BERICHTE NATIONALER RICHTER
FR Frankreich
Sylvie MANDEL - Richterin am Kassationshof - Alice PEZARD - Richterin am Kassationshof - Kassationsbeschwerde Nr. A 10-24.282 - Urteil Nr. 604
Mit Urteil vom 17. Februar 2012 hat das Plenum des Kassationshofs entschieden, dass der Rechtskraftwirkung Vorrang einzuräumen ist, wenn ein Patentverletzungsurteil seine Rechtsgrundlage verliert (wegen Nichtigerklärung des Patents): Die vom Patentverletzer aufgrund einer rechtskräftigen Verurteilung wegen Patentverletzung entrichteten Zahlungen können nach der Nichtigerklärung des Patents nicht wegen mangelnden Zahlungsgrunds zurückgefordert werden.
Der Kassationshof und die Tatrichter wiesen das Vorbringen des Patentverletzers ab, der die Rückzahlung gefordert hatte. Diese Lösung bewegt sich zwischen zwei widersprüchlichen Rechtsgrundsätzen: der Erga-omnes-Wirkung der Nichtigerklärung eines Patents im Kassationsbeschwerdeverfahren und der Rechtskraftwirkung.
Artikel 613-27 Absatz 1 des Gesetzes über geistiges Eigentum sieht vor, dass die Nichtigerklärung eines Patents absolute Wirkung hat, sofern kein Einspruch durch Dritte eingelegt wird, und in Absatz 2 dieses Artikels wird präzisiert, dass die ergangenen rechtskräftigen Entscheidungen dem Leiter des nationalen Patentamts zur Aufnahme in das nationale Patentregister mitgeteilt werden. Somit haben alle Nichtigerklärungen absolute Wirkung.
Anhängige Verletzungsklagen werden zwangsläufig für unbegründet erklärt, wenn das betreffende Patent während des Verfahrens für nichtig erklärt wird. Der Verletzer kann dann seine Benutzungshandlungen wieder aufnehmen. Die Nichtigkeit des Patents gilt jedoch nicht rückwirkend und hat keine Auswirkungen auf die Zahlung von Schadenersatz wegen Patentverletzung.
Zwar hat der Kassationshof entschieden, dass ein Patent durch seine Nichtigerklärung rückwirkend zum Tag der Einreichung der Patentanmeldung gelöscht wird und damit die Rechtsgrundlage des betreffenden Schadenersatzverfahrens wegfällt (Handelskammer, 12. Juni 2007, Bulletin Nr. 158, Kassationsbeschwerde Nr. 05-14.548), doch ist diese Sache dem vorliegenden Fall nicht vergleichbar: Damals wurden die Verurteilung wegen Patentverletzung und die Nichtigerklärung des Patents von unterschiedlichen Instanzen, aber mit denselben Beteiligten ausgesprochen, und das Verfahren zur Festsetzung der Höhe des durch die Verletzung entstandenen Schadens war zum Zeitpunkt der Nichtigerklärung des Patents noch nicht abgeschlossen.
Die Lehrmeinungen sind sehr geteilt: Aufhebung einer bereits rechtskräftigen Verurteilung? Berücksichtigung des Auftretens eines neuen Sachverhalts oder des Wegfalls der rechtlichen Grundlage? Artikel 55 der Verordnung (EG) vom 26. Februar 2009 über die Gemeinschaftsmarke sieht vor, dass die Rückwirkung der Nichtigkeit einer Gemeinschaftsmarke oder eines Gemeinschaftsgeschmacksmusters bereits rechtskräftige Entscheidungen über die Verletzung dieser Marke oder dieses Geschmacksmusters nur dann berührt, wenn diese Entscheidungen vor der Entscheidung über die Nichtigkeit vollstreckt worden sind.
Zur Gültigkeitsvermutung von Patenten erklärte Generalstaatsanwalt Le Mesle vor dem Plenum: "Welche Bedeutung hätte sie, wenn sämtliche Wirkungen aller ordnungsgemäß erteilten Patente jederzeit durch eine spätere (und unter Umständen sogar viel spätere) gerichtliche Entscheidung aufgehoben werden könnten? Es ist klar zu erkennen, welch enorme Schwächung der Rechtstitel dies zur Folge hätte und welch geringen Wert Wettbewerber eines Patentinhabers seinem Patent gegebenenfalls beimessen könnten."