MITTEILUNGEN DES EPA
Mitteilung des Europäischen Patentamts vom 8. März 2007 über die unmittelbare Anwendbarkeit des Artikels 70 (7) des TRIPS-Übereinkommens in Spanien auf europäische Patentanmeldungen, die vor Erlöschen des von Spanien nach Artikel 167 EPÜ gemachten Vorbehalts eingereicht wurden
1. Vorbehalte der Hellenischen Republik und Spaniens
Beim Beitritt zur Europäischen Patentorganisation machte die Hellenische Republik einen Vorbehalt nach Artikel 167 (2) a) EPÜ, dem zufolge europäische Patente in Griechenland unwirksam sein sollten, soweit sie Schutz für Arzneimittel als solche gewährten.
Auch das Königreich Spanien erklärte einen Vorbehalt nach Artikel 167 (2) a) EPÜ, wonach europäische Patente in Spanien unwirksam seien, soweit sie Schutz für chemische Erzeugnisse oder Arzneimittel als solche gewährten.
Im Anschluss an Vereinbarungen insbesondere zwischen dem damaligen Registro de la Propiedad Industrial und dem Europäischen Patentamt über Validierungsverfahren in Spanien veröffentlichte das Europäische Patentamt eine Mitteilung vom 13. Mai 1992 über die Vorbehalte1 und empfahl den Anmeldern, gesonderte Anspruchssätze vorzulegen, wenn sie eine europäische Patentanmeldung einreichen, in der Spanien oder Griechenland benannt und Ansprüche auf chemische Erzeugnisse oder Arzneimittel als solche enthalten sind, die unter die in diesen Vertragsstaaten geltenden Vorbehalte fallen. Diese Vorbehalte sind am 8. Oktober 1992 erloschen, waren aber für alle Anmeldungen gültig, deren Anmeldetag vor diesem Datum lag.
2. Unmittelbare Anwendbarkeit des Artikels 70 (7) TRIPS in Spanien
Das TRIPS-Übereinkommen trat in Spanien am 1. Januar 1996 in Kraft. Am 9. Dezember 2005 befand das erstinstanzliche Gericht Nr. 7 in Madrid2 unter anderem, dass Artikel 70 (7) des TRIPS-Übereinkommens in Spanien unmittelbar anwendbar sei. Nach Artikel 70 (7) TRIPS können Anmeldungen, die zum Zeitpunkt der Anwendung des TRIPS-Übereinkommens auf das betreffende Mitglied noch anhängig sind, so geändert werden, dass sie jeden nach Maßgabe des Übereinkommens vorgesehenen erweiterten Schutz beanspruchen können.
3. Auswirkungen auf anhängige Anmeldungen, die von dem Vorbehalt in Spanien betroffen sind
Hat ein Anmelder also vor dem 8. Oktober 1992 eine europäische Patentanmeldung eingereicht, die noch anhängig ist, so muss er die Gelegenheit zur Änderung seiner Anmeldung erhalten, um den erweiterten Schutz zu erlangen, der im TRIPS-Übereinkommen vorgesehen ist, insbesondere in Artikel 27 (1) TRIPS, wo es heißt, dass Patente für Erfindungen auf allen Gebieten der Technik sowohl für Erzeugnisse als auch für Verfahren erhältlich sind.
Dies kann insbesondere Teilanmeldungen betreffen, da für sie derselbe Anmeldetag gilt wie für die Stammanmeldung und sie deshalb noch anhängig sein und unter den Vorbehalt fallen können. Auch Anmeldungen, die während des Verfahrens vor der Erteilung mit einer Beschwerde angefochten wurden, oder ausgesetzt worden sind, können damit noch anhängig sein.
4. Folgen für das Verfahren vor dem Europäischen Patentamt
Aufgrund der oben genannten Entscheidung ist die in der Mitteilung des Europäischen Patentamts vom 13. Mai 1992 enthaltene Empfehlung für Spanien nicht mehr anwendbar. Hat ein Anmelder einen gesonderten Anspruchssatz für Spanien eingereicht, kann dieser zurückgenommen werden, sodass der Anmelder in Spanien Schutz für chemische Erzeugnisse und Arzneimittel als solche beanspruchen und erhalten kann.
Sollte er diesen gesonderten Anspruchssatz aus irgendeinem Grund nicht zurücknehmen, würde die europäische Patentanmeldung bis zur Erteilung mit einem gesonderten Anspruchssatz für Spanien weiterverfolgt, und es bestünde in Spanien kein Schutz für die chemischen Erzeugnisse oder die Arzneimittel als solche.
5. Situation in der Hellenischen Republik
Dem Europäischen Patentamt ist über ähnliche Entwicklungen in der Hellenischen Republik nichts bekannt. Somit ist davon auszugehen, dass die Mitteilung des Europäischen Patentamts vom 13. Mai 1992 auch weiterhin für anhängige Anmeldungen gilt, die infolge des Vorbehalts der Hellenischen Republik mit einem gesonderten Anspruchssatz für Griechenland eingereicht wurden.
2 Siehe Entscheidung des erstinstanzlichen Gerichts Nr. 7 in Madrid vom 9. Dezember 2005 in der Sache Ratiopharm España S.A. v. Warner-Lambert Company, bestätigt in diesem Punkt durch die Entscheidung des Provinzgerichts von Madrid, Sektion 28, Urteil Nr. 147 vom 26. Oktober 2006.
"[…] Die oben genannten Bestimmungen [Artikel 27 und 70 (7)] des TRIPS-Übereinkommens sind in Spanien ab dem Zeitpunkt des Inkrafttretens unmittelbar anwendbar, da dessen Anwendung ab der Ratifizierung für den Staat verbindlich ist und die in Frage stehenden Bestimmungen unmittelbare Rechtswirkung entfalten, weil sie die Kriterien des Gerichtshofs der Europäischen Gemeinschaften erfüllen, d. h. eine klare, genaue und unmissverständliche Verpflichtung und ein umfassendes Mandat ohne Ermessensspielraum festlegen, ohne dass nationale Ausführungsbestimmungen nötig sind […]"