erzeugnis betreffen, nachdem das Erzeugnis vom Patentinhaber oder mit seiner Zustimmung in der Europäischen Union in Verkehr gebracht worden ist, es sei denn, der Patentinhaber hat berechtigte Gründe, sich dem weiteren Vertrieb des Erzeugnisses zu widersetzen.
Artikel 30
Wirkung von ergänzenden Schutzzertifikaten
Das ergänzende Schutzzertifikat gewährt die gleichen Rechte wie das Patent und unterliegt den gleichen Beschränkungen und Verpflichtungen.
KAPITEL VI – INTERNATIONALE UND SONSTIGE ZUSTÄNDIGKEIT DES GERICHTS
Artikel 31
Internationale Zuständigkeit
Die internationale Zuständigkeit des Gerichts wird im Einklang mit der Verordnung (EU) Nr. 1215/2012 oder gegebenenfalls auf Grundlage des Übereinkommens über die gerichtliche Zuständigkeit und die Anerkennung und Vollstreckung von Entscheidungen in Zivil- und Handelssachen (Lugano-Übereinkommen)14 bestimmt.
Artikel 32
Zuständigkeit des Gerichts
(1) Das Gericht besitzt die ausschließliche Zuständigkeit für
a) Klagen wegen tatsächlicher oder drohender Verletzung von Patenten und ergänzenden Schutzzertifikaten und zugehörige Klageerwiderungen, einschließlich Widerklagen in Bezug auf Lizenzen,
b) Klagen auf Feststellung der Nichtverletzung von Patenten und ergänzenden Schutzzertifikaten,
c) Klagen auf Erlass von einstweiligen Maßnahmen und Sicherungsmaßnahmen und einstweiligen Verfügungen,
d) Klagen auf Nichtigerklärung von Patenten und Nichtigerklärung der ergänzenden Schutzzertifikate,
e) Widerklagen auf Nichtigerklärung von Patenten und Nichtigerklärung der ergänzenden Schutzzertifikate,
f) Klagen auf Schadenersatz oder auf Entschädigung aufgrund des vorläufigen Schutzes, den eine veröffentlichte Anmeldung eines europäischen Patents gewährt,
g) Klagen im Zusammenhang mit der Benutzung einer Erfindung vor der Erteilung eines Patents oder mit einem Vorbenutzungsrecht,
h) Klagen auf Zahlung einer Lizenzvergütung aufgrund von Artikel 8 der Verordnung (EU) Nr. 1257/2012 und
i) Klagen gegen Entscheidungen, die das Europäische Patentamt in Ausübung der in Artikel 9 der Verordnung (EU) Nr. 1257/2012 genannten Aufgaben getroffen hat.
(2) Für Klagen im Zusammenhang mit Patenten und ergänzenden Schutzzertifikaten, die nicht in die ausschließliche Zuständigkeit des Gerichts fallen, sind weiterhin die nationalen Gerichte der Vertragsmitgliedstaaten zuständig.
Artikel 33
Zuständigkeit der Kammern des Gerichts erster Instanz
(1) Unbeschadet des Absatzes 7 sind die in Artikel 32 Absatz 1 Buchstaben a, c, f und g genannten Klagen zu erheben bei
a) der Lokalkammer in dem Vertragsmitgliedstaat, in dessen Gebiet die tatsächliche oder drohende Verletzung erfolgt ist oder möglicherweise erfolgen wird, oder bei der Regionalkammer, an der dieser Vertragsmitgliedstaat beteiligt ist, oder
b) der Lokalkammer in dem Vertragsmitgliedstaat, in dessen Gebiet der Beklagte oder, bei mehreren Beklagten, einer der Beklagten seinen Wohnsitz oder den Sitz seiner Hauptniederlassung oder – in Ermangelung derselben – seinen Geschäftssitz hat, oder bei der Regionalkammer, an der dieser Vertragsmitgliedstaat beteiligt ist. Eine Klage gegen mehrere Beklagte ist nur dann zulässig, wenn zwischen diesen eine Geschäftsbeziehung besteht und die Klage denselben Verletzungsvorwurf betrifft.
Die in Artikel 32 Absatz 1 Buchstabe h genannten Klagen sind gemäß Unterabsatz 1 Buchstabe b bei der Lokal- oder Regionalkammer zu erheben.
Klagen gegen Beklagte, die ihren Wohnsitz oder den Sitz ihrer Hauptniederlassung oder – in Ermangelung derselben – ihren Geschäftssitz nicht im Gebiet der Vertragsmitgliedstaaten haben, sind gemäß Unterabsatz 1 Buchstabe a bei der Lokal- oder Regionalkammer zu erheben oder bei der Zentralkammer.
Ist im betreffenden Vertragsmitgliedstaat keine Lokalkammer errichtet worden und ist dieser Vertragsmitgliedstaat nicht an einer Regionalkammer beteiligt, so sind die Klagen bei der Zentralkammer zu erheben.
(2) Ist eine Klage im Sinne des Artikels 32 Absatz 1 Buchstaben a, c, f, g oder h bei einer Kammer des Gerichts erster Instanz anhängig, so darf zwischen denselben Parteien zum selben Patent keine Klage im Sinne des Artikels 32 Absatz 1 Buchstaben a, c, f, g oder h bei einer anderen Kammer erhoben werden.
Ist eine Klage im Sinne des Artikels 32 Absatz 1 Buchstabe a bei einer Regionalkammer anhängig und ist die Verletzung im Gebiet von mindestens drei Regionalkammern erfolgt, so verweist die betreffende Regionalkammer das Verfahren auf Antrag des Beklagten an die Zentralkammer.
Wird bei mehreren Kammern eine Klage erhoben, die dieselben Parteien und dasselbe Patent betrifft, so ist die zuerst angerufene Kammer für das gesamte Verfahren zuständig und jede später angerufene Kammer erklärt die Klage im Einklang mit der Verfahrensordnung für unzulässig.
(3) Im Fall einer Verletzungsklage im Sinne des Artikels 32 Absatz 1 Buchstabe a kann eine Widerklage auf Nichtigerklärung im Sinne des Artikels 32 Absatz 1 Buchstabe e erhoben werden. Die betreffende Lokal- oder Regionalkammer kann nach Anhörung der Parteien nach eigenem Ermessen beschließen,
a) sowohl die Verletzungsklage als auch die Widerklage auf Nichtigerklärung zu verhandeln und den Präsidenten des Gerichts erster Instanz zu ersuchen, ihr aus dem Richterpool gemäß Artikel 18 Absatz 3 einen technisch qualifizierten Richter zuzuweisen, der über entsprechende Qualifikation und Erfahrung auf dem betreffenden Gebiet der Technik verfügt,
b) die Widerklage auf Nichtigerklärung zur Entscheidung an die Zentralkammer zu verweisen und das Verletzungsverfahren auszusetzen oder fortzuführen oder
c) den Fall mit Zustimmung der Parteien zur Entscheidung an die Zentralkammer zu verweisen.
(4) Die in Artikel 32 Absatz 1 Buchstaben b und d genannten Klagen sind bei der Zentralkammer zu erheben. Wurde jedoch bereits bei einer Lokal- oder Regionalkammer eine Verletzungsklage im Sinne des Artikels 32 Absatz 1 Buchstabe a zwischen denselben Parteien zum selben Patent erhoben, so dürfen diese Klagen nur vor derselben Lokal- oder Regionalkammer erhoben werden.
(5) Ist eine Klage auf Nichtigerklärung im Sinne des Artikels 32 Absatz 1 Buchstabe d bei der Zentralkammer anhängig, so kann gemäß Absatz 1 des vorliegenden Artikels bei jeder Kammer oder bei der Zentralkammer zwischen denselben Parteien zum selben Patent eine Verletzungsklage im Sinne des Artikels 32 Absatz 1 Buchstabe a erhoben werden. Die betreffende Lokal- oder Regionalkammer kann nach ihrem Ermessen gemäß Absatz 3 des vorliegenden Artikels verfahren.
(6) Eine Klage zur Feststellung der Nichtverletzung im Sinne des Artikels 32 Absatz 1 Buchstabe b, die bei der Zentralkammer anhängig ist, wird ausgesetzt, wenn innerhalb von drei Monaten nach Klageerhebung vor der Zentralkammer bei einer Lokal- oder Regionalkammer zwischen denselben Parteien oder zwischen dem Inhaber einer ausschließlichen Lizenz und der Partei, die die Feststellung der Nichtverletzung beantragt hat, zum selben Patent eine Verletzungsklage im Sinne des Artikels 32 Absatz 1 Buchstabe a erhoben wird.
(7) Die Parteien können bei Klagen im Sinne des Artikels 32 Absatz 1 Buchstaben a bis h übereinkommen, ihre Klage bei der Kammer ihrer Wahl, auch bei der Zentralkammer, zu erheben.
(8) Die in Artikel 32 Absatz 1 Buchstaben d und e genannten Klagen können erhoben werden, ohne dass der Kläger zuvor Einspruch beim Europäischen Patentamt einlegen muss.
(9) Die in Artikel 32 Absatz 1 Buchstabe i genannten Klagen sind bei der Zentralkammer zu erheben.
(10) Die Parteien unterrichten das Gericht über alle beim Europäischen Patentamt anhängigen Nichtigerklärungs-, Beschränkungs- oder Einspruchsverfahren und über jeden Antrag auf beschleunigte Bearbeitung beim Europäischen Patentamt. Das Gericht kann das Verfahren aussetzen, wenn eine rasche Entscheidung des Europäischen Patentamts zu erwarten ist.
Artikel 34
Räumlicher Geltungsbereich von Entscheidungen
Die Entscheidungen des Gerichts gelten im Falle eines europäischen Patents für das Hoheitsgebiet derjenigen Vertragsmitgliedstaaten, für die das europäische Patent Wirkung hat.
KAPITEL VII – MEDIATION UND SCHIEDSVERFAHREN IN PATENTSACHEN
Artikel 35
Mediations- und Schiedszentrum für Patentsachen
(1) Es wird ein Mediations- und Schiedszentrum für Patentsachen (im Folgenden "Zentrum") errichtet. Es hat seine Sitze in Laibach und Lissabon.
(2) Das Zentrum stellt Dienste für Mediation und Schiedsverfahren in Patentstreitigkeiten, die unter dieses Übereinkommen fallen, zur Verfügung. Artikel 82 gilt für jeden Vergleich, der durch die Inanspruchnahme der Dienste des Zentrums, auch im Wege der Mediation, erreicht worden ist, entsprechend. In Mediations- und in Schiedsverfahren darf ein Patent jedoch weder für nichtig erklärt noch beschränkt werden.
(3) Das Zentrum legt eine Mediations- und Schiedsordnung fest.
(4) Das Zentrum stellt ein Verzeichnis der Mediatoren und Schiedsrichter auf, die die Parteien bei der Streitbeilegung unterstützen.
TEIL II – FINANZVORSCHRIFTEN
Artikel 36
Haushalt des Gerichts
(1) Der Haushalt des Gerichts wird aus den eigenen Einnahmen des Gerichts und erforderlichenfalls – zumindest in der Übergangszeit nach Artikel 83 – aus Beiträgen der Vertragsmitgliedstaaten finanziert. Der Haushaltsplan muss ausgeglichen sein.
(2) Die eigenen Einnahmen des Gerichts bestehen aus den Gerichtsgebühren und den sonstigen Einnahmen.
(3) Die Gerichtsgebühren werden vom Verwaltungsausschuss festgesetzt. Sie umfassen eine Festgebühr in Kombination mit einer streitwertabhängigen Gebühr oberhalb einer vorab festgesetzten Schwelle. Die Höhe der Gerichtsgebühren wird so festgesetzt, dass ein angemessenes Gleichgewicht zwischen dem Grundsatz eines fairen Zugangs zum Recht – insbesondere für kleine und mittlere Unternehmen, Kleinstunternehmen, natürliche Personen, Organisationen ohne Erwerbszweck, Hochschulen und öffentliche Forschungseinrichtungen – und einer angemessenen Beteiligung der Parteien an den dem Gericht entstandenen Kosten gewährleistet ist, wobei der wirtschaftliche Nutzen für die beteiligten Parteien und das Ziel der Eigenfinanzierung und ausgeglichener Finanzmittel des Gerichts berücksichtigt werden. Die Höhe der Gerichtsgebühren wird vom Verwaltungsausschuss regelmäßig überprüft. Für kleine und mittlere Unternehmen und Kleinstunternehmen können gezielte Unterstützungsmaßnahmen in Betracht gezogen werden.
(4) Ist das Gericht nicht in der Lage, mit seinen Eigenmitteln einen ausgeglichenen Haushalt zu erzielen, so stellen ihm die Vertragsmitgliedstaaten besondere Finanzbeiträge zur Verfügung.
Artikel 37
Finanzierung des Gerichts
(1) Die Betriebskosten des Gerichts werden gemäß der Satzung vom Haushalt des Gerichts gedeckt.
Vertragsmitgliedstaaten, die eine Lokalkammer errichten, stellen die hierfür erforderlichen Einrichtungen zur Verfügung. Vertragsmitgliedstaaten mit einer gemeinsamen Regionalkammer stellen gemeinsam die hierfür erforderlichen Einrichtungen zur Verfügung. Vertragsmitgliedstaaten, in denen die Zentralkammer, deren Abteilungen oder das Berufungsgericht errichtet werden, stellen die hierfür erforderlichen Einrichtungen zur Verfügung. Während eines ersten Übergangszeitraums von sieben Jahren ab Inkrafttreten dieses Übereinkommens stellen die betreffenden Vertragsmitgliedstaaten zudem Verwaltungspersonal zur Unterstützung zur Verfügung; das für dieses Personal geltende Statut bleibt hiervon unberührt.
(2) Die Vertragsmitgliedstaaten leisten am Tag des Inkrafttretens dieses Übereinkommens die ersten finanziellen Beiträge, die zur Errichtung des Gerichts erforderlich sind.
(3) Während des ersten Übergangszeitraums von sieben Jahren ab Inkrafttreten dieses Übereinkommens bemessen sich die Beiträge der einzelnen Vertragsmitgliedstaaten, die das Übereinkommen bereits vor seinem Inkrafttreten ratifiziert haben oder ihm beigetreten sind, nach der Zahl der europäischen Patente, die zum Zeitpunkt des Inkrafttretens dieses Übereinkommens in ihrem jeweiligen Hoheitsgebiet Wirkung haben, und der Zahl der europäischen Patente, zu denen bei ihren nationalen Gerichten in den drei Jahren vor dem Inkrafttreten dieses Übereinkommens Verletzungsklagen- oder Klagen auf Nichtigerklärung erhoben worden sind.
Während dieses ersten Übergangszeitraums von sieben Jahren bemessen sich die Beiträge der Mitgliedstaaten, die das Übereinkommen nach seinem Inkrafttreten ratifizieren oder ihm beitreten, nach der Zahl der europäischen Patente, die zum Zeitpunkt der Ratifikation oder des Beitritts im Hoheitsgebiet des jeweiligen ratifizierenden oder beitretenden Mitgliedstaats Wirkung haben, und der Zahl der europäischen Patente, zu denen bei ihren nationalen Gerichten in den drei Jahren vor der Ratifikation oder dem Beitritt Verletzungsklagen oder Klagen auf Nichtigerklärung erhoben worden sind.
(4) Werden nach Ablauf des ersten Übergangszeitraums von sieben Jahren – der Zeitpunkt, zu dem erwartet wird, dass das Gericht die Eigenfinanzierung erreicht – Beiträge der Vertragsmitgliedstaaten erforderlich, so werden diese nach dem Verteilerschlüssel für die Jahresgebühren für europäische Patente mit einheitlicher Wirkung festgelegt, der zu dem Zeitpunkt gilt, zu dem die Beiträge nötig werden.
Artikel 38
Finanzierung des Schulungsrahmens für Richter
Der Schulungsrahmen für Richter wird aus dem Haushalt des Gerichts finanziert.
Artikel 39
Finanzierung des Zentrums
Die Betriebskosten des Zentrums werden aus dem Haushalt des Gerichts finanziert.
TEIL III – ORGANISATION UND VERFAHRENSVORSCHRIFTEN
KAPITEL I – ALLGEMEINE BESTIMMUNGEN
Artikel 40
Satzung
(1) In der Satzung werden die Einzelheiten der Organisation und der Arbeitsweise des Gerichts geregelt.
(2) Die Satzung ist diesem Übereinkommen als Anhang beigefügt. Die Satzung kann auf Vorschlag des Gerichts oder auf Vorschlag eines Vertragsmitgliedstaats nach Konsultation des Gerichts durch einen Beschluss des Verwaltungsausschusses geändert werden. Diese Änderungen dürfen jedoch weder im Widerspruch zu diesem Übereinkommen stehen, noch zu seiner Änderung führen.
(3) Die Satzung gewährleistet, dass die Arbeitsweise des Gerichts so effizient und kostenwirksam wie möglich organisiert wird und dass ein fairer Zugang zum Recht sichergestellt ist.
Artikel 41
Verfahrensordnung
(1) Die Verfahrensordnung regelt die Einzelheiten der Verfahren vor dem Gericht. Sie steht mit diesem Übereinkommen und der Satzung im Einklang.
(2) Die Verfahrensordnung wird nach eingehender Konsultation der Beteiligten vom Verwaltungsausschuss angenommen. Zuvor ist eine Stellungnahme der Europäischen Kommission zur Vereinbarkeit der Verfahrensordnung mit dem Unionsrecht einzuholen.
Die Verfahrensordnung kann auf Vorschlag des Gerichts und nach Konsultation der Europäischen Kommission durch einen Beschluss des Verwaltungsausschusses geändert werden. Diese Änderungen dürfen jedoch weder im Widerspruch zu diesem Übereinkommen oder der Satzung stehen, noch zur Änderung dieses Übereinkommens oder der Satzung führen.
(3) Die Verfahrensordnung gewährleistet, dass die Entscheidungen des Gerichts höchsten Qualitätsansprüchen genügen und dass die Verfahren so effizient und kostenwirksam wie möglich durchgeführt werden. Sie gewährleistet einen fairen Ausgleich zwischen den berechtigten Interessen aller Parteien. Sie verschafft den Richtern den erforderlichen Ermessensspielraum, ohne die Vorhersagbarkeit des Verfahrens für die Parteien zu beeinträchtigen.
Artikel 42
Verhältnismäßigkeit und Fairness
(1) Das Gericht führt die Verfahren auf eine ihrer Bedeutung und Komplexität angemessene Art und Weise durch.
(2) Das Gericht gewährleistet, dass die in diesem Übereinkommen und in der Satzung vorgesehenen Vorschriften, Verfahren und Rechtsbehelfe auf faire und ausgewogene Weise angewandt werden und den Wettbewerb nicht verzerren.
Artikel 43
Fallbearbeitung
Das Gericht leitet die bei ihm anhängige Verfahren aktiv nach Maßgabe der Verfahrensordnung, ohne das Recht der Parteien zu beeinträchtigen, den Gegenstand und die ihren Vortrag stützenden Beweismittel ihrer Rechtsstreitigkeit zu bestimmen.
Artikel 44
Elektronische Verfahren
Das Gericht macht nach Maßgabe der Verfahrensordnung den bestmöglichen Gebrauch von elektronischen Verfahren, wie der elektronischen Einreichung von Parteivorbringen und Beweisantritten, sowie von Videokonferenzen.
Artikel 45
Öffentlichkeit der Verhandlungen
Die Verhandlungen sind öffentlich, es sei denn, das Gericht beschließt, soweit erforderlich, sie im Interesse einer der Parteien oder sonstiger Betroffener oder im allgemeinen Interesse der Justiz oder der öffentlichen Ordnung unter Ausschluss der Öffentlichkeit zu führen.
Artikel 46
Parteifähigkeit
Jede natürliche oder juristische Person oder jede einer juristischen Person gleichgestellte Gesellschaft, die nach dem für sie geltenden nationalen Recht berechtigt ist, ein Verfahren anzustrengen, kann in Verfahren, die beim Gericht anhängig sind, Partei sein.
Artikel 47
Parteien
(1) Der Patentinhaber ist berechtigt, das Gericht anzurufen.
(2) Sofern in der Lizenzvereinbarung nichts anderes bestimmt ist, hat der Inhaber einer ausschließlichen Lizenz in Bezug auf ein Patent das Recht, in gleicher Weise wie der Patentinhaber das Gericht anzurufen, vorausgesetzt, der Patentinhaber wurde zuvor unterrichtet.
(3) Der Inhaber einer nicht ausschließlichen Lizenz ist nicht berechtigt, das Gericht anzurufen, es sei denn, der Patentinhaber wurde zuvor unterrichtet und die Lizenzvereinbarung lässt dies ausdrücklich zu.
(4) Dem von einem Lizenzinhaber angestrengten Verfahren kann der Patentinhaber als Partei beitreten.
(5) Die Rechtsgültigkeit eines Patents kann im Rahmen einer Verletzungsklage, die vom Inhaber einer Lizenz erhoben wurde, nicht angefochten werden, wenn der Patentinhaber nicht an dem Verfahren teilnimmt. Die Partei, die im Rahmen einer Verletzungsklage die Rechtsgültigkeit eines Patents anfechten will, muss eine Klage gegen den Patentinhaber erheben.
(6) Jede andere natürliche oder juristische Person oder jede Vereinigung, die von einem Patent betroffen und nach dem für sie geltenden nationalen Recht berechtigt ist, Klage zu erheben, kann nach Maßgabe der Verfahrensordnung Klage erheben.
(7) Jede natürliche oder juristische Person und jede Vereinigung, die nach dem für sie geltenden nationalen Recht berechtigt ist, ein Verfahren anzustrengen, und die von einer Entscheidung betroffen ist, die das Europäische Patentamt in Ausübung der in Artikel 9 der Verordnung (EU) Nr. 1257/2012 genannten Aufgaben getroffen hat, ist berechtigt, eine Klage nach Artikel 32 Absatz 1 Buchstabe i zu erheben.
Artikel 48
Vertretung
(1) Die Parteien werden von Anwälten vertreten, die bei einem Gericht eines Vertragsmitgliedstaats zugelassen sind.
(2) Die Parteien können alternativ von einem europäischen Patentanwalt vertreten werden, der gemäß Artikel 134 EPÜ befugt ist, vor dem Europäischen Patentamt als zugelassener Vertreter aufzutreten, und die erforderliche Qualifikation hat, beispielsweise ein Zertifikat zur Führung europäischer Patentstreitverfahren.
(3) Die Anforderungen an die Qualifikation gemäß Absatz 2 werden vom Verwaltungsausschuss festgelegt. Der Kanzler führt ein Verzeichnis europäischer Patentanwälte, die befugt sind, Parteien vor Gericht zu vertreten.
(4) Die Vertreter der Parteien können sich von Patentanwälten unterstützen lassen, die in Verhandlungen vor Gericht im Einklang mit der Verfahrensordnung das Wort ergreifen dürfen.
(5) Die Vertreter der Parteien genießen nach Maßgabe der Verfahrensordnung die zur unabhängigen Wahrnehmung ihrer Aufgaben erforderlichen Rechte und Befreiungen, darunter das Recht, Mitteilungen zwischen einem Vertreter und der Partei oder jeder anderen Person im gerichtlichen Verfahren nicht offenlegen zu müssen, sofern die betreffende Partei nicht ausdrücklich auf dieses Recht verzichtet.
(6) Die Vertreter der Parteien dürfen Fälle oder Sachverhalte vor dem Gericht weder wissentlich noch aufgrund fahrlässiger Unkenntnis falsch darstellen.
(7) Eine Vertretung gemäß den Absätzen 1 und 2 des vorliegenden Artikels ist in Verfahren nach Artikel 32 Absatz 1 Buchstabe i nicht erforderlich.
KAPITEL II – VERFAHRENSSPRACHE
Artikel 49
Verfahrenssprache vor dem Gericht erster Instanz
(1) Verfahrenssprache vor einer Lokal- oder Regionalkammer ist eine Amtssprache der Europäischen Union, die die Amtssprache oder eine der Amtssprachen des Vertragsmitgliedstaats ist, in dessen Gebiet sich die betreffende Kammer befindet, oder die Amtssprache(n), die von den Vertragsmitgliedstaaten mit einer gemeinsamen Regionalkammer bestimmt wird/werden.
(2) Ungeachtet des Absatzes 1 können die Vertragsmitgliedstaaten eine oder mehrere der Amtssprachen des Europäischen Patentamts als Verfahrenssprache(n) ihrer Lokal- oder Regionalkammer bestimmen.
(3) Die Parteien können vorbehaltlich der Billigung durch den zuständigen Spruchkörper vereinbaren, die Sprache, in der das Patent erteilt wurde, als Verfahrenssprache zu verwenden. Billigt der betreffende Spruchkörper die Wahl der Parteien nicht, so können die Parteien beantragen, dass der Fall an die Zentralkammer verwiesen wird.
(4) Mit Zustimmung der Parteien kann der zuständige Spruchkörper aus Gründen der Zweckmäßigkeit und Fairness beschließen, dass die Sprache, in der das Patent erteilt wurde, als Verfahrenssprache verwendet wird.
(5) Auf Ersuchen einer der Parteien und nach Anhörung der anderen Parteien und des zuständigen Spruchkörpers kann der Präsident des Gerichts erster Instanz aus Gründen der Fairness und unter Berücksichtigung aller erheblichen Umstände – einschließlich der Standpunkte der Parteien und insbesondere des Standpunkts des Beklagten – beschließen, dass die Sprache, in der das Patent erteilt wurde, als Verfahrenssprache verwendet wird. In diesem Fall prüft der Präsident des Gerichts erster Instanz, inwieweit besondere Übersetzungs- und Dolmetschvorkehrungen getroffen werden müssen.
(6) Verfahrenssprache vor der Zentralkammer ist die Sprache, in der das betreffende Patent erteilt wurde.
Artikel 50
Verfahrenssprache vor dem Berufungsgericht
(1) Verfahrenssprache vor dem Berufungsgericht ist die Verfahrenssprache vor dem Gericht erster Instanz.
(2) Ungeachtet des Absatzes 1 können die Parteien vereinbaren, die Sprache, in der das Patent erteilt wurde, als Verfahrenssprache zu verwenden.
(3) In Ausnahmefällen und soweit dies angemessen erscheint, kann das Berufungsgericht mit Zustimmung der Parteien eine andere Amtssprache eines Vertragsmitgliedstaats als Verfahrenssprache für das gesamte Verfahren oder einen Teil des Verfahrens bestimmen.
Artikel 51
Weitere Sprachenregelungen
(1) Alle Spruchkörper des Gerichts erster Instanz und das Berufungsgericht können auf eine Übersetzung verzichten, soweit dies angemessen erscheint.
(2) Alle Kammern des Gerichts erster Instanz und das Berufungsgericht sehen, soweit dies angemessen erscheint, auf Verlangen einer der Parteien eine Verdolmetschung vor, um die betreffenden Parteien bei mündlichen Verfahren zu unterstützen.
(3) Wird bei der Zentralkammer eine Verletzungsklage erhoben, so hat ein Beklagter, der seinen Wohnsitz, den Sitz seiner Hauptniederlassung oder seinen Geschäftssitz in einem Mitgliedstaat hat, ungeachtet des Artikels 49 Absatz 6 Anspruch darauf, dass relevante Dokumente auf seinen Antrag hin in die Sprache des Mitgliedstaats, in dem er seinen Wohnsitz oder den Sitz seiner Hauptniederlassung oder – in Ermangelung derselben – seinen Geschäftssitz hat, übersetzt werden, sofern
a) die Zuständigkeit gemäß Artikel 33 Absatz 1 Unterabsatz 3 oder 4 bei der Zentralkammer liegt,
b) die Verfahrenssprache vor der Zentralkammer keine Amtssprache des Mitgliedstaats ist, in dem der Beklagte seinen Wohnsitz oder den Sitz seiner Hauptniederlassung oder – in Ermangelung derselben – seinen Geschäftssitz hat, und
c) der Beklagte nicht über ausreichende Kenntnisse der Verfahrenssprache verfügt.
KAPITEL III – VERFAHREN VOR DEM GERICHT
Artikel 52
Schriftliches Verfahren, Zwischenverfahren und mündliches Verfahren
(1) Das Verfahren vor dem Gericht umfasst nach Maßgabe der Verfahrensordnung ein schriftliches Verfahren, ein Zwischenverfahren und ein mündliches Verfahren. Alle Verfahren werden auf flexible und ausgewogene Weise durchgeführt.
(2) Im Rahmen des sich an das schriftliche Verfahren anschließenden Zwischenverfahrens obliegt es gegebenenfalls und vorbehaltlich eines Mandats des gesamten Spruchkörpers dem als Berichterstatter tätigen Richter, eine Zwischenanhörung einzuberufen. Dieser Richter prüft zusammen mit den Parteien insbesondere die Möglichkeit eines Vergleichs, auch im Wege der Mediation, und/oder eines Schiedsverfahrens unter Inanspruchnahme der Dienste des in Artikel 35 genannten Zentrums.
(3) Im Rahmen des mündlichen Verfahrens erhalten die Parteien Gelegenheit zur ordnungsgemäßen Darlegung ihrer Argumente. Das Gericht kann mit Zustimmung der Parteien ohne mündliche Anhörung entscheiden.
Artikel 53
Beweismittel
(1) In den Verfahren vor dem Gericht sind insbesondere folgende Beweismittel zulässig:
a) Anhörung der Parteien;
b) Einholung von Auskünften;
c) Vorlage von Urkunden;
d) Vernehmung von Zeugen;
e) Gutachten durch Sachverständige;
f) Einnahme des Augenscheins;
g) Vergleichstests oder Versuche;
h) Abgabe einer schriftlichen eidesstattlichen Erklärung (Affidavit).
(2) Die Verfahrensordnung regelt das Verfahren zur Durchführung der Beweisaufnahme. Die Vernehmung der Zeugen und Sachverständigen erfolgt unter der Aufsicht des Gerichts und beschränkt sich auf das notwendige Maß.
Artikel 54
Beweislast
Die Beweislast für Tatsachen trägt unbeschadet des Artikels 24 Absätze 2 und 3 die Partei, die sich auf diese Tatsachen beruft.
Artikel 55
Umkehr der Beweislast
(1) Ist der Gegenstand eines Patents ein Verfahren zur Herstellung eines neuen Erzeugnisses, so gilt unbeschadet des Artikels 24 Absätze 2 und 3 bis zum Beweis des Gegenteils jedes identische ohne Zustimmung des Patentinhabers hergestellte Erzeugnis als nach dem patentierten Verfahren hergestellt.
(2) Der Grundsatz des Absatzes 1 gilt auch, wenn mit erheblicher Wahrscheinlichkeit das identische Erzeugnis nach dem patentierten Verfahren hergestellt wurde und es dem Patentinhaber trotz angemessener Bemühungen nicht gelungen ist, das tatsächlich für solch ein identisches Erzeugnis angewandte Verfahren festzustellen.
(3) Bei der Führung des Beweises des Gegenteils werden die berechtigten Interessen des Beklagten an der Wahrung seiner Produktions- und Geschäftsgeheimnisse berücksichtigt.
KAPITEL IV – BEFUGNISSE DES GERICHTS
Artikel 56
Allgemeine Befugnisse des Gerichts
(1) Das Gericht kann die in diesem Übereinkommen festgelegten Maßnahmen, Verfahren und Abhilfemaßnahmen anordnen und seine Anordnungen nach Maßgabe der Verfahrensordnung von Bedingungen abhängig machen.
(2) Das Gericht trägt den Interessen der Parteien gebührend Rechnung und gewährt den Parteien vor Erlass einer Anordnung rechtliches Gehör, es sei denn, dies ist mit der wirksamen Durchsetzung der Anordnung nicht vereinbar.
Artikel 57
Gerichtssachverständige
(1) Das Gericht kann unbeschadet der für die Parteien bestehenden Möglichkeit, Sachverständigenbeweise vorzulegen, jederzeit Gerichtssachverständige bestellen, damit diese Gutachten zu bestimmten Aspekten einer Rechtsstreitigkeit abgeben. Das Gericht stellt dem bestellten Sachverständigen alle Informationen zur Verfügung, die er benötigt, um sein Gutachten erstatten zu können.
(2) Hierzu erstellt das Gericht nach Maßgabe der Verfahrensordnung ein nicht verbindliches Verzeichnis von Sachverständigen. Dieses Verzeichnis wird vom Kanzler geführt.
(3) Die Gerichtssachverständigen müssen die Gewähr für Unabhängigkeit und Unparteilichkeit bieten. Die für Richter geltenden Vorschriften des Artikels 7 der Satzung für die Regelung von Interessenkonflikten gelten für die Gerichtssachverständigen entsprechend.
(4) Die dem Gericht von den Gerichtssachverständigen vorgelegten Gutachten werden den Parteien zur Verfügung gestellt; diese erhalten Gelegenheit zur Stellungnahme.
Artikel 58
Schutz vertraulicher Informationen
Das Gericht kann zum Schutz von Geschäftsgeheimnissen, personenbezogenen Daten oder sonstigen vertraulichen Informationen einer Verfahrenspartei oder eines Dritten oder zur Verhinderung eines Missbrauchs von Beweismitteln anordnen, dass die Erhebung und Verwendung von Beweisen in den vor ihm geführten Verfahren eingeschränkt oder für unzulässig erklärt werden oder der Zugang zu solchen Beweismitteln auf bestimmte Personen beschränkt wird.
Artikel 59
Anordnung der Beweisvorlage
(1) Auf Antrag einer Partei, die alle vernünftigerweise verfügbaren Beweismittel zur hinreichenden Begründung ihrer Ansprüche vorgelegt und die in der Verfügungsgewalt der gegnerischen Partei oder einer dritten Partei befindlichen Beweismittel zur Begründung ihrer Ansprüche bezeichnet hat, kann das Gericht die Vorlage dieser Beweismittel durch die gegnerische Partei oder eine dritte Partei anordnen, sofern der Schutz vertraulicher Informationen gewährleistet wird. Eine solche Anordnung darf nicht zu einer Pflicht zur Selbstbelastung führen.
(2) Das Gericht kann auf Antrag einer Partei unter den Voraussetzungen des Absatzes 1 die Übermittlung von in der Verfügungsgewalt der gegnerischen Partei befindlichen Bank-, Finanz- oder Handelsunterlagen anordnen, sofern der Schutz vertraulicher Informationen gewährleistet wird.
Artikel 60
Anordnung der Beweissicherung und der Inspektion von Räumlichkeiten
(1) Auf Ersuchen des Antragstellers, der alle vernünftigerweise verfügbaren Beweismittel zur Begründung der Behauptung, dass das Patent verletzt worden ist oder verletzt zu werden droht, vorgelegt hat, kann das Gericht selbst vor Einleitung eines Verfahrens in der Sache schnelle und wirksame einstweilige Maßnahmen zur Sicherung der rechtserheblichen Beweismittel hinsichtlich der behaupteten Verletzung anordnen, sofern der Schutz vertraulicher Informationen gewährleistet wird.
(2) Diese Maßnahmen können die ausführliche Beschreibung mit oder ohne Einbehaltung von Mustern oder die dingliche Beschlagnahme der verletzenden Erzeugnisse sowie gegebenenfalls der für die Herstellung und/oder den Vertrieb dieser Erzeugnisse verwendeten Materialien und Geräte und der zugehörigen Unterlagen umfassen.
(3) Das Gericht kann selbst vor Einleitung eines Verfahrens in der Sache auf Ersuchen des Antragstellers, der Beweismittel zur Begründung der Behauptung, dass das Patent verletzt worden ist oder verletzt zu werden droht, vorgelegt hat, die Inspektion von Räumlichkeiten anordnen. Eine Inspektion von Räumlichkeiten wird von einer vom Gericht nach Maßgabe der Verfahrensordnung bestellten Person vorgenommen.
(4) Der Antragsteller ist bei der Inspektion der Räumlichkeiten nicht zugegen; er kann sich jedoch von einem unabhängigen Fachmann vertreten lassen, der in der gerichtlichen Anordnung namentlich zu nennen ist.
(5) Die Maßnahmen werden nötigenfalls ohne Anhörung der anderen Partei angeordnet, insbesondere dann, wenn durch eine Verzögerung dem Inhaber des Patents wahrscheinlich ein nicht wiedergutzumachender Schaden entstünde, oder wenn nachweislich die Gefahr besteht, dass Beweise vernichtet werden.
(6) Werden Maßnahmen zur Beweissicherung oder Inspektion von Räumlichkeiten ohne Anhörung der anderen Partei angeordnet, so sind die betroffenen Parteien unverzüglich, spätestens jedoch unmittelbar nach Vollziehung der Maßnahmen davon in Kenntnis zu setzen. Auf Antrag der betroffenen Parteien findet eine Prüfung, die das Recht zur Stellungnahme einschließt, mit dem Ziel statt, innerhalb einer angemessenen Frist nach der Mitteilung der Maßnahmen zu entscheiden, ob diese abgeändert, aufgehoben oder bestätigt werden müssen.
(7) Die Maßnahmen zur Beweissicherung können davon abhängig gemacht werden, dass der Antragsteller eine angemessene Kaution stellt oder eine entsprechende Sicherheit leistet, um gemäß Absatz 9 eine Entschädigung des Antragsgegners für den von diesem erlittenen Schaden sicherzustellen.
(8) Das Gericht stellt sicher, dass die Maßnahmen zur Beweissicherung auf Antrag des Antragsgegners unbeschadet etwaiger Schadensersatzforderungen aufgehoben oder auf andere Weise außer Kraft gesetzt werden, wenn der Antragsteller nicht innerhalb einer Frist – die 31 Kalendertage oder 20 Arbeitstage nicht überschreitet, wobei der längere der beiden Zeiträume gilt – bei dem Gericht eine Klage anstrengt, die zu einer Sachentscheidung führt.
(9) Werden Maßnahmen zur Beweissicherung aufgehoben oder werden sie aufgrund einer Handlung oder Unterlassung des Antragstellers hinfällig, oder wird in der Folge festgestellt, dass keine Verletzung oder drohende Verletzung des Patents vorlag, so kann das Gericht auf Antrag des Antragsgegners anordnen, dass der Antragsteller dem Antragsgegner angemessen Ersatz für einen aufgrund dieser Maßnahmen entstandenen Schaden zu leisten hat.
Artikel 61
Arrest
(1) Auf Ersuchen des Antragstellers, der alle vernünftigerweise verfügbaren Beweismittel zur Begründung der Behauptung, dass das Patent verletzt worden ist oder verletzt zu werden droht, vorgelegt hat, kann das Gericht selbst vor Einleitung eines Verfahrens in der Sache einer Partei untersagen, Vermögensgegenstände aus seinem Zuständigkeitsbereich zu verbringen oder über Vermögensgegenständen zu verfügen, unabhängig davon, ob sie sich in seinem Zuständigkeitsbereich befinden oder nicht.
(2) Artikel 60 Absätze 5 bis 9 gelten für die in diesem Artikel genannten Maßnahmen entsprechend.
Artikel 62
Einstweilige Maßnahmen und Sicherungsmaßnahmen
(1) Das Gericht kann im Wege einer Anordnung gegen einen angeblichen Verletzer oder eine Mittelsperson, deren Dienste der angebliche Verletzer in Anspruch nimmt, Verfügungen erlassen, um eine drohende Verletzung zu verhindern, die Fortsetzung der angeblichen Verletzung einstweilig und gegebenenfalls unter Androhung von Zwangsgeldern zu untersagen oder die Fortsetzung an die Stellung von Sicherheiten zu knüpfen, durch die eine Entschädigung des Rechtsinhabers gewährleistet werden soll.
(2) Das Gericht wägt nach Ermessen die Interessen der Parteien gegeneinander ab und berücksichtigt dabei insbesondere den möglichen Schaden, der einer der Parteien aus dem Erlass der Verfügung oder der Abweisung des Antrags erwachsen könnte.
(3) Das Gericht kann auch die Beschlagnahme oder Herausgabe der Erzeugnisse, bei denen der Verdacht auf Verletzung des Patents besteht, anordnen, um deren Inverkehrbringen und Umlauf auf den Vertriebswegen zu verhindern. Das Gericht kann die vorsorgliche Beschlagnahme beweglichen und unbeweglichen Vermögens des angeblichen Verletzers einschließlich der Sperrung der Bankkonten und der Beschlagnahme sonstiger Vermögenswerte des angeblichen Verletzers anordnen, wenn der Antragsteller glaubhaft macht, dass die Erfüllung seiner Schadensersatzforderung fraglich ist.
(4) Im Falle der Maßnahmen nach den Absätzen 1 und 3 kann das Gericht dem Antragsteller auferlegen, alle vernünftigerweise verfügbaren Beweise vorzulegen, um sich mit ausreichender Sicherheit davon überzeugen zu können, dass der Antragsteller der Rechtsinhaber ist und dass das Recht des Antragstellers verletzt wird oder dass eine solche Verletzung droht.
(5) Artikel 60 Absätze 5 bis 9 gelten für die in diesem Artikel genannten Maßnahmen entsprechend.
Artikel 63
Endgültige Verfügungen
(1) Wird eine Patentverletzung festgestellt, so kann das Gericht gegen den Verletzer eine Verfügung erlassen, durch die die Fortsetzung der Verletzung untersagt wird. Das Gericht kann auch eine Verfügung gegen Mittelspersonen erlassen, deren Dienste von einem Dritten zwecks Verletzung eines Patents in Anspruch genommen werden.
(2) Gegebenenfalls werden bei Nichteinhaltung der Verfügung nach Absatz 1 an das Gericht zu zahlende Zwangsgelder verhängt.
Artikel 64
Abhilfemaßnahmen im Rahmen von Verletzungsverfahren
(1) Das Gericht kann auf Antrag des Antragstellers anordnen, dass in Bezug auf Erzeugnisse, die nach seinen Feststellungen ein Patent verletzen, und gegebenenfalls in Bezug auf Materialien und Geräte, die vorwiegend zur Schaffung oder Herstellung dieser Erzeugnisse verwendet wurden, unbeschadet etwaiger Schadensersatzansprüche der geschädigten Partei aus der Verletzung sowie ohne Entschädigung irgendwelcher Art geeignete Maßnahmen getroffen werden.
(2) Zu diesen Maßnahmen gehört
a) die Feststellung einer Verletzung,
b) der Rückruf der Erzeugnisse aus den Vertriebswegen,
c) die Beseitigung der verletzenden Eigenschaft des Erzeugnisses,
d) die endgültige Entfernung der Erzeugnisse aus den Vertriebswegen oder
e) die Vernichtung der Erzeugnisse und/ oder der betreffenden Materialien und Geräte.
(3) Das Gericht ordnet an, dass die betreffenden Maßnahmen auf Kosten des Verletzers durchgeführt werden, es sei denn, es werden besondere Gründe geltend gemacht, die dagegen sprechen.
(4) Bei der Prüfung eines Antrags auf Anordnung von Abhilfemaßnahmen nach diesem Artikel berücksichtigt das Gericht das Erfordernis der Verhältnismäßigkeit zwischen der Schwere der Verletzung und den anzuordnenden Abhilfemaßnahmen, die Bereitschaft des Verletzers, das Material in einen nichtverletzenden Zustand zu versetzen, sowie die Interessen Dritter.
Artikel 65
Entscheidung über die Gültigkeit eines Patents
(1) Das Gericht entscheidet über die Gültigkeit eines Patents auf der Grundlage einer Klage auf Nichtigerklärung oder einer Widerklage auf Nichtigerklärung.
(2) Das Gericht kann ein Patent nur aus den in Artikel 138 Absatz 1 und Artikel 139 Absatz 2 EPÜ genannten Gründen entweder ganz oder teilweise für nichtig erklären.
(3) Betreffen die Nichtigkeitsgründe nur einen Teil des Patents, so wird das Patent unbeschadet des Artikels 138 Absatz 3 EPÜ durch eine entsprechende Änderung der Patentansprüche beschränkt und teilweise für nichtig erklärt.
(4) Soweit ein Patent für nichtig erklärt wurde, gelten die in den Artikeln 64 und 67 EPÜ genannten Wirkungen als von Anfang an nicht eingetreten.
(5) Erklärt das Gericht ein Patent in einer Endentscheidung ganz oder teilweise für nichtig, so übersendet es eine Abschrift der Entscheidung an das Europäische Patentamt und im Falle eines europäischen Patents an das nationale Patentamt des betreffenden Vertragsmitgliedstaats.
Artikel 66
Befugnisse des Gerichts in Bezug auf Entscheidungen des Europäischen Patentamts
(1) Bei Klagen nach Artikel 32 Absatz 1 Buchstabe i kann das Gericht alle Befugnisse ausüben, die dem Europäischen Patentamt nach Artikel 9 der Verordnung (EU) Nr. 1257/2012 übertragen wurden, einschließlich der Berichtigung des Registers für den einheitlichen Patentschutz.
(2) Bei Klagen nach Artikel 32 Absatz 1 Buchstabe i tragen die Parteien abweichend von Artikel 69 ihre eigenen Kosten.
Artikel 67
Befugnis, die Erteilung einer Auskunft anzuordnen
(1) Das Gericht kann auf einen begründeten und die Verhältnismäßigkeit wahrenden Antrag des Antragstellers hin nach Maßgabe der Verfahrensordnung anordnen, dass der Verletzer dem Antragsteller über Folgendes Auskunft erteilt:
a) Ursprung und Vertriebswege der verletzenden Erzeugnisse oder Verfahren,
b) die erzeugten, hergestellten, ausgelieferten, erhaltenen oder bestellten Mengen und die Preise, die für die verletzenden Erzeugnisse gezahlt wurden und
c) die Identität aller an der Herstellung oder dem Vertrieb von verletzenden Erzeugnissen oder an der Anwendung des verletzenden Verfahrens beteiligten dritten Personen.
(2) Das Gericht kann nach Maßgabe der Verfahrensordnung ferner anordnen, dass jede dritte Partei, die
a) nachweislich verletzende Erzeugnisse in gewerblichem Ausmaß in ihrem Besitz hatte oder die ein verletzendes Verfahren in gewerblichem Ausmaß angewandt hat,
b) nachweislich für verletzende Tätigkeiten genutzte Dienstleistungen in gewerblichem Ausmaß erbracht hat oder
c) nach den Angaben einer unter den Buchstaben a und b genannten Person an der Erzeugung, Herstellung oder am Vertrieb verletzender Erzeugnisse oder Verfahren bzw. an der Erbringung solcher Dienstleistungen beteiligt war, dem Antragsteller die in Absatz 1 genannten Auskünfte erteilt.
Artikel 68
Zuerkennung von Schadenersatz
(1) Das Gericht ordnet auf Antrag der geschädigten Partei an, dass der Verletzer, der wusste oder vernünftigerweise hätte wissen müssen, dass er eine Patentverletzungshandlung vornahm, der geschädigten Partei zum Ausgleich des von ihr wegen der Verletzung erlittenen tatsächlichen Schadens angemessenen Schadenersatz zu leisten hat.
(2) Die geschädigte Partei ist soweit wie möglich in die Lage zu versetzen, in der sie sich ohne die Verletzung befunden hätte. Dem Verletzer darf kein Nutzen aus der Verletzung erwachsen. Der Schadenersatz hat jedoch keinen Strafcharakter.
(3) Bei der Festsetzung des Schadenersatzes verfährt das Gericht wie folgt:
a) Es berücksichtigt alle in Frage kommenden Aspekte, wie die negativen wirtschaftlichen Auswirkungen, einschließlich der Gewinneinbußen für die geschädigte Partei und der zu Unrecht erzielten Gewinne des Verletzers, sowie in geeigneten Fällen auch andere als wirtschaftliche Faktoren, wie den immateriellen Schaden für die geschädigte Partei, oder
b) es kann stattdessen in geeigneten Fällen den Schadensersatz als Pauschalbetrag festsetzen, und zwar auf der Grundlage von Faktoren wie mindestens dem Betrag der Vergütung oder Gebühr, die der Verletzer hätte entrichten müssen, wenn er die Erlaubnis zur Nutzung des betreffenden Patents eingeholt hätte.
(4) Für Fälle, in denen der Verletzer die Verletzungshandlung vorgenommen hat, ohne dass er dies wusste oder vernünftigerweise hätte wissen müssen, kann das Gericht die Herausgabe der Gewinne oder die Zahlung einer Entschädigung anordnen.
Artikel 69
Kosten des Rechtsstreits
(1) Die Kosten des Rechtsstreits und sonstigen Kosten der obsiegenden Partei werden in der Regel, soweit sie zumutbar und angemessen sind, bis zu einer gemäß der Verfahrensordnung festgelegten Obergrenze von der unterlegenen Partei getragen, sofern Billigkeitsgründe dem nicht entgegenstehen.
(2) Obsiegt eine Partei nur teilweise oder liegen außergewöhnliche Umständen vor, so kann das Gericht anordnen, dass die Kosten nach Billigkeit verteilt werden oder die Parteien ihre Kosten selbst tragen.
(3) Eine Partei, die dem Gericht oder einer anderen Partei unnötige Kosten verursacht hat, soll diese tragen.
(4) Auf Antrag des Beklagten kann das Gericht anordnen, dass der Antragsteller für die Kosten des Rechtsstreits und sonstigen Kosten des Beklagten, die der Antragsteller möglicherweise tragen muss, angemessene Sicherheiten zu leisten hat, insbesondere in den in den Artikeln 59 bis 62 genannten Fällen.
Artikel 70
Gerichtsgebühren
(1) Die Verfahrensparteien haben Gerichtsgebühren zu entrichten.
(2) Sofern in der Verfahrensordnung nicht anderweitig festgelegt, sind die Gerichtsgebühren im Voraus zu entrichten. Eine Partei, die eine vorgeschriebene Gerichtsgebühr nicht entrichtet hat, kann von der weiteren Beteiligung am Verfahren ausgeschlossen werden.
Artikel 71
Prozesskostenhilfe
(1) Ist eine Partei, die eine natürliche Person ist, außerstande, die Kosten des Verfahrens ganz oder teilweise zu bestreiten, so kann sie jederzeit Prozesskostenhilfe beantragen. Die Bedingungen für die Gewährung von Prozesskostenhilfe werden in der Verfahrensordnung festgelegt.
(2) Das Gericht entscheidet nach Maßgabe der Verfahrensordnung, ob die Prozesskostenhilfe ganz oder teilweise bewilligt oder versagt werden soll.
(3) Der Verwaltungsausschuss legt auf Vorschlag des Gerichts die Höhe der Prozesskostenhilfe und die Regeln für die diesbezügliche Kostentragung fest.
Artikel 72
Verjährungsfrist
Unbeschadet des Artikels 24 Absätze 2 und 3 können Klagen im Zusammenhang mit allen Formen der finanziellen Entschädigung nicht später als fünf Jahre, nachdem der Antragsteller von dem letzten Ereignis, das Veranlassung zur Klage bietet, Kenntnis erlangte oder vernünftigerweise hätte erlangen müssen, erhoben werden.
KAPITEL V – RECHTSMITTEL
Artikel 73
Berufung
(1) Eine Partei, die mit ihren Anträgen ganz oder teilweise unterlegen ist, kann beim Berufungsgericht innerhalb von zwei Monaten ab dem Tag, an dem die Entscheidung zugestellt worden ist, Berufung gegen eine Entscheidung des Gerichts erster Instanz einlegen.
(2) Eine Partei, die mit ihren Anträgen ganz oder teilweise unterlegen ist, kann gegen eine Anordnung des Gerichts erster Instanz beim Berufungsgericht Berufung einlegen, und zwar
a) bei den Anordnungen gemäß Artikel 49 Absatz 5 sowie den Artikeln 59 bis 62 und 67 innerhalb von 15 Kalendertagen nach Zustellung der Anordnung an den Antragsteller;
b) bei anderen als den unter Buchstabe a genannten Anordnungen
i) zusammen mit der Berufung gegen die Entscheidung oder
ii) wenn das Gericht die Berufung zulässt, innerhalb von 15 Tagen nach Zustellung der entsprechenden Entscheidung des Gerichts.
(3) Die Berufung gegen eine Entscheidung oder eine Anordnung des Gerichts erster Instanz kann auf rechtliche und tatsächliche Gesichtspunkte gestützt werden.
(4) Neue Tatsachen und neue Beweismittel können nur vorgelegt werden, wenn dies mit der Verfahrensordnung im Einklang steht und vernünftigerweise nicht davon ausgegangen werden konnte, dass die betreffende Partei diese Tatsachen und Beweismittel im Verfahren vor dem Gericht erster Instanz hätte vorlegen können.
Artikel 74
Wirkung der Berufung
(1) Die Berufung hat keine aufschiebende Wirkung, sofern das Berufungsgericht auf begründeten Antrag einer der Parteien nicht etwas anderes beschließt. In der Verfahrensordnung wird sichergestellt, dass ein solcher Beschluss unverzüglich gefasst wird.
(2) Ungeachtet des Absatzes 1 hat die Berufung gegen eine Entscheidung im Zusammenhang mit Klagen oder Widerklagen auf Nichtigerklärung und im Zusammenhang mit Klagen aufgrund von Artikel 32 Absatz 1 Buchstabe i stets aufschiebende Wirkung.
(3) Die Berufung gegen eine Anordnung gemäß Artikel 49 Absatz 5 oder den Artikeln 59 bis 62 oder 67 hindert nicht die Fortsetzung des Ausgangsverfahrens. Bis zu einer Entscheidung des Berufungsgerichts über die angefochtene Anordnung darf das Gericht erster Instanz jedoch keine Entscheidung im Ausgangsverfahren erlassen.
Artikel 75
Entscheidung über die Berufung und Zurückverweisung
(1) Ist eine Berufung gemäß Artikel 73 begründet, so hebt das Berufungsgericht die Entscheidung des Gerichts erster Instanz auf und erlässt eine Endentscheidung. In Ausnahmefällen und im Einklang mit der Verfahrensordnung kann das Berufungsgericht die Sache an das Gericht erster Instanz zur Entscheidung zurückverweisen.
(2) Wird eine Sache gemäß Absatz 1 an das Gericht erster Instanz zurückverwiesen, so ist dieses an die rechtliche Beurteilung in der Entscheidung des Berufungsgerichts gebunden.
KAPITEL VI – ENTSCHEIDUNGEN
Artikel 76
Entscheidungsgrundlage und rechtliches Gehör
(1) Das Gericht entscheidet nach Maßgabe der von den Parteien gestellten Anträge und darf nicht mehr zusprechen, als beantragt ist.
(2) Sachentscheidungen dürfen nur auf Gründe, Tatsachen und Beweismittel gestützt werden, die von den Parteien vorgebracht oder auf Anordnung des Gerichts in das Verfahren eingebracht wurden und zu denen die Parteien Gelegenheit zur Stellungnahme hatten.
(3) Das Gericht würdigt die Beweise frei und unabhängig.
Artikel 77
Formerfordernisse
(1) Die Entscheidungen und Anordnungen des Gerichts sind im Einklang mit der Verfahrensordnung zu begründen und schriftlich abzufassen.
(2) Die Entscheidungen und Anordnungen des Gerichts werden in der Verfahrenssprache abgefasst.
Artikel 78
Entscheidungen des Gerichts und abweichende Meinungen
(1) Die Entscheidungen und Anordnungen des Gerichts trifft der Spruchkörper mit Mehrheit nach Maßgabe der Satzung. Bei Stimmengleichheit ist die Stimme des vorsitzenden Richters ausschlaggebend.
(2) In Ausnahmefällen kann jeder Richter des Spruchkörpers eine abweichende Meinung getrennt von der Entscheidung des Gerichts zum Ausdruck bringen.
Artikel 79
Vergleich
Die Parteien können im Laufe des Verfahrens jederzeit ihren Rechtsstreit im Wege eines Vergleichs beenden, der durch eine Entscheidung des Gerichts bestätigt wird. Ein Patent kann jedoch durch einen Vergleich weder für nichtig erklärt noch beschränkt werden.
Artikel 80
Veröffentlichung von Entscheidungen
Das Gericht kann auf Antrag des Antragstellers und auf Kosten des Verletzers geeignete Maßnahmen zur Verbreitung von Informationen über die betreffende Entscheidung des Gerichts einschließlich der Bekanntmachung der Entscheidung sowie ihrer vollständigen oder teilweisen Veröffentlichung in den Medien anordnen.
Artikel 81
Wiederaufnahme des Verfahrens
(1) Nach einer Endentscheidung des Gerichts kann das Berufungsgericht ausnahmsweise einem Antrag auf Wiederaufnahme des Verfahrens stattgeben, wenn
a) die die Wiederaufnahme beantragende Partei einer Tatsache von entscheidender Bedeutung gewahr wird, die der die Wiederaufnahme beantragenden Partei vor Verkündung der Entscheidung unbekannt war; einem solchen Antrags darf nur wegen einer Handlung stattgegeben werden, die durch eine Endentscheidung eines nationalen Gerichts als Straftat qualifiziert wurde, oder
b) ein grundlegender Verfahrensfehler vorliegt, insbesondere wenn einem nicht vor Gericht erschienenen Beklagten das verfahrenseinleitende Schriftstück oder ein gleichwertiges Schriftstück nicht so rechtzeitig und in einer Weise zugestellt worden ist, dass er sich verteidigen konnte.
(2) Der Wiederaufnahmeantrag ist binnen zehn Jahren ab dem Zeitpunkt der Entscheidung, spätestens jedoch zwei Monate ab dem Zeitpunkt des Bekanntwerdens der neuen Tatsache oder des Verfahrensfehlers einzureichen. Ein solcher Antrag hat keine aufschiebende Wirkung, es sei denn, das Berufungsgericht entscheidet anders.
(3) Im Einklang mit der Verfahrensordnung hebt das Berufungsgericht die zu überprüfende Entscheidung ganz oder teilweise auf und ordnet die Wiederaufnahme des Verfahrens zur neuen Verhandlung und Entscheidung an, wenn der Wiederaufnahmeantrag begründet ist.
(4) Personen, die in gutem Glauben Patente nutzen, die Gegenstand einer zu überprüfenden Entscheidung sind, soll gestattet werden, die Patente auch weiterhin zu nutzen.
Artikel 82
Vollstreckung der Entscheidungen und Anordnungen
(1) Die Entscheidungen und Anordnungen des Gerichts sind in allen Vertragsmitgliedstaaten vollstreckbar. Eine Anordnung zur Vollstreckung einer Entscheidung wird der Entscheidung des Gerichts beigefügt.
(2) Gegebenenfalls kann die Vollstreckung einer Entscheidung davon abhängig gemacht werden, dass eine Sicherheit oder gleichwertige Garantien gestellt werden, die insbesondere im Falle von Verfügungen eine Entschädigung für erlittenen Schaden sicherstellen.
(3) Unbeschadet dieses Übereinkommens und der Satzung unterliegt das Vollstreckungsverfahren dem Recht des Vertragsmitgliedstaates, in dem die Vollstreckung erfolgt. Entscheidungen des Gerichts werden unter den gleichen Bedingungen vollstreckt wie Entscheidungen, die in dem Vertragsmitgliedstaat, in dem die Vollstreckung erfolgt, ergangen sind.
(4) Leistet eine Partei einer Anordnung des Gerichts nicht Folge, so kann sie mit an das Gericht zu zahlenden Zwangsgeldern belegt werden. Das einzelne Zwangsgeld muss im angemessenen Verhältnis zu der Bedeutung der zu vollstreckenden Anordnung stehen und lässt das Recht der Partei, Schadenersatz oder eine Sicherheit zu fordern, unberührt.
TEIL IV – ÜBERGANGSBESTIMMUNGEN
Artikel 83
Übergangsregelung
(1) Während einer Übergangszeit von sieben Jahren nach dem Inkrafttreten dieses Übereinkommens können Klagen wegen Verletzung bzw. auf Nichtigerklärung eines europäischen Patents oder Klagen wegen Verletzung bzw. auf Nichtigerklärung eines ergänzenden Schutzzertifikats, das zu einem durch ein europäisches Patent geschützten Erzeugnis ausgestellt worden ist, weiterhin bei nationalen Gerichten oder anderen zuständigen nationalen Behörden erhoben werden.
(2) Klagen, die am Ende der Übergangszeit vor einem nationalen Gericht anhängig sind, werden durch den Ablauf der Übergangszeit nicht berührt.
(3) Ist noch keine Klage vor dem Gericht erhoben worden, so kann ein Inhaber oder Anmelder eines europäischen Patents, das vor Ablauf der Übergangszeit nach Absatz 1 und gegebenenfalls Absatz 5 erteilt oder beantragt worden ist, sowie ein Inhaber eines ergänzenden Schutzzertifikats, das zu einem durch ein europäisches Patent geschützten Erzeugnis erteilt worden ist, die ausschließliche Zuständigkeit des Gerichts ausschließen. Zu diesem Zweck muss er der Kanzlei spätestens einen Monat vor Ablauf der Übergangszeit eine Mitteilung über die Inanspruchnahme dieser Ausnahmeregelung zukommen lassen. Die Inanspruchnahme der Ausnahmeregelung wird mit der Eintragung der entsprechenden Mitteilung in das Register wirksam.
(4) Sofern noch keine Klage vor einem nationalen Gericht erhoben worden ist, können Inhaber oder Anmelder europäischer Patente oder Inhaber ergänzender Schutzzertifikate, die zu einem durch ein europäisches Patent geschützten Erzeugnis erteilt worden sind, die die Ausnahmeregelung nach Absatz 3 in Anspruch genommen haben, jederzeit von dieser Ausnahmeregelung zurücktreten. In diesem Fall setzen sie die Kanzlei davon in Kenntnis. Der Verzicht auf die Inanspruchnahme der Ausnahmeregelung wird mit der Eintragung der entsprechenden Mitteilung in das Register wirksam.
(5) Fünf Jahre nach dem Inkrafttreten dieses Übereinkommens führt der Verwaltungsausschuss eine eingehende Konsultation der Nutzer des Patentsystems und eine Erhebung durch, um die Zahl der europäischen Patente und der ergänzenden Schutzzertifikate, die zu einem durch ein europäisches Patent geschützten Erzeugnis erteilt worden sind, derentwegen weiterhin nach Absatz 1 Klagen wegen Verletzung oder auf Nichtigerklärung bei den nationalen Gerichten erhoben werden, die Gründe dafür und die damit verbundenen Auswirkungen zu ermitteln. Auf Grundlage dieser Konsultation und einer Stellungnahme des Gerichts kann der Verwaltungsausschuss beschließen, die Übergangszeit um bis zu sieben Jahre zu verlängern.
TEIL V – SCHLUSSBESTIMMUNGEN
Artikel 84
Unterzeichnung, Ratifikation und Beitritt
(1) Dieses Übereinkommen liegt für alle Mitgliedstaaten am 19. Februar 2013 zur Unterzeichnung auf.
(2) Dieses Übereinkommen bedarf der Ratifikation nach Maßgabe der jeweiligen verfassungsrechtlichen Erfordernisse der Mitgliedstaaten. Die Ratifikationsurkunden werden beim Generalsekretariat des Rates der Europäischen Union (im Folgenden "Verwahrer") hinterlegt.
(3) Jeder Mitgliedstaat, der dieses Übereinkommen unterzeichnet hat, notifiziert der Europäischen Kommission seine Ratifikation des Übereinkommens zum Zeitpunkt der Hinterlegung seiner Ratifikationsurkunde gemäß Artikel 18 Absatz 3 der Verordnung (EU) Nr. 1257/2012.
(4) Dieses Übereinkommen steht allen Mitgliedstaaten zum Beitritt offen. Die Beitrittsurkunden werden beim Verwahrer hinterlegt.
Artikel 85
Aufgaben des Verwahrers
(1) Der Verwahrer erstellt beglaubigte Abschriften dieses Übereinkommens und übermittelt sie den Regierungen aller Mitgliedstaaten, die das Übereinkommen unterzeichnen oder ihm beitreten.
(2) Der Verwahrer notifiziert den Regierungen der Mitgliedstaaten, die das Übereinkommen unterzeichnen oder ihm beitreten,
a) jede Unterzeichnung;
b) die Hinterlegung jeder Ratifikations- oder Beitrittsurkunde;
c) den Zeitpunkt des Inkrafttretens dieses Übereinkommens.
(3) Der Verwahrer lässt dieses Übereinkommen beim Sekretariat der Vereinten Nationen registrieren.
Artikel 86
Geltungsdauer des Übereinkommens
Dieses Übereinkommen wird auf unbegrenzte Zeit geschlossen.
Artikel 87
Revision des Übereinkommens
(1) Entweder sieben Jahre nach Inkrafttreten dieses Übereinkommens oder sobald 2000 Verletzungsverfahren vom Gericht entschieden worden sind – je nachdem, was später eintritt – und sofern erforderlich in der Folge in regelmäßigen Abständen, führt der Verwaltungsausschuss eine eingehende Konsultation der Nutzer des Patentsystems durch, die folgenden Aspekten gewidmet ist: Arbeitsweise, Effizienz und Kostenwirksamkeit des Gerichts sowie Vertrauen der Nutzer des Patentsystems in die Qualität der Entscheidungen des Gerichts. Auf Grundlage dieser Konsultation und einer Stellungnahme des Gerichts kann der Verwaltungsausschuss beschließen, dieses Übereinkommen zu überarbeiten, um die Arbeitsweise des Gerichts zu verbessern.
(2) Der Verwaltungsausschuss kann dieses Übereinkommen ändern, um es mit einem internationalen Vertrag auf dem Gebiet des Patentwesens oder mit dem Unionsrecht in Einklang zu bringen.
(3) Ein aufgrund der Absätze 1 und 2 gefasster Beschluss des Verwaltungsausschusses wird nicht wirksam, wenn ein Vertragsmitgliedstaat binnen zwölf Monaten ab dem Zeitpunkt des Beschlusses auf Grundlage seiner einschlägigen nationalen Entscheidungsverfahren erklärt, dass er nicht durch den Beschluss gebunden sein will. In diesem Fall wird eine Überprüfungskonferenz der Vertragsmitgliedstaaten einberufen.
Artikel 88
Sprachen des Übereinkommens
(1) Dieses Übereinkommen ist in einer Urschrift in deutscher, englischer und französischer Sprache abgefasst, wobei jeder Wortlaut gleichermaßen verbindlich ist.
(2) Die in anderen als den in Absatz 1 genannten Amtssprachen von Vertragsmitgliedstaaten erstellten Wortlaute dieses Übereinkommens werden als amtliche Fassungen betrachtet, wenn sie vom Verwaltungsausschuss genehmigt wurden. Bei Abweichungen zwischen den verschiedenen Wortlaute sind die in Absatz 1 genannten Wortlaute maßgebend.
Artikel 89
Inkrafttreten
(1) Dieses Übereinkommen tritt am 1. Januar 2014 in Kraft oder am ersten Tag des vierten Monats nach Hinterlegung der dreizehnten Ratifikations- oder Beitrittsurkunde gemäß Artikel 84, einschließlich der Hinterlegung durch die drei Mitgliedstaaten, in denen es im Jahr vor dem Jahr der Unterzeichnung des Übereinkommens die meisten geltenden europäischen Patente gab, oder am ersten Tag des vierten Monats nach dem Inkrafttreten der Änderungen der Verordnung (EU) Nr. 1215/2012, die das Verhältnis zwischen jener Verordnung und diesem Übereinkommen betreffen, je nachdem, welcher Zeitpunkt der späteste ist.
(2) Jede Ratifikation bzw. jeder Beitritt nach Inkrafttreten dieses Übereinkommens wird am ersten Tag des vierten Monats nach Hinterlegung der Ratifikations- oder Beitrittsurkunde wirksam.
Zu Urkunde dessen haben die hierzu gehörig befugten Unterzeichneten dieses Übereinkommen unterzeichnet.
Geschehen zu Brüssel am 19. Februar 2013 in einer Urschrift in deutscher, englischer und französischer Sprache, wobei jeder Wortlaut gleichermaßen verbindlich ist; die Urschrift wird im Archiv des Generalsekretariats des Rates der Europäischen Union hinterlegt.
ANHANG I
Satzung des einheitlichen Patentgerichts
Artikel 1
Geltungsbereich der Satzung
Diese Satzung enthält institutionelle und finanzielle Regelungen für das nach Artikel 1 des Übereinkommens errichtete Einheitliche Patentgericht.
KAPITEL I – RICHTER
Artikel 2
Auswahlkriterien für die Richter
(1) Jede Person, die die Staatsangehörigkeit eines Vertragsmitgliedstaats besitzt und die Voraussetzungen nach Artikel 15 des Übereinkommens und nach dieser Satzung erfüllt, kann zum Richter ernannt werden.
(2) Die Richter müssen mindestens eine Amtssprache des Europäischen Patentamts gut beherrschen.
(3) Die nach Artikel 15 Absatz 1 des Übereinkommens für die Ernennung nachzuweisende Erfahrung auf dem Gebiet der Patentstreitigkeiten kann durch Schulungen nach Artikel 11 Absatz 4 Buchstabe a dieser Satzung erworben werden.
Artikel 3
Ernennung der Richter
(1) Die Richter werden gemäß dem in Artikel 16 des Übereinkommens festgelegten Verfahren ernannt.
(2) Offene Stellen werden unter Angabe der entsprechenden, in Artikel 2 festgelegten Auswahlkriterien öffentlich ausgeschrieben. Der Beratende Ausschuss gibt eine Stellungnahme zur Eignung der Bewerber für die Ausübung des Amts eines Richters am Gericht ab. Die Stellungnahme enthält eine Liste der geeignetsten Bewerber. Die Zahl der auf der Liste aufgeführten Bewerber ist mindestens doppelt so hoch wie die Zahl der offenen Stellen. Der Beratende Ausschuss kann erforderlichenfalls empfehlen, dass ein Bewerber für eine Richterstelle eine Schulung in Patentstreitigkeiten nach Artikel 11 Absatz 4 Buchstabe a erhält, bevor über seine Ernennung entschieden wird.
(3) Bei der Ernennung der Richter achtet der Verwaltungsausschuss darauf, dass die zu ernennenden Bewerber über das höchste Niveau an rechtlichem und technischem Sachverstand verfügen, sowie auf eine ausgewogene Zusammensetzung des Gerichts, indem die Richter unter den Staatsangehörigen der Vertragsmitgliedstaaten auf möglichst breiter geografischer Grundlage ausgewählt werden.
(4) Der Verwaltungsausschuss ernennt die für den ordnungsgemäßen Geschäftsgang des Gerichts benötigte Zahl von Richtern. Der Verwaltungsausschuss ernennt zunächst die Zahl von Richtern, die erforderlich ist, um zumindest einen Spruchkörper bei jeder der Kammern des Gerichts erster Instanz und mindestens zwei Spruchkörper beim Berufungsgericht bilden zu können.
(5) Der Beschluss des Verwaltungsausschusses zur Ernennung von rechtlich qualifizierten Vollzeit- oder Teilzeitrichtern und technisch qualifizierten Vollzeitrichtern bezeichnet die Instanz des Gerichts und/oder die Kammer des Gerichts erster Instanz, in die jeder einzelne Richter berufen wird, sowie das oder die Gebiete der Technik, für das bzw. die ein technisch qualifizierter Richter ernannt wird.
(6) Technisch qualifizierte Teilzeitrichter werden zu Richtern des Gerichts ernannt und auf der Grundlage ihrer spezifischen Qualifikation und Erfahrung in den Richterpool aufgenommen. Mit der Berufung dieser Richter an das Gericht wird gewährleistet, dass alle Gebiete der Technik abgedeckt sind.
Artikel 4
Amtszeit der Richter
(1) Die Richter werden für eine Amtszeit von sechs Jahren ernannt, die mit dem in der Ernennungsurkunde bestimmten Tag beginnt. Wiederernennung ist zulässig.
(2) In Ermangelung einer Bestimmung über den Tag der Arbeitsaufnahme beginnt die Amtszeit mit dem Ausstellungstag der Ernennungsurkunde.
Artikel 5
Ernennung der Mitglieder des Beratenden Ausschusses
(1) Jeder Vertragsmitgliedstaat schlägt ein Mitglied des Beratenden Ausschusses vor, das die Anforderungen nach Artikel 14 Absatz 2 des Übereinkommens erfüllt.
(2) Die Mitglieder des Beratenden Ausschusses werden vom Verwaltungsausschuss im gegenseitigen Einvernehmen ernannt.
Artikel 6
Richtereid
Die Richter leisten vor Aufnahme ihrer Amtstätigkeit in öffentlicher Sitzung den Eid, ihr Amt unparteiisch und gewissenhaft auszuüben und das Beratungsgeheimnis zu wahren.
Artikel 7
Unparteilichkeit
(1) Unmittelbar nach der Eidesleistung unterzeichnen die Richter eine Erklärung, in der sie die feierliche Verpflichtung übernehmen, während der Ausübung und nach Ablauf ihrer Amtstätigkeit die sich aus ihrem Amt ergebenden Pflichten zu erfüllen, insbesondere die Pflicht, bei der Annahme bestimmter Tätigkeiten oder Vorteile nach Ablauf dieser Tätigkeit ehrenhaft und zurückhaltend zu sein.
(2) Die Richter dürfen nicht an Verhandlungen zu einer Sache teilnehmen, in der sie
a) als Berater mitgewirkt haben,
b) selbst Partei waren oder für eine der Parteien tätig waren,
c) als Mitglied eines Gerichts, einer Beschwerdekammer, einer Schieds- oder Schlichtungsstelle oder eines Untersuchungsausschusses oder in anderer Eigenschaft zu befinden hatten,
d) ein persönliches oder finanzielles Interesse an der Sache oder in Bezug auf eine der Parteien haben oder
e) in verwandtschaftlicher Beziehung zu einer Partei oder einem Vertreter einer Partei stehen.
(3) Ist ein Richter der Auffassung, bei der Entscheidung oder Prüfung einer bestimmten Rechtsstreitigkeit aus einem besonderen Grund nicht mitwirken zu können, so macht er dem Präsidenten des Berufungsgerichts oder – wenn er Richter des Gerichts erster Instanz ist – dem Präsidenten des Gerichts erster Instanz davon Mitteilung. Hält der Präsident des Berufungsgerichts oder – im Falle der Richter des Gerichts erster Instanz – der Präsident des Gerichts erster Instanz die Teilnahme eines Richters an der Verhandlung oder Entscheidung einer bestimmten Sache aus einem besonderen Grund für unangebracht, so begründet der Präsident des Berufungsgerichts oder der Präsident des Gerichts erster Instanz dies schriftlich und setzt den betroffenen Richter hiervon in Kenntnis.
(4) Jede Prozesspartei kann die Teilnahme eines Richters an der Verhandlung aus einem der in Absatz 2 genannten Gründe oder wegen begründeter Besorgnis der Befangenheit ablehnen.
(5) Ergibt sich bei der Anwendung dieses Artikels eine Schwierigkeit, so entscheidet das Präsidium im Einklang mit der Verfahrensordnung. Der betroffene Richter wird angehört, wirkt aber bei der Beschlussfassung nicht mit.
Artikel 8
Immunität der Richter
(1) Die Richter sind keiner Gerichtsbarkeit unterworfen. Bezüglich der Handlungen, die sie im Zusammenhang mit ihrer amtlichen Eigenschaft vorgenommen haben, steht ihnen diese Befreiung auch nach Abschluss ihrer Amtstätigkeit zu.
(2) Das Präsidium kann die Immunität aufheben.
(3) Wird nach Aufhebung der Befreiung ein Strafverfahren gegen einen Richter eingeleitet, so darf dieser im Gebiet jedes Vertragsmitgliedstaats nur vor einem Gericht angeklagt werden, das für Verfahren gegen Richter der höchsten nationalen Gerichte zuständig ist.
(4) Das Protokoll über die Vorrechte und Befreiungen der Europäischen Union findet auf die Richter des Gerichts Anwendung; die Bestimmungen dieser Satzung betreffend die Immunität der Richter von der Gerichtsbarkeit bleiben hiervon unberührt.
Artikel 9
Ende der Amtszeit
(1) Abgesehen von der Neubesetzung nach Ablauf der Amtszeit gemäß Artikel 4 und von Todesfällen endet das Amt eines Richters durch dessen Rücktritt.
(2) Bei Rücktritt eines Richters ist das Rücktrittsschreiben an den Präsidenten des Berufungsgerichts oder – im Falle der Richter des Gerichts erster Instanz – an den Präsidenten des Gerichts erster Instanz zur Weiterleitung an den Vorsitzenden des Verwaltungsausschusses zu richten.
(3) Mit Ausnahme der Fälle, in denen Artikel 10 Anwendung findet, bleibt jeder Richter bis zum Amtsantritt seines Nachfolgers im Amt.
(4) Bei Ausscheiden eines Richters wird ein neuer Richter für die verbleibende Amtszeit seines Vorgängers ernannt.
Artikel 10
Entlassung aus dem Amt
(1) Ein Richter kann nur dann seines Amtes enthoben oder sonstiger gewährter Vergünstigungen für verlustig erklärt werden, wenn er nach dem Urteil des Präsidiums nicht mehr die erforderlichen Voraussetzungen erfüllt oder den sich aus seinem Amt ergebenden Verpflichtungen nicht mehr nachkommt. Der betroffene Richter wird angehört, wirkt aber bei der Beschlussfassung nicht mit.
(2) Der Kanzler des Gerichts übermittelt die Entscheidung dem Vorsitzenden des Verwaltungsausschusses.
(3) Wird durch eine solche Entscheidung ein Richter seines Amtes enthoben, so wird sein Sitz mit dieser Benachrichtigung frei.
Artikel 11
Schulung
(1) Mit dem gemäß Artikel 19 des Übereinkommens geschaffenen Schulungsrahmen wird für eine angemessene und regelmäßige Schulung der Richter gesorgt. Das Präsidium beschließt Schulungsvorschriften zur Gewährleistung der Umsetzung und der Gesamtkohärenz des Schulungsrahmens.
(2) Der Schulungsrahmen bietet eine Plattform für den Austausch von Fachwissen und ein Forum für Diskussionen; dies wird insbesondere durch Folgendes gewährleistet:
a) Veranstaltung von Lehrgängen, Konferenzen, Seminaren, Workshops und Symposien,
b) Zusammenarbeit mit internationalen Organisationen und Bildungseinrichtungen im Bereich des Schutzes des geistigen Eigentums und
c) Förderung und Unterstützung weiterer Fortbildungsmaßnahmen.
(3) Es werden ein jährliches Arbeitsprogramm und Schulungsleitlinien erstellt, die für jeden Richter einen jährlichen Schulungsplan enthalten, in dem sein Hauptbedarf an Schulung gemäß den Schulungsvorschriften ausgewiesen wird.
(4) Ferner gewährleistet der Schulungsrahmen
a) eine angemessene Schulung der Bewerber für Richterstellen und der neu ernannten Richter des Gerichts;
b) die Unterstützung von Projekten, die auf die Förderung der Zusammenarbeit zwischen Parteivertretern, Patentanwälten und dem Gericht abzielen.
Artikel 12
Vergütung
Der Verwaltungsausschuss legt die Vergütung des Präsidenten des Berufungsgerichts, des Präsidenten des Gerichts erster Instanz, der Richter, des Kanzlers, des Hilfskanzlers und des Personals
fest.
KAPITEL II – ORGANISATORISCHE BESTIMMUNGEN
ABSCHNITT 1 – GEMEINSAME BESTIMMUNGEN
Artikel 13
Präsident des Berufungsgerichts
(1) Der Präsident des Berufungsgerichts wird von allen Richtern des Berufungsgerichts aus ihrer Mitte für eine Amtszeit von drei Jahren gewählt. Der Präsident des Berufungsgerichts kann zweimal wiedergewählt werden.
(2) Die Wahl des Präsidenten des Berufungsgerichts ist geheim. Gewählt ist der Richter, der die absolute Mehrheit der Stimmen erhält. Erreicht keiner der Richter die absolute Mehrheit, so findet ein zweiter Wahlgang statt, in dem gewählt ist, wer die meisten Stimmen auf sich vereinigt.
(3) Der Präsident des Berufungsgerichts leitet die gerichtlichen Tätigkeiten und die Verwaltung des Berufungsgerichts und führt den Vorsitz des als Plenum tagenden Berufungsgerichts.
(4) Endet die Amtszeit des Präsidenten des Berufungsgerichts vor ihrem Ablauf, so wird das Amt für die verbleibende Zeit neu besetzt.
Artikel 14
Präsident des Gerichts erster Instanz
(1) Der Präsident des Gerichts erster Instanz wird von allen Richtern des Gerichts erster Instanz, die Vollzeitrichter sind, aus ihrer Mitte für eine Amtszeit von drei Jahren gewählt. Der Präsident des Gerichts erster Instanz kann zweimal wiedergewählt werden.
(2) Der erste Präsident des Gerichts erster Instanz ist Staatsangehöriger des Vertragsmitgliedstaats, in dessen Gebiet die Zentralkammer ihren Sitz hat.
(3) Der Präsident des Gerichts erster Instanz leitet die gerichtlichen Tätigkeiten und die Verwaltung des Gerichts erster Instanz.
(4) Artikel 13 Absätze 2 und 4 gilt für den Präsidenten des Gerichts erster Instanz entsprechend.
Artikel 15
Präsidium
(1) Das Präsidium besteht aus dem Präsidenten des Berufungsgerichts, der den Vorsitz führt, dem Präsidenten des Gerichts erster Instanz, zwei Richtern, die die Richter des Berufungsgerichts aus ihrer Mitte gewählt haben, drei Richtern, die die Vollzeitrichter des Gerichts erster Instanz aus ihrer Mitte gewählt haben, und dem Kanzler als nicht stimmberechtigtem Mitglied.
(2) Das Präsidium nimmt seine Aufgaben im Einklang mit dieser Satzung wahr. Unbeschadet seiner eigenen Zuständigkeit kann es bestimmte Aufgaben an eines seiner Mitglieder übertragen.
(3) Das Präsidium ist für die Verwaltung des Gerichts zuständig und hat dabei insbesondere die Aufgabe,
a) Vorschläge zur Änderung der Verfahrensordnung gemäß Artikel 41 des Übereinkommens und Vorschläge zu der Finanzordnung des Gerichts auszuarbeiten;
b) den Jahreshaushalt, die Jahresrechnung und den Jahresbericht des Gerichts zu erstellen und diese Unterlagen dem Haushaltsausschuss vorzulegen;
c) die Leitlinien für das Programm zur Schulung der Richter festzulegen und die Durchführung dieses Programms zu überwachen;
d) Entscheidungen über die Ernennung des Kanzlers und des Hilfskanzlers und über deren Entlassung aus dem Amt zu treffen;
e) die Regelungen für die Kanzlei einschließlich ihrer Nebenstellen festzulegen;
f) Stellungnahmen gemäß Artikel 83 Absatz 5 des Übereinkommens abzugeben.
(4) Die in den Artikeln 7, 8, 10 und 22 genannten Entscheidungen des Präsidiums werden ohne Mitwirkung des Kanzlers getroffen.
(5) Das Präsidium ist nur dann beschlussfähig, wenn alle seine Mitglieder anwesend oder ordnungsgemäß vertreten sind. Beschlüsse werden mit Stimmenmehrheit gefasst.
Artikel 16
Personal
(1) Die Beamten und sonstigen Bediensteten des Gerichts unterstützen den Präsidenten des Berufungsgerichts, den Präsidenten des Gerichts erster Instanz, die Richter und den Kanzler. Sie unterstehen dem Kanzler unter Aufsicht des Präsidenten des Berufungsgerichts und des Präsidenten des Gerichts erster Instanz.
(2) Der Verwaltungsausschuss erlässt das Statut der Beamten und sonstigen Bediensteten des Gerichts.
Artikel 17
Gerichtsferien
(1) Nach Anhörung des Präsidiums legt der Präsident des Berufungsgerichts die Dauer der Gerichtsferien und die Regeln für die Einhaltung der gesetzlichen Feiertage fest.
(2) Während der Gerichtsferien können das Amt des Präsidenten des Berufungsgerichts und das Amt des Präsidenten des Gerichts erster Instanz durch einen Richter wahrgenommen werden, der von dem jeweiligen Präsidenten damit beauftragt wird. In dringenden Fällen kann der Präsident des Berufungsgerichts die Richter einberufen.
(3) Der Präsident des Berufungsgerichts oder der Präsident des Gerichts erster Instanz können den Richtern des Berufungsgerichts bzw. den Richtern des Gerichts erster Instanz in begründeten Fällen Urlaub gewähren.
ABSCHNITT 2 – GERICHT ERSTER INSTANZ
Artikel 18
Errichtung und Auflösung von Lokal- oder Regionalkammern
(1) Anträge eines oder mehrerer Vertragsmitgliedstaaten auf Errichtung einer Lokal- oder Regionalkammer sind an den Vorsitzenden des Verwaltungsausschusses zu richten. Im Antrag ist anzugeben, wo die Lokal- oder Regionalkammer angesiedelt sein soll.
(2) Im Beschluss des Verwaltungsausschusses zur Errichtung einer Lokal- oder Regionalkammer wird die Zahl der Richter angegeben, die an die betreffende Kammer berufen werden; der Beschluss wird öffentlich zugänglich gemacht.
(3) Der Verwaltungsausschuss beschließt auf Antrag des Vertragsmitgliedstaats, in dessen Gebiet die betreffende Lokalkammer errichtet worden ist, oder auf Antrag der Vertragsmitgliedstaaten, die an der betreffenden Regionalkammer beteiligt sind, über die Auflösung einer Lokal- oder Regionalkammer. Im Beschluss über die Auflösung einer Lokal- oder Regionalkammer werden der Zeitpunkt, ab dem bei der betreffenden Kammer keine neuen Fälle mehr anhängig gemacht werden können, sowie der Zeitpunkt angegeben, an dem sie ihre Tätigkeit einstellt.
(4) Ab dem Zeitpunkt, an dem die Lokal- oder Regionalkammer ihre Tätigkeit einstellt, werden die an diese Kammer berufenen Richter an die Zentralkammer berufen, und die noch bei der Lokal- oder Regionalkammer anhängigen Fälle werden gemeinsam mit der Nebenstelle der Kanzlei und den gesamten Unterlagen auf die Zentralkammer übertragen.
Artikel 19
Spruchkörper
(1) Die Verfahrensordnung regelt die Zuweisung von Richtern und die Fallzuweisung innerhalb einer Kammer an ihre Spruchkörper. Ein Richter des Spruchkörpers wird im Einklang mit der Verfahrensordnung zum vorsitzenden Richter bestimmt.
(2) Die Spruchkörper können im Einklang mit der Verfahrensordnung bestimmte Aufgaben an einen oder mehrere ihrer Richter übertragen.
(3) Im Einklang mit der Verfahrensordnung kann für jede Kammer ein ständiger Richter bestimmt werden, der dringende Rechtsstreitigkeiten entscheidet.
(4) In Fällen, in denen die Rechtsstreitigkeit gemäß Artikel 8 Absatz 7 des Übereinkommens von einem Einzelrichter oder gemäß Absatz 3 dieses Artikels von einem ständigen Richter entschieden wird, nimmt dieser alle Aufgaben eines Spruchkörpers wahr.
(5) Ein Richter des Spruchkörpers übernimmt im Einklang mit der Verfahrensordnung die Aufgabe des Berichterstatters.
Artikel 20
Richterpool
(1) Der Kanzler erstellt eine Liste mit den Namen der dem Richterpool angehörenden Richter. Für jeden Richter werden in der Liste mindestens seine Sprachkenntnisse, sein technisches Fachgebiet und seine Erfahrung sowie die Rechtsstreitigkeiten, mit denen er vorher befasst war, angegeben.
(2) Ein an den Präsidenten des Gerichts erster Instanz gerichteter Antrag, einen Richter aus dem Richterpool zu benennen, muss insbesondere folgende Angaben enthalten: den Gegenstand der Rechtssache, die von den Richtern des Spruchkörpers verwendete Amtssprache des Europäischen Patentamts, die Verfahrenssprache und das Gebiet der Technik, für das der Richter qualifiziert sein muss.
ABSCHNITT 3 – BERUFUNGSGERICHT
Artikel 21
Spruchkörper
(1) Die Zuweisung von Richtern und die Fallzuweisung an die Spruchkörper richten sich nach der Verfahrensordnung. Ein Richter des Spruchkörpers wird im Einklang mit der Verfahrensordnung zum vorsitzenden Richter ernannt.
(2) Bei Rechtsstreitigkeiten von außergewöhnlicher Bedeutung, insbesondere wenn die Entscheidung die Einheitlichkeit und Kohärenz der Rechtsprechung des Gerichts berühren könnte, kann das Berufungsgericht auf Vorschlag des vorsitzenden Richters beschließen, die Rechtsstreitigkeit dem Plenum vorzulegen.
(3) Die Spruchkörper können im Einklang mit der Verfahrensordnung bestimmte Aufgaben an einen oder mehrere ihrer Richter übertragen.
(4) Ein Richter des Spruchkörpers übernimmt im Einklang mit der Verfahrensordnung die Aufgabe des Berichterstatters.
ABSCHNITT 4 – KANZLEI
Artikel 22
Ernennung und Entlassung des Kanzlers
(1) Der Kanzler des Gerichts wird vom Präsidium für eine Amtszeit von sechs Jahren ernannt. Die Wiederernennung des Kanzlers ist zulässig.
(2) Der Präsident des Berufungsgerichts unterrichtet das Präsidium zwei Wochen vor dem für die Ernennung des Kanzlers vorgesehenen Zeitpunkt über die eingegangenen Bewerbungen.
(3) Vor Aufnahme seiner Amtstätigkeit leistet der Kanzler vor dem Präsidium den Eid, sein Amt unparteiisch und gewissenhaft auszuüben.
(4) Der Kanzler kann nur aus dem Amt entlassen werden, wenn er den sich aus seinem Amt ergebenden Verpflichtungen nicht mehr nachkommt. Das Präsidium entscheidet nach Anhörung des Kanzlers.
(5) Endet die Amtszeit des Kanzlers vor ihrem Ablauf, so ernennt das Präsidium einen neuen Kanzler für die Dauer von sechs Jahren.
(6) Ist der Kanzler abwesend oder verhindert oder ist sein Amt vakant, so beauftragt der Präsident des Berufungsgerichts nach Anhörung des Präsidiums ein Mitglied des Personals des Gerichts mit der Wahrnehmung der Aufgaben des Kanzlers.
Artikel 23
Aufgaben des Kanzlers
(1) Der Kanzler steht dem Gericht, dem Präsidenten des Berufungsgerichts, dem Präsidenten des Gerichts erster Instanz und den Richtern bei der Ausübung ihres Amtes zur Seite. Der Kanzler ist unter Aufsicht des Präsidenten des Berufungsgerichts für die Organisation und den Geschäftsgang der Kanzlei verantwortlich.
(2) Der Kanzler ist insbesondere verantwortlich für
a) das Führen des Registers, in dem Aufzeichnungen über alle vor dem Gericht verhandelten Verfahren enthalten sind,
b) das Führen und die Verwaltung der nach Artikel 18, Artikel 48 Absatz 3 und Artikel 57 Absatz 2 des Übereinkommens erstellten Listen,
c) das Führen und die Veröffentlichung einer Liste der Mitteilungen über die Inanspruchnahme der Ausnahmeregelung bzw. den Verzicht auf diese Regelung nach Artikel 83 des Übereinkommens,
d) die Veröffentlichung der Entscheidungen des Gerichts unter Wahrung des Schutzes vertraulicher Informationen,
e) die Veröffentlichung der Jahresberichte mit statistischen Daten und
f) die Gewährleistung, dass die Informationen über die Inanspruchnahme der Ausnahmeregelung nach Artikel 83 des Übereinkommens dem Europäischen Patentamt übermittelt werden.
Artikel 24
Registerführung
(1) In den vom Präsidium erlassenen Regelungen für die Kanzlei werden die Einzelheiten über die Führung des Registers des Gerichts festgelegt.
(2) Die Verfahrensordnung regelt den Zugang zu den Akten der Kanzlei.
Artikel 25
Nebenstellen der Kanzlei und Hilfskanzler
(1) Vom Präsidium wird ein Hilfskanzler für eine Amtszeit von sechs Jahren ernannt. Die Wiederernennung des Hilfskanzlers ist zulässig.
(2) Artikel 22 Absätze 2 bis 6 gilt entsprechend.
(3) Der Hilfskanzler ist unter Aufsicht des Kanzlers und des Präsidenten des Gerichts erster Instanz für die Organisation und den Geschäftsgang der Nebenstellen der Kanzlei verantwortlich. Der Hilfskanzler ist insbesondere verantwortlich für
a) die Führung der Akten über alle vor dem Gericht erster Instanz verhandelten Verfahren;
b) die Unterrichtung der Kanzlei über jedes vor dem Gericht erster Instanz verhandelte Verfahren.
(4) Der Hilfskanzler stellt den Kammern des Gerichts erster Instanz Verwaltungs- und Sekretariatsunterstützung zur Verfügung.
KAPITEL III – FINANZVORSCHRIFTEN
Artikel 26 Haushaltsplan
(1) Der Haushaltsplan wird vom Haushaltsausschuss auf Vorschlag des Präsidiums festgestellt. Er wird nach Maßgabe der allgemein anerkannten Rechnungslegungsgrundsätze aufgestellt, die in der gemäß Artikel 33 erlassenen Finanzordnung festgelegt sind.
(2) Innerhalb des Haushaltsplans kann das Präsidium nach Maßgabe der Finanzordnung Mittelübertragungen zwischen den einzelnen Kapiteln oder Unterkapiteln vornehmen.
(3) Der Kanzler ist nach Maßgabe der Finanzordnung für die Ausführung des Haushaltsplans verantwortlich.
(4) Der Kanzler erstellt jedes Jahr eine Jahresrechnung zum abgelaufenen Haushaltsjahr, die die Ausführung des Haushaltsplans darlegt; diese Jahresrechnung wird vom Präsidium genehmigt.
Artikel 27
Genehmigung von Ausgaben
(1) Die im Haushaltsplan ausgewiesenen Ausgaben werden für die Dauer eines Rechnungslegungszeitraums genehmigt, sofern die Finanzordnung nichts anderes bestimmt.
(2) Nach Maßgabe der Finanzordnung dürfen die nicht für Personalausgaben vorgesehenen Mittel, die bis zum Ende eines Rechnungslegungszeitraums nicht verbraucht worden sind, nicht über das Ende des nachfolgenden Rechnungslegungszeitraums hinaus übertragen werden.
(3) Die Mittel werden nach Art und Zweckbestimmung der Ausgabe auf die verschiedenen Kapitel aufgeteilt und nach Maßgabe der Finanzordnung soweit erforderlich weiter unterteilt.
Artikel 28
Mittel für unvorhersehbare Ausgaben
(1) Im Haushaltsplan des Gerichts können Mittel für unvorhersehbare Ausgaben veranschlagt werden.
(2) Die Verwendung dieser Mittel durch das Gericht setzt die vorherige Zustimmung des Haushaltsausschusses voraus.
Artikel 29
Rechnungslegungszeitraum
Der Rechnungslegungszeitraum beginnt am 1. Januar und endet am 31. Dezember.
Artikel 30
Erstellung des Haushaltsplans
Das Präsidium legt dem Haushaltsausschuss den Haushaltsplanentwurf des Gerichts spätestens zu dem in der Finanzordnung vorgegebenen Termin vor.
Artikel 31
Vorläufiger Haushaltsplan
(1) Hat der Haushaltsausschuss zu Beginn eines Rechnungslegungszeitraums den Haushaltsplan noch nicht festgestellt, so können nach der Finanzordnung für jedes Kapitel oder jede sonstige Untergliederung des Haushaltsplans monatliche Ausgaben bis zur Höhe eines Zwölftels der im vorangegangenen Rechnungslegungszeitraum eingesetzten Mittel vorgenommen werden, wobei die dem Präsidium auf diese Weise zur Verfügung gestellten Mittel jedoch ein Zwölftel der entsprechenden Mittelansätze des Haushaltsplanentwurfs nicht überschreiten dürfen.
(2) Der Haushaltsausschuss kann unter Beachtung der sonstigen Bestimmungen des Absatzes 1 Ausgaben genehmigen, die über ein Zwölftel der im vorangegangenen Rechnungslegungszeitraum eingesetzten Mittel hinausgehen.
Artikel 32
Rechnungsprüfung
(1) Der Jahresabschluss des Gerichts wird von unabhängigen Rechnungsprüfern geprüft. Die Rechnungsprüfer werden vom Haushaltsausschuss bestellt und erforderlichenfalls abberufen.
(2) Durch die Rechnungsprüfung, die nach fachgerechten Rechnungsprüfungsgrundsätzen und erforderlichenfalls an Ort und Stelle erfolgt, wird festgestellt, dass der Haushaltsplan rechtmäßig und ordnungsgemäß ausgeführt und die Finanzverwaltung des Gerichts nach den Grundsätzen der Sparsamkeit und der Wirtschaftlichkeit der Haushaltsführung durchgeführt worden sind. Nach Abschluss eines jeden Rechnungslegungszeitraums erstellen die Rechnungsprüfer einen Bericht, der einen unterzeichneten Rechnungsprüfungsvermerk enthält.
(3) Das Präsidium legt dem Haushaltsausschuss den Jahresabschluss des Gerichts und die jährliche Übersicht über die Ausführung des Haushaltsplans für das abgelaufene Haushaltsjahr zusammen mit dem Bericht der Rechnungsprüfer vor.
(4) Der Haushaltsausschuss genehmigt die Jahresrechnung sowie den Bericht der Rechnungsprüfer und erteilt dem Präsidium Entlastung hinsichtlich der Ausführung des Haushaltsplans.
Artikel 33
Finanzordnung
(1) Die Finanzordnung wird vom Verwaltungsausschuss erlassen. Sie wird vom Verwaltungsausschuss auf Vorschlag des Gerichts geändert.
(2) Die Finanzordnung regelt insbesondere
a) die Art und Weise der Aufstellung und Ausführung des Haushaltsplans sowie der Rechnungslegung und Rechnungsprüfung;
b) die Art und Weise sowie das Verfahren, wie die Zahlungen und Beiträge, einschließlich der in Artikel 37 des Übereinkommens vorgesehenen ersten finanziellen Beiträge, dem Gericht zur Verfügung zu stellen sind;
c) die Vorschriften über die Verantwortung der Anweisungsbefugten und der Rechnungsführer sowie die entsprechenden Aufsichtsmaßnahmen und
d) die dem Haushaltsplan und dem Jahresabschluss zugrunde zu legenden allgemein anerkannten Rechnungslegungsgrundsätze.
KAPITEL IV – VERFAHRENSVORSCHRIFTEN
Artikel 34
Beratungsgeheimnis
Die Beratungen des Gerichts sind und bleiben geheim.
Artikel 35
Entscheidungen
(1) Besteht ein Spruchkörper aus einer geraden Zahl von Richtern, so trifft das Gericht seine Entscheidungen mit der Mehrheit des Spruchkörpers. Im Falle der Stimmengleichheit gibt die Stimme des vorsitzenden Richters den Ausschlag.
(2) Bei Verhinderung eines Richters eines Spruchkörpers kann nach Maßgabe der Verfahrensordnung ein Richter eines anderen Spruchkörpers herangezogen werden.
(3) In den Fällen, in denen diese Satzung vorsieht, dass das Berufungsgericht eine Entscheidung als Plenum trifft, ist diese Entscheidung nur dann gültig, wenn sie von mindestens 3/4 der Richter des Plenums getroffen wird.
(4) In den Entscheidungen des Gerichts werden die Richter, die in der Rechtsstreitigkeit entscheiden, namentlich aufgeführt.
(5) Entscheidungen werden unterzeichnet von den Richtern, die in der Rechtsstreitigkeit entscheiden, sowie bei Entscheidungen des Berufungsgerichts vom Kanzler und bei Entscheidungen des Gerichts erster Instanz vom Hilfskanzler. Sie werden in öffentlicher Sitzung verkündet.
Artikel 36
Abweichende Meinungen
Die von einem Richter eines Spruchkörpers nach Artikel 78 des Übereinkommens vertretene abweichende Meinung ist schriftlich zu begründen und von dem die Meinung vertretenden Richter zu unterzeichnen.
Artikel 37
Versäumnisentscheidung
(1) Auf Antrag einer Prozesspartei kann eine Versäumnisentscheidung nach Maßgabe der Verfahrensordnung ergehen, wenn die andere Partei, der ein verfahrenseinleitendes Schriftstück oder ein gleichwertiges Schriftstück zugestellt worden ist, keine schriftliche Erwiderung einreicht oder nicht zur mündlichen Verhandlung erscheint. Gegen diese Entscheidung kann binnen eines Monats nach Zustellung an die Partei, gegen die die Versäumnisentscheidung ergangen ist, Einspruch eingelegt werden.
(2) Der Einspruch hat keine Aussetzung der Vollstreckung der Versäumnisentscheidung zur Folge, es sei denn, dass das Gericht etwas anderes beschließt.
Artikel 38
Anrufung des Gerichtshofs der Europäischen Union
(1) Es gelten die vom Gerichtshof der Europäischen Union für Vorabentscheidungsersuchen innerhalb der Europäischen Union eingerichteten Verfahren.
(2) Hat das Gericht erster Instanz oder das Berufungsgericht beschlossen, den Gerichtshof der Europäischen Union mit einer Frage zur Auslegung des Vertrags über die Europäischen Union oder des Vertrags über die Arbeitsweise der Europäische Union oder mit einer Frage zur Gültigkeit oder zur Auslegung von Rechtsakten der Organe der Europäischen Union zu befassen, so setzt es sein Verfahren aus.
ANHANG II
Verteilung von Rechtsstreitigkeiten innerhalb der Zentralkammer15
London (Abteilung) | Paris (Sitz) | München (Abteilung) |
---|---|---|
|
Büro des Präsidenten |
|
(A) Täglicher Lebensbedarf |
(B) Arbeitsverfahren; Transportieren |
(F) Maschinenbau; Beleuchtung; Heizung; Waffen; Sprengen |
(C) Chemie; Hüttenwesen |
(D) Textilien; Papier |
|
|
(E) Bauwesen; Erdbohren; Bergbau |
|
|
(G) Physik |
|
|
(H) Elektrotechnik |
|
1 Verordnung (EU) Nr. 1257/2012 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 17. Dezember 2012 über die Umsetzung der Verstärkten Zusammenarbeit im Bereich der Schaffung eines einheitlichen Patentschutzes (ABl. EU L 361 vom 31.12.2012, S. 1) mit allen nachfolgenden Änderungen.
2 Verordnung (EU) Nr. 1215/2012 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 12. Dezember 2012 über die gerichtliche Zuständigkeit und die Anerkennung und Vollstreckung von Entscheidungen in Zivil- und Handelssachen (ABl. L 351 vom 20.12.2012, S. 1) mit allen nachfolgenden Änderungen.
3 Verordnung (EG) Nr. 469/2009 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 6. Mai 2009 über das ergänzende Schutzzertifikat für Arzneimittel (ABl. EU L 152 vom 16.6.2009, S. 1) mit allen nachfolgenden Änderungen.
4 Verordnung (EG) Nr. 1610/96 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 23. Juli 1996 über die Schaffung eines ergänzenden Schutzzertifikats für Pflanzenschutzmittel (ABl. EG L 198 vom 8.8.1996, S. 30) mit allen nachfolgenden Änderungen.
5 Verordnung (EG) Nr. 593/2008 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 17. Juni 2008 über das auf vertragliche Schuldverhältnisse anzuwendende Recht (Rom I) (ABl. EU L 177 vom 4.7.2008, S. 6) mit allen nachfolgenden Änderungen.
6 Verordnung (EG) Nr. 864/2007 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 11. Juli 2007 über das auf außervertragliche Schuldverhältnisse anzuwendende Recht (Rom II), (ABl. EU L 199 vom 31.7.2007, S. 40) mit allen nachfolgenden Änderungen.
7 Verordnung (EU) Nr. 1260/2012 des Rates vom 17. Dezember 2012 über die Umsetzung der verstärkten Zusammenarbeit im Bereich der Schaffung eines einheitlichen Patentschutzes im Hinblick auf die anzuwendenden Übersetzungsregelungen (ABl. L 361 vom 31.12.2012, S. 89) mit allen nachfolgenden Änderungen.
8 Richtlinie 2001/82/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 6. November 2001 zur Schaffung eines Gemeinschaftskodexes für Tierarzneimittel (ABl. EG L 311 vom 28.11.2001, S. 1) mit allen nachfolgenden Änderungen.
9 Richtlinie 2001/83/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 6. November 2001 zur Schaffung eines Gemeinschaftskodexes für Humanarzneimittel (ABl. EG L 311 vom 28.11.2001, S. 67) mit allen nachfolgenden Änderungen.
10 Internationale Zivilluftfahrt-Organisation (ICAO), "Abkommen von Chicago", Dokument 7300/9 (9. Ausgabe, 2006).
11 Verordnung (EG) Nr. 2100/94 des Rates vom 27. Juli 1994 über den gemeinschaftlichen Sortenschutz (ABl. EG L 227 vom 1.9.1994, S. 1) mit allen nachfolgenden Änderungen.
12 Richtlinie 2009/24/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 23. April 2009 über den Rechtsschutz von Computerprogrammen (ABl. EU L 111 vom 5.5.2009, S. 16) mit allen nachfolgenden Änderungen.
13 Richtlinie 98/44/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 6. Juli 1998 über den rechtlichen Schutz biotechnologischer Erfindungen (ABl. EG L 213 vom 30.7.1998, S. 13) mit allen nachfolgenden Änderungen.
14 Übereinkommen über die gerichtliche Zuständigkeit und die Anerkennung und Vollstreckung von Entscheidungen in Zivil- und Handelssachen, beschlossen am 30. Oktober 2007 in Lugano, mit allen nachfolgenden Änderungen.
15 Die Einteilung in acht Sektionen (A bis H) beruht auf der Internationalen Patentklassifikation der Weltorganisation für geistiges Eigentum (http://www.wipo.int/classifications/ipc/en).