VERWALTUNGSRAT
Berichte über Tagungen des Verwaltungsrats
Bericht über die 46. Tagung des Verwaltungsrats der Europäischen Patentorganisation (8. bis 11. Dezember 1992)
Die 46. (ordentliche) Tagung des Verwaltungsrats der Europäischen Patentorganisation fand unter dem Vorsitz von Herrn Jean-Claude COMBALDIEU (FR) vom 8. bis 11. Dezember 1992 in München statt. Zum ersten Mal seit seiner Wahl im Juni nahm Herr José MOTA MAIA (PT) die Funktion des Vizepräsidenten wahr. Irland nahm erstmals an einer ordentlichen Ratstagung teil.
Der Präsident des Amts, Herr Paul BRAENDLI, legte seinen Tätigkeitsbericht für das zweite Halbjahr 1992 vor.
Der Präsident erinnerte zunächst daran, daß das 15jährige Jubiläum des EPA mit dem ersten EPOSIUM, und zwar zum Thema "Gentechnik - Die neue Herausforderung", begangen worden sei. Diese Veranstaltung, die in einer ausgesprochen sachlichen Atmosphäre, frei von jeder Aggressivität verlaufen sei, habe es den eingeladenen renommierten Fachleuten ermöglicht, mit großer Autorität über die wissenschaftlich-technischen, ethischen und rechtlichen Probleme der Gentechnik zu sprechen. Das Amt habe im 15. Jahr seines Bestehens die 500 000. europäische Patentanmeldung veröffentlicht und das 200 000. europäische Patent erteilt.
Zu den Anmeldezahlen führte der Präsident aus, die Planzahl sei 1992 um 3,7 % übertroffen worden; es seien 46 000 europäische und 24 500 Euro-PCT-Anmeldungen eingereicht worden; ca. 13 000 Euro-PCT-Anmeldungen träten in die regionale Phase ein (7,1 % weniger als erwartet). Die Leistungsziele seien im wesentlichen erreicht worden; der Rückstand in der europäischen Recherche sei auf 8 000 zurückgegangen und dürfte 1993 vollständig abgebaut sein. Bei den Erstbescheiden im Prüfungsverfahren sei der Rückstand zwar auf 46 000 angewachsen, er solle aber bis 1997 abgearbeitet sein. Die beträchtliche Zunahme des Rückstands im Bereich der Beschwerde mache neben einer temporären personellen Verstärkung der Kammern noch weitere geeignete Maßnahmen erforderlich.
Im Zusammenhang mit den Erteilungs- und Beschwerdeverfahren selbst wies der Präsident darauf hin, daß die amtsinterne Harmonisierung und Qualitätskontrolle im Berichtszeitraum weiter ausgebaut worden seien. So habe zur Förderung der Qualitätssicherung u. a. ein Personalaustausch zwischen dem Amt einerseits und Industriepatentabteilungen sowie Patentvertretern andererseits zum Zweck der beiderseitigen Fortbildung stattgefunden. Die GD 1 habe beispielsweise im Rahmen ihrer "Sommerakademie 1992" in Den Haag drei Wochen lang elf Trainees aus Patentvertreterschaft und Industrie auf dem Gebiet der Recherche ausgebildet; weitere 16 Trainees seien einen Monat lang in der GD 1, der GD 2 und der GD 3 ausgebildet worden, wo sie die Gelegenheit erhalten hätten, zu Schulungszwecken die Ausbilder bei ihrer täglichen Arbeit zu beobachten. Im Gegenzug sei die Fortbildung der Prüfer durch Aufenthalte in Patentanwaltskanzleien und Industriepatentabteilungen intensiviert worden; in diesem Rahmen seien neun Prüfer jeweils für einen Monat entsandt worden.
Der Präsident unterrichtete den Rat ferner davon, daß er Herrn GOLDRIAN mit einer Studie beauftragt habe, in der auf dem Gebiet der Elektrotechnik untersucht werden solle, wie das europäische Erteilungsverfahren und das erteilte europäische Patent von den Benutzern aufgenommen und beurteilt werden.
Der Präsident ging auch auf das 6. Europäische Patentrichterkolloquium ein, das auf Einladung der niederländischen Regierung vom 8. bis 11. September in Den Haag stattgefunden hat. An dieser Veranstaltung hätten Richter aus 14 Mitgliedstaaten der Europäischen Patentorganisation, erstmals auch aus den neuen Mitgliedstaaten Portugal und Irland, sowie Mitglieder der Beschwerdekammern des EPA, ein Vertreter des Europäischen Gerichtshofs und die Vorsitzende Richterin des US Court of Appeal for the Federal Circuit teilgenommen. Es seien angeregte Diskussionen geführt worden, die der weiteren Harmonisierung der Patentrechtsprechung in Europa nur dienlich sein könnten; erstmalig habe man eine konkrete Fallstudie in drei Arbeitsgruppen behandelt.
Zur Patentinformationspolitik führte der Präsident unter anderem aus, daß die Zusammenarbeit mit den nationalen Ämtern und den Bibliotheken der Vertragsstaaten weiterentwickelt worden sei. Zur Konferenz PATLIB 92 hätten sich Vertreter von 130 Bibliotheken eingefunden, denen zusammen mit den nationalen Ämtern die Verbreitung der Patentinformation obliege. Das jährliche EPIDOS-Nutzertreffen habe diesmal vom 30. September bis 2. Oktober stattgefunden und mit nahezu 300 Teilnehmern noch größeren Anklang gefunden als im Vorjahr. Dieses Treffen sei der Präsentation neuer und bereits verfügbarer Produkte im Bereich der Patentinformation sowie dem Thema "Patentinformation in Mittel- und Osteuropa" gewidmet gewesen.
Unter der Rubrik Rechtsfragen und internationale Angelegenheiten sprach der Präsident zunächst die besorgniserregenden Ergebnisse der "Eignungsprüfung für zugelassene Vertreter" an, die nur ein Drittel der Kandidaten bestanden habe. Die Prüfungsergebnisse würden derzeit einer amtsinternen Analyse unterzogen; durch geeignete Maßnahmen solle sichergestellt werden, daß die Angehörigen aller Vertragsstaaten eine höhere Erfolgsquote erzielen könnten. In bezug auf den Bereich "Technische Zusammenarbeit" wies er auf die ausgezeichneten Ergebnisse der letzten Dreierkonferenz in Washington hin und betonte insbesondere die Bedeutung des Projekts "Elektronische Einreichung von Anmeldungen" (EASY). Des weiteren sei die technische Zusammenarbeit mit den mittel- und osteuropäischen Ländern Bulgarien, Ungarn, Polen, Rumänien und der Tschechoslowakei verstärkt worden; so sei im Oktober eine Vereinbarung über die Herstellung der optischen Platte ESPACE-PRECES (Patents from the Region of Eastern and Central European States) zwischen dem EPA und den fünf genannten Ländern unterzeichnet worden. Ferner seien auch Kontakte mit den baltischen Staaten geknüpft worden, wobei eine aktive Zusammenarbeit mit Dänemark, Schweden, Finnland und Norwegen eingeleitet worden sei. Schließlich hätten auch die für den gewerblichen Rechtsschutz in Slowenien, Kroatien und Weißrußland verantwortlichen Beamten erste Kontakte mit dem EPA aufgenommen.
Der Rat genehmigte die Jahresrechnung 1991 und erteilte dem Präsidenten des Amts nach Erörterung des Berichts der Rechnungsprüfer und Stellungnahme des Haushalts- und Finanzausschusses Entlastung für das Haushaltsjahr 1991. Anschließend stellte er den Haushaltsplan 1993 mit Einnahmen und Ausgaben in Höhe von 1 065 Mio. DEM fest und genehmigte den Finanzplan für 1994-1997 sowie den Stellenplan (3 908 Stellen).
Der Rat befürwortete zwei auf Vorschlag der Kommission der Europäischen Gemeinschaften initiierte regionale Programme zur Stärkung der Strukturen des gewerblichen Rechtsschutzes - einmal in bestimmten mittel- und osteuropäischen Staaten im Rahmen des PHARE-Programms und zum andern in den ASEAN-Staaten - sowie zwei spezielle Aktionen in Zusammenarbeit mit dem chinesischen Patentamt. Der Rat ermächtigte den Präsidenten des Amts, im Hinblick auf den Abschluß entsprechender Zusammenarbeitsabkommen Verhandlungen mit Estland, Lettland, Litauen und der Republik Slowenien aufzunehmen. Ferner ermächtigte der Rat den Präsidenten zum Abschluß eines Vertrags zwischen der Europäischen Patentorganisation und dem Centre d'études internationales de la propriété industrielle (CEIPI) über ein Ausbildungsprogramm mit der Bezeichnung "EURO CEIPI".
Der Rat wurde über die Ergebnisse der 10. Dreierkonferenz zwischen EPA, JPO und USPTO unterrichtet, die am 22. Oktober 1992 in Washington stattfand.
Der Rat genehmigte den Automatisierungsplan für die Jahre 1993 bis 1997 und erteilte die zur Durchführung des Plans erforderlichen Ermächtigungen, insbesondere im Rahmen des Haushaltsplans 1993. Darüber hinaus billigte der Rat die Vergabe verschiedener Aufträge (Herstellung von Mikrofilmlochkarten für die europäischen Patentanmeldungen und Patentschriften, CD-ROM-Produktion, Herstellung und Lieferung von Mikrofiches).
Er billigte ferner die Weiterführung des Forschungsfonds und stattete diesen für weitere fünf Jahre mit einer Million DEM aus; mit den Mitteln des Forschungsfonds sollen Untersuchungen und Forschungsarbeiten über den Erfindungsschutz, insbesondere den Patentschutz in Europa, gefördert werden.
Der Rat genehmigte die Einführung einer Regelung für befristete Arbeitsverträge zur Vervollständigung der im Europäischen Patentamt bereits bestehenden Kategorien von Beschäftigungsbedingungen. Diese Verträge können für eine Dauer von maximal fünf Jahren geschlossen und in Ausnahmefällen um höchstens zwei Jahre verlängert werden.
Auf Vorschlag des Präsidenten des Amts wurden vom Rat Beschwerdekammermitglieder ernannt oder in ihrem Amt bestätigt; ferner ernannte der Rat ein Mitglied der Großen Beschwerdekammer.