BERICHTE NATIONALER RICHTER
GB Vereinigtes Königreich
GB Vereinigtes Königreich - David KITCHIN - Vorsitzender Richter am Patents Court of the High Court - Neue Patentfälle aus England und Wales
Überblick anlässlich des europäischen Patentrichtersymposiums im September 2010
Der Anteil der Patentstreitigkeiten ist im Vereinigten Königreich so groß gewesen, dass ich mich notgedrungen auf einen Überblick über einige jüngere Entscheidungen des Court of Appeal beschränken werde. Ich möchte auf sieben Entscheidungen eingehen, die allesamt interessante Fragen aufwerfen, sei es in verfahrens- oder in materiellrechtlicher Hinsicht.
Lassen Sie mich mit Virgin Atlantic v Premium Aircraft1 beginnen. Welche Anordnungen sollte ein nationales Gericht treffen, das abschließend festgestellt hat, dass der nationale Teil eines europäischen Patents gültig ist und verletzt worden ist, wenn gegen dieses Patent Beschwerde vor der Technischen Beschwerdekammer des EPA eingelegt wird? Mit dieser Frage wurde der Court of Appeal konfrontiert, nachdem er der Berufung gegen eine Entscheidung des High Court stattgegeben und festgestellt hatte, dass Premium das auf einem europäischen Patent beruhende UK-Patent von Virgin für ein Sitzesystem für ein Flugzeug verletzt habe. Das zwischen nationalen Gerichten und dem EPA bestehende Konfliktpotential wird hier erneut deutlich. Angesichts der sich aus dem laufenden Beschwerdeverfahren unvermeidlich ergebenden Unsicherheit musste das Gericht sich insbesondere mit zwei Fragen auseinandersetzen: Wie ist hinsichtlich der beantragten Unterlassungsverfügung zu verfahren? Und wie hinsichtlich der Schadensersatzklage?
Bezüglich der Unterlassungsverfügung wies das Gericht auf den Unterschied zu dem Fall hin, in dem ein Kläger in der ersten Instanz obsiegt hat, dieses Urteil jedoch vor einer höheren Instanz angefochten wird; in einer solchen Situation erfolgt eine Abwägung nach Billigkeitsgesichtspunkten, doch wird die Unterlassungsverfügung dem Patentinhaber in der Regel gewährt, wenn er sich verpflichtet, gegebenenfalls Schadensersatz zu leisten. Anders verhält es sich jedoch, wenn eine endgültige Verfügung erlassen werden soll und kein Rechtsmittel vor eine höhere Instanz eingelegt werden kann. Die Rechte des Klägers wurden hier rechtskräftig festgestellt, und eine Unterlassungsverfügung kann ihm nach Auffassung des Court of Appeal nur aus ganz gewichtigen Gründen versagt werden. In Anbetracht von Artikel 3 der Durchsetzungsrichtlinie 2004/48/EG müsste der Erlass der Verfügung völlig unverhältnismäßig sein. Und daran ändert auch ein laufendes Beschwerdeverfahren vor dem EPA nichts.
Was den Schadensersatz betrifft, so ist die Rechtslage im Vereinigten Königreich nach Auffassung des Court of Appeal eindeutig. Mit der nachträglichen Widerrufung eines Patents durch die Technische Beschwerdekammer wird eine anderslautende rechtskräftige Entscheidung eines unserer nationalen Gerichte nicht null und nichtig2. Hat das nationale Gericht die Fragen der Gültigkeit und der Verletzung endgültig geklärt, so sind diese Fragen zwischen den Parteien rechtskräftig entschieden. Die nachträgliche Widerrufung des Patents durch das EPA wirkt sich insofern für die Zukunft aus, als eine gegebenenfalls erlassene Unterlassungsverfügung außer Kraft tritt. Der Anspruch auf Schadensersatz bleibt allerdings bestehen. Das mag ziemlich hart erscheinen, doch würde die Alternative zu Unsicherheit und zu erwartenden erheblichen Verzögerungen führen; beides wäre für die Geschäftswelt wenig förderlich.
Meine beiden nächsten Fälle zeugen von der Flexibilität der englischen Gerichte in der Frage der Aufspaltung von Verfahren zumindest auf der Ebene des allgemeinen Fallmanagements. Kann der Streit voraussichtlich mit einer Entscheidung über die Verletzung oder über die Gültigkeit beigelegt werden, so kann es angemessen sein, die Verhandlung über eine dieser beiden Fragen vorzuziehen. Die Fälle Cook Biotech v Edwards Lifesciences3 sowie Medtronic Core Valve v Edwards Lifesciences4 betrafen beide Herzklappen. In Cook Biotech hatte die erste Instanz festgestellt, dass Cooks Patent durch einen Stand der Technik namens Anderson nahegelegt und damit nichtig sei und hatte eine Patentverletzung verneint. In seinem Urteil hatte das Gericht auch über eine die Priorität betreffende Frage zu entscheiden, die für einen anderen, nach Edwards' Aussagen angeblich einschlägigen Stand der Technik von Bedeutung war. Mit seiner Berufung wandte sich Cook gegen die Feststellungen zum Naheliegen, zur Nichtverletzung und zur Priorität. Für das Berufungsverfahren waren drei Tage angesetzt worden. Zu Beginn der Verhandlung kamen die Parteien jedoch überein, dass es am effizientesten wäre, wenn der Court of Appeal zunächst über die Feststellung der ersten Instanz, das Patent sei durch Anderson nahegelegt, verhandeln würde; sollte die Berufung nämlich in diesem Punkt scheitern, so wäre sie auch im Übrigen hinfällig. Dies war tatsächlich der Fall, sodass es sich als unnötig erwies, über das Vorbringen zu all den anderen mit der Berufung aufgeworfenen Fragen zu verhandeln, mit dem Ergebnis, dass die Berufung in weniger als einem Tag erledigt war – eine erhebliche Zeit- und Kostenersparnis für das Gericht.
Im anderen Fall, Medtronic, hatte die erste Instanz festgestellt, dass Edwards' Patent zwar gültig sei, aber durch Medtronics Herzklappenvorrichtung nicht verletzt werde. Mit seiner Berufung wandte sich Edwards gegen die Feststellung der Nichtverletzung, und Medtronic legte Anschlussberufung ein, jedoch nur hilfsweise; sollte der Court of Appeal entscheiden, dass Medtronics Vorrichtung das Patent nicht verletze, so wäre Medtronic an der Frage der Gültigkeit nicht weiter interessiert. Dem Court of Appeal war es dadurch möglich, das Berufungsverfahren in der Weise aufzuspalten, dass zunächst alle Argumente zur angeblichen Patentverletzung vorgetragen wurden. Über die Frage der Gültigkeit müsste nur dann verhandelt werden, wenn der Court of Appeal zu der Auffassung gelangen sollte, dass das Erzeugnis das Patent verletzte. Nachdem die Berufung in diesem Punkt tatsächlich zurückgewiesen wurde, stimmten die Parteien einem entsprechenden Beschluss zu. Auch hier war die Berufung in weniger als einem Tag erledigt. Meines Erachtens verdeutlichen beide Fälle die Vorzüge eines flexiblen Systems, das es dem Gericht ermöglicht, zu entscheiden, ob zusammen oder getrennt über die Fragen der Verletzung bzw. der Gültigkeit verhandelt werden soll.
Ich komme nun zum materiellen Recht und werde mit einer Auseinandersetzung mit dem Begriff des "Fachmanns" beginnen. Dieser Begriff kommt im EPÜ dreimal vor, nämlich im Protokoll zu Art. 69 über den Schutzbereich der Ansprüche, in Art. 56 über die erfinderische Tätigkeit – "wenn [die Erfindung] sich für den Fachmann nicht in naheliegender Weise aus dem Stand der Technik ergibt", und in Art. 83 über ausreichende Offenbarung – die Erfindung ist im Patent "so deutlich und vollständig zu offenbaren, dass ein Fachmann sie ausführen kann". Die Frage, ob der Fachmann für alle drei Zwecke ein und derselbe ist, war im Vereinigten Königreich bislang nicht beantwortet worden. Sie stellte sich jedoch unmittelbar in einem jüngeren Fall, der eine Erfindung zum Nachweis von kohlenwasserstoffhaltigen Schichten in Sedimentgestein betraf: Schlumberger v Electromatic Geoservices5.
Die Suche nach Erdölvorkommen erfolgte vor Geoservices' Erfindung mit Hilfe von seismischen Verfahren. Mit diesen Verfahren lassen sich innerhalb von sedimentarischen Schichten dünne Schichten nachweisen, die Kohlenwasserstoff enthalten könnten, sie geben jedoch keinen Aufschluss darüber, ob tatsächlich Kohlenwasserstoff vorliegt, weil sich die seismischen Eigenschaften von Kohlenwasserstoff nicht von denjenigen von Wasser oder Sole unterscheiden. Die patentgemäße Lösung bestand in der Untersuchung einer zuvor mithilfe seismischer Verfahren ermittelten derartigen Schicht mittels elektromagnetischer Verfahren (sogenannte CSEM-Technik – Controlled Source Electromagnetic), die eine Unterscheidung von Kohlenwasserstoffen einerseits und Wasser oder Sole andererseits erlauben. Durch die Kombination beider Techniken lassen sich Kohlenwasserstoffe somit – anders als mit jeder einzelnen dieser Techniken – zweifelsfrei nachweisen. Aus der Patentschrift ging klar hervor, dass die Ausführung der Erfindung Sachkenntnisse sowohl auf dem Gebiet der Seismik als auch der CSEM-Technik erforderte. Unstreitig war auch, dass Sachkenntnisse auf beiden Gebieten zur Bestimmung des Schutzbereichs erforderlich waren. Für das Gericht lautete die Schlüsselfrage jedoch: Wie stellte sich die Situation dar, bevor die Erfindung gemacht wurde? Muss der Stand der Technik ebenfalls mit den Augen eines auf dem Gebiet der Seismik wie auch der CSEM beschlagenen Geophysikers betrachtet werden? Die erste Instanz hatte zwar festgestellt, dass ein mit der Suche nach Erdöl befasster Geophysiker vor der Erfindung nur vage Kenntnisse von CSEM gehabt hätte, hatte diese Frage aber gleichwohl bejaht. Dementsprechend wurde das Patent wegen Naheliegens für nichtig erklärt. Der Court of Appeal teilte diese Auffassung jedoch nicht und gab der Berufung statt. Im Anschluss an Luminescent Security Fibres/Jalon T 422/93 entschied er, dass der Fachmann für die Frage des Naheliegens nicht unbedingt derselbe ist wie der Fachmann, der die Erfindung ausführt, wenn sie einmal gemacht worden ist. Hier habe ein Teil der Erfindung – der technische Beitrag – darin bestanden, die beiden Teile des Teams zusammenzuführen. Mit Jacob LJs Worten:
"…einige Erfindungen bestehen selbst in einer Änderung des einschlägigen Sachgebiets. Gibt ein Patentinhaber die Anweisung, zur Lösung einer Aufgabe das Wissen von zwei unterschiedlichen Sachgebieten zu verbinden, so kann diese Verbindung naheliegend sein oder auch nicht. Ist sie nicht naheliegend und bringt sie einen wirklichen technischen Fortschritt, dann verdient der Patentinhaber ein Patent und sollte es auch erhalten. Sein Weitblick ist außergewöhnlich."
Das bringt mich zu zwei neuen Entscheidungen zur erfinderischen Tätigkeit. Sie sind weitere Beispiele für eine im Vereinigten Königreich zu beobachtende, meines Erachtens begrüßenswerte Tendenz - eine Tendenz zur Vereinfachung und der Versuch, zu ermitteln, ob der Patentinhaber einen technischen Fortschritt vollbracht hat.
Die erste Entscheidung ist Actavis v Novartis6. Die angebliche Erfindung war ganz simpel: eine Formulierung mit verzögerter Freisetzung für Fluvastatin. Am Prioritätsdatum im Jahr 1996 war Fluvastatin ein allgemein bekanntes, in einer Formulierung mit sofortiger Freisetzung erhältliches Statin. Arzneimittelformulierungen mit verzögerter Freisetzung waren damals als Konzept bereits bekannt und wurden selbstverständlich als erstrebenswert angesehen. Ihr besonderer Vorteil liegt darin, dass Patienten für die Einnahme ihrer Medikamente eine viel einfachere Darreichungsform zur Verfügung steht, sodass weniger wahrscheinlich ist, dass sie die Einnahme versäumen. Mit anderen Worten ist die verzögerte Freisetzung gut für die Mitwirkung der Patienten. Im Patent wurde nun behauptet, bei Fluvastatin habe das Problem bestanden, dass aufgrund seiner hohen Löslichkeit davon ausgegangen wurde, dass die herkömmlichen Arten der Herstellung einer Formulierung mit verzögerter Freisetzung nicht funktionieren würden. Vor diesem Hintergrund hielten es sich die Erfinder zugute, entdeckt zu haben, dass es entgegen der Annahme der Fachwelt tatsächlich möglich sei, anhand von herkömmlichen Verfahren zu einer Formulierung mit verzögerter Freisetzung von Fluvastatin zu gelangen. Die erste Instanz erließ eine ziemlich lange Entscheidung. Sie stellte fest, dass die Aussagen zur Löslichkeit von Fluvastatin im Patent unzutreffend seien. Der Fachmann hätte nicht angenommen, dass eine Formulierung mit verzögerter Freisetzung aufgrund der hohen Löslichkeit von Fluvastatin nicht zu bewerkstelligen sei, und das Team wäre zuversichtlich gewesen, dass diese Formulierung eine gewisse Wirksamkeit haben würde. Das Gericht stellte aber auch fest, i) dass es nicht naheliegend sei – im Sinne eines Vorhabens mit guten Erfolgsaussichten –, dass eine Formulierung mit einer verbesserten therapeutischen Wirksamkeit oder geringeren Nebenwirkungen hergestellt werden könne, und ii) dass es kein Motiv gegeben habe, die Formulierung mit verzögerter Freisetzung zu realisieren. Dennoch beurteilte das Gericht die Erfindung als technisch naheliegend. Es überrascht nicht, dass sich Novartis durch diese ziemlich komplexe Analyse ermuntert sah, in die Berufung zu gehen.
Der Court of Appeal bediente sich eines soliden und geradlinigen Ansatzes: Obgleich es der Fachmann möglicherweise wirklich nicht für lohnend erachtet hätte, zu versuchen, zu einer Formulierung mit einer verbesserten therapeutischen Wirkung und geringeren Nebenwirkungen zu gelangen, treffe das für die verzögerte Freisetzung nicht zu. Hierfür habe es ein technisches Motiv gegeben – die Mitwirkung der Patienten –, und es spiele keine Rolle, ob dies als kommerziell lohnend angesehen worden wäre oder nicht. Die im Patent aufgestellte Behauptung zur hohen Löslichkeit von Fluvastatin sei illusorisch. Dementsprechend habe der Patentinhaber nichts weiter gesagt als: "Eine Formulierung mit verzögerter Freisetzung von Fluvastatin ist machbar", was naheliegend sei. Er habe keinen technischen Fortschritt vollbracht.
Mit der zweiten Entscheidung, Dr Reddy v Eli Lilly7, wurde ein überholter und obskurer Bestandteil des UK-Patentrechts im Zusammenhang mit den Auswahlerfindungen aufgegeben. Das Patent betraf ein in der Behandlung von Schizophrenie eingesetztes Neuroleptikum mit der Bezeichnung Olanzipin. Lilly hatte herausgefunden, dass Olanzipin die positive Wirkung des früheren Neuroleptikums Clozipin aufwies, unerwünschte Nebenwirkungen jedoch signifikant reduzierte. Dr. Reddy focht das Patent in erster Linie wegen Naheliegens unter Berücksichtigung eines früheren Patents an, in dem eine Markush-Formel offenbart wurde, bei der eine Molekularstruktur mit unterschiedlichen Möglichkeiten für die verschiedenen Substituenten angegeben wurde; im Patent hieß es, dass alle Verbindungen zur Behandlung von Schizophrenie wirksam seien. Die Formel erstreckte sich auf Tausende von Einzelmolekülen, zu denen auch Olanzipin zählte, das aber nicht eigens genannt wurde. Dr. Reddy behauptete, das Patent sei ungültig, weil es sich in Wirklichkeit um ein Auswahlpatent für eine bestimmte Verbindung handle, die zuvor als Teil einer insgesamt als nützlich beschriebenen Klasse offenbart worden sei. Hierfür stützte sich Dr. Reddy auf die bis zum IG Farben-Fall8 aus dem Jahr 1930 zurückreichenden Regeln für Auswahlerfindungen. Vorliegend sei die Auswahl willkürlich und genüge diesen Regeln somit nicht.
Der Court of Appeal wies dieses Vorbringen zurück und erklärte, dass die IG Farben-Regeln, obwohl das House of Lords 1982 in Du Pont9 und später der Court of Appeal in Hallen v Brabantia10 sich darauf bezogen hätten, nicht geltendes Recht seien. Sie würden vom EPA und den anderen Mitgliedern der Europäischen Patentorganisation nicht angewandt. Statt dessen sollte danach gefragt werden, ob der Patentinhaber einen neuartigen und nicht naheliegenden technischen Fortschritt vollbracht und diesen hinreichend glaubhaft gemacht habe. Lasse sich kein derartiger Fortschritt ausmachen, so sei das Patent wie in AgrEvo naheliegend, weil es sich um nichts weiter handle als um eine völlig willkürliche Auswahl aus einer bereits zuvor offenbarten Klasse. Im betreffenden Fall gab es jedoch einen tatsächlichen technischen Fortschritt, weil nichts im Stand der Technik darauf hindeutete, dass alle Verbindungen der betreffenden Klasse die vorteilhafte Eigenschaft hätten, geringere Nebenwirkungen hervorzurufen. Die Auswahl von Olanzipin stellte damit einen signifikanten Beitrag zum Stand der Technik dar.
Meinem letzten Fall kommt erhebliche Bedeutung zu, und es ist die erste Entscheidung im Vereinigten Königreich, die sich inhaltlich mit den Erfordernissen der Art. 52 (1) und 57 auseinandersetzt. In Eli Lilly v HGS11 bestätigte der Court of Appeal die Entscheidung der ersten Instanz, wonach HGS' Patent auf ein neues Mitglied der TNF-Superfamilie mit der Bezeichnung TNFα ungültig sei, weil es ihm an gewerblicher Anwendbarkeit mangele. Der Fall ist noch aus einem weiteren Grund bemerkenswert: Die Technische Beschwerdekammer des EPA war zuvor zum gegenteiligen Schluss gelangt und hatte das Patent im Beschwerdeverfahren bestätigt.
Eingangs unterstrich der Court of Appeal die Bedeutung der Kooperation zwischen nationalen Gerichten und dem EPA für die zügige Erledigung von wirtschaftlich bedeutsamen Fällen. Er stellte jedoch auch klar, dass die Natur des Verfahrens in England und vor dem EPA ganz unterschiedlich sei, da das Verfahren vor der Tatsacheninstanz in England eine detaillierte und eingehende Untersuchung und Überprüfung der Beweise beinhalte. Vor dem EPA gebe es hingegen viel weniger Raum für die Überprüfung der Beweise, mit dem Ergebnis, dass das Verfahren unweigerlich etwas von einem "groben Filter" habe. Während Entscheidungen der TBK daher für Rechtsfragen eminent wichtig seien, sei es für englische Gerichte unangemessen, sich an die Feststellungen der TBK zum Sachverhalt oder zu dessen Bewertung zu halten.
Der Court of Appeal setzte sich eingehend mit den Rechtsgrundsätzen auseinander, die in den zahlreichen Entscheidungen der TBK zu Art. 57 aufgestellt werden. Er gelangte zu dem Schluss, dass der Patentinhaber eine Verwendung für seine Erfindung offenbaren muss, die plausibel in dem Sinne ist, dass sie mehr als nur "nicht unglaubwürdig" ist. Es muss triftige Gründe für die Annahme geben, dass die in der Offenbarung gemachte Aussage zutrifft. Diese Aussage muss außerdem hinreichend genau sein. Es genügt nicht, auszuführen, dass besagtes Protein oder einer seiner Antikörper wahrscheinlich pharmazeutisch nutzbar ist. Eine solche Aussage mag plausibel sein, hat jedoch keinen praktischen Nutzen, denn es bleibt Dritten überlassen, herauszufinden, worin dieser Nutzen besteht. In Anwendung dieses Tests gelangte der Court of Appeal zu dem Schluss, dass die Entscheidung der ersten Instanz nicht zu beanstanden sei.
Es wurde suggeriert, dies sei ein Beispiel dafür, dass das Vereinigte Königreich "eigene Wege geht". Dem muss ich entschieden widersprechen. Der Court of Appeal hat die Rechtsprechung der TBK äußerst sorgfältig analysiert und sich bemüht, die von der TBK entwickelten Grundsätze herauszuarbeiten. Wenn er zu einem anderen Ergebnis gelangt ist, dann nicht, weil er sich eines anderen Ansatzes bedient hätte, sondern weil der Tatrichter festgestellt hatte, die patentgemäße Offenbarung sei spekulativ und in sich widersprüchlich – eine Feststellung, auf die nebenbei bemerkt in der Entscheidung der TBK überhaupt nicht eingegangen wird.
1 [2009] EWCA Civ 1513; [2010] FSR 15.
2 Unilin Beheer v Berry Floor [2007] FSR 25 (CA); Poulton v Adjustable Cover and Boiler Block [1908]4 2 Ch 430 (CA).
3 [2010] EWCA Civ 718 (CA).
4 [2010] EWCA Civ 704 (CA).
5 [2010] EWCA Civ 819 (CA).
6 [2010] EWCA Civ 82 (CA); [2010] FSR 18.
7 [2009] EWCA 1362 (CA); [2010] RPC 9.
8 (1930) 47 RPC 289. Die Regeln für eine Auswahlerfindung waren folgende: erstens muss der Auswahl ein erheblicher Vorteil zugrunde liegen, der durch die Verwendung der ausgewählten Mitglieder gesichert werden soll; zweitens müssen die ausgewählten Mitglieder allesamt den betreffenden Vorteil aufweisen; und drittens muss die Auswahl sich auf eine ganz spezifische Eigenschaft beziehen, von der zu Recht gesagt werden kann, dass sie der ausgewählten Gruppe eigen is
t9 [1982] FSR 303 (HL).
10 [1991] RPC 195.
11 [2010] EWCA Civ 33 (CA); [2010] RPC 429. Die Berufung von HGS zum Supreme Court wurde zugelassen.