L. PCT
L.4 Das EPA als für die ergänzende internationale Recherche bestimmte Behörde (SISA)
Mitteilung des Europäischen Patentamts vom 24. März 2010 über die Durchführung ergänzender internationaler Recherchen nach dem PCT
1. Einführung
Im Oktober 2009 fasste der Verwaltungsrat der Europäischen Patentorganisation die erforderlichen Beschlüsse, damit das Europäische Patentamt vom 1. Juli 2010 an ergänzende internationale Recherchen (SIS) nach Regel 45bis PCT durchführen kann1. Die Vereinbarung zwischen der EPO und dem Internationalen Büro der WIPO (IB) wurde entsprechend geändert2.
Allgemeine Informationen über ergänzende internationale Recherchen und ihre Beantragung sind dem PCT-Leitfaden für Anmelder, Einführung in die internationale Phase (PCT-Leitfaden), Nrn. 8.001 - 8.053 zu entnehmen. Der Antrag auf Durchführung einer ergänzenden internationalen Recherche durch das EPA ist beim IB (nicht beim EPA) zu stellen und kann ab 1. Juli 2010 eingereicht werden, solange für die jeweilige Anmeldung die 19-Monatsfrist ab dem Prioritätsdatum noch nicht abgelaufen ist.
Das EPA wird SIS gemäß den PCT-Richtlinien für die Recherche und die internationale vorläufige Prüfung durchführen, die derzeit aktualisiert werden. In der ab 1. April 2010 geltenden Neufassung der Richtlinien für die Prüfung im EPA ist die SIS noch nicht berücksichtigt. Einzelheiten über die Durchführung von SIS durch das EPA sind in der vorliegenden Mitteilung enthalten.
2. Gebühren
Die Gebühr für eine SIS wurde in derselben Höhe angesetzt wie die Gebühr für eine internationale Recherche (derzeit 1 785 EUR). Diese Gebühr ist nicht an das EPA, sondern in Schweizer Franken zusammen mit der SIS-Bearbeitungsgebühr (derzeit 200 CHF) an das IB zu entrichten.
3. Sprache
Wurde die internationale Anmeldung nicht in deutscher, englischer oder französischer Sprache eingereicht und wurde keine Übersetzung der Anmeldung in einer dieser Sprachen für die Zwecke der internationalen Recherche oder der internationalen Veröffentlichung eingereicht, so ist beim IB zusammen mit dem Antrag auf eine SIS eine Übersetzung der internationalen Anmeldung in deutscher, englischer oder französischer Sprache einzureichen. Der ergänzende internationale Recherchenbericht (SISR) wird in der Sprache erstellt, in der die internationale Anmeldung eingereicht oder in die sie übersetzt wurde.
4. Anmeldungen mit Sequenzprotokollen
Enthält die internationale Anmeldung die Offenbarung einer oder mehrerer Nucleotid- und/oder Aminosäuresequenzen, sollte der Anmelder zusammen mit dem Antrag auf eine SIS eine Kopie des Sequenzprotokolls in elektronischer Form einreichen, die Anhang C der Verwaltungsvorschriften zum PCT entspricht. Kommt der Anmelder diesem Erfordernis nicht nach, fordert das EPA ihn auf, eine elektronische Kopie des Sequenzprotokolls nachzureichen, die diesem Anhang entspricht, und die Gebühr für verspätete Einreichung nach Regel 13ter.1 c) PCT zu entrichten3.
5. Einschränkungen
Für internationale Anmeldungen, die von einem Staatsangehörigen der Vereinigten Staaten von Amerika oder einem Anmelder, der dort seinen Sitz oder Wohnsitz hat, beim Patent- und Markenamt der Vereinigten Staaten oder beim Internationalen Büro als Anmeldeamt eingereicht wurden, führt das EPA keine SIS durch, wenn diese Anmeldungen einen oder mehrere Ansprüche enthalten, die sich auf Geschäftsmethoden gemäß der Definition der in Anhang A zur PCT-Vereinbarung zwischen der EPO und der WIPO aufgeführten Einheiten der Internationalen Patentklassifikation beziehen. Außerdem nimmt das EPA nur eine begrenzte Zahl von SIS-Anträgen entgegen; diese Zahl gibt es dem IB jährlich in einer Mitteilung bekannt. Für 2010 hat das EPA die Zahl der SIS-Anträge, die es entgegennimmt, auf 700 begrenzt.
6. Umfang
Der Umfang einer vom EPA durchgeführten SIS ist derselbe wie bei einer vom EPA durchgeführten internationalen Recherche. Es ergeht kein gesonderter schriftlicher Bescheid, das EPA gibt jedoch Erläuterungen gemäß Regel 45bis.7 e) PCT ab, die einem schriftlichen Bescheid des EPA als Internationaler Recherchenbehörde (WO/ISA) gleichwertig sind.
7. Überprüfungsverfahren bei Feststellung mangelnder Einheitlichkeit
Der Beschluss des Präsidenten des EPA vom 24. Juni 2007 zur Schaffung von Überprüfungsstellen und die Mitteilung des EPA über das Widerspruchsverfahren wurden aktualisiert, um dem Überprüfungsverfahren nach Regel 45bis.6 PCT Rechnung zu tragen4. Die Überprüfungsgebühr beträgt derzeit 790 EUR.
8. Kopien der im SISR angeführten Dokumente
Der Anmelder erhält gebührenfrei eine Kopie jedes im SISR angeführten Dokuments.
9. Verfahren nach Eintritt in die europäische Phase
Das EPA wird keinen ergänzenden europäischen Recherchenbericht erstellen, wenn es zu einer internationalen Anmeldung einen SISR erstellt hat. Somit wird 31 Monate nach dem Prioritätsdatum keine Gebühr für eine ergänzende europäische Recherche nach Regel 159 (1) e) EPÜ fällig, wenn das EPA entweder einen internationalen Recherchenbericht oder einen SISR erstellt hat.
Im Rahmen der Initiative "Raising the Bar" änderte der Verwaltungsrat im März 2009 Regel 161 EPÜ dahin gehend, dass der Anmelder zu dem vom EPA erstellten WO/ISA oder internationalen vorläufigen Prüfungsbericht (IPER) in der Sache Stellung zu nehmen hat. Im Oktober 2009 wurde die Regel 161 EPÜ dahin gehend weiter geändert, dass der Anmelder zu den Erläuterungen gemäß Regel 45bis.7 e) in einem vom EPA erstellten SISR in der Sache Stellung zu nehmen hat5. Aus praktischen Gründen traten beide Änderungen der Regel 161 EPÜ am 1. April 2010 in Kraft.
Eine weitere Änderung der Ausführungsordnung zum EPÜ, die im Oktober 2009 vorgenommen wurde, betrifft Regel 164 (2). Stellt die Prüfungsabteilung fest, dass eine Anmeldung, zu der das EPA einen SISR erstellt hat, nicht einheitlich ist, oder der Schutz für eine Erfindung begehrt wird, die im SISR nicht behandelt wurde, so wird der Anmelder aufgefordert, die Anmeldung auf die im SISR recherchierte Erfindung zu begrenzen6.
In der ab 1. April 2010 geltenden Neufassung der Richtlinien für die Prüfung im EPA sind vom EPA durchgeführte SIS und die Änderungen der Ausführungsordnung vom Oktober 2009 noch nicht berücksichtigt. Die Abschnitte der Richtlinien, in denen Regel 161 EPÜ in der Fassung vom März 2009 sowie Regel 164 EPÜ behandelt werden, gelten jedoch entsprechend für die Änderungen der Regeln 161 und 164 EPÜ vom Oktober 2009 mit der Maßgabe, dass der Anmelder im SIS-Stadium keine Möglichkeit gehabt haben wird, gegen Entrichtung zusätzlicher Recherchengebühren eine Recherche für weitere Erfindungen durchführen zu lassen.
1 Siehe ABl. EPA 2009, 593, 594.
2 Siehe ABl. EPA 2010, 304.
3 Siehe Beschluss der Präsidentin des EPA und Mitteilung des EPA vom 12. Juli 2007 über die Einreichung von Sequenzprotokollen, Sonderausgabe Nr. 3 zum ABl. EPA 2007, C.1 und C.2, Beschluss der Präsidentin des EPA und Mitteilung des EPA vom 26. März 2010 über die Einreichung von Sequenzprotokollen beim EPA als internationaler Behörde nach dem PCT, ABl. EPA 2010, 328, 330 und Beschluss der Präsidentin des EPA vom 15. November 2009 über die Neufestsetzung der Gebühren und Auslagen des Europäischen Patentamts, ABl. EPA 2009, 616.
4 Siehe ABl. EPA 2010, 320.
5 Siehe ABl. EPA 2009, 582.
6 Siehe ABl. EPA 2009, 582.