C. VERFAHREN VOR DEN RECHERCHEN-, PRÜFUNGS-UND EINSPRUCHSABTEILUNGEN
C.1 Erteilungsverfahren - Allgemein
Mitteilung des Europäischen Patentamts vom 30. November 2015 über das Programm zur beschleunigten Bearbeitung europäischer Patentanmeldungen ("PACE")1
Nach der Einführung des Programms "Early Certainty from Search" im Juli 2014 hat sich herausgestellt, dass die Bedingungen für die Teilnahme am Programm zur beschleunigten Bearbeitung europäischer Patentanmeldungen ("PACE") überarbeitet und geklärt werden müssen.
Ziel dieser Überarbeitung ist es, den Anmeldern bei der optimalen Nutzung des Programms zu helfen und das Amt in die Lage zu versetzen, Anmeldungen, für die die beschleunigte Bearbeitung beantragt wurde, möglichst schnell zu bearbeiten. Insgesamt soll das Programm gestrafft und effektiver gemacht werden.
Wie bisher ist PACE darauf gerichtet, dass Anmelder, die an einer raschen Bearbeitung ihrer Anmeldung interessiert sind, den europäischen Recherchenbericht samt Stellungnahme gemäß Regel 62 (1) EPÜ, den ersten Prüfungsbescheid oder gegebenenfalls die Mitteilung nach Regel 71 (3) EPÜ innerhalb kürzester Fristen erhalten.
Die Einzelheiten zum überarbeiteten PACE-Programm werden nachstehend erläutert. Auf die Besonderheiten für Euro-PCT-Anmeldungen wird jeweils hingewiesen.
Informationen über weitere Möglichkeiten, das europäische Patenterteilungsverfahren zu beschleunigen - darunter Verzicht auf die Mitteilung nach Regel 70 (2) EPÜ, Verzicht auf die Mitteilung nach Regeln 161 und 162 EPÜ, Verzicht auf eine weitere Mitteilung nach Regel 71 (3) EPÜ, vorgezogener Eintritt in die europäische Phase, Beschleunigung des Einspruchsverfahrens bei Patenten, aus denen eine Verletzungsklage erhoben worden ist, und Beschleunigung des Verfahrens vor den Beschwerdekammern -, sind der diesbezüglichen, in ABl. EPA 2015, A94 veröffentlichten Mitteilung zu entnehmen.
Eine weitere Option ist das PPH-Pilotprogramm ("Patent Prosecution Highway"), das eine beschleunigte Bearbeitung zulässiger europäischer Patentanmeldungen ermöglicht, wenn die Ansprüche einer korrespondierenden Anmeldung von einem PPH-Partneramt für patentierbar/gewährbar befunden wurden, denn das EPA kann von den bereits vorliegenden Arbeitsergebnissen profitieren.2
A. Allgemeines
1. Die beschleunigte Bearbeitung europäischer Patentanmeldungen erfolgt nur auf schriftlichen Antrag. Anmelder müssen das dafür vorgesehene Antragsformblatt (EPA Form 1005) verwenden, das online einzureichen ist. Das EPA bestätigt den Empfang umgehend mittels einer Empfangsbescheinigung.3 Anträge, die formlos eingereicht wurden, d. h. nicht mit dem vorgesehenen Formblatt und/oder auf Papier, werden nicht bearbeitet.
2. Ein Antrag auf Teilnahme am PACE-Programm (PACE-Antrag) kann nur einmal in jeder Verfahrensphase (Recherche und Prüfung) und jeweils nur für eine einzelne Anmeldung gestellt werden. Ein während der Recherche eingereichter PACE-Antrag löst keine beschleunigte Prüfung aus. Ein Antrag auf beschleunigte Prüfung kann eingereicht werden, sobald die Prüfungsabteilung für die Prüfung der europäischen Patentanmeldung zuständig wird.4
3. Anträge auf beschleunigte Recherche oder Prüfung werden vom EPA nicht veröffentlicht und sind gemäß Beschluss der Präsidentin vom 12. Juli 20075 von der Akteneinsicht ausgeschlossen.
4. Eine Anmeldung wird aus dem PACE-Programm entfernt, wenn
- der PACE-Antrag zurückgenommen wurde,
- der Anmelder eine Fristverlängerung beantragt hat,
- die Anmeldung zurückgewiesen wurde,
- die Anmeldung zurückgenommen wurde,
- die Anmeldung als zurückgenommen gilt.
Dies geschieht ungeachtet der nach dem EPÜ zur Verfügung stehenden Rechtsmittel. In einem solchen Fall ist es nicht möglich, die Anmeldung wieder in das PACE-Programm aufzunehmen, d. h. ein zweiter Antrag zu dieser Anmeldung in derselben Verfahrensphase wird nicht bearbeitet.
5. Außerdem wird die beschleunigte Bearbeitung ausgesetzt, wenn eine Jahresgebühr nicht bis zum Fälligkeitstag nach Regel 51 (1) EPÜ entrichtet wird.
6. Die beschleunigte Bearbeitung im Rahmen des PACE-Programms kann nur erfolgen, soweit dies praktisch möglich ist und es das Arbeitsaufkommen in den Recherchen- und Prüfungsabteilungen erlaubt. Auf bestimmten technischen Gebieten kann es aufgrund gehäuft eingehender PACE-Anträge zu Einschränkungen kommen. Anmelder, die eine beschleunigte Bearbeitung für die Gesamtheit oder die Mehrzahl ihrer Anmeldungen beantragen, werden vom Amt in der Regel aufgefordert, eine Auswahl zu treffen und die Zahl ihrer PACE-Anträge zu begrenzen.
7. Anmelder können sich bei der Kundenbetreuung des EPA nach dem Stand einer Anmeldung erkundigen, für die ein PACE-Antrag gestellt wurde.
B. Recherche
8. Bei ab dem 1. Juli 2014 eingereichten europäischen Patentanmeldungen (einschließlich PCT-Anmeldungen, die in die europäische Phase eintreten und für die das EPA nicht als (S)ISA tätig war) ist das Amt im Rahmen des Programms "Early Certainty from Search" bestrebt, den erweiterten bzw. teilweisen europäischen Recherchenbericht innerhalb von sechs Monaten ab dem Anmeldetag oder dem Ablauf der Frist nach Regel 161 (2) EPÜ zu erstellen. Somit ist kein PACE-Antrag erforderlich.
9. Bei europäischen Patentanmeldungen (einschließlich PCT-Anmeldungen, die in die europäische Phase eintreten und für die das EPA nicht als (S)ISA tätig war), die vor dem 1. Juli 2014 eingereicht wurden und eine Priorität in Anspruch nehmen (Nachanmeldungen), setzt das Amt nach Eingang eines PACE-Antrags alles daran, den erweiterten bzw. teilweisen europäischen Recherchenbericht innerhalb von sechs Monaten nach Eingang des Antrags zu erstellen.
10. Zu beachten ist, dass eine beschleunigte Recherche nur unter folgenden Voraussetzungen beginnen kann:
i) nach Eingang der Erwiderung des Anmelders auf eine Mitteilung nach Regel 62a oder 63 EPÜ oder nach Ablauf der entsprechenden Frist;
ii) in allen Fällen: wenn die in der Akte enthaltenen Anmeldeunterlagen so vollständig sind, dass der erweiterte Recherchenbericht erstellt werden kann. Dies setzt insbesondere voraus, dass dem Amt zu diesem Zeitpunkt die Ansprüche, die Beschreibung, die erforderlichen Übersetzungen sowie gegebenenfalls die Zeichnungen und ein vorschriftsgemäßes Sequenzprotokoll für die standardisierte Darstellung von Nucleotid- und Aminosäuresequenzen vorliegen.
iii) bei PCT-Anmeldungen, die in die europäische Phase eintreten und für die das EPA nicht als (S)ISA tätig war: nach Ablauf der Frist von sechs Monaten nach Regel 161 (2) EPÜ, selbst wenn ein Antrag auf beschleunigte Bearbeitung im Rahmen des PACE-Programms gestellt wurde. Möchte der Anmelder, dass sofort mit der ergänzenden europäischen Recherche begonnen wird, so muss er bei Eintritt in die europäische Phase ausdrücklich auf Mitteilungen nach Regel 161 (2) und 162 (2) EPÜ verzichten und etwaige Anspruchsgebühren entrichten (siehe Mitteilung des EPA vom 30. November 2015, ABl. EPA 2015, A94).
11. Hat das EPA den Anmelder nach Regel 64 (1) Satz 2 oder 164 (1) b) EPÜ zur Entrichtung weiterer Recherchengebühren aufgefordert, kann es mit der Erstellung des endgültigen Recherchenberichts nach Regel 64 (1) letzter Satz oder 164 (1) c) erst beginnen, wenn es die Erwiderung des Anmelders erhalten hat oder die in der Aufforderung gesetzte Frist von zwei Monaten abgelaufen ist.
C. Prüfung
12. Die beschleunigte Prüfung kann grundsätzlich jederzeit beantragt werden, sobald die Zuständigkeit für die Anmeldung auf die Prüfungsabteilung übergegangen ist.6
13. Bei PCT-Anmeldungen, die in die europäische Phase eintreten und für die das EPA auch als (S)ISA tätig war, kann die beschleunigte Prüfung grundsätzlich jederzeit beantragt werden, beispielsweise
- bei Eintritt in die europäische Phase vor dem EPA7 oder
- zusammen mit der nach Regel 161 (1) EPÜ erforderlichen Erwiderung auf den WO-ISA, IPER oder SISR.
14. Ist eine beschleunigte Prüfung beantragt worden, so setzt das Amt alles daran, den nächsten verfahrensrechtlichen Schritt durch die Prüfungsabteilung innerhalb von drei Monaten nach Eingang der Anmeldung, der Erwiderung des Anmelders nach Regel 70a oder 161 (1) EPÜ oder des Antrags auf beschleunigte Prüfung zu vollziehen (je nachdem, welcher Zeitpunkt der spätere ist).
15. Das Amt ist bestrebt, weitere Prüfungsbescheide innerhalb von drei Monaten nach Eingang der Erwiderung des Anmelders zu erstellen, sofern die Anmeldung noch im Rahmen des PACE-Programms bearbeitet wird (siehe Absatz 4).
D. Inkrafttreten
16. Das überarbeitete PACE-Programm tritt am 1. Januar 2016 in Kraft und gilt für alle PACE-Anträge, die ab diesem Tag eingereicht werden.
17. Abweichend von Absatz 16 gelten die vorstehenden Absätze 4 und 5, was die Entfernung einer Anmeldung aus dem PACE-Programm bzw. die Aussetzung der beschleunigten Bearbeitung betrifft, ab Inkrafttreten des überarbeiteten Programms auch für bereits anhängige Anmeldungen.
1 Überarbeitete Fassung der Mitteilung des Europäischen Patentamts vom 4. Mai 2010 über das Programm zur beschleunigten Bearbeitung europäischer Patentanmeldungen - "PACE", ABl. EPA 2010, 352.
2 Siehe ABl. EPA 2014, A8; 2015, A6; 2015, A7; 2015, A8; 2015, A70.
3 Informationen zum Zugriff auf die Empfangsbescheinigung finden Sie unter den betreffenden Funktionalitäten des Tools für die Online-Einreichung.
4 Siehe Regel 10 EPÜ und Richtlinien für die Prüfung im EPA, C-II, 1.
5 Siehe Sonderausgabe Nr. 3, ABl. EPA 2007, J.3.
6 Siehe Regel 10 EPÜ und Richtlinien für die Prüfung im EPA, C-II, 1.
7 Bei Euro-PCT-Anmeldungen kann der Anmelder den Eintritt in die europäische Phase beschleunigen, wenn er gemäß Artikel 23 (2) oder 40 (2) PCT ausdrücklich eine vorzeitige Bearbeitung der Anmeldung beantragt, ABl. EPA 2015, A94. Dies führt jedoch noch nicht von Amts wegen zu einer beschleunigten Prüfung in der europäischen Phase; hierzu bedarf es eines gesonderten Antrags nach dem PACE-Programm.