ERÖFFNUNG DES SYMPOSIUMS UND BEGRÜßUNGSANSPRACHEN
Benoît BATTISTELLI
Präsident des Europäischen Patentamts
Exzellenz, sehr geehrte Damen und Herren,
es ist mir eine Ehre und eine Freude, anlässlich der Eröffnung des 15. Symposiums europäischer Patentrichter, das in den nächsten drei Tagen in der wunderschönen Stadt Lissabon abgehalten wird, einige Worte an Sie zu richten.
Diese Veranstaltung, die sich mittlerweile zu einer der größten Zusammenkünfte europäischer Richter auf dem Gebiet des Patentwesens entwickelt hat, wird seit 1982, als das erste Symposium dieser Art stattfand, nun schon zum fünfzehnten Mal von einem Vertragsstaat des Europäischen Patentübereinkommens und dem EPA gemeinsam organisiert.
Ganz herzlich danken möchte ich heute unseren portugiesischen Gastgebern und vor allem Herrn Antonio Campinos und seinen Mitarbeitern vom INPI, Herrn Luís Noronha do Nascimento, dem Präsidenten des Obersten Gerichtshofs von Portugal, Frau Ana Luísa Geraldes, der Direktorin des Zentrums für Richterausbildung sowie Herrn Eurico José Marques dos Reis, Richter am Berufungsgericht Lissabon, für ihr Engagement bei der Vorbereitung, und der ausgezeichneten Organisation dieser wichtigen Veranstaltung.
Ich möchte diese Gelegenheit nutzen, um ganz besonders Herrn Antonio Campinos zu begrüßen, der das portugiesische Amt mit großer Dynamik leitet und eine wesentliche Rolle bei den internationalen Diskussionen über den gewerblichen Rechtsschutz spielt. In einigen Wochen wird er seine Tätigkeit als Präsident des HABM aufnehmen. Zweifellos werden das HABM und das EPA ihre Beziehungen dann in den nächsten Jahren noch ausbauen und so die Entwicklung des gewerblichen Rechtsschutzes in Europa weiter voranbringen.
Nun möchte ich aber auf das Thema zu sprechen kommen, das uns alle hierhergeführt hat.
Die Richtersymposien, die zur Förderung einer einheitlichen und harmonisierten Anwendung des europäischen Patentrechts eingeführt wurden, sind im Laufe der Jahre zu einer Institution geworden.
Hier treffen sich auf Patentstreitigkeiten spezialisierte Richter zu einer Bestandsaufnahme der aktuellen Rechtsprechung sowie einer Gegenüberstellung von Rechtstraditionen und richterlicher Praxis. Sie alle haben teil an der europäischen Dynamik, von der das Patentwesen und der gewerbliche Rechtsschutz ganz allgemein heute geprägt sind.
Ich freue mich, dass hier in Lissabon Richter aus 32 Staaten vertreten sind, darunter 28 Vertragsstaaten des EPÜ. Mein Gruß gilt aber auch den Richtern aus anderen europäischen Staaten sowie aus den Vereinigten Staaten und Japan.
Exzellenz, meine Damen und Herren, am 1. Juli dieses Jahres habe ich mein Amt als Präsident des Europäischen Patentamts angetreten. Es ist mir eine Freude und eine Ehre, für eine Institution tätig zu sein, die seit mehr als drei Jahrzehnten ein zentralisiertes Patenterteilungssystem aufgebaut und entwickelt hat, das seine hohe Qualität unter Beweis gestellt hat und inzwischen weltweit Standards setzt.
Als oberstes Ziel habe ich mir vorgenommen, dass das EPA eine der besten, wenn nicht überhaupt die beste Rechtsschutzbehörde in der Welt bleiben muss. Dazu müssen wir die hohe Qualität der von uns erteilten Patente halten und steigern, und dies in einem zeitlich und finanziell vertretbaren Rahmen.
Die Bemühungen um eine weitere Verbesserung der Patentqualität kommen vor allem im Prozess "Raising the bar" zum Ausdruck, der vor drei Jahren ins Leben gerufen wurde und in seiner allgemeinen Ausrichtung von großer Bedeutung für das künftige Wohl des europäischen Patentsystems ist.
In diesem Zusammenhang möchte ich auch auf die bedeutende Rolle der Beschwerdekammern des EPA als Kontrollinstanz für die Qualität der vom EPA erteilten Patente hinweisen.
Am 1. Oktober 2010 werden der Europäischen Patentorganisation 38 Mitgliedstaaten angehören. Das europäische Patentsystem, das auch zwei "Erstreckungsstaaten" umfasst, bietet mittlerweile die Möglichkeit, für Erfindungen Patentschutz in 40 europäischen Staaten zu erlangen, einem potenziellen Markt, der mit fast 600 Millionen Einwohnern deutlich größer ist als der der Vereinigten Staaten und Japans zusammen.
Die Zahl der Patentanmeldungen ist in den letzten Jahren in allen großen Patentämtern der Welt enorm gestiegen. Die Wirtschafts- und Finanzkrise der vergangenen beiden Jahre hat diese Entwicklung natürlich gebremst und sich auch auf das EPA ausgewirkt.
Im Jahr 2009 hat das Amt rund 210 000 Anmeldungen bearbeitet, das sind 8 % weniger als im Vorjahr. Der Trend im ersten Halbjahr 2010 zeigt aber eine Zunahme um 4 % gegenüber dem Vorjahreszeitraum, sodass wir schon bald wieder den Stand von 2008 erreicht haben dürften.
Vor diesem Hintergrund ist die Bewältigung der Arbeitslast mehr denn je ein aktuelles Thema, das geeignete Maßnahmen erfordert.
Dem europäischen Patentnetz (EPN) kommt dabei eine wichtige Rolle zu. Denn die Zusammenarbeit zwischen dem EPA und den nationalen Patentämtern in Europa schafft wertvolle Synergien, die nicht nur das EPA bei seinen Bemühungen unterstützen, sondern auch die Rolle der nationalen Patentämter stärken.
Natürlich bin ich überzeugt, dass das EPA die zentrale Behörde für die Patenterteilung in Europa ist und bleiben muss. Doch auch die nationalen Ämter wollen völlig zu Recht eine dynamische Rechtsschutzpolitik entwickeln. Und wir, das EPA, tun gut daran, ihnen dabei zu helfen. Darin besteht für mich der wahre Sinn dieses europäischen Netzes.
Daneben werden auf internationaler Ebene mehrere andere Projekte zur Zusammenarbeit zwischen dem EPA und nationalen Patentämtern umgesetzt und in der Praxis getestet.
Beispielsweise bemühen sich die fünf größten Ämter der Welt (EPA, USPTO, JPO, KIPO und SIPO) im Rahmen ihrer Zusammenarbeit auf IP5-Ebene, Initiativen für eine effiziente Arbeitsteilung zu fördern.
So haben sie sich insbesondere auf zehn Grundlagenprojekte verständigt, mit denen gemeinsame Normen für eine qualitativ hochwertige Recherche und Prüfung in ihren Ämtern festgelegt werden sollen. Eine der größten Herausforderungen ist dabei der Zugang zum Stand der Technik in den asiatischen Sprachen.
Als weiteres Ziel liegt mir eine Stärkung der Rolle des EPA bei den laufenden Diskussionen über die Einführung des EU-Patents am Herzen.
Ich bin nämlich der festen Überzeugung, dass das EU-Patent Europa einen Innovations- und Wettbewerbsschub gegenüber seinen wichtigsten Konkurrenten verschaffen wird.
Eine aktive Rolle bei der Umsetzung dieses neuen Instruments liegt also im ureigenen Interesse des EPA, zumal das EU-Patent laut Planung ein vom EPA erteiltes europäisches Patent sein wird.
Verstärken möchte ich auch die Bemühungen des EPA bei der Entwicklung des Programms zur maschinellen Übersetzung der Patentanmeldungen. Ich muss Sie übrigens noch vor dem Ende dieses Symposiums verlassen, um an der Sitzung des Ausschusses für technische und operative Unterstützung teilzunehmen, der dieses Thema in Den Haag behandelt.
Dass wir jetzt endlich auch ein einheitliches und zentralisiertes Streitregelungssystem als Gegenstück zum zentralisierten Erteilungssystem brauchen, muss nicht besonders betont werden. Die derzeitige Fragmentierung der richterlichen Zuständigkeiten ist - zumal wir bei der Patenterteilung ja über eine zentrale Struktur verfügen - eine große Lücke in unserem System.
Sehr geehrte Damen und Herren, ein Patentsystem ist umso stärker, wenn es auch über ein einheitliches Streitregelungssystem verfügt, weil dadurch die Rechtssicherheit erheblich erhöht wird.
Im Hinblick auf die Einsetzung einer europäischen Gerichtsbarkeit für die Regelung von Streitigkeiten über europäische Patente und künftige EU-Patente wurden wichtige und rasche Fortschritte erzielt. Ich möchte meinen Aufenthalt hier in Lissabon nutzen, um herauszustellen und zu würdigen, wie energisch die portugiesischen Behörden im Rahmen der EU-Ratspräsidentschaft Portugals die Arbeiten vorangetrieben haben.
Das Ergebnis ist ein Übereinkommensentwurf, dessen Vereinbarkeit mit den EU-Verträgen durch ein Gutachten des Gerichtshofs der Europäischen Union geklärt werden soll. Die Stellungnahme der Generalanwälte ist mittlerweile bekannt: Sie erkennen die Möglichkeit der Einsetzung einer solchen Gerichtsbarkeit an, weisen aber auf verschiedene Schwierigkeiten hin, die nach Expertenmeinung allerdings keine unüberwindbaren Hindernisse zu sein scheinen.
Daher ist zu hoffen, dass das Gutachten des EU-Gerichtshofs die Einsetzung dieses für die europäische Wirtschaft und die europäischen Unternehmen unbedingt nötigen Instruments ermöglichen oder ihr zumindest nicht entgegenstehen wird.
Mehr möchte ich zu diesem wichtigen Thema nicht sagen, weil Sie in den beiden ersten Arbeitssitzungen dieses Symposiums ja Gelegenheit haben werden, eingehend darüber zu diskutieren.
Exzellenz, sehr geehrte Damen und Herren, damit bin ich am Ende der Ausführungen und Überlegungen angelangt, die ich Ihnen vortragen wollte. Nun bleibt mir nur, Ihnen noch viel Erfolg bei Ihren Gesprächen und Arbeiten in den nächsten Tagen zu wünschen.
Vielen Dank für Ihre Aufmerksamkeit.