BESCHWERDEKAMMERN
Entscheidungen der Technische Beschwerdekammern
Entscheidung der Technischen Beschwerdekammer 3.3.3 vom 29. Dezember 1993 - T 860/93 - 3.3.3
(Übersetzung)
Zusammensetzung der Kammer:
Vorsitzender: | F. Antony |
Mitglieder: | R. A. Lunzer |
| F. Benussi |
Anmelder: Aqualon Company
Stichwort: Schutzfarben/AQUALON
Regel: 67 EPÜ
Schlagwort: "Klarheit der Ansprüche" - "Rückzahlung der Beschwerdegebühr - Fehlbeurteilung"
Leitsätze
I. Wird eine Eigenschaft in einem Anspruch als innerhalb eines bestimmten Zahlenbereichs liegend angegeben, so muß das Verfahren zur Bestimmung dieser Eigenschaft entweder allgemeines Fachwissen sein, so daß keine ausdrückliche Beschreibung erforderlich ist, oder es muß ein Verfahren zur Bestimmung dieser Eigenschaft angegeben werden (im Anschluß an die Entscheidung T 124/85 vom 14. Dezember 1987, nicht im ABl. EPA veröffentlicht). Ist in einem Anspruch dagegen eine relative Eigenschaft angegeben - im vorliegenden Fall die Wasserlöslichkeit der Erzeugnisse - so kann die Angabe eines Verfahrens zu deren Bestimmung in der Regel entfallen.
II. Die Bestimmung des Artikels 69 (1) EPÜ, wonach die Beschreibung und die Zeichnungen zur Auslegung der Patentansprüche heranzuziehen sind, gilt auch für das Erfordernis der Deutlichkeit des Artikels 84 EPÜ, sofern die Ansprüche nicht in sich widersprüchlich sind (Erläuterung zur Entscheidung T 454/89 vom 11. März 1991, nicht im ABl. EPA veröffentlicht).
Sachverhalt und Anträge
I. Die europäische Patentanmeldung Nr. 88 115 147.6, Veröffentlichungsnummer 0 307 915, wurde am 15. September 1988 unter Inanspruchnahme des Prioritätstags 17. September 1987 aus der US-Anmeldung Nr. 0 097 777 eingereicht.
II. Mit Entscheidung vom 25. Mai 1993 (ursprüngliches Datum 22. Mai, geändert) wies die Prüfungsabteilung die Anmeldung mit der Begründung zurück, daß das Erfordernis des Artikels 84 EPÜ, wonach die Patentansprüche deutlich sein müssen, nicht erfüllt sei, da der Begriff "wasserlöslich" in Anspruch 1 nicht definiert sei. Zur Begründung wurde auf zwei Entscheidungen von Beschwerdekammern, T 124/85 vom 14. Dezember 1987 und T 454/89 vom 11. März 1991, verwiesen (beide nicht im ABl. EPA veröffentlicht).
Der einzige unabhängige Anspruch 1 lautete wie folgt:
"Wasserlösliches Celluloseetherderivat mit einer daran angebundenen langkettigen Alkylgruppe als einem hydrophoben modifizierenden Mittel, dadurch gekennzeichnet, daß das Celluloseetherderivat aus einem anionischen Carboxymethylhydroxyethylderivat besteht, der Carboxymethylsubstitutionsgrad 0,05 bis weniger als 1 beträgt, die langkettige Alkylgruppe aus einer langkettigen Alkyl-, alpha-Hydroxyalkyl- oder Acylgruppe mit 8 bis 25 Kohlenstoffatomen besteht und in der Polymerstruktur einen gewichtsprozentualen Anteil an dem Gesamtcellulosepolymer von etwa 0,10 bis etwa 4,0 % ausmacht."
III. In ihrem ersten Bescheid vom 3. September 1991 hatte die Prüfungsabteilung lediglich den Einwand erhoben, daß der Begriff "wasserlöslich" in seinem Umfang unklar sei, da seine Bedeutung in keiner Weise definiert werde. Dieser Einwand wurde im zweiten Bescheid vom 21. Februar 1992 weiter ausgeführt, in dem die Prüfungsabteilung wie folgt argumentierte:
"Der Begriff "wasserlöslich" ist ohne genauere Angabe des Weges, auf dem man zu dieser Feststellung gelangt, unklar. Genau genommen bedeutet der Begriff "wasserlöslich" "bei jeder Temperatur und jeder Konzentration vollständig in Wasser löslich", aber es gibt keine Polysaccharide, die diese Kriterien erfüllen; auf Gegenstände, die es nicht gibt, kann kein Patent erteilt werden."
Sollte mit dem Begriff "wasserlöslich" der Umfang des Patentanspruchs eingeschränkt werden, so müßte angegeben werden, mit welchem Verfahren und für welche Temperatur und Konzentration man zu dieser Feststellung gelangt. In ihrem dritten Bescheid vom 30. Juni 1992 stellte die Prüfungsabteilung unter Hinweis auf eine wenige Tage vorher geführte telefonische Rücksprache dem Beschwerdeführer detaillierte Fragen betreffend die Methoden zum Testen der Löslichkeit, die anzuwenden sind, um festzustellen, welche Verbindungen wasserlöslich seien. Diese Ausführungen sind implizit Teil der angefochtenen Entscheidung.
IV. Am 20. Juli 1993 wurde unter gleichzeitiger Entrichtung der Beschwerdegebühr Beschwerde gegen die Entscheidung der Prüfungsabteilung eingelegt, und die Beschwerdebegründung wurde am 27. August 1993 nachgereicht. Um einige der früher erhobenen Einwände zu entkräften, fügte der Beschwerdeführer Informationen über die Löslichkeit von Celluloseetherderivaten der in Frage stehenden Art bei, brachte aber zusätzlich vor, daß der Begriff "wasserlöslich" für den fachkundigen Leser im Zusammenhang mit der strittigen Anmeldung klar sei.
V. Der Beschwerdeführer beantragte die Aufhebung der angefochtenen Entscheidung und die Erteilung eines Patents auf die Streitanmeldung.
Entscheidungsgründe
1. Die Beschwerde ist zulässig.
2.1 Bei dieser Beschwerde geht es ausschließlich um das Erfordernis der Deutlichkeit nach Artikel 84 EPÜ und insbesondere darum, ob die Zurückweisung der Anmeldung wegen der Verwendung des Ausdrucks "wasserlöslich" in Anspruch 1 gerechtfertigt war. Daher beabsichtigt die Kammer nicht, in dieser Entscheidung zu prüfen, ob der Wortlaut des Anspruchs möglicherweise noch andere Unklarheiten aufweist, die zu prüfen wären.
2.2 Wie sowohl aus der Tatsache, daß sich die Prüfungsabteilung auf T 124/85 (14. Dezember 1987) stützte, als auch aus ihren Fragen betreffend die Methoden zum Testen der Löslichkeit offensichtlich wird, bestand eine gewisse Unklarheit hinsichtlich der Frage, ob - wie im obengenannten Fall, wo für einen bestimmten Parameter ein Zahlenbereich genannt war - ein Testverfahren angegeben werden muß oder ob bei Vorliegen einer relativen Eigenschaft die bloße Angabe dieser Eigenschaft je nach den Umständen des Falles ausreichen kann, um den fachkundigen Leser in die Lage zu versetzen, die Bedeutung des Anspruchs zu verstehen.
3. Die Verwendung von relativen Begriffen in Patentansprüchen
3.1 Die Verwendung von relativen Begriffen in Patentansprüchen wurde vom EPA von Anfang an akzeptiert. Wie in den Prüfungsrichtlinien (C-III, 4.5) angegeben, kann ein Ausdruck, sofern er auf dem betreffenden Fachgebiet eine allgemein anerkannte Bedeutung hat, z. B. "Hochfrequenz" in bezug auf einen Verstärker, für den fachkundigen Leser klar sein. Die Kammer würde hinzufügen, daß eine große Zahl gebräuchlicher Begriffe wie "leitend", "halbleitend", "zäh", "hochzugfest" und zahlreiche andere für den fachkundigen Leser in einem bestimmten Zusammenhang klar sein dürften und somit zu Recht in den Patentansprüchen eines europäischen Patents verwendet werden können.
3.2 Die Frage, bei welcher Sachlage relative Begriffe verwendet werden dürfen, ist anhand der von der Prüfungsabteilung herangezogenen Entscheidung T 124/85 zu beleuchten, wo es darum ging, daß im Anspruch für einen bestimmten Parameter ein bestimmter Zahlenbereich angegeben war. Streitpunkt war also die Frage, ob die Luftdurchlässigkeit eines Tuchs deutlich definiert war.
3.3 Die Luftdurchlässigkeit läßt sich definieren anhand der Luftmenge, die bei einem bestimmten Druck und in einer bestimmten Zeit durch einen bestimmten Bereich eines Tuchs hindurchtritt; es sind also vier verschiedene Angaben erforderlich. Tatsächlich waren nur zwei dieser vier Werte, nämlich Menge und Zeit, angegeben, und die Frage lautete, ob dem fachkundigen Leser aufgrund seines Fachwissens die Art der Testmethode bekannt gewesen wäre und er daher die fehlende, aber wesentliche Information betreffend Bereich und Druck hätte ergänzen können. Im damaligen Fall wurde die Auffassung vertreten, daß der fachkundige Leser gewußt hätte, um welche Meßmethode es sich handelt, und daher die fehlende Information hätte ergänzen können; folglich sei der Anspruch deutlich.
3.4 Es ist zweckdienlich, diese Situation mit derjenigen zu vergleichen, die sich ergeben hätte, wenn in dem Anspruch anstelle der Angabe eines Zahlenbereichs für Luftdurchlässigkeit lediglich verlangt worden wäre, daß der Stoff "luftdurchlässig" sein soll. In diesem Fall wäre es um die Sachfrage gegangen, ob dieser Begriff in diesem Zusammenhang für den fachkundigen Leser hinreichend klar gewesen wäre.
4. Klarheit des strittigen Anspruchs 1
4.1 Zum vorliegenden Fall zitierte der Beschwerdeführer in seinem Schreiben vom 17. Juni 1992 aus Ullmann's Encyclopedia of Industrial Chemistry, 5th Edn., Vol. A5, 1986, Einleitung des Kapitels über Celluloseether, Seite 461:
"Die meisten Celluloseether sind wasserlösliche Polymere; einige sind auch in organischen Lösungsmitteln löslich."
Es liegt auf der Hand, daß die Verfasser dieser an den Fachmann gerichteten Abhandlung davon ausgingen, daß der Leser versteht, welcher Grad von Löslichkeit mit dem unbestimmten Ausdruck "wasserlöslich" in diesem Zusammenhang gemeint ist.
4.2 Am 13. Oktober 1992 reichte der Beschwerdeführer die Kopie eines Schreibens eines Sachverständigen, Dr. Ernst K. Just, ein, der erläuterte, daß es sich bei dem Begriff "wasserlöslich", wenn er im Zusammenhang mit Polymeren verwendet werde, um einen relativen Begriff handele und daß ASTM keine Standardtests oder Richtlinien für die Kategorisierung und Definition der Wasserlöslichkeit von Polymeren vorsehe. Diese Tatsachen wurden weder von der Prüfungsabteilung in ihren Bescheiden an den Beschwerdeführer noch in der angefochtenen Entscheidung bestritten und werden von der Kammer für wahr erachtet.
4.3 Zusammen mit seiner Beschwerdebegründung legte der Beschwerdeführer, dem Auskunftsersuchen der Prüfungsabteilung folgend, weitere Informationen zu den Themen Löslichkeit von Celluloseetherderivaten und Methoden zur Bestimmung dieser Löslichkeit vor. Die Kammer hat dieses Material jedoch nicht berücksichtigt, da es für die zu entscheidende Frage nicht von Belang ist. Es wäre unerheblich, ob die tatsächliche Löslichkeit dieser Polymere normalerweise im Bereich von 0,1 % oder 50 % liegt oder ob sie sogar zu der von der Prüfungsabteilung erwähnten hypothetischen Klasse von Stoffen gehören, die "bei jeder Temperatur und jeder Konzentration in Wasser vollständig löslich sind" (s. vorstehend Nr. III). Die Kammer bemerkt, daß nach dieser von der Prüfungsabteilung aufgestellten Definition der Löslichkeit nicht einmal solche alltäglichen löslichen Stoffe wie Salz und Zucker als löslich gelten würden.
4.4 Darüber hinaus ist es für die Zwecke dieser Entscheidung unerheblich, ob die Wasserlöslichkeit der hier in Frage stehenden Polymere normalerweise durch eine oder mehrere bekannte Standardmethoden bestimmt wird oder ob solche Testmethoden zu denselben oder zu unterschiedlichen Ergebnissen führen würden, da der hier strittige Anspruch 1 bezüglich des Grads der Löslichkeit keinerlei Zahlenangaben enthält.
4.5 Es geht einzig und allein um die Frage, ob in diesem Zusammenhang der Hinweis auf die Auswahl wasserlöslicher Celluloseether für den fachkundigen Leser ausreichend deutlich ist, um den Patentanspruch klar zu machen. In dieser Frage versuchte die Prüfungsabteilung weder, die durch Literaturhinweise gestützten Behauptungen des Beschwerdeführers zu entkräften, wonach der Begriff in seinem Zusammenhang hinreichend klar sei, um von fachkundigen Lesern verstanden zu werden, noch stützte sie ihren Einwand mangelnder Klarheit durch einen Hinweis auf relevante Literatur, wonach es einem anscheinend klaren Begriff an Klarheit mangele.
5. Das Erfordernis der Auslegung von Ansprüchen in ihrem Zusammenhang
5.1 Einem allgemeinen und nach Kenntnis der Kammer in allen Vertragsstaaten anerkannten Rechtsgrundsatz zufolge ist die richtige Auslegung eines Dokuments und insbesondere eines Teils eines Dokuments aus dem Dokument als Ganzem abzuleiten. Dieser Grundsatz wird im Lateinischen wie folgt ausgedrückt:
Ex praecedentibus et consequentibus optima fit interpretatio. (Die beste Auslegung gewinnt man aus dem Vorangegangenen und dem Folgenden.)
Dem EPÜ und der Ausführungsordnung ist nicht zu entnehmen, daß ein Abweichen von den allgemein anerkannten Grundsätzen der Rechtsauslegung in Betracht käme.
5.2 Dieser Grundsatz wird offensichtlich stillschweigend im EPA angewandt und ist daher nur ganz selten Gegenstand der Rechtsprechung der Beschwerdekammern. Ein Fall, in dem eine Kammer unter anderem die Beschreibung prüfte, um zu entscheiden, ob bestimmte in den Ansprüchen verwendete Begriffe für den fachkundigen Leser klar wären, war z. B. die Entscheidung T 50/89 vom 8. November 1989 (im ABl. EPA nicht veröffentlicht). Der dort in Frage stehende Anspruch betraf einen Regelkreis besonderer Art. Die beanstandeten Begriffe waren "angestrebter Wert", "Durchführen einer zweiten Umwandlung invers zur ersten Umwandlung" und "lineare Identifizierung". In den Nummern 3.1, 3.5 und 3.6 ihrer Entscheidung verwies die betreffende Kammer auf die einschlägigen Passagen der Beschreibung und gelangte angesichts dieser Passagen und des damaligen Standes der Technik zu der Folgerung, daß diese Begriffe in ihrem Zusammenhang deutlich genug seien und somit kein Verstoß gegen Artikel 84 EPÜ vorliege.
5.3 An dieser Stelle sei hinzugefügt, daß Regel 29 (6) EPÜ zwar feststellt: "Die Patentansprüche dürfen sich, wenn dies nicht unbedingt erforderlich ist, ... nicht auf Bezugnahmen auf die Beschreibung oder die Zeichnungen stützen." Gleichwohl wirkt sich diese Regel aber nicht auf den allgemeinen Grundsatz aus, wonach die Ansprüche eines Patents, da sie Teil eines gesamten Dokuments sind, in ihrem Zusammenhang betrachtet werden müssen.
5.4 Da sich die angefochtene Entscheidung bei ihrer ungünstigen Feststellung auf die frühere Entscheidung T 454/89 vom 11. März 1991 (im ABl. EPA nicht veröffentlicht) stützt, hält es die Kammer für sinnvoll zu prüfen, was in diesem Fall ermittelt wurde. Es handelte sich dabei um einen Sachverhalt, bei dem ein mit "1A" bezeichneter Anspruch zwei Merkmale enthielt, die miteinander unvereinbar waren, so daß der Gegenstand des Anspruchs nicht ausführbar war. Daher lag mangelnde Klarheit im Sinne des Artikels 84 EPÜ vor (Nr. 3.3 v) der Entscheidungsgründe auf S. 16).
5.5 In dem Bemühen, diesen Einwand zu entkräften, machte der Patentinhaber geltend, daß der Leser die Beschreibung zur Klärung des Anspruchs 1A heranziehen könne. Jedoch wurde in dieser Entscheidung - nach Auffassung der Kammer zu Recht - die Ansicht vertreten, daß die Beschreibung nicht dazu herangezogen werden dürfe, die Widersprüche im Wortlaut des Anspruchs aufzuklären, damit seine Aussage klar wird.
5.6 Daran schloß sich jedoch eine grundsätzliche Feststellung an, die möglicherweise über das hinausging, was in bezug auf die Umstände des Falles beabsichtigt war. Diese Feststellung war wie folgt formuliert: (Nr. 3.3 vii) auf S. 17):
"Nach Auffassung der Kammer verlangt Artikel 84 EPÜ, daß die Patentansprüche in sich deutlich sein müssen, wenn sie mit normalem Sachverstand betrachtet werden; dieser schließt die Kenntnis des Standes der Technik, nicht jedoch die der Beschreibung der Patentanmeldung oder des geänderten Patents entnommenen Informationen ein."
Diese breit gefaßte Feststellung trifft zwar auf den dort vorliegenden Sachverhalt zu, ist aber kaum mit dem allgemeinen Grundsatz vereinbar, daß Fachbegriffe möglicherweise in Patentansprüchen in derjenigen Bedeutung benutzt werden, wie sie sich aus der vorangehenden Beschreibung ergibt.
5.7 Darüber hinaus wurde in dieser Entscheidung in der folgenden Nummer (viii auf S. 18) ausgeführt:
"Artikel 69 EPÜ bezieht sich nur auf die Bestimmung des Schutzbereichs, insbesondere gegenüber Dritten ... für die Zwecke des Artikels 84 EPÜ kann sich der Anmelder oder Patentinhaber daher bei einer zur Klarstellung erforderlichen Änderung nicht hilfsweise auf Artikel 69 EPÜ berufen."
Auch hier stimmt die Kammer mit der letzten dieser beiden Feststellungen überein, wenn sie im Zusammenhang mit einem Patentanspruch betrachtet wird, der in sich selbst widersprüchlich ist. Die Bestimmung des Schutzumfangs ist aber nur einer der Aspekte, um die es bei der von jeder Prüfungs- und Einspruchsabteilung vorzunehmenden Auslegung des Wortlauts eines Patentanspruchs geht, bevor über so wesentliche Fragen wie Neuheit und erfinderische Tätigkeit entschieden werden kann. Die Kammer sieht keinen Grund, warum das positive Erfordernis des Artikels 69 (1) EPÜ, wonach "die Beschreibung und die Zeichnungen zur Auslegung der Patentansprüche heranzuziehen sind", nicht auch in diesen Phasen Anwendung finden sollte, es sei denn, es handelt sich um einen Fall wie T 454/89, in dem der Anspruch in sich selbst widersprüchlich ist.
6. Schlußfolgerung
In Anbetracht des vom Beschwerdeführer erbrachten unstreitigen Nachweises, wonach die in dem strittigen Anspruch 1 verwendete Formulierung "wasserlösliches Celluloseetherderivat ..." für den fachkundigen Leser klar ist, und angesichts der generellen Verpflichtung, bei der Auslegung eines Anspruchs dessen Zusammenhang im Lichte der Beschreibung Rechnung zu tragen, vertritt die Kammer die Auffassung, daß der von der Prüfungsabteilung erhobene Einwand nicht fundiert ist und der Beschwerde stattgegeben werden soll.
7. Regel 67 EPÜ
Nach Regel 67 EPÜ liegt es im Ermessen der Beschwerdekammer, die Rückzahlung der Beschwerdegebühr anzuordnen, wenn der Beschwerde abgeholfen wird oder "ein wesentlicher Verfahrensmangel" vorliegt. Dieses Ermessen besteht auch dann, wenn die Rückzahlung nicht beantragt wurde. In diesem Fall handelte es sich um eine grobe Fehlbeurteilung der Prüfungsabteilung; ein Verfahrensmangel, der die Anwendung der Regel rechtfertigen würde, liegt aber nicht vor. Die Anordnung der Rückzahlung der Beschwerdegebühr seitens der Kammer ist in diesem Fall daher ausgeschlossen.
Entscheidungsformel
Aus diesen Gründen wird entschieden:
1. Die angefochtene Entscheidung wird aufgehoben.
2. Die Sache wird zur weiteren Prüfung an die Prüfungsabteilung zurückverwiesen.