ANHANG
Fallstudie "Klappbare Dachbodentreppe"
Fallstudie - "Klappbare Dachbodentreppe"
1. Der Kläger, eine Firma aus Galway, Irland, und der Beklagte, eine walisische Firma, stellen klappbare Dachbodentreppen her und vertreiben und montieren sie in Häusern. Unstreitig haben die vom Kläger und die vom Beklagten hergestellten und vertriebenen Dachbodentreppen dieselben Konstruktionsmerkmale.
2. Der Kläger hatte am 5.11.1996 beim Patentamt des Vereinigten Königreichs das Herstellungsverfahren für seine Dachbodentreppe zum Patent angemeldet. Die Ansprüche, Beschreibung und Zeichnungen des am 30.8.2000 erteilten Patents sind mit den Ansprüchen, der Beschreibung und den Zeichnungen der am 13.5.1998 veröffentlichten Patentanmeldung identisch. Die vom Kläger hergestellte und vertriebene Ausführungsform der Treppe sieht wie folgt aus:
1 Querelement des Außenrahmens
2 Längselement des Außenrahmens
3 Querträger des lnnenrahmens
4 Langsträger des lnnenrahmens
5 klappbarer Stützarm mit Gelenken
3. Der Kläger hatte sich schon Länge vor 1996 mit der Herstellung, dem Vertrieb und der Montage von klappbaren Dachbodentreppen befasst. Das Vorgängermodell unterschied sich von der nach dem Patent hergestellten Treppe insbesondere dadurch, dass die Stützarme unten direkt an den Seitenteilen der leiterartigen Treppe befestigt würden und nicht an den Längsträgern eines Innenrahmens, auf den die Leiter montiert wird. Als im Jahr 1995 anlässlich der ISO-Zertifizierung des Klägerischen Betriebs Unterlagen überprüft würden, stellte sich heraus, dass Kunden gelegentlich reklamierten, die Gelenke an den Stützarmen würden nicht mehr einwandfrei funktionierten oder seien sogar gebrochen. Dieser Fehler trat auf, wenn der Unterschied zwischen der Breite der Deckenöffnung und der Breite der Leiter groß war, und wenn eine solche Treppe häufig oder durch schwere Personen benutzt wurde.
4. Der Kläger nimmt den Beklagten wegen Verletzung seines Patents in Anspruch.
5. Der Beklagte greift in seiner Widerklage die Gültigkeit des Patents an und trägt vor:
5.1 Der Gegenstand des Patents sei neuheitsschädlich vorweggenommen worden:
Zum einen habe der irische Minister für Tourismus und Handel anlässlich der ISO-Zertifizierung des Klägerischen Betriebs diesen besucht und sei von einem Zeitungsreporter begleitet worden. In der sehr beliebten Regionalzeitung sei ein Foto des Ministers publiziert worden, das ihn in der Werkshalle des Klägers zeige, wobei im Hintergrund ein aufgeklappter Prototyp der Dachbodentreppe zu sehen sei, die - wohl zu Testzwecken - in der Werkshalle aufgebaut worden sei.
Zum anderen seien nach dem vom Kläger entwickelten Herstellungsverfahren produzierte Leitern schon vor der Patentanmeldung in mindestens drei Häuser eingebaut worden.
5.2 Doch selbst wenn man die neuheitsschädliche Vorwegnahme verneine, unterscheide sich die patentgegenständliche Treppe nicht in erfinderischer Weise vom Stand der Technik, d. h. den zuvor vom Kläger produzierten und vertriebenen Dachbodentreppen, bei denen die Stützarme direkt an den Seitenteilen der ausklappbaren Leiter angebracht waren und nicht an einem Innenrahmen, der mit einen "vorgegebenen" Abstand zum Außenrahmen montiert werde. Hierbei handle es sich um eine rein handwerkliche Weiterentwicklung des Vorgängermodells, die keine technische Expertise erfordere, sondern auf reiner Erfahrung beruhe; eine Treppe dieser Art könne von jedem talentierten Hobbyhandwerker gebaut werden.
6. Der Kläger hält der Nichtigkeitsklage entgegen, das Herstellungsverfahren für seine Dachbodentreppe sei weder durch das in der Zeitung veröffentlichte Foto noch durch den Einbau in drei Häuser neuheitsschädlich vorweggenommen worden.
6.1 Auf dem Foto sei der Minister in Großaufnahme zu sehen, der Prototyp der Treppe dagegen nur unscharf und schemenhaft im Hintergrund zu erkennen. Schon die Konstruktion des Prototyps sei nicht klar erkennbar und noch weniger könne jemand aufgrund der unscharfen Abbildung des Prototyps Kenntnis vom Herstellungsverfahren erlangen oder Rückschlüsse auf dieses ziehen.
6.2 Der Einbau von nach der Lehre des Patents hergestellten Dachbodentreppen in drei von älteren Rentnerehepaaren bewohnten Reihenhäusern sei ausschließlich durch sein eigenes Personal erfolgt, treue Mitarbeiter, die er seit vielen Jahren beschäftige. Zudem hätten die nicht fachkundigen Bewohner der Reihenhäuser aus der eingebauten Dachbodentreppe nicht die entscheidenden Merkmale des Herstellungsverfahrens ableiten können.
6.3 Das patentgegenständliche Herstellungsverfahren beruhe sehr wohl auf einer erfinderischen Tätigkeit:
Erstens sei das Problem, das beim Vorgängermodell aufgetreten sei, für den Fachmann nicht offensichtlich gewesen, da die meisten dieser Leitern über Länge Zeit einwandfrei funktionierten. Lediglich unter ganz bestimmten Bedingungen seien die Gelenke an den Stützarmen den Belastungen nicht auf Dauer gewachsen gewesen, nämlich wenn die Stützarme stark gebogen werden mussten, um den Unterschied zwischen der Breite der Öffnung in der Decke und der Breite der Leiter auszugleichen, und wenn eine Treppe mit mehr oder weniger gebogenen Stützarmen von schweren Personen oder sehr häufig benutzt wurde. Der Erfinder habe erkannt, dass die Biegung der Stützarme deren Gelenke belaste und dass eine Treppe umso weniger belastbar sei, je stärker die Stützarme gebogen seien. Die Lösung des Patents bestehe darin, die Treppe so zu konstruieren, dass die Stützarme nicht oder nur in geringem Maße gebogen werden müssen.
Die gefundene Lösung habe nicht nur das schwer erkennbare technische Problem überlasteter Gelenke an den Stützarmen gelöst, sondern führe auch zu erheblichen Kosteneinsparung für Hersteller und Kunden. Denn durch Verwendung eines tragenden Innenrahmens, der in einem solchen Abstand zum Außenrahmen montiert werde, dass die die beiden Rahmen verbindenden Stützarme nicht oder nur wenig gebogen werden müssen, konnten die Dachbodentreppen mit Standardleitern ausgestattet werden, d. h. für verschieden breite Deckenöffnungen könne immer eine Leiter derselben Breite verwendet werden bzw. eine passende Leiter aus zwei oder drei verschieden breiten Standardmodellen ausgewählt werden.
Das Herstellungsverfahren sei effizient und kostengünstig durchzuführen, weil im Wesentlichen nur die Länge der Querelemente des Außenrahmens der Breite der Deckenöffnung angepasst werden müsse, in die die Treppe eingebaut werden solle. Auch beim Innenrahmen seien nur die Querelemente an das Maß des Außenrahmens anzupassen. Alle Längselemente könnten standardisiert sein.
Nicht zuletzt sei in Betracht zu ziehen, dass das Herstellungsverfahren patentiert sei, d. h., dass nicht ein einzelnes Erzeugnis zu betrachten sei, sondern das Problem, eine größere Anzahl dieser Erzeugnisse für verschieden breite Deckenöffnungen kostengünstig und effizient herzustellen und zu montieren.
7. Bezüglich der Verletzungsklage trägt der Beklagte Folgendes vor: Selbst wenn das Klägerische Patent für gültig erachtet werde, verletze er Anspruch 1 des Patents durch die Herstellung und den Vertrieb baugleicher Leitern nicht.
7.1 Gemäß Anspruch 1 müsse der äußere Montagerahmen entsprechend den Maßen einer "Deckenöffnung gegebener Größe" angefertigt werden. Er als Beklagter gebe diese Größe aber nicht vor, verwirkliche dieses Merkmal somit nicht.
7.2 Insbesondere verwirkliche er nicht das Anspruchsmerkmal "sodass die Längsträger [des Innenrahmens] zu den Längselementen des Außenrahmens in einem vorgegebenen Abstand nach innen versetzt sind". Hier sei schon unklar, wer den Abstand nach welchen Kriterien vorgebe.
Der Kläger trage zwar vor, dass der Abstand so zu wählen sei, dass die Gelenke der Stützarme keinen zu großen Belastungen durch Verbiegen ausgesetzt seien. Das komme aber weder im Patentanspruch zum Ausdruck noch werde ein Maß für eine "zu große" Belastung angegeben.
Außerdem habe er, der Beklagte, den Abstand zwischen dem Außenrahmen und dem Innenrahmen seiner Treppen nicht nach dem Gesichtspunkt der Belastung der Gelenke an den Stützarmen gewählt. Ihm sei es darum gegangen, den Abstand zwischen den beiden Längsträgern des Innenrahmens der Breite seiner Standardleitern anzupassen.
Dass bei den von ihm gefertigten Dachbodentreppen für verschieden breite Deckenöffnungen die Abstände zwischen den Längsträgern des Außen- und Innenrahmens ähnlich seien wie bei den Klägerischen Treppen, sei Zufall bzw. beruhe darauf, dass seine Firma bestrebt sei, für jede Breite einer Deckenöffnung die breitest mögliche ihrer Standardleitern zu verwenden, um den Kunden eine bequeme Benutzung der Treppe zu erlauben.
8. Der Kläger zeigt sich von diesen Argumenten des Beklagten unbeeindruckt und führt aus, dass der Beklagte vor und nach 1996 jahrelang die von ihm hergestellten Leitern im Gebiet von England und Wales vertrieben und montiert habe. Aufgrund der früheren engen Geschäftsbeziehungen habe er die negativen Erfahrungen mit der alten Konstruktion der Dachbodentreppen gekannt und damit auch die Gründe für die patentierte Lösung.
Fragen:
1. 1st die patentgegenständliche Treppe durch die Veröffentlichung des Fotos des vor dem Prototypen der Treppe stehenden Ministers oder durch den Einbau der Dachbodentreppe in drei Reihenhäuser neuheitsschädlich vorweggenommen worden?
2. Beruht das patentgegenständliche Herstellungsverfahren auf erfinderischer Tätigkeit?
3. Hat der Beklagte durch Herstellung, Vertrieb und Montage von Dachbodentreppen, die mit den nach dem geschützten Verfahren hergestellten baugleich sind, das Patent verletzt?
4. Könnte die Verletzungsklage (auch) aufgrund von Anspruch 6 erfolgreich sein?
Beantworten Sie bitte alle Fragen. Nehmen Sie bei der Beantwortung der Fragen 2 und 3 bzw. 4 gegebenenfalls an, die jeweils vorherige Frage im Sinne der Gültigkeit des Patents beantwortet zu haben.