BERICHTE NATIONALER RICHTER
IT Italien
IT Italien - Massimo SCUFFI - Richter am Obersten Gericht – Präsident des Gerichts Aosta - Jüngste Entwicklungen in der italienischen Rechtsprechung
Rechtssache, die die Ungültigkeit eines europäischen Patents betrifft
(Berufungsgericht Turin: Entscheidung 1746/08 vom 4. Dezember 2008)
Das Berufungsgericht Turin hat die Entscheidung des Gerichts Turin bekräftigt, mit der die Teilnichtigkeit des europäischen Patents EP 0 923 313 von Mars, Inc., das ein Verfahren für die Zubereitung von Schnellkoch- und Instantreis betrifft, erklärt wurde.
Das US-amerikanische multinationale Unternehmen Mars hat eine Patentverletzungsklage gegen ein italienisches Unternehmen eingereicht, das ein ähnliches Verfahren für die Zubereitung von Reis mit den gleichen Eigenschaften angewandt hat.
Das italienische Unternehmen hat sich gegen die Klage verteidigt und Widerklage auf Ungültigkeit des europäischen Patents erhoben, die von den Richtern in Bezug auf einige Patentansprüche (1, 3, 4, 5 und 13) bestätigt wurde. Selbstverständlich betraf die erklärte Ungültigkeit nur den italienischen Teil des europäischen Patents.
Die Sache ist gegenwärtig beim Obersten Gericht anhängig. Die beiden früheren Verfahren in der Sache (erstinstanzliches Gericht und Berufungsgericht) fanden vor den Fachkammern für geistiges Eigentum statt, den ausschließlich für Patentrechtsangelegenheiten zuständigen Justizorganen, die in 12 wirtschaftlich bedeutsamen Regionen Italiens (einschließlich Turin) zu finden sind.
Die Entscheidung des Berufungsgerichts geht auf interessante materiell- und prozessrechtliche Fragen ein und unterstreicht die folgenden Grundsätze:
1. Ein in einem Berufungsverfahren vorgelegtes Gutachten, das den in der erstinstanzlichen Entscheidung vertretenen technischen Standpunkt widerlegen soll, hat nicht den Wert der Hinzuziehung eines Sachverständigen und ist auch nicht Ausdruck des freien Rechts auf Verteidigungsvorbringen, sofern es nicht aus speziellen Berufungsgründen im ersten Vorbringen zum Berufungsverfahren erneut vorgelegt wird.
2. Das Gutachten eines Sachverständigen muss als Beweismittel gelten und stellt folglich ein neues Dokument dar, das auch dann im Berufungsverfahren nicht zugelassen wird, wenn es wesentlich ist.
Wünscht eine Partei seine Beiziehung, muss sie nachweisen, dass sie das Gutachten im erstinstanzlichen Verfahren aus objektiven Gründen nicht vorlegen konnte.
3. Würde ein verspätetes Einreichen zugelassen, blieben alle im früheren Verfahren verfallenen Fristen unberücksichtigt, sodass es zu einem unangemessenen Verfahrensverzug kommen würde.
(Diese Auslegung des verspäteten Beweisvorbringens ist strenger als die vom EPA bei Inter-partes-Verfahren verwendete Auslegung.)
4. Die Beantragung eines Gutachtens beim EPA und der Austausch von Informationen gemäß Artikel 25 und 131 EPÜ liegen im Handlungsspielraum eines nationalen Richters und unterliegen nicht der Verwirkung oder dem Verfall.
Die Anordnung der Fortsetzung der Untersuchungen durch einen solchen Beitrag ist jedoch unvertretbar, wenn die Gültigkeit eines vom EPA erteilten Patents selbst infrage gestellt wird und das Gutachten eines vom Gericht bestellten Sachverständigen im Verfahren bereits einem Kreuzverhör unterzogen wurde.
5. Selbst bei einer Verfahrenserfindung ist auf die Beschreibung der Erfindung im Patent und ihrer Ausführungsformen in den Ansprüchen zu achten, und eine Auslegung der Ansprüche durch eine Verbindung mit externen Hinweisen auf eigene Experimente, die nicht nach den Grundsätzen des Kreuzverhörs durchgeführt wurden, ist nicht zulässig.
6. Die abhängigen Ansprüche – verbunden mit dem Inhalt des unabhängigen Anspruchs mit Beschränkungen und näheren Angaben – überleben die Ungültigkeit des unabhängigen Anspruchs, sofern sie nicht auf Merkmalen beruhen, die rein zufällig sind und keine funktionelle Lösung des Problems bieten.
7. Eine (patentierbare) Erfindung unterscheidet sich von einer Entdeckung (die nicht patentierbar ist, auch wenn sie indirekt in jeder Erfindung enthalten ist).
Der eine Begriff bezieht sich auf eine "Bauregel", nämlich eine Vorschrift für bestimmte Handlungen, um ein praktisches Ergebnis zu erzielen, der andere beschränkt sich auf eine "Wissensregel" über eine Naturerscheinung.
8. Bei einem Verfahrenspatent stellt die Auslassung einer Phase der erforderlichen Verarbeitung nach dem Stand der Technik keine vorteilhafte Vereinfachung dar, die dazu dient, die bestehenden technischen Nachteile zu überwinden, da die bloße Auslassung dessen, was als nutzlos bei der Erzielung des gleichen Ergebnisses erkannt wurde, nicht die "Bauregel" darstellt, die bewusst jede Entdeckung begleiten muss, um als Erfindung betrachtet zu werden.
(Im vorliegenden Fall wurde erkannt, dass die "Deformierung" der Struktur eines Reiskorns – die erforderlich ist, damit Öffnungen entstehen, die eine schnellere Wasseraufnahme und ein schnelleres Kochen ermöglichen – ohnehin bereits während der "Schleifphase" erreicht wird, sodass sich die Phase der "leichten Kompression" der Körner, die den Stand der Technik kennzeichnet, erübrigt.
Dieser Schritt wurde von den Richtern in Turin nicht als Erfindung gewertet, sondern lediglich als nicht patentfähige Entdeckung, da außer der offensichtlichen und trivialen Regel, dass das, was für unnötig erachtet wurde, stets weggelassen werden kann, keine "Bauregel" hinzugefügt wurde.)