MITTEILUNGEN DES EPA
RECHTSAUSKUNFT DES EUROPÄISCHEN PATENTAMTS Nr. 3/85 rev.
Anspruchsgebühren - Mehrere Sätze von Patentansprüchen
Vorbemerkung: Die Grundsätze der Rechtsauskunft gelten weiterhin. Zu berücksichtigen sind die Änderungen der Regeln 31 und 51 EPÜ (s. auch Bemerkung zu Rechtsauskunft Nr. 4/80).
Bei mehreren Sätzen von Patentansprüchen unterliegt nur der Satz der Gebührenpflicht nach Regel 31 EPÜ, der die meisten Patentansprüche enthält. Wird der Satz mit der ursprünglich größten Zahl von Patentansprüchen so stark reduziert, daß jetzt ein anderer Satz mehr Patentansprüche enthält, ist auch bei diesem die Zahl der Patentansprüche zu reduzieren, soweit keine Anspruchsgebühren gezahlt sind.
1. Fälligkeit der Anspruchsgebühren Anspruchsgebühren können fällig werden
a) mit der Einreichung der europäischen Patentanmeldung (Regel 31 (1) EPÜ), wenn diese mehr als zehn Patentansprüche enthält, und
b) zum Zeitpunkt der Mitteilung nach Regel 51 (4) EPÜ, wenn die Zahl der für die Erteilung vorgesehenen gebührenpflichtigen Patentansprüche höher ist als die Zahl der nach Einreichung der Anmeldung entrichteten Anspruchsgebühren (Regel 31 (2) EPÜ).
Zu a)
Zahlt der Anmelder für gebührenpflichtige Patentansprüche nach Einreichung der Anmeldung innerhalb eines Monats keine Anspruchsgebühren, so wird er zur Nachzahlung innerhalb einer vom EPA zu bestimmenden Frist aufgefordert (Richtlinien für die Prüfung im EPA, A-III, 9). Das gleiche gilt, wenn der Anmelder zwar Anspruchsgebühren zahlt, diese aber nicht für alle gebührenpflichtigen Patentansprüche ausreichen und eine konkrete Angabe des Zahlungszwecks (Angabe der Nummern der Patentansprüche, für die die Zahlung bestimmt sein soll) fehlt.
Werden innerhalb der Nachfrist die Anspruchsgebühren nicht in voller Höhe gezahlt und wird auch kein konkreter Zahlungszweck für den geleisteten Gebührenbetrag angegeben, so gelten die Gebühren nur für so viele Patentansprüche der Nummernfolge ab 11 als entrichtet, für die der gezahlte Betrag ausreicht. Die Grundsätze des Artikels 9 (2) Gebührenordnung, der die Streichung von Benennungen regelt, werden insoweit analog auf die Anspruchsgebühren angewendet. Die Nichtzahlung für die weiteren Patentansprüche gilt als Verzicht auf diese (Regel 31 (3) EPÜ).
Zu b)
Enthält die Anmeldung zum Zeitpunkt der Mitteilung nach Regel 51 (4) EPÜ mehr als 10 Patentansprüche, so wird der Anmelder aufgefordert, für jeden über diese Zahl hinausgehenden Patentanspruch innerhalb von drei Monaten nach Zustellung der Mitteilung nach Regel 51 (4) EPÜ eine Anspruchsgebühr zu entrichten, sofern er die Gebühren für eine entsprechende Zahl von Patentansprüchen nicht bereits im Verfahren vor der Eingangsstelle gezahlt hat. Wird die Anspruchsgebühr für einen Patentanspruch nicht rechtzeitig entrichtet, so gilt dies als Verzicht auf den Patentanspruch (Regel 31 (3) EPÜ). Im Gegensatz zum Verfahren vor der Eingangsstelle liegt kein behebbarer Mangel vor, wenn fällige Anspruchsgebühren nicht rechtzeitig entrichtet werden.
Der Verzicht auf einen Patentanspruch wird dem Anmelder nach Regel 69 (1) EPÜ mitgeteilt. Hält der Anmelder eine solche Feststellung für unzutreffend, so kann er eine Entscheidung nach Regel 69 (2) EPÜ beantragen. Daneben steht ihm der Rechtsbehelf der Wiedereinsetzung nach Artikel 122 EPÜ offen. Die Mitteilung nach Regel 51 (4) EPÜ bleibt trotz der Fiktion eines Verzichts wirksam; die Richtlinien C-VI, 15.4.3 und 15.4.4 sind nicht anwendbar.
2. Verzicht auf Patentansprüche
Der Anspruchsgebühr unterliegen Patentansprüche in der am Anmeldetag vorliegenden Fassung1mit den Nummern 11 und folgende. Durch den Verzicht auf Patentansprüche mit den Nummern 1 bis 10 kann nicht die Nummernfolge der Patentansprüche für Gebührenzwecke geändert werden (vgl. Richtlinien A-III, 9, wo ausdrücklich auf Patentansprüche 11 und folgende" verweisen wird sowie Entscheidung der Juristischen Beschwerdekammer J 9/84, ABl. 8/1985, S. 233).
Nach Zustellung der Mitteilung nach Regel 51 (4) EPÜ kann nicht mehr ohne Zustimmung der Prüfungsabteilung auf Patentansprüche verzichtet werden. Ein derartiger Verzicht ist als Erhebung von Einwendungen (Regel 51 (4) Satz 2 EPÜ) anzusehen; die Mitteilung nach Regel 51 (4) EPÜ gilt als nicht erfolgt.
3. Mehrere Sätze von Patentsprüchen
Die Rechtsauskunft Nr. 3 (ABl. 6-7/1979, S. 292) befaßte sich mit der Gebührenpflicht bei mehreren Sätzen von Patentansprüchen.2
Nach dieser Rechtauskunft wurden jeweils zehn Patentansprüche bei jedem Satz von Patentansprüchen als gebührenfrei behandelt. Auf diese Form der Berechnung wird auch bisher in den Richtlinien Bezug genommen (Richtlinien C-III, 8.5 und C-VI, 15).
Diese Praxis ist durch die Entscheidung der Juristischen Beschwerdekammer vom 28. Mai 1985, J 8/84, ABl. 9/1985, S. 261 überholt.
In der Entscheidung ist darauf hingewiesen, daß die bisherige Praxis weitgehend Zustimmung gefunden hat und auch von den betroffenen Anmeldern akzeptiert worden ist. In diesen Fällen entrichtete Gebühren sind daher auch verfallen (s. Nr. 11 der Entscheidungsgründe). Für künftige Fälle wird die Praxis des EPA jedoch der Rechtsauffassung der Entscheidung der Beschwerdekammer folgen.
Nach dieser Entscheidung unterliegt nur der Satz von Patentansprüchen der Gebührenpflicht nach Regel 31 EPÜ, der die meisten Ansprüche enthält. Anspruchsgebühren können daher nicht mehr für mehrere Anspruchssätze gleichzeitig entstehen.
4. Streichung bei mehreren Sätzen von Patentansprüchen
Aus dieser Änderung der Praxis folgt die weitere Frage, wie vorzugehen ist, wenn für den Satz mit den meisten Patentansprüchen Gebühren nicht oder nur teilweise gezahlt werden und dadurch die Zahl der Patentansprüche dieses Satzes durch Streichung unter die Zahl der Patentansprüche eines anderes Satzes fällt. Die Frage ist dahin zu beantworten, daß der andere Satz nunmehr der Satz mit den meisten Patentansprüchen wird und daher der Gebührenpflicht nach Regel 31 unterliegt.3
Daraus ergibt sich folgendes:
Unterschreitet nach dem Wegfall von Patentansprüchen wegen Nichtzahlung von Anspruchgebühren die Zahl der verbleibenden Patentansprüche im ursprünglich gebührenpflichtigen Anspruchssatz die Zahl der Patentansprüche eines anderen Satzes, so muß auch dieser Anspruchssatz gekürzt werden, und zwar auf die Zahl der im ursprünglich gebührenpflichtigen Anspruchssatz verbleibenden Patentansprüche.
Dieser Grundsatz wird durch folgende Beispiele verdeutlicht:
Beispiel 1:
Anspruchssatz für alle Vertragsstaaten ausgenommen Österreich: 17
Anspruchssatz für Österreich (Art. 167 (2) (a) EPÜ): 23
Gezahlte Anspruchsgebühren: 5
Streichung: Beide Anspruchssätze werden bis auf 15 verbliebende Patentansprüche gekürzt.
Beispiel 2:
Anspruchssatz für alle Vertragsstaaten ausgenommen Frankreich, Großbritannien, Österreich: 18
Anspruchssatz für Frankreich (Regel 87 EPÜ): 16
Anspruchssatz für Großbritannien (nationales älteres Recht): 16
Anspruchssatz für Österreich (Art. 167 (2) (a) EPÜ): 14
Gezahlte Anspruchsgebühren: 4
Streichung: Sämtliche Anspruchssätze werden bis auf 14 verbliebende Patentansprüche gekürzt.
1 Bei internationalen Anmeldungen kommt es für die Gebührenpflicht auf die Zahl der Ansprüche bei Eintritt in die regionale Phase an. Zur Möglichkeit, beim EPA als Bestimmungsamt oder ausgewähltem Amt vor Ablauf der Frist von 20 bzw. 30 Monaten geänderte Patentansprüche einzureichen und dadurch die Zahl der gebührenpflichtigen Patentansprüche zu senken vgl. Hinweise für PCT-Anmelder ABl. 12/1984, S. 621 ff., C.4, E.6 und S. 631 ff., C.4, D.5.
2 Zu den Voraussetzungen, unter denen mehrere Sätze von Patentansprüchen eingereicht werden können, siehe Rechtsauskunft Nr. 9, ABl. 3/1981, S. 68 und Richtlinien C-III, 8.
3 Andernfalls könnte durch Nichtzahlung der Anspruchsgebühren für einen gesonderten Satz Patentansprüche die Gebührenpflicht für den anderen Satz auch dann umgangen werden, wenn dieser Satz eine hohe Zahl von Patentansprüchen enthält.