C. VERFAHREN VOR DEN RECHERCHEN-, PRÜFUNGS-UND EINSPRUCHSABTEILUNGEN
C.1 Erteilungsverfahren - Allgemein
Beschluss des Präsidenten des Europäischen Patentamts vom 11. März 2015 über das Pilotprojekt zur Einführung neuer Einrichtungen zur elektronischen Nachrichtenübermittlung für Verfahren vor dem Europäischen Patentamt
Der Präsident des Europäischen Patentamts,
gestützt auf die Artikel 10 (2) i) und 119 und die Regeln 2, 67 (1), 68 (2), 73 (2), 87, 127 (1), 147 (2), 150 (2), 152 EPÜ, die Artikel 5, 6, 7 der Gebührenordnung sowie die Artikel 17 (2) und 18 (2) und die Regeln 44, 80.6, 89bis.1 und 2 PCT,
beschließt:
Allgemeine Bestimmungen
Artikel 1
Anwendungsbereich
(1) Das Europäische Patentamt (EPA) entwickelt seine IT-Systeme weiter mit dem Ziel, Verfahrensabläufe zu automatisieren, die Einreichung von Unterlagen und die Kommunikation mit den Nutzern effektiver und sicherer zu gestalten und die Zusammenarbeit zwischen dem EPA und den Nutzern zu erleichtern. Zu diesem Zweck wird das EPA im Rahmen eines Pilotprojekts nach und nach neue Einrichtungen zur elektronischen Übermittlung von Patentanmeldungen, sonstigen Unterlagen, Mitteilungen und anderen Informationen bereitstellen.
(2) Das EPA behält sich das Recht vor, im Rahmen des Pilotprojekts die auf der Grundlage dieses Beschlusses zur Verfügung gestellten Einrichtungen zur elektronischen Nachrichtenübermittlung vollständig oder teilweise zu ändern, zu beschränken oder einzustellen.
(3) Das Pilotprojekt wird sich nach Maßgabe dieses Beschlusses insbesondere auf die nachfolgend genannten Bereiche erstrecken:
a) die Art der Einreichung von Unterlagen in Verfahren nach dem EPÜ und die Einreichung internationaler Patentanmeldungen und anderer Schriftstücke in Verfahren nach dem Vertrag über die internationale Zusammenarbeit auf dem Gebiet des Patentwesens (PCT);
b) die für die Einreichung zur Verfügung stehenden Datenformate und Hilfsmittel;
c) die Zustellung an die Verfahrensbeteiligten;
d) die Zusammenarbeit mit ihnen und den weiteren Benutzern der vom Amt zur Verfügung gestellten Einrichtungen;
e) die Veröffentlichung europäischer Patentanmeldungen und europäischer Patente;
f) die Akteneinsicht;
g) die Entrichtung von Gebühren.
Artikel 2
Teilnahme am Pilotprojekt
(1) Das Pilotprojekt steht allen Verfahrensbeteiligten und Nutzern offen, die die spezifischen Teilnahmevoraussetzungen erfüllen und dem EPA ihre Bereitschaft zur Teilnahme in Bezug auf eine oder mehrere der auf der Grundlage dieses Beschlusses zur Verfügung gestellten Einrichtungen zur elektronischen Nachrichtenübermittlung mitgeteilt haben.
(2) Das EPA behält sich das Recht vor, bei Verdacht der missbräuchlichen oder unbefugten Benutzung im Einzelfall den Zugang zu den auf der Grundlage dieses Beschlusses zur Verfügung gestellten Einrichtungen zur elektronischen Nachrichtenübermittlung zu verwehren.
Artikel 3
Formvorschriften
Die zu beachtenden Formvorschriften ergeben sich aus den zur Verfügung gestellten Einrichtungen zur elektronischen Nachrichtenübermittlung und der sie begleitenden Dokumentation.
Artikel 4
Protokollierung
Die verfahrensrelevante Kommunikation wird protokolliert. Auf die Protokolle kann, soweit relevant, zurückgegriffen werden; sie werden dann in den öffentlichen Teil der Akte aufgenommen.
Artikel 5
Funktionsstörungen
(1) Führen Funktionsstörungen der Einrichtungen zur elektronischen Nachrichtenübermittlung zu nachteiligen Rechtsfolgen im Verfahren, so stellt das EPA die betroffenen Verfahrensbeteiligten im Rahmen der geltenden Rechtsvorschriften so, als ob diese nachteiligen Rechtsfolgen im Verfahren nicht eingetreten wären.
(2) Das EPA kann Verfahrensbeteiligte auffordern, Verfahrenshandlungen innerhalb einer vom EPA gesetzten Frist zu wiederholen; die Möglichkeit, Verfahrenshandlungen in anderer Form als mittels Einrichtungen zur elektronischen Nachrichtenübermittlung auf der Grundlage dieses Beschlusses vorzunehmen, bleibt unberührt.
(3) Der betroffene Verfahrensbeteiligte kann sich nicht auf Absatz 1 berufen, wenn
a) eine solche Funktionsstörung die Einreichung einer Patentanmeldung betrifft, er die Funktionsstörung hätte erkennen können und er es unterlassen hat, die Anmeldung unverzüglich in anderer Form einzureichen;
b) er es unterlassen hat, das EPA unverzüglich über ihm bekannt gewordene Funktionsstörungen, die die nachteiligen Rechtsfolgen verursacht haben, zu unterrichten; oder
c) er die Verfahrenshandlung trotz Aufforderung gemäß Absatz 2 nicht wiederholt hat.
Einzelne Verfahrenshandlungen
Artikel 6
Einreichung von Unterlagen in Verfahren nach dem EPÜ
Sofern und soweit die entsprechenden Einrichtungen zur elektronischen Nachrichtenübermittlung vom EPA bereitgehalten werden, können Unterlagen in Verfahren nach dem EPÜ unter Verwendung dieser Einrichtungen in Form von strukturierten Daten oder in anderer Form eingereicht werden.
Artikel 7
Einreichung internationaler Patentanmeldungen und anderer Schriftstücke
Sofern und soweit die entsprechenden Einrichtungen zur elektronischen Nachrichtenübermittlung vom EPA bereitgehalten werden, können internationale Patentanmeldungen und andere Schriftstücke im Sinne von Regel 89bis.1 und 2 PCT unter Verwendung dieser Einrichtungen in Form von strukturierten Daten oder in anderer Form eingereicht werden.
Artikel 8
Umwandlung von Unterlagen
Unterlagen, die nicht in elektronischer Form eingereicht wurden, können vom EPA umgewandelt und in elektronischer Form in die elektronische Akte aufgenommen werden.
Artikel 9
Elektronische Zustellung
(1) Sofern und soweit die entsprechenden Einrichtungen zur elektronischen Nachrichtenübermittlung vom EPA bereitgehalten werden, kann die Zustellung in elektronischer Form an eine aktivierte Mailbox erfolgen (elektronische Zustellung).
(2) Die elektronische Zustellung umfasst die in einer gemäß Artikel 13 veröffentlichten Liste enthaltenen Entscheidungen, Ladungen, Bescheide und Mitteilungen.
(3) Die elektronische Zustellung wird durch Übermittlung einer elektronischen Benachrichtigung an die Mailbox bewirkt.
(4) Die Übermittlung im Sinne der Regel 127 (2) EPÜ gilt als an dem Tag erfolgt, auf den das Dokument datiert ist, sofern das Dokument zu diesem Zeitpunkt in der Mailbox zugänglich war.
(5) Die elektronische Zustellung in Verfahren nach dem PCT richtet sich nach den Bestimmungen des PCT.
(6) In den Fällen der elektronischen Zustellung wird keine Ersatzzustellung durch die Post vorgenommen.
(7) Soweit die Zustellung in Form von strukturierten Daten erfolgt, stellt das Amt den Verfahrensbeteiligten Mittel zur Umwandlung zur Verfügung.
(8) Die Absätze 1 bis 7 gelten entsprechend für die elektronische Übermittlung von Mitteilungen und Bescheiden, die nicht förmlich zuzustellen sind.
Artikel 10
Anlage, Führung und Bearbeitung von Akten
Abweichend von Artikel 1 des Beschlusses vom 12. Juli 2007 über die Nutzung des elektronischen Aktensystems PHOENIX1 können Akten zu europäischen Patentanmeldungen und zu internationalen Anmeldungen, für die das EPA nach dem Vertrag über die internationale Zusammenarbeit auf dem Gebiet des Patentwesens (PCT) tätig wird, oder deren Bestandteile auch in anderen elektronischen Systemen des EPA angelegt, geführt und bearbeitet werden.
Artikel 11
Feststellung der Seitenzahl einer Anmeldung
Die Feststellung der Seitenzahl einer europäischen Patentanmeldung in Fällen, in denen Unterlagen in Form von strukturierten Daten übermittelt wurden, erfolgt durch elektronische Mittel, die das Amt den Verfahrensbeteiligten zur Verfügung stellt, nach Maßgabe der in der Ausführungsordnung niedergelegten Formvorschriften.
Umsetzung des Beschlusses
Artikel 12
Ermächtigung zum Erlass ergänzender Regelungen
Der Vizepräsident Generaldirektion 5 wird ermächtigt, die Verwendung neuer, auf der Grundlage dieses Beschlusses zur Verfügung gestellter Einrichtungen zur elektronischen Nachrichtenübermittlung freizugeben und ergänzende Vorschriften zu erlassen, einschließlich der spezifischen Teilnahmevoraussetzungen (Artikel 2) und von diesem Beschluss abweichender Regelungen, soweit dies durch Änderungen im Testbetrieb erforderlich wird.
Artikel 13
Veröffentlichung
Die Freigabe neuer, auf der Grundlage dieses Beschlusses bereitgestellter Einrichtungen zur elektronischen Nachrichtenübermittlung, der Erlass ergänzender Vorschriften, einschließlich der Dokumentation zu den einzelnen Einrichtungen zur elektronischen Nachrichtenübermittlung und der Bedingungen für die Teilnahme am Pilotprojekt, sind auf der Website des EPA oder in anderer geeigneter Form zu veröffentlichen.
Schlussvorschriften
Artikel 14
Aufhebung früherer Beschlüsse
Mit Inkrafttreten dieses Beschlusses tritt der Beschluss des Präsidenten des Europäischen Patentamts vom 4. Juli 2012 über das Pilotprojekt zur Einfühung neuer technischer Einrichtungen zur Nachrichtenübermittlung für Verfahren vor dem Europäischen Patentamt (ABl. EPA 2012, 486) außer Kraft.
Artikel 15
Inkrafttreten
Dieser Beschluss tritt am 1. April 2015 in Kraft.
Geschehen zu München am 11. März 2015
Benoît BATTISTELLI
Präsident
1 Beschluss der Präsidentin des Europäischen Patentamts vom 12. Juli 2007 über die Nutzung des elektronischen Aktensystems PHOENIX zur Aktenanlage, Aktenführung und Aktenaufbewahrung, Sonderausgabe Nr. 3, ABl. EPA 2007, J.1.