MITTEILUNGEN DES EPA
Mitteilung vom 1. März 1997 über die Änderung des Europäischen Patentübereinkommens, der Ausführungsordnung und der Gebührenordnung*
Gebührensenkung und Verlängerung der Frist zur Entrichtung der Benennungsgebühren zum 1. Juli 1997
Mit Beschlüssen vom 5. Dezember 1996 hat der Verwaltungsrat das Übereinkommen, seine Ausführungsordnung und die Gebührenordnung mit Wirkung zum 1. Juli 1997 geändert. Die nachstehend näher erläuterten Änderungen sehen eine Senkung der Verfahrensgebühren des EPA und die Verlängerung der Frist für die Zahlung der Benennungsgebühren vor. Die neuen Gebühren gelten für Zahlungen ab 1. Juli 1997, die neue Frist für alle europäischen Patentanmeldungen, in denen die Benennungsgebühren zu diesem Zeitpunkt noch nicht wirksam entrichtet sind und die bis dahin geltende Frist (Art. 79 (2) a. F. EPÜ) zu ihrer Entrichtung noch nicht abgelaufen ist.1
I. Gebührensenkung
Änderung der Gebührenordnung
Artikel 2 Nummern 1 bis 3a der Gebührenordnung erhält folgende Fassung:
| DEM |
---|---|
"1. Anmeldegebühr (Artikel 78 Absatz 2), nationale Grundgebühr (Regel 104b Absatz 1 Buchstabe b Ziffer i) |
250 |
2. Recherchengebühr |
|
|
1 700 |
|
2 200 |
3. Benennungsgebühr für jeden benannten Vertragsstaat (Artikel 79 Absatz 2) |
150 |
3a. Gemeinsame Benennungsgebühr für die Schweizerische Eidgenossenschaft und das Fürstentum Liechtenstein |
150" |
1. Die auf Vorschlag des Präsidenten des EPA vom Verwaltungsrat beschlossene Gebührensenkung trägt der Entwicklung des Haushalts der Europäischen Patentorganisation und den Wünschen der Benutzer des europäischen Patentsystems Rechnung. Angesichts anhaltender Haushaltsüberschüsse der Organisation und der Bestimmungen des Übereinkommens über die Bemessung der Gebühren und den Ausgleich des Haushalts (Art. 40 (1) EPÜ) war eine deutliche Senkung der europäischen Verfahrensgebühren geboten.
2. Die mit der Gebührensenkung bewirkte Gesamtentlastung beträgt im Fall einer durchschnittlichen europäischen Anmeldung mit 8 benannten Staaten 2 150 DEM oder rund 20 % der heute bis zur Erteilung des europäischen Patents an das EPA zu entrichtenden Gebühren. Sie hat ein Gesamtvolumen von rund 140 Mio. DEM pro Jahr.
3. Die Gebührensenkung betrifft die zu Beginn des europäischen Erteilungsverfahrens regelmäßig zu entrichtenden Gebühren, d. h. die Anmelde-, Recherchen- und Benennungsgebühren. In der Eingangsphase, also bis zur Stellung des Prüfungsantrags, sind damit in Zukunft nur noch 1 950 DEM statt wie bisher 5 300 DEM zu entrichten, wenn man die gleichzeitig beschlossene Verschiebung des Zahlungszeitpunkts für die Benennungsgebühren berücksichtigt (vgl. unten II). Diese massive Senkung der Eingangsgebühren erleichtert den Einstieg in das europäische Verfahren und macht es auch für freie Erfinder, kleine und mittlere Unternehmen attraktiv.
4. Das Schwergewicht der Entlastung liegt auf den Benennungsgebühren. Waren bei durchschnittlich 8 Benennungen bisher 2 800 DEM pro Anmeldung zu bezahlen, so sind nach dem neuen Tarif nur noch 1 200 zu entrichten. Die Benennung aller 18 EPÜ-Vertragsstaaten kostet künftig nurmehr DEM 2 550 DEM statt bisher rund 6 000 DEM. Damit wird eine umfassende Staatenbenennung auch für Anmelder interessant, die bisher aus Kostengründen darauf verzichtet haben, den einen oder anderen Vertragsstaat zu benennen. Die deutliche Herabsetzung der Benennungsgebühr trägt damit auch den Gegebenheiten des europäischen Binnenmarkts Rechnung, wo innovative Produkte staatenübergreifend vermarktet werden und ein in geographischer Hinsicht lückenhafter Schutz zu Wettbewerbsverzerrungen und wirtschaftlichen Nachteilen führen kann.
5. Mit der Absenkung der Anmelde- und Recherchengebühren wird der Entlastungseffekt in der Eingangsphase des europäischen Erteilungsverfahrens verstärkt und auch Anmeldern, die nur in einigen Staaten Schutz benötigen, eine spürbare Gebührenentlastung gewährt.
6. Darüber hinaus erleichtert die Senkung der Recherchengebühren den Zugang europäischer Anmelder zum PCT. Dies gilt ganz besonders für europäische Erstanmelder, weil diese nur die europäische Recherchengebühr von künftig 1 700 DEM in der Erstanmeldung zu zahlen haben und die Gebühr für die internationale Recherche (künftig 2 200 DEM) bei Einreichung einer identischen PCT-Nachanmeldung in vollem Umfang erstattet wird. Europäischen Anmeldern, die ihre PCT-Anmeldung auf eine nationale Voranmeldung stützen, kommt die geringere Gebühr für die internationale Recherche zugute.
II. Verlängerung der Frist zur Entrichtung der Benennungsgebühren
Änderung von Artikel 79 (2) EPÜ
Artikel 79 (2) EPÜ erhält folgende Fassung:
"(2) Für die Benennung eines Vertragsstaats ist die Benennungsgebühr zu entrichten. Die Benennungsgebühren sind innerhalb von sechs Monaten nach dem Tag zu entrichten, an dem im Europäischen Patentblatt auf die Veröffentlichung des europäischen Recherchenberichts hingewiesen worden ist."
7. Unter der geltenden Fassung von Artikel 79 (2) EPÜ sind die Benennungsgebühren 12 Monate nach Einreichung der Anmeldung, spätestens aber 13 Monate nach dem Prioritätstag zu entrichten. Praktisch bedeutet dies, daß in 90 % der EP-Direktanmeldungen (Anmeldungen, die nicht über PCT eingereicht werden) die Benennungsgebühren unmittelbar nach Einreichung der Anmeldung, also meist zusammen mit der Anmelde- und Recherchengebühr zu bezahlen sind.
8. Europäische Direktanmelder müssen die Benennungsgebühren heute zu einem Zeitpunkt entrichten, zu dem der europäische Recherchenbericht noch nicht vorliegt und die Erfolgsaussichten der Anmeldung nur mit Einschränkungen beurteilt werden können. Im EURO-PCT-Verfahren ist dies anders. Die europäischen Benennungsgebühren sind hier erst bei Eintritt in die europäische Phase, also 21 bzw. 31 Monate nach dem Prioritätstag zu entrichten. Der Anmelder kann sich damit die Option für eine breite Staatenbenennung offenhalten, bis er auf der Grundlage des internationalen Recherchenberichts oder des internationalen vorläufigen Prüfungsberichts die Aussichten seiner Anmeldung sicherer beurteilen kann. Da zu diesem Zeitpunkt auch das wirtschaftliche Interesse am geographischen Umfang des Patentschutzes regelmäßig besser einzuschätzen ist, kann der EURO-PCT-Anmelder weitaus gezielter benennen, als dies heute bei Einreichung der EP-Direktanmeldung möglich ist.
9. Die bisherige strukturelle Benachteilung der EP-Direktanmeldung kommt auch darin zum Ausdruck, daß hier die Benennungsgebühren stets, für EURO-PCT-Anmeldungen dagegen nur dann zu zahlen sind, wenn die Anmeldung in das europäische Erteilungsverfahren eintritt. Da der Anteil der europäischen Anmelder an EP-Direktanmeldungen bei 52 % liegt, an EURO-PCT-Anmeldungen dagegen nur bei 39 %, wird vor allem die europäische Industrie durch die bestehende Gebührenstruktur benachteiligt.
10. Die Gebührenpolitik des Amts war in der Vergangenheit stets darauf gerichtet, die Attraktivität der beiden Wege, EURO-Direkt und EURO-PCT, zum europäischen Patent gleichermaßen sicherzustellen. Mit dem Anstieg der EURO-PCT-Anmeldungen auf über 50 % des Anmeldeaufkommens hat diese Zielsetzung noch an Bedeutung gewonnen.
11. Die mit der Änderung von Artikel 79 (2) EPÜ beschlossene Verschiebung des Zeitpunkts für die Zahlung der Benennungsgebühren beseitigt die strukturelle Benachteiligung der EP-Direktanmeldung und verstärkt den Entlastungseffekt der Gebührensenkung ganz erheblich.
12. Die Verschiebung des Zahlungszeitpunkts für die Benennungsgebühren auf den Zeitpunkt für die Stellung des Prüfungsantrags (Art. 94 (2) EPÜ) bewirkt eine Verlängerung der Zahlungsfrist um rund 12 Monate. Die Benennungsgebühren für EP-Direktanmeldungen sind damit in Zukunft regelmäßig innerhalb von 24 Monaten nach dem Anmelde- oder Prioritätstag zu entrichten, jedoch nur dann, wenn der Anmelder nach Prüfung des Recherchenberichts das Erteilungsverfahren weiterführen will. Die Benennungsgebühren für EURO-PCT-Anmeldungen sind weiterhin bei Eintritt in die europäische Phase binnen 21 oder 31 Monaten seit dem Prioritätstag zu entrichten (Regel 104b (1) EPÜ; Artikel 79 (2) n. F. EPÜ findet keine Anwendung).
13. Die Synchronisierung der Fristen zur Zahlung der Benennungsgebühren und zur Stellung des Prüfungsantrags bzw. zur Zahlung der Prüfungsgebühr vereinfacht die Fristenüberwachung für den Anmelder und das Amt. Der Fristenlauf ist auch für Dritte ohne weiteres feststellbar, weil sich der Beginn der 6-Monatsfrist aus dem Europäischen Patentregister und Patentblatt entnehmen läßt.
14. Bei Veröffentlichung der europäischen Anmeldung wird künftig noch offen sein, für welche Staaten der Anmelder seine Schutzoption konkretisieren will. Eine Beeinträchtigung der Schutzrechtsüberwachung durch Dritte ist damit jedoch nicht verbunden. Dies gilt schon deshalb, weil bis zur wirksamen Stellung des Prüfungsantrags generell offen bleibt, ob für die Erfindung überhaupt Schutz beansprucht wird. Die Wettbewerber haben daher bereits heute das Europäische Patentregister zu konsultieren, wenn sie sich vergewissern wollen, ob in einer bestimmten Anmeldung das Prüfungsverfahren eingeleitet ist. Dabei läßt sich dann auch feststellen, für welche Staaten die Benennungsgebühren gezahlt sind; auf die damit definitiv benannten Staaten wird im Register und Patentblatt unmittelbar nach Fristablauf hingewiesen.2
15. Im übrigen ist die Praxis mit dieser Situation schon heute konfrontiert, weil mehr als 50 % aller europäischen Anmeldungen inzwischen über den EURO-PCT-Weg eingereicht werden. Da in der internationalen Anmeldung mit einer einzigen Bestimmungsgebühr die Schutzoption für alle EPÜ-Staaten erworben wird, kann erst bei Zahlung der europäischen Benennungsgebühren nach Eintritt in die europäische Phase festgestellt werden, für welche Staaten der Anmelder die Erteilung eines europäischen Patents definitiv anstrebt.
16. Die aufgeschobene Zahlung der Benennungsgebühren hat keine praktischen Auswirkungen auf den einstweiligen Schutz aus der veröffentlichten europäischen Patentanmeldung. Infolge der neuen Regelung genießt diese nun zwar prinzipiell einstweiligen Schutz in allen Vertragsstaaten (Art. 67 (1) EPÜ), jedoch gilt dieser Effekt für einen Staat als von Anfang an nicht eingetreten, wenn die entsprechende Benennungsgebühr nicht entrichtet wird (Art. 67 (4), 91 (4) EPÜ). Die Rechtslage für europäische EP-Direktanmeldungen entspricht insoweit der Regelung, die in Artikel 158 EPÜ für die EURO-PCT-Route getroffen ist. Im übrigen ist der vorläufige Schutz ohnehin unverändert an die Einreichung einer Übersetzung der Ansprüche geknüpft.
17. Die neue Fassung von Artikel 79 (2) EPÜ findet auf alle europäischen Patentanmeldungen Anwendung, in denen am 1. Juli 1997 die bis zu diesem Zeitpunkt geltenden Benennungsgebühren noch nicht entrichtet sind und die Grundfrist nach Artikel 79 (2) a. F. EPÜ zu ihrer Entrichtung noch nicht abgelaufen ist.
Folgeänderungen der Ausführungsordnung
Aufnahme von Regel 23a EPÜ
In den zweiten Teil der Ausführungsordnung wird unter dem neuen Kapitel V mit dem Titel "Frühere europäische Anmeldungen" die folgende Regel 23a neu aufgenommen:
Frühere Anmeldung als Stand der Technik
Eine europäische Patentanmeldung gilt nur dann als Stand der Technik nach Artikel 54 Absätze 3 und 4, wenn die Benennungsgebühren nach Artikel 79 Absatz 2 wirksam entrichtet worden sind."
18. Artikel 54 (3) und (4) EPÜ sieht vor, daß eine frühere europäische Anmeldung in bezug auf eine spätere Anmeldung insoweit als Stand der Technik gilt, als ein in der späteren europäischen Anmeldung benannter Vertragsstaat auch in der veröffentlichten früheren Anmeldung benannt ist.
19. Zweck dieser Regelung ist der Ausschluß von Doppelpatentierungen. Artikel 54 (4) EPÜ soll verhindern, daß für einen Staat zwei oder mehr europäische Patente für denselben Gegenstand erteilt werden. Dazu kann es aber nicht kommen, wenn ein Staat zwar in der späteren Anmeldung benannt worden ist, seine Benennung in der früheren Anmeldung aber nach Artikel 91 (4) EPÜ als zurückgenommen gilt, weil die entsprechende Benennungsgebühr nicht rechtzeitig entrichtet worden ist. Unter Benennung i.S. von Artikel 54 (4) EPÜ kann daher sinnvollerweise nur eine "bezahlte" Benennung verstanden werden. Die Wirkungen einer früheren europäischen Anmeldung können danach erst und nur insoweit eintreten, als die in dieser Anmeldung getroffene Staatenbenennung durch Zahlung der entsprechenden Benennungsgebühren bestätigt ist.
20. Für EURO-PCT-Anmeldungen stellt das Übereinkommen dies mit Artikel 158 (1) ausdrücklich klar. Für EP-Direktanmeldungen war eine solche Klarstellung bisher entbehrlich, da hier die Benennungsgebühren im Zeitpunkt der Veröffentlichung regelmäßig bezahlt sind.
21. Mit der Änderung von Artikel 79 (2) EPÜ wird für das Verfahren in der EP-Direktanmeldung eine Situation geschaffen, wie sie für EURO-PCT-Anmeldungen schon heute besteht. Durch Artikel 158 (1) EPÜ hat der Gesetzgeber für diese Situation - nämlich für den Fall, daß die Benennungsgebühren bei der Veröffentlichung der Anmeldung noch nicht fällig sind - ausdrücklich klargestellt, daß ältere Rechte nur im Hinblick auf Staaten entstehen können, für die die Benennungsgebühren entrichtet sind.
22. Enthält jedoch das Gesetz für einen bestimmten Fall eine eindeutige Regelung, so entspricht es den Grundsätzen juristischer Methodik, diese auch dort anzuwenden, wo für einen vergleichbaren Fall eine entsprechende Regelung unterblieben ist, weil ein Regelungsbedarf zunächst nicht bestand. Danach ist der Grundsatz, daß nur "bezahlte Benennungen" zur Entstehung von älteren Rechten i. S von Artikel 54 (3) und (4) EPÜ führen können, auch im Verfahren der EP-Direktanmeldung ohne weiteres anzuwenden.3
Die neue Regel 23a EPÜ stellt dies ausdrücklich klar. Sie hat deklaratorischen Charakter und macht nun auch für das Verfahren der EP-Direktanmeldung nur die Regelung explizit, die das EPÜ für die Berücksichtigung früherer europäischer Anmeldungen bei der Bestimmung des Standes der Technik trifft.
Einfügung von Regel 51 (8a) EPÜ
In Regel 51 EPÜ wird der folgende Absatz 8a neu eingefügt:
"(8a) Werden die Benennungsgebühren nach Zustellung der Aufforderung nach Absatz 6 fällig, so wird der Hinweis auf die Erteilung des europäischen Patents erst bekanntgemacht, wenn die Benennungsgebühren entrichtet sind. Der Anmelder wird hiervon unterrichtet."
23. Macht der Anmelder von dem Programm zur beschleunigten Bearbeitung europäischer Patentanmeldungen (PACE) Gebrauch, kann es dazu kommen, daß das Patent vor dem Fälligwerden der Benennungsgebühren, zur Erteilung ansteht. Um in diesen Fällen die rasche Erteilung zu ermöglichen und die Zahlung der Benennungsgebühren gleichermaßen sicherzustellen, ist Regel 51 EPÜ durch den neuen Absatz 8a ergänzt worden.
* Vgl. Beilage zum ABl. EPA Nr. 12/1996 sowie ABl. EPA 1997, 79, 80.
1 Eingehende Hinweise dazu erscheinen in den nächsten Ausgaben des ABl. EPA.
2 Eingehende Hinweise dazu erscheinen in den nächsten Ausgaben des ABl. EPA.
3 Diese Überlegungen gelten auch für die Anwendung von Artikel 60 (2) EPÜ.