ERÖFFNUNG DES SYMPOSIUMS UND BEGRÜßUNGSANSPRACHEN
António CAMPINOS
Präsident des portugiesischen Patentamts
Herr Minister, Herr Gerichtspräsident, Herr Präsident des Europäischen Patentamts, Frau Direktorin des Ausbildungszentrums für Richter, meine sehr verehrten Damen und Herren, liebe Freunde,
ich werde mich nicht allzu lang fassen, da noch viel Arbeit vor uns liegt, doch möchte ich zunächst natürlich alle Anwesenden begrüßen und meine große Genugtuung darüber zum Ausdruck bringen, dass Portugal eine Veranstaltung wie die vorliegende ausrichten darf, die sowohl auf nationaler als auch auf europäischer Ebene von allergrößter Bedeutung ist.
Ich möchte dem Präsidenten des Obersten Gerichtshofs danken, der es uns gestattet hat, uns in diesem prächtigen Gebäude zu treffen. Wir werden bald den Jahrestag der Errichtung des Platzes begehen, den wir draußen sehen können, und vom Justizpalast aus können wir uns an seiner Schönheit und Symbolkraft erfreuen. Er ist erst kürzlich renoviert worden, so dass die Tausende Einheimische und Besucher aus dem Ausland, die den Platz überqueren, das Gefühl haben, den Fluss und die Stadt der sieben Hügel neu zu entdecken.
Mein Dank gilt auch der Direktorin des Ausbildungszentrums für Richter sowie Herrn Richter Eurico José Marques dos Reis für ihre großzügige Unterstützung bei der Organisation dieser Veranstaltung. Unsere Zusammenarbeit reicht schon Jahre zurück. Ich möchte außerdem all meinen Mitarbeitern beim portugiesischen Patentamt und insbesondere Luísa Araújo danken.
Lassen Sie mich auch den Rednern danken und all denen, die uns die Ehre ihrer Teilnahme erwiesen und sich bereit erklärt haben, die drei nächsten Tage hier zu verbringen; wir werden viel dazulernen, Erfahrungen und Wissen austauschen, und dies wird die Debatte über den Patentschutz in Europa ganz erheblich bereichern.
Die wissensbasierte und globalisierte Wirtschaft stellt uns hinsichtlich der Wettbewerbsfähigkeit unserer Unternehmen vor große Herausforderungen, und das bedeutet, dass wir mehr Erfindungen und mehr Innovation benötigen, um uns einen Wettbewerbsvorteil zu sichern. In diesem Zusammenhang kommt gewerblichem Eigentum eine zentrale Bedeutung zu, denn Marken und Patente ermöglichen den Schutz der Investitionen der Unternehmen in Forschung und Entwicklung und schaffen damit die Voraussetzungen für technologischen Fortschritt, und die Förderung von Innovation stärkt die Wettbewerbsfähigkeit unserer Wirtschaften.
Die entscheidende Rolle von gewerblichem Eigentum wird an der Zahl der Unternehmen deutlich, die versuchen, Patente als eine Form des Schutzes ihres intellektuellen Kapitals und ihrer Erfindungen zu nutzen. Wie der Herr Minister soeben ausgeführt hat, hat sich die Situation in unserem Land diesbezüglich in den letzten Jahren stark verändert.
Mit ungefähr 200 Patentanmeldungen im Jahr lagen wir vor fünf Jahren noch hinter anderen europäischen Ländern zurück; seitdem haben wir mit einer jährlichen Zunahme der Anmeldungen von an die 40 % hier große Fortschritte erzielt.
Mit großer Befriedigung haben wir auch zur Kenntnis genommen, dass wir laut European Innovation Scoreboard für 2009 in diesem Jahr erstmals von der Gruppe der Länder mit weniger als zehn europäischen Patentanmeldungen pro Million Einwohner in die der Länder mit zehn bis fünfzig Anmeldungen pro Million Einwohner aufgerückt sind. Portugal hat sich im Ranking der innovativen Länder verbessert und steht beim Wachstum nun an dritter Stelle der EU-27-Staaten. Diese neue Position ist unter anderem auf die Zunahme der Zahl der Patentanmeldungen auf ansehnliche 16,4 % zurückzuführen.
In diesem Zusammenhang ist auch die signifikante Verstärkung von Forschung und Entwicklung durch die Unternehmen und die steigende Zahl der international zitierten wissenschaftlichen Veröffentlichungen hervorzuheben, die unser Innovationspotential belegen.
Nach Angaben des Wissenschafts- und Technologieministeriums ist die Zahl der in Portugal veröffentlichten wissenschaftlichen Artikel von internationaler Relevanz signifikant gestiegen – die größte Zunahme in Europa in den letzten zehn Jahren – und liegt bei nun 72 % des europäischen Durchschnitts. So konnte Portugal beispielsweise im Jahr 2008 12 000 wissenschaftliche Publikationen vorweisen, das sind 30 pro Tag; die Zahl der Veröffentlichungen pro Million Einwohner ist seit 2004 um 68 % gestiegen und damit fast doppelt so stark wie im Mittel der europäischen Staaten mit durchschnittlich 35 %. Diese Zunahme und die Verbesserung von Forschung und Entwicklung sind ermutigend. Die Ausgaben und Investitionen sind sowohl im öffentlichen wie auch im privaten Sektor gestiegen, was sich nicht nur im Wachstum des Bruttoinlandsprodukts abzeichnet, sondern besonders auch Unternehmen betrifft, die ihre Investitionen seit 2005 verdreifacht haben. Portugal war somit das europäische Land mit der höchsten Zunahme der Gesamtausgaben für Forschung und Entwicklung zwischen 2005 und 2007. Wir haben uns im europäischen Vergleich um drei Positionen verbessert und stehen nun an 15. Stelle.
Auf der Mikroebene möchte ich die bessere Zugänglichkeit und Sicherheit sowie die Vereinfachung des portugiesischen Patentsystems hervorheben. Wir bedienen uns eines neuen Ansatzes mit einem vereinfachten, elektronischen System, und die Regierung und das Patentamt haben hier viel Arbeit vollbracht.
Angesichts des gegenwärtigen Stellenwerts von gewerblichem Eigentum ist viel für eine Fokussierung auf Wissen und die Informationsgesellschaft sowie auf die Bekämpfung von Schutzrechtsverletzungen zur Wahrung der Rechte von Unternehmern und Verbrauchern weltweit getan worden.
Die Rechtsdurchsetzung ist für das gute Funktionieren einer Rechtsordnung entscheidend. Sie ist besonders wichtig, wenn man weiß, dass die Attraktivität und Glaubwürdigkeit eines gewerblichen Rechtsschutzsystems mit den Möglichkeiten korrespondiert, die den staatlichen Stellen – Polizei und Gerichten – zur Verfügung stehen, Mechanismen zum Schutz der Rechte der Unternehmen einzurichten.
Der Verbesserung der Lösungen, die die Rechtsordnung für den gewerblichen Rechtsschutz bereitstellt, kommt meines Erachtens fundamentale Bedeutung zu.
An erster Stelle müssen wir die ständige Weiterbildung aller Beteiligten und insbesondere der Richter vorantreiben, indem wir dem Erfahrungsaustausch dienende Veranstaltungen wie die vorliegende fördern, um so unser Verständnis von so komplexen Themen, wie wir sie erörtern werden, zu vertiefen.
Das ist auch der Grund, weshalb wir im Laufe der drei nächsten Tage über hochtechnische Fragen diskutieren werden – Fragen, mit denen sich die Gerichte tagtäglich auseinandersetzen müssen.
Ich denke da zum Beispiel an das Thema des morgigen Tages, nämlich den Patentierbarkeitsausschluss für medizinische Verfahren, die der Wiederherstellung der Gesundheit und der physischen Integrität oder dem Wohlergehen von Menschen dienen; an diesem Thema zeigt sich, welch grundlegende Probleme eine Auseinandersetzung mit Fragen des gewerblichen Eigentums aufwirft.
In diesem Patentierbarkeitsausschluss spiegelt sich das Spannungsverhältnis zwischen der Notwendigkeit wider, Monopole für Erfindungen zu gewähren und so den technischen und wissenschaftlichen Fortschritt voranzutreiben, und der Notwendigkeit, Patienten aus ethischen oder moralischen Gründen oder aus Gründen der öffentlichen Gesundheit vor Patenten zu schützen, die der Anwendung bestimmter Verfahren im Rahmen einer ärztlichen Behandlung oder zur Verhütung von Krankheiten entgegenstehen. Das bedeutet, dass wir Richter uns über viele Fragen Gedanken machen müssen. Beim Durchlesen von Patenten sind wir oft im Zweifel darüber, was die Erfindung beinhaltet. Wir müssen erfassen, ob es um ein Heilverfahren oder ein chirurgisches Behandlungsverfahren oder einfach nur um ein kosmetisches Verfahren geht. Ich bin mir sicher, dass sich in den von Ihnen durchgeführten Verfahren viele solche Fragen stellen.
Ein weiteres Beispiel für die vielfältigen Fragen, mit denen sich die Gerichte befassen müssen, ist die nach der Patentierbarkeit von computerimplementierten Erfindungen, die, wie wir alle wissen, in verschiedenen Ländern einheitlich gehandhabt werden sollte. Das ist ein brisantes Thema, das uns vor große Herausforderungen stellt; die Zahl der Patentanmeldungen auf diesem Gebiet hat im Laufe der letzten Jahre exponentiell zugenommen, was nicht überraschend ist, denn Computer werden heute in allen Bereichen des modernen Lebens eingesetzt und haben eine schwindelerregende Entwicklung erfahren.
In einem engen Zusammenhang mit der Frage der Fortbildung von Richtern steht die Notwendigkeit einer größeren Spezialisierung. Wie der Herr Minister soeben ausgeführt hat, sieht die portugiesische Regierung diese als vordringlich an, eine Auffassung, die das nationale Patentamt schon immer vertreten hat.
Angesichts der Technizität der zu behandelnden Fragen bin ich mir sicher, dass wir auf eine größere Spezialisierung setzen müssen. Meines Erachtens spricht viel dafür, spezialisierte Patentgerichte einzurichten, und ich bin mir sicher, dass alle in diesem Saal Anwesenden über große Erfahrung verfügen.
Ich denke, dass wir künftig ein Auseinanderdriften der Entscheidungen verschiedener Gerichte vermeiden müssen. Damit würde die Rechtspflege beschleunigt. Und selbstverständlich müssen wir uns um mehr Bürgernähe bemühen, wobei uns die neuen Informationstechnologien entgegenkommen.
Wir sind uns alle der Notwendigkeit bewusst, die Regelung von Streitigkeiten, in denen gewerbliche Schutzrechte tangiert werden, zu beschleunigen. Obwohl unsere Handelsgerichte ein großes Arbeitsaufkommen bewältigt haben, ist es aufgrund der Natur und des Umfangs der Fälle, mit denen diese Gerichte befasst werden, nicht menschenmöglich, die zeitnahe Erledigung dieser Fälle zu gewährleisten.
Portugal hat einen ersten Schritt getan und im Ministerrat die Einrichtung eines neuen Patent- und Markengerichts gebilligt, und so erwarten wir nun mit Spannung, Herr Minister, Herr Gerichtspräsident, das Anlaufen dieses Projekts; damit kommt sicherlich eine weitere große Herausforderung zu all den anderen hinzu, mit denen die Entwicklung des gewerblichen Eigentums uns alle konfrontiert.
Auf europäischer Ebene muss das europäische Patent wettbewerbsfähiger werden, wenn wir die Zukunft des Patentsystems sichern wollen.
Bekanntlich gereicht es der europäischen Industrie gegenwärtig zum Nachteil, dass ein europäisches Patent elf Mal soviel kostet wie ein US-Patent und dreizehn Mal soviel wie ein japanisches Patent.
Wir dürfen dies nicht länger hinnehmen. Wir müssen die Wettbewerbsfähigkeit des europäischen Patents stärken und die mit dem Schutz in mehreren europäischen Staaten verbundenen Kosten senken, sprich, die Kosten der Übersetzung und Validierung von Patenten in den einzelnen Staaten durch die Schaffung eines einfacheren Schutzrechts reduzieren. Damit würde Unternehmen ein neuer Weg eröffnet, ein einziges, in allen 27 Mitgliedstaaten gültiges EU-Patent zu erlangen.
Das Fehlen eines Gemeinschaftspatentsystems führt dazu, dass das System zum Schutz des gewerblichen Eigentums in Europa zersplittert, hochkomplex, für Unternehmen kostspielig und mit Unsicherheiten behaftet ist. Diese Zersplitterung schadet der Wettbewerbsfähigkeit unserer Industrien, weil Unternehmen und insbesondere KMU dadurch der Rahmen vorenthalten wird, den der Schutz durch ein einheitliches Patent bieten würde, das eine erhebliche Vereinfachung und Kostenreduzierung mit sich brächte.
Aus diesem Grund sind wir schon immer für die Schaffung eines Systems eingetreten, in dem es ein einziges, zentralisiertes Verfahren und ein einziges, einheitliches Patent geben würde, das EU-weit gültig wäre und mit den nationalen Systemen und dem bestehenden europäischen Patentsystem koexistieren würde, und aus diesem Grund unterstützen wir den Kommissionsvorschlag.
Des Weiteren ist Portugal dafür, zusätzlich zum Gemeinschaftspatentsystem auch eine einheitliche europäische Gerichtsbarkeit zu schaffen. Zum Schutz des künftigen EU-Patents brauchen wir ein Streitregelungssystem für ganz Europa.
Mit einem solchen neuen System könnten parallele Streitigkeiten in mehreren Staaten vermieden und die Kosten insbesondere für KMU reduziert werden, und die Rechtssicherheit würde verbessert. Es würde weniger "forum shopping" geben und weniger divergierende Entscheidungen verschiedener nationaler Gerichte auf der Grundlage desselben Patents.
Das ist eine der größten Herausforderungen, denen das gewerbliche Eigentum in Europa sich stellen muss, und obwohl uns dieses Vorhaben schon 41 Jahre beschäftigt – das entspricht meinem Alter! – bin ich mir sicher, dass die aktuellen Entwicklungen uns Grund zu größerem Optimismus geben.
Eine weitere Herausforderung, Herr Minister, stellt das Londoner Übereinkommen dar, das helfen wird, die mit der Übersetzung von Patenten verbundenen Kosten zu senken.
Wir alle wissen, dass die vorgeschriebenen Übersetzungen die Kosten der Patenterteilung in Europa ganz erheblich in die Höhe treiben. Denn die Validierung erfordert in jedem Land die Einschaltung von Spezialisten, die in der Lage sind, hochtechnische Dokumente zu übersetzen.
Den Daten der Europäischen Patentorganisation zufolge können die Übersetzungskosten die Anerkennung eines europäischen Patents in den einzelnen Staaten sehr erschweren. Wir reden von etwa 40 % Mehrkosten, und das benachteiligt Nutzer des europäischen Patentsystems und insbesondere KMU und veranlasst sie, ihre Investitionen in Forschung und Entwicklung einzuschränken. Wirtschaftsakteure sollten ihr Geld aber nicht für die Übersetzung von Patenten ausgeben müssen, sondern es in Forschung und Entwicklung sowie Innovation lenken. Ich bin mir sicher, dass die angesprochenen Entwicklungen die Dinge für uns alle sehr viel einfacher machen würden.
Ich möchte noch hinzufügen, dass meine Teilnahme an diesem Symposium mir sehr viel bedeutet, weil sie meinen Abschied von der Welt der Patente markiert. Wie die portugiesischen Seefahrer, die sich voller Abenteuerlust auf die Reise machten, um neue Welten zu entdecken, breche auch ich auf, um andere Gebiete des gewerblichen Eigentums zu entdecken, doch ist mir dabei wohl bewusst, dass ich viel gelernt habe und dass sich auf dem Gebiet der Patente und der Innovation viel verändert hat.
Bis bald! Ich wünsche Ihnen viel Spaß bei der Arbeit und bedanke mich für Ihre Aufmerksamkeit.