C. VERFAHREN VOR DEN RECHERCHEN-, PRÜFUNGS-UND EINSPRUCHSABTEILUNGEN
C.3.2 Nutzung von Arbeitsergebnissen - Pilotprogramme (PPH)
Pilotprogramm "Patent Prosecution Highway" zwischen den IP5-Ämtern auf der Grundlage von PCT- und nationalen Arbeitsergebnissen
I. Hintergrund
Die fünf größten Patentämter weltweit ("IP5") - das Europäische Patentamt (EPA), das japanische Patentamt (JPO), das koreanische Amt für geistiges Eigentum (KIPO), das staatliche Amt für geistiges Eigentum der Volksrepublik China (SIPO) und das Patent- und Markenamt der Vereinigten Staaten (USPTO) - kündigten am 24. September 2013 ihre Absicht an, ein umfassendes Pilotprogramm "Patent Prosecution Highway" in die Wege zu leiten.
Mit dem "Patent Prosecution Highway" werden die in den Ämtern bereits praktizierten beschleunigten Patentprüfungsverfahren so gebündelt, dass die Anmelder schneller und effizienter korrespondierende Patente erlangen können. Die Ämter können ihrerseits die Arbeitsergebnisse des jeweils anderen Amts nutzen.
Diese Mitteilung ersetzt die in ABl. EPA 2012, 60 f., 75 f. und 89 f. abgedruckten Versionen.
II. IP5-PPH-Pilotprogramm
Im Rahmen des PPH können Anmelder, deren Patentansprüche für patentierbar/gewährbar befunden wurden, beantragen, dass eine bei einem PPH-Partneramt eingereichte korrespondierende Anmeldung beschleunigt bearbeitet wird; die beteiligten Ämter können ihrerseits von bereits vorliegenden Arbeitsergebnissen profitieren.
Beim IP5-PPH-Pilotprogramm kann ein PPH-Antrag gestützt werden auf
das letzte PCT-Arbeitsergebnis (schriftlicher Bescheid der ISA (WO-ISA) oder internationaler vorläufiger Prüfungsbericht (IPER)), das von einem der IP5-Ämter als ISA oder IPEA erstellt wurde,
oder auf das nationale Arbeitsergebnis, das auf die Bearbeitung einer nationalen Anmeldung oder einer in die nationale Phase eingetretenen PCT-Anmeldung in einem der IP5-Ämter zurückgeht,
wenn darin Ansprüche für patentierbar/gewährbar befunden wurden.
Enthält das EPA-Arbeitsergebnis Ansprüche, die für patentierbar/gewährbar befunden wurden, kann der Anmelder bei einem der IP5-Partnerämter (JPO, KIPO, SIPO, USPTO) die Teilnahme am PPH-Pilotprogramm beantragen. Informationen über das Verfahren zur Beantragung der Teilnahme am IP5-PPH-Pilotprogramm bei diesen Ämtern und die Teilnahmevoraussetzungen sind auf den Websites der Ämter zu finden.
Für die Zwecke dieser Mitteilung
wird das IP5-Amt (d. h. das JPO, KIPO, SIPO oder USPTO) - auch in seiner Eigenschaft als ISA und/oder IPEA -, dessen Arbeitsergebnis als Grundlage für den PPH-Antrag dient, als früher prüfendes Amt (OEE) bezeichnet,
während das Amt, bei dem die Teilnahme am PPH-Pilotprogramm beantragt wird (d. h. das EPA), als später prüfendes Amt (OLE) gilt.
A. Versuchszeitraum für das IP5-PPH-Pilotprogramm
Das IP5-PPH-Pilotprogramm beginnt am 6. Januar 2014 und läuft für einen Zeitraum von drei Jahren bis 5. Januar 2017. Die nachstehend genannten Teilnahmevoraussetzungen gelten für PPH-Anträge, die ab 6. Januar 2014 beim EPA eingereicht werden.
Die Ergebnisse werden vom EPA ausgewertet, das dann entscheidet, ob und wie das Programm nach dem Versuchszeitraum implementiert werden soll. Dieser kann bei Bedarf verlängert werden, um die Umsetzbarkeit des IP5-PPH-Programms angemessen beurteilen zu können. Bei zu hohem Aufkommen, aber auch aus anderen Gründen kann das EPA das Pilotprogramm auch vorzeitig beenden. Für den Fall, dass es vor dem 5. Januar 2017 beendet werden sollte, ergeht eine entsprechende Bekanntmachung.
B. Voraussetzungen für die Teilnahme am IP5-PPH-Pilotprogramm
Eine Teilnahme am IP5-PPH-Pilotprogramm beim EPA ist möglich, wenn folgende Voraussetzungen erfüllt sind:
(1) Die EP-Anmeldung, für die die Teilnahme am PPH-Pilotprogramm beantragt wurde, und die korrespondierende Anmeldung müssen denselben frühesten Prioritäts-/Anmeldetag haben, und zwar unabhängig davon, ob es sich um den Prioritäts-/Anmeldetag einer bei einem anderen IP5-Amt eingereichten korrespondierenden nationalen Anmeldung (siehe Anlage 1) oder um den einer korrespondierenden PCT-Anmeldung handelt, für die eines der IP5-Ämter ISA und/oder IPEA1 war (siehe Anlage 2).
(2) Die korrespondierende(n) Anmeldung(en) muss/müssen mindestens einen Patentanspruch enthalten, der von einem der IP5-Ämter in seiner Eigenschaft als nationales oder regionales Amt, ISA und/oder IPEA für patentierbar/gewährbar befunden wurde2, 3. Von der ISA und/oder IPEA für neu, erfinderisch und gewerblich anwendbar befundene Ansprüche gelten für die Zwecke dieser Mitteilung als patentierbar/gewährbar.
(3) Alle Ansprüche einer EP-Anmeldung, für die die Teilnahme am PPH-Pilotprogramm beantragt wurde, müssen den patentierbaren/gewährbaren Ansprüchen in der/den korrespondierenden OEE-Anmeldung(en) in ausreichendem Maße entsprechen. Die Ansprüche gelten dann als ausreichend korrespondierend, wenn sie abgesehen von formatbedingten Unterschieden denselben oder einen ähnlichen Schutzumfang haben oder wenn die Ansprüche in der EP-Anmeldung einen engeren Schutzumfang haben als die Ansprüche in der/den OEE-Anmeldung(en). In diesem Zusammenhang hat ein Anspruch dann einen engeren Schutzumfang, wenn ein OEE-Anspruch so abgeändert wird, dass er durch ein von der Patentschrift (Beschreibung und/oder Ansprüche) gestütztes zusätzliches Merkmal weiter beschränkt wird. Als nicht ausreichend korrespondierend gilt ein Anspruch in der EP-Anmeldung, der eine neue/
andere Anspruchskategorie einführt als die der vom OEE für patentierbar/
gewährbar befundenen Ansprüche. Umfassen die OEE-Ansprüche beispielsweise nur Ansprüche auf ein Verfahren zur Herstellung eines Erzeugnisses, so gelten die Ansprüche in der EP-Anmeldung als nicht ausreichend korrespondierend, wenn damit Erzeugnisansprüche eingeführt werden, die von den korrespondierenden Verfahrensansprüchen abhängen. Der Anmelder muss erklären, dass die Ansprüche der EP-Anmeldung denen der OEE-Anmeldung in ausreichendem Maße entsprechen.
(4) Die Sachprüfung der EP-Anmeldung, die im Rahmen des PPH-Pilotprogramms bearbeitet werden soll, darf noch nicht begonnen haben. Das Datum, das den Beginn der Sachprüfung markiert, ist
bei noch nicht veröffentlichten Anmeldungen nur auf Antrag des Anmelders oder seines Vertreters oder über die Akteneinsicht bzw. den Dienst MyFiles einsehbar;
bei veröffentlichten Patentanmeldungen im Europäischen Patentregister für jedermann einsehbar.
C. Erforderliche Unterlagen für die Teilnahme am IP5-PPH-Pilotprogramm
Zur Teilnahme am PPH-Pilotprogramm beim EPA muss der Anmelder:
(1) einen Antrag auf Teilnahme am PPH-Pilotprogramm einreichen. Das Antragsformblatt
EPA/EPO/OEB 1009 PCT (Teilnahme am Pilotprogramm "Patent Prosecution Highway" (PPH) zwischen den IP5-Ämtern auf der Grundlage von PCT-Arbeitsergebnissen)
bzw. EPA/EPO/OEB 1009 PR (Teilnahme am Pilotprogramm "Patent Prosecution Highway" (PPH) zwischen den IP5-Ämtern auf der Grundlage von nationalen Arbeitsergebnissen)
ist auf der EPA-Website (www.epo.org) erhältlich;
(2) eine Anspruchskorrespondenzerklärung einreichen4;
(3) folgende Unterlagen in Kopie und als Übersetzung in einer der Amtssprachen des EPA vorlegen: alle amtlichen Bescheide zu jeder korrespondierenden OEE-Anmeldung, in der die dem PPH-Antrag zugrunde liegenden patentierbaren/gewährbaren Ansprüche enthalten sind (soweit zutreffend), oder das letzte Arbeitsergebnis in der internationalen Phase einer PCT-Anmeldung, d. h. den WO-ISA bzw., wenn ein Antrag nach Kapitel II PCT gestellt wurde, den WO-IPEA oder den IPER (soweit zutreffend);
(4) die patentierbaren/gewährbaren Ansprüche der OEE-Anmeldung(en) in Kopie und als Übersetzung in einer der Amtssprachen des EPA vorlegen;
(5) alle in den Bescheiden des OEE angeführten Veröffentlichungen mit Ausnahme von Patentunterlagen oder das vorstehend in Nr. 3 genannte PCT-Arbeitsergebnis in Kopie einreichen.
Sind alle oben genannten Voraussetzungen erfüllt, wird dem Antrag auf Teilnahme am PPH-Pilotprogramm stattgegeben, und die EP-Anmeldung wird beschleunigt bearbeitet. Sind nicht alle oben genannten Voraussetzungen erfüllt, wird der Anmelder auf die in seinem Antrag festgestellten Mängel hingewiesen. Der Anmelder erhält einmal die Gelegenheit, formale Mängel im Antrag zu berichtigen. Wird der Antrag nicht berichtigt, wird die Anmeldung aus dem PPH-Pilotprogramm genommen, und der Anmelder wird entsprechend informiert.
Sind einige der unter (3) und (4) genannten Unterlagen
a) mit der EP-Anmeldung bereits eingereicht worden, bevor eine Teilnahme am PPH-Pilotprogramm beantragt wurde, so muss der Anmelder diese Unterlagen bei Antragstellung nicht erneut übermitteln. In diesem Fall braucht er lediglich auf diese Unterlagen zu verweisen und in seinem PPH-Antrag anzugeben, wann er sie mit der EP-Anmeldung eingereicht hat;
b) über das jeweilige Aktenzugriffssystem (Dossier Access System - DAS)5 oder Patentscope abrufbar, so muss der Anmelder keine Kopien einreichen, sondern legt stattdessen eine Liste der abzurufenden Unterlagen vor. Für die unter (3) und (4) genannten Unterlagen können maschinelle Übersetzungen eingereicht werden. Ist in DAS keine maschinelle Übersetzung für die unter (3) und (4) genannten Unterlagen verfügbar, fordert das EPA den Anmelder auf, entsprechende Übersetzungen einzureichen. Sind die maschinellen Übersetzungen unzureichend, so kann das EPA den Anmelder auffordern, eine korrekte Übersetzung nachzureichen. Ist/sind die OEE-Anmeldung(en) unveröffentlicht, so muss der Anmelder die unter (3) und (4) genannten Unterlagen bei Stellung des PPH-Antrags einreichen.
D. Beschleunigte Bearbeitung
Wird dem Antrag auf Bearbeitung einer EP-Anmeldung im Rahmen des PPH-Pilotprogramms stattgegeben, so wird die EP-Anmeldung beschleunigt bearbeitet. Die Bedingungen für die Teilnahme am PACE-Programm6 gelten entsprechend für die Bearbeitung von EP-Anmeldungen im Rahmen des IP5-PPH-Pilotprogramms.
Anfragen in Zusammenhang mit dieser Mitteilung können direkt an Panagiotis Rigopoulos, Jurist, Internationale Rechtsangelegenheiten, PCT, gerichtet werden unter:
international_legal_affairs@epo.org.
1 Entweder das JPO, das KIPO, das SIPO oder das USPTO muss als ISA und/oder IPEA tätig gewesen sein. Anmeldungen, für die das EPA ISA und/oder IPEA war, können vor dem EPA als Bestimmungsamt/ausgewähltem Amt nicht nach dem PPH bearbeitet werden. Das EPA versteht den PPH so, dass er die Bearbeitung einer Anmeldung auf der Grundlage einer von einem anderen Amt vorgenommenen Beurteilung der Patentierbarkeit beschleunigt. War das EPA ISA und/oder IPEA, so hat der WO/ISA oder IPER nach dem PCT effektiv denselben Status wie ein Erstbescheid in der Sachprüfung vor dem EPA als Bestimmungsamt/ ausgewähltem Amt. Damit liegt kein Arbeitsergebnis vor, das als Arbeit eines "anderen Amts" erachtet werden kann. Unter Umständen kann der Anmelder in diesem Fall jedoch die Bearbeitung nach dem regulären Programm zur beschleunigten Bearbeitung europäischer Patentanmeldungen (PACE) beantragen.
2 Für das JPO gelten Ansprüche als gewährbar/patentierbar, wenn der JPO-Prüfer sie im letzten Prüfungsbescheid eindeutig als gewährbar/patentierbar bezeichnet hat. Der Prüfungsbescheid umfasst:
a) Erteilungsbeschluss
b) Mitteilung über die Zurückweisungsgründe
c) Zurückweisungsentscheidung
d) Beschwerdeentscheidung
Mit folgender Standardformulierung in der Mitteilung über die Zurückweisungsgründe werden die betreffenden Ansprüche eindeutig als gewährbar/patentierbar bezeichnet:
"<Anspruch/Ansprüche, für den/die kein Zurückweisungsgrund besteht>
Derzeit besteht für die durch Anspruch _ bestimmte Erfindung kein Zurückweisungsgrund"
3 Für das SIPO gelten Ansprüche als gewährbar/patentierbar, wenn der SIPO-Prüfer sie im letzten Prüfungsbescheid ausdrücklich als gewährbar/patentierbar bezeichnet hat, selbst wenn noch kein Patent für die Anmeldung erteilt wurde. Der Prüfungsbescheid umfasst:
a) Erteilungsbeschluss
b) Erster/Zweiter/Dritter/... Prüfungsbescheid
c) Zurückweisungsentscheidung
d) Nachprüfungsentscheidung
e) Nichtigkeitsbeschluss
Ansprüche gelten auch unter den folgenden Bedingungen als gewährbar/patentierbar: Wenn aus dem Bescheid des SIPO nicht ausdrücklich hervorgeht, dass ein bestimmter Anspruch gewährbar/patentierbar ist, muss der Anmelder dem Antrag auf Teilnahme am PPH-Pilotprogramm eine Erklärung beifügen, dass dieser Anspruch vom SIPO nicht zurückgewiesen, sondern für gewährbar/patentierbar befunden wurde. Wenn beispielsweise Ansprüche in der ersten Stellungnahme des SIPO zur Prüfung nicht unter Nr. 6 bzw. in der zweiten oder weiteren Stellungnahme zur Prüfung nicht unter Nr. 5 ("Stellungnahme zum Abschluss der Prüfung in Bezug auf die Ansprüche") genannt werden, können diese Ansprüche implizit als gewährbar/patentierbar gelten; in diesem Fall muss der Anmelder die vorstehend genannte Erklärung beifügen.
4 Wenn im Bescheid des OEE nicht ausdrücklich patentierbare/gewährbare Ansprüche genannt sind, muss der Anmelder auch eine Erläuterung dazu vorlegen, welche einzelnen Ansprüche patentierbar/gewährbar sind und wie sich diese Ansprüche vom angeführten Stand der Technik abgrenzen.
5 JPO: AIPN; KIPO: K-PION; SIPO: China Patent Enquiry System; USPTO: PAIR.
6 Mitteilung des EPA vom 4. Mai 2010 über das Programm zur beschleunigten Bearbeitung europäischer Patentanmeldungen - "PACE", ABl. EPA 2010, 352.