BESCHWERDEKAMMERN
Entscheidungen der Juristischen Berschwerdekammer
Entscheidung der Juristischen Beschwerdekammer vom 10. Oktober 2003 - J 9/99 - 3.1.1
(Verfahrenssprache)
Zusammensetzung der Kammer:
Vorsitzender: | J.-C. Saisset |
Mitglieder: | B. Günzel |
| U. Tronser |
Stichwort: Allgemeine Vollmacht/DC
Artikel: 10 (2) a), 20 (1), 106 (1), 108 Satz 1, 113 (1), 133 (1)(3), 134, 134 (7) EPÜ
Regel: 9 (2), 78 (2), 92 (1) h), 101 (1), (2), 101 (3), (9) EPÜ
Schlagwort: "Befugnisse der Rechtsabteilung - allgemeine Vollmachten - Prüfung Vertretungsbefugnis - ja - Erlaß ablehnender Entscheidung - ja - nur gegenüber Beteiligten im Sinne von R. 101(2) - Bevollmächtigte und Vollmachtgeber - nicht - Dritte"
Leitsätze
I. Die Rechtsabteilung ist befugt, die Vertretungsbefugnis des in einer allgemeinen Vollmacht benannten Bevollmächtigten zu prüfen und über die Ablehnung der Eintragung einer allgemeinen Vollmacht förmlich zu entscheiden.
II. Die Feststellung, daß die Voraussetzungen für die Eintragung einer allgemeinen Vollmacht nicht vorliegen, kann lediglich gegenüber einem Antragsteller getroffen werden, der Beteiligter im Sinne von Regel 101 (2) EPÜ, d. h. Vollmachtgeber oder Bevollmächtigter, ist.
Sachverhalt und Anträge
I. Die Beschwerde richtet sich gegen eine Entscheidung der Rechtsabteilung, mit der diese festgestellt hat, daß eine eingereichte allgemeine Vollmacht nicht eingetragen werden könne.
II. Mit Schreiben vom 11. März 1998 reichte die D. AG eine am 17. Februar 1998 ausgestellte allgemeine Vollmacht ein. Vollmachtgeberin war die M. GmbH. Bevollmächtigte waren Patentanwalt E., P. und Patentanwalt Z. Alle drei Bevollmächtigte waren Angestellte der D. AG. Patentanwalt E. war auch zugelassener Vertreter. Ein Anstellungsverhältnis zu der Vollmachtgeberin, der M. GmbH, bestand für keinen der Bevollmächtigten.
III. Im Anschluß an Hinweise der Rechtsabteilung, daß die allgemeine Vollmacht der M. GmbH nicht zugunsten der Herren P. und Z. registriert werden könne, da diese keine zugelassenen Vertreter seien und sie nicht vor dem Europäischen Patentamt für andere juristische Personen handeln könnten, mit denen ihr Arbeitgeber wirtschaftlich verbunden sei, beantragte die D. AG, die auf Patentanwalt E. ausgestellte Vollmacht vorab einzutragen und die Nicht-Registrierung der allgemeinen Vollmacht für die Herren P. und Z. in einer beschwerdefähigen Form mitzuteilen.
IV. In einer in Kopie in der Akte der Rechtsabteilung befindlichen Entscheidung, die möglicherweise mit dem 28. September 1998 datiert ist, stellte die Rechtsabteilung fest, daß die allgemeine Vollmacht vom 17. Februar 1998 nicht für die Herren P. und Z. eingetragen werden könne, da beide weder zugelassene Vertreter seien, noch ein Anstellungsverhältnis zu der M. GmbH bestehe. Die Bevollmächtigten seien beide Angestellte der D. AG und könnten deshalb gemäß Artikel 133 (3), Satz 1 EPÜ nur für diese AG handeln. Auch wenn die D. AG und die M. GmbH einem Konzern angehörten, sei für die Frage der Handlungsberechtigung vor dem Europäischen Patentamt allein ausschlaggebend, daß es sich bei beiden Unternehmen um zwei rechtlich eigenständige juristische Personen handele. Eine Regelung gemäß Artikel 133 (3), Satz 2 EPÜ sei bisher nicht in die Ausführungsordnung aufgenommen worden.
Der Text der in der Akte der Rechtsabteilung befindlichen Entscheidungskopie enthält eine offensichtliche Auslassung. Die Akte enthält weiter eine Kopie eines Schreibens vom 8. Oktober 1998, in der der D. AG mitgeteilt wird, in Ziffer 1 der Entscheidungsgründe der Entscheidung vom 28. September 1998 sei eine Unrichtigkeit enthalten. Sie werde deshalb durch die beigefügte Entscheidung berichtigt. Die Entscheidung vom 28. September 1998 sei gegenstandslos. Der Text der dem Schreiben der Rechtsabteilung vom 8. Oktober 1998 laut diesem Schreiben beigefügten berichtigten Entscheidung ist aus der Akte der Rechtsabteilung nicht ersichtlich. Sowohl das Schreiben der Rechtsabteilung, das möglicherweise mit dem 28. September 1998 datiert ist, als auch das Schreiben vom 8. Oktober 1998 tragen im Briefkopf den Vermerk Einschreiben mit Rückschein. Die Akte der Rechtsabteilung enthält keinen Nachweis über die Form der Zustellung und das Datum der Aufgabe der Schreiben zur Post.
V. Am 23. Dezember 1998 legte die D. AG unter gleichzeitiger Entrichtung der Beschwerdegebühr Beschwerde gegen die Entscheidung der Rechtsabteilung ein und begründete diese gleichzeitig im wesentlichen wie folgt:
Die Subsumtion des vorliegenden Falles unter Artikel 133 (3), Satz 2 EPÜ, wie sie von der Rechtsabteilung vorgenommen worden sei, sei unzutreffend. Mit den "wirtschaftlich verbundenen" Unternehmen im Sinn dieser Vorschrift seien solche Fälle, gemeint, bei denen die juristischen Personen zwar über wirtschaftliche Verbindungen verfügten, jedoch ansonsten eigenständig handelnde Personen darstellten. Der vorliegende Fall, der die Vertretung durch einen Angestellten einer Konzernmuttergesellschaft für eine 100-prozentige Tochtergesellschaft betreffe, sei ein anderer Sachverhalt. Die zu vertretende 100-prozentige Tochtergesellschaft müsse im Gegensatz zu den bloß wirtschaftlich verbundenen Unternehmen im Sinne von Artikel 133 (3), Satz 2 EPÜ sämtliche Handlungen der Muttergesellschaft für und gegen sich uneingeschränkt gelten lassen. Der Fall sei demnach Artikel 133 (3), Satz 1 EPÜ zuzurechnen, da beide Unternehmen, was die Konsequenzen ihres Handelns beträfen, wie ein einziges Unternehmen gesehen werden müßten. Andernfalls bestünde in Artikel 133 EPÜ eine Regelungslücke.
VI. Auf eine Bitte des Geschäftsstellenbeamten der Kammer um Angabe, ob die von der Rechtsabteilung mit Schreiben vom 8. Oktober 1998 übersandte Entscheidung vollständig gewesen sei und wie sich das in der Beschwerdeschrift als Datum der Entscheidung der Rechtsabteilung genannte Datum 15. Oktober 1998 berechne, erklärte die Beschwerdeführerin, dieses Datum sei in der ihr zugestellten berichtigten Fassung der Entscheidung der Rechtsabteilung als Datum der Entscheidung genannt gewesen und diese Fassung sei vollständig gewesen. Die Beschwerdeführerin reichte Kopie eines Berichtigungsschreibens der Rechtsabteilung vom 15.Oktober 1998 sowie eines ebenfalls mit dem 15. Oktober 1998 datierten vollständigen Entscheidungstextes ein.
Zugleich teilte sie unter Beifügung eines entsprechenden Handelsregisterauszuges mit, daß die D. AG mit Wirkung vom 21. Dezember 1998 mit der DC. AG als übernehmender Gesellschaft verschmolzen worden sei.
In einem Bescheid teilte die Kammer ihre vorläufige Auffassung mit, daß die D. AG schon deshalb nicht berechtigt gewesen sei, die Registrierung der allgemeinen Vollmacht zu verlangen, weil sie weder Vollmachtgeberin noch Vollmachtnehmerin gewesen noch zur Vertretung einer dieser Personen berechtigt gewesen sei.
Darüber hinaus teile die Kammer aber vorläufig die Auffassung der Rechtsabteilung, daß Personen, die rechtlich nicht Angestellte der Vollmachtgeberin sondern einer anderen juristischen Person und die keine zugelassenen Vertreter seien, die Vollmachtgeberin selbst bei einer hundertprozentigen Beherrschung der Vollmachtgeberin durch diese juristische Person nicht gemäß Artikel 133 (3), Satz 1 EPÜ vertreten könnten. Die Ausgestaltung des Vertretungsrechts sei während der vorbereitenden Arbeiten zum EPÜ Gegenstand eingehender und kontroverser Diskussionen gewesen. Die vorbereitenden Arbeiten wiesen die heutige Fassung von Artikel 133 (3), Satz 1 EPÜ in Verbindung mit seinem Satz 2 als das rechtspolitische Ergebnis eines Kompromisses zwischen den Interessen der Industrievertreter einerseits und denen der Patentanwaltschaft andererseits aus. Der Kompromiß liege bereits darin, daß überhaupt vorgesehen wurde, daß juristische Personen neben der rechtlich vorgegebenen Vertretung durch ihre satzungsgemäß dafür vorgesehenen Personen (Organe) auch durch einen bevollmächtigten Angestellten handeln könnten und nicht einen Patentanwalt in Anspruch nehmen müßten, wie ursprünglich gefordert worden sei (Bericht über die 5. Tagung der Regierungskonferenz über die Einführung eines europäischen Patenterteilungsverfahrens, 2. Teil, Anhörung der nichtstaatlichen Organisationen, BR/169/72, S. 61 ff., Nr. 154 ff.). Daß der Verwaltungsrat von der Möglichkeit, gemäß Artikel 133 (3) Satz 2 EPÜ in der Ausführungsordnung weitergehende Vertretungsrechte vorzusehen, bisher keinen Gebrauch gemacht habe, sei Teil der Gestaltungsfreiheit des Gesetzgebers der Ausführungsordnung nach Maßgabe der rechtspolitischen Wertungen, die er bestimmen könne und begründe deshalb keine Regelungslücke.
VII. Die Beschwerdeführerin erwiderte hierauf, da die D. AG, nunmehr DC. AG, als die die Vollmachtgeberin beherrschende Muttergesellschaft alle Aufgaben der Vollmachtgeberin auf dem Gebiet des gewerblichen Rechtsschutzes wahrnehme und daher zur Durchführung der ihr von der Vollmachtgeberin übertragenen Aufgaben befugt und berechtigt sei, sei sie berechtigt gewesen, die Registrierung der allgemeinen Vollmacht zu verlangen. Es könne im vorliegenden Fall nicht darauf ankommen, ob die Vollmachtgeberin selbst den Antrag auf Registrierung der Vollmacht eingereicht oder ein von ihr Bevollmächtigter oder wie hier die beherrschende Muttergesellschaft der Vollmachtgeberin, die zugleich Arbeitgeberin der Bevollmächtigten sei.
VIII. Die Beschwerdeführerin hat beantragt, die angefochtene Entscheidung aufzuheben und der Beschwerde stattzugeben.
Entscheidungsgründe
Zur Person des Beschwerdeführers
Gemäß dem im Beschwerdeverfahren vorgelegten beglaubigten Handelsregisterauszug - HRB ..., Abt. B des Amtsgerichts Stuttgart - ist die D. AG mit Wirkung vom 21. Dezember 1998 mit der DC. AG als übernehmender Gesellschaft verschmolzen worden. Die DC. AG ist folglich Gesamtrechtsnachfolgerin der D. AG, die zu bestehen aufgehört hat, und ist Beschwerdeführerin dieses Beschwerdeverfahrens.
Zulässigkeit der Beschwerde
Ausgehend von dem angeblichen ursprünglichen Datum der einzigen in der Akte der Rechtsabteilung befindlichen Entscheidung mit dem vermutlichen Datum vom 28. September 1998 als dem Tag ihrer Aufgabe zur Post wäre die Einlegung der Beschwerde am 23. Dezember 1998 gemäß Regel 78 (2) EPÜ verspätet gewesen. Da die Akte der Rechtsabteilung jedoch weder für die Zustellung dieser Entscheidung noch für die Zustellung einer nach dem Akteninhalt angeblich mit einem Schreiben der Rechtsabteilung vom 8. Oktober 1998 für gegenstandslos erklärten und durch eine berichtigte Entscheidung ersetzten Entscheidung irgendeinen Nachweis enthält und zudem der Inhalt dieser berichtigten Fassung auch nicht aus der Akte ersichtlich ist, kann die Kammer für die Frage der Rechtzeitigkeit der Beschwerde nur von den Angaben ausgehen, die die Beschwerdeführerin selbst gemacht hat, Regel 78 (2), 2. Halbsatz EPÜ. Die Beschwerdeführerin hat angegeben, eine mit dem Datum 15. Oktober 1998 versehene, vollständige Entscheidung erhalten zu haben. Eine Kopie dieser Entscheidung hat die Beschwerdeführerin eingereicht. Von dem Datum 15. Oktober 1998 ausgehend wurde die Beschwerde am 23. Dezember 1998 gemäß Artikel 108, Satz 1, Regel 78 (2) EPÜ rechtzeitig eingelegt und ist deshalb als zulässig anzusehen.
Begründetheit der Beschwerde
1.1 Die Beschwerdeführerin hat beantragt, die angefochtene Entscheidung aufzuheben und der Beschwerde stattzugeben. Welches Begehren sie mit der zuletzt genannten Formulierung verfolgt, hat sie nicht ausdrücklich gesagt. Da die Beschwerdeführerin im Verfahren vor der Rechtsabteilung die Eintragung der allgemeinen Vollmacht auch für Herrn P. und Herrn Patentanwalt Z. beantragt hat und sie sich mit der Beschwerde und ihrer Begründung gegen die Feststellung der Rechtsabteilung wendet, daß die allgemeine Vollmacht für diese Personen nicht eingetragen werden könne, wertet die Kammer den Beschwerdeantrag dahin, daß die Beschwerdeführerin von der Kammer den Erlaß der Anordnung an die Rechtsabteilung begehrt, die eingereichte allgemeine Vollmacht für diese Personen einzutragen.
1.2 Gemäß Regel 101 (2) EPÜ können die Beteiligten allgemeine Vollmachten einreichen, die einen Vertreter zur Vertretung in allen ihren Patentangelegenheiten bevollmächtigen. Die Einreichung einer allgemeinen Vollmacht bedeutet eine Verfahrenserleichterung für die Parteien und Vertreter, die in zahlreichen Verfahren zusammenwirken, und für das Amt. Diese Vertreter reichen dann keine gesonderten Vollmachten zu den einzelnen Akten mehr ein, sondern geben lediglich die Registriernummer der allgemeinen Vollmacht an. Die für die Bearbeitung der einzelnen Akten zuständigen Instanzen prüfen im Regelfall lediglich, ob sich die in Bezug genommene allgemeine Vollmacht auf den Vertreter als Bevollmächtigtem und die vertretene Partei als Vollmachtgeberin bezieht.
1.3 Weder in Regel 101 EPÜ noch in einer anderen Vorschrift des EPÜ ist von einer förmlichen Registrierung der allgemeinen Vollmachten im Sinne einer Eintragung in eine Liste die Rede, noch von einer Befugnis oder Verpflichtung des Amtes, die Rechtsgültigkeit derart eingereichter allgemeiner Vollmachten als Voraussetzung für ihre Registrierung generell zu prüfen, festzustellen und förmlich darüber zu entscheiden. Obwohl die Beschwerdeführerin nur geltend macht, daß die Rechtsabteilung über ihren angeblichen Anspruch auf Registrierung der allgemeinen Vollmacht falsch entschieden habe, muß die Kammer deshalb zunächst prüfen, ob die Rechtsabteilung überhaupt befugt war, über die Ablehnung der Registrierung und in diesem Zusammenhang über die Frage der Vertretungsbefugnis der in der allgemeinen Vollmacht benannten Vertreter zu entscheiden.
1.4 Der Wortlaut von Regel 101 (2) EPÜ unterscheidet sich insofern z. B. von der Redaktion des Artikels 134 EPÜ, der in seinem Absatz 1 bestimmt, daß die Vertretung nur durch zugelassene Vertreter wahrgenommen werden kann, die in einer beim EPA geführten Liste eingetragen sind, und daß in die Liste der zugelassenen Vertreter jede natürliche Person eingetragen werden kann, die die aufgezählten Voraussetzungen erfüllt. Mit diesem Wortlaut des Artikels 134 EPÜ ist vorgegeben, daß das Amt vor der in dieser Vorschrift vorgesehenen Eintragung in die Liste zu prüfen hat, ob die Voraussetzungen für eine Eintragung vorliegen. In Artikel 20 (1) EPÜ wird der Rechtsabteilung die Zuständigkeit für Entscheidungen über Eintragungen und Löschungen in der Liste der zugelassenen Vertreter zugewiesen, ebenso wie die Entscheidung über Eintragungen und Löschungen von Angaben im europäischen Patentregister. Dazu gehört z.B. im Fall einer Vertretung des Anmelders oder Patentinhabers durch einen Vertreter eines Zusammenschlusses von Vertretern die Entscheidung über die Eintragung des Zusammenschlusses nach den Bestimmungen der Regel 92 (1) h) EPÜ. In diesem Zusammenhang hat die Rechtsabteilung vor einer Entscheidung zu prüfen und bei negativem Ergebnis festzustellen, daß kein Zusammenschluß im Sinne dieser Regel und von Regel 101 (9) EPÜ vorliegt.
1.5 Im Gegensatz dazu wird dem Amt im Zusammenhang mit der Einreichung allgemeiner Vollmachten gemäß Regel 101 (1) EPÜ durch das EPÜ keine ausdrückliche Kompetenz zugewiesen, Sachverhalte durch den Erlaß förmlicher Entscheidungen zu erledigen.
Jedoch hat der Präsident des EPA, gestützt auf Regeln 101 (3) und 9 (2) EPÜ, in Ziffer 1. seiner Mitteilung vom 20. Dezember 1984 über allgemeine Vollmachten (ABl EPA 1985, 42) bestimmt, daß die Rechtsabteilung für Entscheidungen über die Registrierung von allgemeinen Vollmachten zuständig ist. Regel 101 (3) EPÜ ermächtigt den Präsidenten des Europäischen Patentamts, Form und Inhalt einer allgemeinen Vollmacht zu bestimmen und im Amtsblatt des Europäischen Patentamts bekanntzumachen. Regel 9 (2) EPÜ ermächtigt den Präsidenten, - u. a. - der Rechtsabteilung über die Zuständigkeit hinaus, die ihr durch das Übereinkommen zugewiesen ist, weitere Aufgaben zu übertragen.
Es stellt sich deshalb die Frage, ob die Regelungsgewalt des Präsidenten gemäß Regel 9 (2) EPÜ i. V. mit Regel 101 (3) EPÜ umfaßt, der Rechtsabteilung die Befugnis zum Erlaß förmlicher Entscheidungen in einem Bereich zu verleihen, in dem die Anwendung des EPÜ zwar zwangsläufig die Durchführung bestimmter Verwaltungsmaßnahmen umfaßt, wie sie mit der ordnungsgemäßen administrativen Behandlung von von den Parteien eingereichten allgemeinen Vollmachten einhergehen müssen, in dem es aber nicht die abschließende Regelung von Sachverhalten durch Entscheidung vorsieht.
Die Kammer vermag dem EPÜ keinen allgemeinen Grundsatz zu entnehmen, daß eine Befugnis des EPA, von den Parteien gestellte Anträge durch förmliche Entscheidungen zu erledigen, von vornherein nur dort bejaht werden könnte, wo das EPÜ dies ausdrücklich vorsieht. So hat die Große Beschwerdekammer in ihrer Entscheidung G 5/91 (ABl. EPA 1992, 617) die damalige, auf internen Vorschriften beruhende Praxis des Amtes, daß bei der Ablehnung eines Prüfers einer Prüfungs- oder Einspruchsabteilung wegen Besorgnis der Befangenheit der jeweilige Direktor der für dieses Organ zuständigen Direktion die Ablehnung prüft und darüber entscheidet, als nicht unrechtmäßig angesehen, da die erstinstanzlichen Organe wegen ihres Verwaltungscharakters gemäß Artikel 10 (2) a) EPÜ den internen Vorschriften des Präsidenten unterlägen (Entscheidungsgründe 4.).
Zwar ist damit noch nichts darüber ausgesagt, unter welchen Voraussetzungen das EPA befugt sein kann, Sachverhalte gegenüber Antragstellern durch förmliche Entscheidung abschließend zu regeln. Wegen der Bindungswirkung und der Rechtskraftwirkung förmlicher Entscheidungen könnten Bedenken dagegen, der Verwaltungsinstanz durch Verwaltungsanordnung die generelle Befugnis zum Erlaß derartiger Entscheidungen zuzuweisen, unter rechtsstaatlichen Gesichtspunkten jedenfalls dort bestehen, wo dem abschließenden Charakter der Entscheidungen keine Möglichkeit für den Betroffenen gegenübersteht, die getroffene Entscheidung überprüfen zu lassen. Eine solche Sachlage ist jedoch bei der Rechtsabteilung nicht gegeben, weil die Entscheidungen der Rechtsabteilung gemäß Artikel 106 (1) EPÜ mit der Beschwerde angefochten werden können.
Die Kammer ist daher der Auffassung, daß die Zuweisung der Entscheidungsbefugnis über die Registrierung allgemeiner Vollmachten an die Rechtsabteilung durch den Präsidenten gemäß seiner Mitteilung aus Rechtsgründen nicht beanstandet werden kann. Diese Zuweisung kann sinnvollerweise nur so verstanden werden, daß damit der Rechtsabteilung auch die Kompetenz zugewiesen werden sollte zu prüfen, ob die bevollmächtigten Personen nach dem EPÜ befugt sind, den oder die Vollmachtgeber zu vertreten, da nur so die mit der Einreichung allgemeiner Vollmachten für alle Beteiligten beabsichtigte Verfahrenserleichterung erreicht werden kann. Es wäre im Gegenteil der Rechtssicherheit geradezu abträglich, wenn Vertreter in der Vielzahl einzelner Verfahren auf registrierte allgemeine Vollmachten verweisen könnten, die nicht einmal darauf überprüft wurden, ob eine Vertretungsbefugnis des Bevollmächtigten für den Vollmachtgeber überhaupt gegeben ist. Dies ändert nichts daran, daß im Einzelfall das für das Verfahren zuständige Organ zuständig bleibt zu entscheiden, ob der Vertreter im Verfahren vor ihm für die Partei handeln darf, für die er auftritt.
Die Juristische Beschwerdekammer hat in einem vergleichbaren Fall im Ergebnis ähnlich entschieden, ohne allerdings zur Frage zur Überprüfungsbefugnis der Rechtsabteilung Ausführungen zu machen. In der unveröffentlichten Entscheidung J 27/95 vom 9. April 1997 hat die Juristische Beschwerdekammer die Zurückweisung der beantragten Eintragung einer spanischen Rechtsanwältin in die von der Rechtsabteilung geführte Liste von vor dem EPA gemäß Artikel 134 (7) EPÜ vertretungsbefugten Rechtsanwälten unter diesem Gesichtspunkt nicht beanstandet. Die Prüfungs- und Entscheidungspraxis der Rechtsabteilung in diesem Punkt beruht auf Ziffer 1.1 c) des Beschlusses des Präsidenten des EPA vom 10. März 1989 über die Zuständigkeit der Rechtsabteilung (ABl. EPA 1989, 177).
2. Die angefochtene Entscheidung muß dennoch aufgehoben werden, weil die ursprüngliche Antragstellerin D. AG aus den nachfolgend dargestellten Gründen nicht berechtigt war, die Registrierung der allgemeinen Vollmacht zu verlangen. Die Rechtsabteilung durfte nicht in einem Verfahren mit dieser Antragstellerin entscheiden, daß die allgemeine Vollmacht der M. GmbH als Vollmachtgeberin nicht für die Herren P. und Z. als den Bevollmächtigten eingetragen werden kann.
2.1 Gemäß Regel 101 (2) EPÜ können die Beteiligten allgemeine Vollmachten einreichen. Nach dem Wortlaut der Vorschrift kann damit nicht jede beliebige Person die Registrierung einer allgemeinen Vollmacht verlangen. Vielmehr steht dieses Recht den Beteiligten zu. Beteiligte des der Ausstellung einer allgemeinen Vollmacht zugrundeliegenden rechtlichen Vorgangs der Bevollmächtigung sind der oder die Vollmachtgeber und der oder die Bevollmächtigten, nicht dagegen Dritte, in welcher persönlichen oder wirtschaftlichen Beziehung sie auch zu dem Bevollmächtigten oder dem Vollmachtgeber stehen mögen. Gleiches gilt für den Vorgang der Einreichung einer allgemeinen Vollmacht beim EPA. Die Einreichung der allgemeinen Vollmacht dient der Vorbereitung der Wahrnehmung von Verfahrensbeteiligungen des Vollmachtgebers durch den Bevollmächtigten. Das Wort Beteiligte in Regel 101 (2) EPÜ bezieht sich damit erkennbar auf die Personen, die diese Verfahrensbeteiligungen später innehaben, bzw. ausüben können. Das sind ebenfalls nur der Vollmachtgeber als Partei und der Bevollmächtigte als dessen Vertreter, nicht dagegen Dritte, welches Interesse sie auch an einer bestimmten Verfahrensführung durch eine Partei haben mögen. Folglich können auch nur der Vollmachtgeber und der Vollmachtnehmer als Beteiligte an dem Vorgang der Einreichung einer allgemeinen Vollmacht für die Zwecke des Auftretens vor dem EPA im Sinne von Regel 101 (2) EPÜ angesehen werden. Ein Dritter ist deshalb nicht schon deshalb Beteiligter im Sinne von Regel 101 (2) EPÜ an der Einreichung einer allgemeinen Vollmacht, weil er derjenige ist, der die allgemeine Vollmacht tatsächlich physisch beim EPA eingereicht hat.
Diese Auslegung ist auch sinnvoll. Zu den rechtlichen Vorgängen, die das Auftreten einer Person für eine andere im Wege der Vertretung vorbereiten, gehören nicht nur die Bevollmächtigung, die das Innenverhältnis zwischen Vollmachtgeber und Bevollmächtigtem betrifft und die mit dem Akt der Bevollmächtigung rechtlich wirksam vorgenommen worden ist, sondern auch der Wille, sich einer ausgestellten Vollmachtsurkunde im Zusammenhang mit dem Auftreten des Bevollmächtigten, für das die Urkunde ausgestellt wurde, zu begeben. Einen solchen Rechtswillen können nur der Vollmachtgeber und der durch die Urkunde Bevollmächtigte äußern. Die Einreichung der allgemeinen Vollmachtsurkunde beim Amt zeitigt für den Vollmachtgeber erhebliche Rechtswirkungen, weil sie den Bevollmächtigten als zu einer Vertretung des Vollmachtgebers in allen Verfahren befugt ausweist. Deshalb ist es insbesondere bei einer allgemeinen Vollmacht von erheblicher Bedeutung, daß der Wille, sich der Vollmachtsurkunde zu begeben und zu bedienen, von seiten der hierzu befugten Personen für die Zwecke des Auftretens vor dem EPA vorhanden war und die Einreichung der allgemeinen Vollmacht für das EPA erkennbar als Ausdruck dieses Willens betrachtet werden kann. Das ist in der Regel der Fall, wenn die Einreichung der allgemeinen Vollmacht durch einen der Beteiligten, d. h. den Vollmachtgeber oder den Bevollmächtigten, erfolgt. Die Begrenzung des Rechtes, allgemeine Vollmachten einzureichen, auf die Beteiligten dient damit dem Zweck, dies zu gewährleisten. Deshalb kann die Wortwahl der Regel 101 (2) EPÜ nicht als zufällig oder unwichtig betrachtet werden. Im Gegenteil muß sie als Ausdruck davon verstanden werden, daß das Recht, allgemeine Vollmachten einzureichen, ganz bewußt auf die an der allgemeinen Vollmacht und damit auch an späteren Verfahren vor dem EPA gemeinsam Beteiligten bezogen wurde und damit das Recht, bei Vorliegen der Voraussetzungen die Eintragung der Vollmacht zu verlangen, auf diese Beteiligten begrenzt ist.
2.2 Die Beschwerdeführerin hat sich in ihrer Erwiderung auf den Bescheid der Kammer darauf berufen, daß sie als hundertprozentige Muttergesellschaft der Vollmachtgeberin deren Aufgaben auf dem Gebiet des Gewerblichen Rechtsschutzes wahrnehme. Folglich sei sie zur Durchführung der ihr von der Vollmachtgeberin übertragenen Aufgaben befugt und deshalb als Beteiligte des Verfahrens zur Registrierung der allgemeinen Vollmacht anzusehen, die berechtigt sei, die Registrierung der Allgemeinen Vollmacht zu verlangen.
Dieser Auffassung kann sich die Kammer nicht anschließen. Daß die Beschwerdeführerin als Muttergesellschaft der Vollmachtgeberin beauftragt gewesen sein mag, alle Aufgaben der Vollmachtgeberin auf dem Gebiet des Gewerblichen Rechtschutzes wahrzunehmen, betrifft das Innenverhältnis zwischen der Beschwerdeführerin und ihrer Tochtergesellschaft, der Vollmachtgeberin, verleiht der Beschwerdeführerin aber keine Rechte im Auftreten vor dem Europäischen Patentamt. Für die Verfahrensrechte der Beschwerdeführerin vor dem EPA kann auch nicht maßgebend sein, daß aus einer hundertprozentigen Beherrschung einer Tochtergesellschaft durch die Konzernmutter für diese eine besondere materiellrechtliche, z. B. zivil- und kartellrechtliche, Rechte- und Pflichtenstellung resultieren mag. In Verfahren vor dem Europäischen Patentamt können sich die Rechte der Parteien nur nach den Verfahrensregeln des EPÜ richten, die Rechte der Beschwerdeführerin hier somit danach, ob sie berechtigt gewesen wäre, die Vollmachtgeberin vor dem Europäischen Patentamt zu vertreten. Aber, abgesehen davon, daß die Beschwerdeführerin im vorliegenden Verfahren im eigenen Namen auftritt und einen eigenen Anspruch auf Eintragung der allgemeinen Vollmacht geltend macht, besteht eine Vertretungsbefugnis der Beschwerdeführerin als solcher unstreitig weder für ihre Tochtergesellschaft, die Vollmachtgeberin, noch für die Vollmachtnehmer, ihre beiden Angestellten, die selbst keine zugelassenen Vertreter waren. Eine juristische Person kann nicht als solche eine andere Person vor dem Europäischen Patentamt vertreten. Die Vorschriften über die Vertretung sehen in Artikel 133 (1) und (3) EPÜ allein vor, daß eine - natürliche oder juristische - Person, die nicht selbst handelt (d. h. die als juristische Person nicht durch eines ihrer Organe handelt), durch einen zugelassenen Vertreter oder durch einen ihrer Angestellten handeln kann. Der Streit der Beschwerdeführerin mit der Rechtsabteilung um die Eintragung der allgemeinen Vollmacht, der Grundlage der vorliegenden Beschwerde ist, dreht sich allein um diese Frage, ob ihre Angestellten für eine andere juristischen Person, die Vollmachtgeberin, handeln können.
2.3 Die Rechtsabteilung hätte folglich die Feststellung, daß die Voraussetzungen für die Eintragung der allgemeinen Vollmacht mangels Vertretungsbefugnis der Bevollmächtigten für die Vollmachtgeberin nicht vorlagen, nicht gegenüber der Beschwerdeführerin als Antragstellerin treffen dürfen. Sie hätte zweckdienlicherweise darauf hingewirkt, daß der Antrag von oder - in berechtigter Vertretung - im Namen eines an der allgemeinen Vollmacht Beteiligten gestellt worden wäre oder sie hätte den Antrag der Beschwerdeführerin mangels Antragsberechtigung zurückweisen müssen.
2.4 Auch aus dem Gebot des Artikels 113 (1) EPÜ ergibt sich unmittelbar, daß es keine rechtlich richtige Verfahrensführung sein kann, wenn in einer Entscheidung zulasten des Bevollmächtigten und des Vollmachtgebers einer allgemeinen Vollmacht ohne deren förmliche Beteiligung am Verfahren einem Dritten gegenüber, hier der Beschwerdeführerin gegenüber, festgestellt wird, daß die allgemeine Vollmacht nicht eingetragen werden kann.
Entscheidungsformel
Aus diesen Gründen wird entschieden:
1. Die angefochtene Entscheidung wird aufgehoben.
2. Der Antrag der Beschwerdeführerin, die allgemeine Vollmacht vom 17. Februar 1998 für Herrn P. und Herrn Patentanwalt Z. einzutragen, wird zurückgewiesen.