MITTEILUNGEN DES EPA
Mitteilung des Europäischen Patentamts vom 13. Dezember 2011 über die geänderte Regel 71 und die neue Regel 71a EPÜ
Mit Beschluss vom 26. Oktober 20101 hat der Verwaltungsrat der Europäischen Patentorganisation Regel 71 (3) bis (11) EPÜ geändert, betreffend die Vorgehensweise nachdem die Prüfungsabteilung dem Anmelder die Fassung mitgeteilt hat, in der sie das europäische Patent zu erteilen beabsichtigt (Mitteilung nach Regel 71 (3) EPÜ), und eine neue Regel 71a EPÜ über den Abschluss des Erteilungsverfahrens eingeführt.
Diese Änderungen treten am 1. April 2012 in Kraft. Die vorliegende Mitteilung informiert über die genannten Änderungen. Dieselben Informationen werden auch in den geänderten Richtlinien für die Prüfung im EPA zu finden sein.
Mitteilung nach Regel 71 (3) EPÜ
Hat die Prüfungsabteilung beschlossen, dass ein Patent erteilt werden kann, so muss sie gemäß Regel 71 (3) EPÜ dem Anmelder die für die Erteilung vorgesehene Fassung mitteilen. Diese Fassung kann Änderungen und Berichtigungen enthalten, die die Prüfungsabteilung von sich aus angebracht hat und von denen sie mit Grund annehmen kann, dass ihnen der Anmelder zustimmt. Die Fassung wird dem Anmelder durch eine Mitteilung nach Regel 71 (3) EPÜ übermittelt, in der er außerdem aufgefordert wird, die Erteilungs- und Veröffentlichungsgebühr zu entrichten und eine Übersetzung der Ansprüche in den beiden Amtssprachen des EPA einzureichen, die nicht die Verfahrenssprache sind; hierfür wird ihm eine Frist von vier Monaten gesetzt, die nicht verlängert werden kann.2
Enthält die europäische Patentanmeldung in der für die Erteilung vorgesehenen Fassung mehr als fünfzehn Patentansprüche, so wird der Anmelder ferner nach Regel 71 (4) EPÜ aufgefordert, innerhalb derselben Frist für jeden weiteren Patentanspruch Anspruchsgebühren zu entrichten, soweit diese nicht bereits gemäß Regel 45 EPÜ oder Regel 162 EPÜ entrichtet worden sind.3
Dem Anmelder stehen folgende Handlungsweisen zur Verfügung:
1. Der Anmelder stimmt der für die Erteilung vorgesehenen Fassung zu
Wenn der Anmelder innerhalb der vorgegebenen Frist die Erteilungs- und Veröffentlichungsgebühr sowie etwaige Anspruchsgebühren nach Regel 71 (4) EPÜ entrichtet und die Übersetzungen der Ansprüche einreicht (und keine Berichtigung oder Änderung der in der Mitteilung nach Regel 71 (3) EPÜ für die Erteilung vorgeschlagenen Fassung beantragt oder einreicht), gilt dies nach Regel 71 (5) EPÜ als Einverständnis mit der für die Erteilung vorgesehenen Fassung.4
Bezieht sich die Mitteilung nach Regel 71 (3) EPÜ auf einen Hilfsantrag, so berechnen sich die Anspruchsgebühren, die auf diese Mitteilung hin zu entrichten sind, nach der Zahl der Ansprüche in diesem Hilfsantrag. Beantragt der Anmelder daraufhin jedoch die Erteilung auf der Grundlage eines höherrangigen Antrags, müssen auf die Mitteilung nach Regel 71 (3) EPÜ hin keine Anspruchsgebühren entrichtet werden5 (siehe Nr. 3 unten).
Auch nachdem der Anmelder auf die Mitteilung nach Regel 71 (3) EPÜ hin sein Einverständnis erklärt hat, kann die Prüfungsabteilung das Prüfungsverfahren vor Abgabe des Erteilungsbeschlusses an die interne Poststelle des EPA zum Zwecke der Zustellung an den Anmelder jederzeit wieder aufnehmen (siehe G 12/91, ABl. EPA 1994, 285). Dies wird selten vorkommen, kann sich aber als notwendig erweisen, z. B. wenn der Prüfungsabteilung infolge von Einwendungen Dritter nach Artikel 115 EPÜ ein besonders relevanter Stand der Technik bekannt wird.6
2. Der Anmelder stimmt der für die Erteilung vorgeschlagenen Fassung nicht zu
Die Reaktion des Anmelders auf die Mitteilung nach Regel 71 (3) EPÜ kann auch darin bestehen, die dort vorgeschlagene Fassung schlicht abzulehnen und keine Gebühren zu entrichten oder keine Übersetzungen einzureichen. Sofern die nachstehenden Kriterien zutreffen, wird die Anmeldung in solchen Fällen nach Artikel 97 (2) EPÜ wegen Nichtbeachtung des Artikels 113(2) EPÜ zurückgewiesen, weil keine vom Anmelder gebilligte Fassung vorliegt:
i) Die Prüfungsabteilung hat in der Mitteilung nach Regel 71 (3) EPÜ keine Änderungen oder Berichtigungen der Anmeldung vorgeschlagen,
ii) die Mitteilung nach Regel 71 (3) EPÜ wurde nicht auf der Grundlage eines Hilfsantrags erstellt, und
iii) der Anmelder hat mit seiner Ablehnung keine Änderungen oder Berichtigungen eingereicht.
Wenn eines dieser Kriterien nicht erfüllt ist, wird entweder die Prüfung wieder aufgenommen oder, falls die Anträge des Anmelders zu einer gewährbaren Fassung geführt haben, eine zweite Mitteilung nach Regel 71 (3) EPÜ versendet.7
3. Der Anmelder reicht auf eine Mitteilung nach Regel 71 (3) EPÜ hin Änderungen oder Berichtigungen ein bzw. Argumente, warum er der Prüfungsabteilung nicht zustimmt
Wenn der Anmelder innerhalb der Frist nach Regel 71 (3) EPÜ begründete Änderungen oder Berichtigungen der ihm mitgeteilten Fassung beantragt, so erlässt die Prüfungsabteilung gemäß Regel 71 (6) EPÜ im Falle ihrer Zustimmung eine neue Mitteilung nach Regel 71 (3) EPÜ; andernfalls nimmt sie das Prüfungsverfahren wieder auf.8
In diesem Fall ist der Anmelder nicht verpflichtet, auf die erste Mitteilung nach Regel 71 (3) EPÜ hin die Erteilungs- und Veröffentlichungsgebühr oder etwaige Anspruchsgebühren zu entrichten, und er muss auch die Übersetzungen der Ansprüche nicht innerhalb dieser Frist einreichen.
Dies gilt auch, wenn der Anmelder beantragt, die von der Prüfungsabteilung in der Mitteilung nach Regel 71 (3) EPÜ vorgeschlagenen Änderungen rückgängig zu machen.
Ferner gilt dies, wenn der Mitteilung nach Regel 71 (3) EPÜ ein Hilfsantrag zugrunde lag und der Anmelder in seiner Erwiderung die Erteilung auf der Grundlage eines höherrangigen Antrags beantragt.9
Wenn der Anmelder auf die Mitteilung nach Regel 71 (3) EPÜ hin Änderungen oder Berichtigungen einreicht, ist er nicht verpflichtet, auf diese Mitteilung hin Gebühren zu entrichten, kann dies aber freiwillig tun.10 In diesem Fall wird gemäß Regel 71a (5) EPÜ der Betrag einer auf die erste Mitteilung nach Regel 71 (3) EPÜ hin entrichteten Gebühr bei erneutem Ergehen einer solchen Aufforderung auf den Betrag derselben Gebühr angerechnet, die auf die spätere Mitteilung nach Regel 71 (3) EPÜ hin fällig ist.11 Zu beachten ist, dass die Anrechnung von Anspruchsgebühren getrennt von der Anrechnung der Erteilungs- und Veröffentlichungsgebühr erfolgt. Erhöht sich diese Gebühr oder die Zahl der Ansprüche zwischen der ersten und der späteren Mitteilung nach Regel 71 (3) EPÜ, so ist der Differenzbetrag innerhalb der Frist für die Erwiderung auf die spätere Mitteilung nach Regel 71 (3) EPÜ zu entrichten.12
Hinweis: Enthält die Fassung, zu der die Mitteilung nach Regel 71 (3) EPÜ ergangen ist, weniger Ansprüche als der Anspruchssatz, für den nach Regel 45 EPÜ bei Einreichung oder nach Regel 162 EPÜ bei Eintritt in die europäische Phase Anspruchsgebühren gezahlt wurden, so werden keine Anspruchsgebühren zurückerstattet.13
Fiktion der Zurücknahme
Wenn der Anmelder die Erteilungs- und Veröffentlichungsgebühr oder die Anspruchsgebühren nicht rechtzeitig entrichtet oder die Übersetzung nicht rechtzeitig einreicht, so gilt die Anmeldung gemäß Regel 71 (7) EPÜ als zurückgenommen. Der Anmelder kann in diesem Fall Weiterbehandlung nach Artikel 121 EPÜ beantragen.14
Je nachdem, welche Absicht der Anmelder hatte, als er die Frist versäumte, ist die versäumte Handlung, für die Weiterbehandlung beantragt wird, entweder
i) die Vornahme aller in Regel 71 (3) und (4) EPÜ genannten Handlungen:
a) Entrichtung der Erteilungs- und Veröffentlichungsgebühr,
b) Entrichtung etwaiger Anspruchsgebühren und
c) Einreichung einer Übersetzung der Ansprüche;
oder
ii) die Vornahme einer oder mehrerer der folgenden Handlungen:
a) Einreichung von Änderungen und/oder Berichtigungen der Anmeldungsunterlagen,
b) Ablehnung von Änderungen, die die Prüfungsabteilung in der Mitteilung nach Regel 71 (3) EPÜ vorgeschlagen hat, oder
c) Antrag auf Erteilung auf der Grundlage eines Antrags, der höherrangig ist als der Hilfsantrag, der der Mitteilung nach Regel 71 (3) EPÜ zugrunde lag.15
Erteilung eines Patents
Sind alle in Regel 71a (1) EPÜ genannten Erfordernisse erfüllt, so ergeht die Entscheidung über die Erteilung des europäischen Patents, sofern die bereits fälligen Jahres- und gegebenenfalls Zuschlagsgebühren entrichtet wurden.
Wird eine Jahresgebühr nach Zustellung der Mitteilung nach Regel 71 (3) EPÜ, aber vor dem Tag der frühestmöglichen Bekanntmachung des Hinweises auf die Erteilung des europäischen Patents fällig, so ergeht gemäß Regel 71a (4) EPÜ die Entscheidung über die Erteilung erst und der Hinweis auf die Erteilung wird erst bekannt gemacht, wenn die Jahresgebühr entrichtet worden ist. Wird die Jahresgebühr oder gegebenenfalls die Zuschlagsgebühr nicht rechtzeitig entrichtet, so gilt die Anmeldung als zurückgenommen.
Wenn, was selten vorkommt, die Prüfung so sehr beschleunigt wurde, dass die Mitteilung nach Regel 71 (3) EPÜ ergeht, bevor die Benennungsgebühr fällig wird, so ergeht gemäß Regel 71a (3) EPÜ die Entscheidung über die Erteilung erst und der Hinweis auf die Erteilung des Patents wird erst bekannt gemacht, wenn die Benennungsgebühr entrichtet worden ist. Der Anmelder wird hiervon unterrichtet.16
1 CA/D 2/10 vom 26.10.2010, ABl. EPA 2010, 637.
2 Wird in den Richtlinien C-V, 1.1 veröffentlicht.
3 Wird in den Richtlinien C-V, 1.4 veröffentlicht.
4 Wird in den Richtlinien C-V, 2 veröffentlicht.
5 Wird in den Richtlinien C-V, 1.4 veröffentlicht.
6 Wird in den Richtlinien C-V, 6.1 veröffentlicht.
7 Wird in den Richtlinien C-V, 4.9 veröffentlicht.
8 Wird in den Richtlinien C-V, 4 veröffentlicht.
9 Wird in den Richtlinien C-V, 4.1 veröffentlicht.
10 Wird in den Richtlinien C-V, 4.2 veröffentlicht.
11 Wird in den Richtlinien A-X, 11.1 veröffentlicht.
12 Wird in den Richtlinien A-X, 11.3 veröffentlicht.
13 Wird in den Richtlinien C-V, 1.4 veröffentlicht.
14 Wird in den Richtlinien C-V, 3 veröffentlicht.
15 Wird in den Richtlinien C-V, 8 veröffentlicht.
16 Wird in den Richtlinien C-V, 2 veröffentlicht.