VERWALTUNGSRAT
Beschlüsse des Verwaltungsrats
Beschluß des Verwaltungsrats vom 30. November 1979 zur Änderung der Ausführungsordnung zum Europäischen Patentübereinkommen
DER VERWALTUNGSRAT DER EUROPÄISCHEN PATENTORGANISATION
gestützt auf das Europäische Patentübereinkommen (nachstehend "Übereinkommen" genannt), insbesondere auf Artikel 33 Absatz 1 Buchstabe b, auf Vorschlag des Präsidenten des Europäischen Patentamts
BESCHLIESST:
Artikel 1
Regel 28 der Ausführungsordnung erhält folgende Fassung:
"Regel 28
Erfordernisse europäischer Patentanmeldungen betreffend Mikroorganismen
(1) Bezieht sich eine Erfindung auf ein mikrobiologisches Verfahren oder auf ein mit Hilfe dieses Verfahrens gewonnenes Erzeugnis und wird hierbei ein Mikroorganismus verwendet, der der Öffentlichkeit nicht zugänglich ist und in der europäischen Patentanmeldung nicht so beschrieben werden kann, daß ein Fachmann die Erfindung danach ausführen kann, so gilt die Erfindung nur dann als gemäß Artikel 83 offenbart, wenn
a) eine Kultur des Mikroorganismus spätestens am Anmeldetag bei einer anerkannten Hinterlegungsstelle hinterlegt worden ist,
b) die Anmeldung in ihrer ursprünglich eingereichten Fassung die dem Anmelder zur Verfügung stehenden maßgeblichen Angaben über die Merkmale des Mikroorganismus enthält und
c) die Hinterlegungsstelle und das Aktenzeichen der Hinterlegung der Kultur in der Anmeldung angegeben sind.
(2) Die in Absatz 1 Buchstabe c genannten Angaben können nachgereicht werden
a) innerhalb von sechzehn Monaten nach dem Anmeldetag oder, wenn eine Priorität in Anspruch genommen worden ist, nach dem Prioritätstag,
b) bis zum Tag der Einreichung eines Antrags auf vorzeitige Veröffentlichung der Anmeldung,
c) innerhalb eines Monats, nachdem das Europäische Patentamt dem Anmelder mitgeteilt hat, daß ein Recht auf Akteneinsicht nach Artikel 128 Absatz 2 besteht. Maßgebend ist die Frist, die zuerst abläuft. Die Mitteilung dieser Angaben gilt vorbehaltlos und unwiderruflich als Zustimmung des Anmelders, daß die von ihm hinterlegte Kultur nach Maßgabe dieser Regel der Öffentlichkeit zugänglich gemacht wird.
(3) Vom Tag der Veröffentlichung der europäischen Patentanmeldung an ist die hinterlegte Kultur jedermann und vor diesem Tag demjenigen, der das Recht auf Akteneinsicht nach Artikel 128 Absatz 2 hat, auf Antrag zugänglich. Vorbehaltlich der Vorschriften von Absatz 4 wird der Zugang durch Herausgabe einer Probe des hinterlegten Mikroorganismus an den Antragsteller hergestellt. Die Herausgabe erfolgt nur, wenn der Antragsteller sich gegenüber dem Anmelder oder Patentinhaber verpflichtet hat,
a) die hinterlegte Kultur oder eine von ihr abgeleitete Kultur Dritten nicht zugänglich zu machen, bevor die Patentanmeldung zurückgewiesen oder zurückgenommen wird oder als zurückgenommen gilt oder das europäische Patent in allen benannten Vertragsstaaten erloschen ist,
b) die hinterlegte Kultur oder eine von ihr abgeleitete Kultur bis zu dem Zeitpunkt, zu dem die Patentanmeldung zurückgewiesen oder zurückgenommen wird oder als zurückgenommen gilt, oder bis zu dem Zeitpunkt der Bekanntmachung des Hinweises auf die Erteilung des europäischen Patents lediglich zu Versuchszwecken zu verwenden. Diese Vorschrift findet keine Anwendung, soweit der Antragsteller die Kultur aufgrund einer Zwangslizenz verwendet. Unter Zwangslizenzen sind auch Amtslizenzen und Rechte zur Benutzung einer patentierten Erfindung im öffentlichen Interesse zu verstehen.
(4) Bis zu dem Zeitpunkt, zu dem die technischen Vorbereitungen für die Veröffentlichung als abgeschlossen gelten, kann der Anmelder dem Europäischen Patentamt mitteilen, daß der in Absatz 3 bezeichnete Zugang bis zu dem Tag, an dem der Hinweis auf die Erteilung des europäischen Patents bekanntgemacht wird oder an dem die Patentanmeldung zurückgewiesen oder zurückgenommen wird oder als zurückgenommen gilt, nur durch die Herausgabe einer Probe an einen vom Antragsteller benannten Sachverständigen hergestellt wird.
(5) Als Sachverständiger kann benannt werden:
a) jede natürliche Person, sofern der Antragsteller bei der Einreichung des Antrags nachweist, daß die Benennung mit Zustimmung des Anmelders erfolgt,
b) jede natürliche Person, die vom Präsidenten des Europäischen Patentamts als Sachverständiger anerkannt ist. Zusammen mit der Benennung ist eine Verpflichtung des Sachverständigen gegenüber dem Anmelder einzureichen; Absatz 3 Buchstaben a und b ist mit der Maßgabe anzuwenden, daß der Antragsteller als Dritter anzusehen ist.
(6) Als abgeleitete Kultur im Sinne des Absatzes 3 gilt jede Kultur, welche noch die für die Ausführung der Erfindung wesentlichen Merkmale der hinterlegten Kultur aufweist. Die in Absatz 3 vorgesehenen Verpflichtungen stehen einer für die Zwecke von Patentverfahren erforderlichen Hinterlegung einer abgeleiteten Kultur nicht entgegen.
(7) Der in Absatz 3 vorgesehene Antrag ist beim Europäischen Patentamt auf einem von diesem Amt anerkannten Formblatt einzureichen. Das Europäische Patentamt bestätigt auf dem Formblatt, daß eine europäische Patentanmeldung eingereicht worden ist, die auf die Hinterlegung des Mikroorganismus Bezug nimmt, und daß der Antragsteller oder der von ihm benannte Sachverständige Anspruch auf Abgabe einer Probe des Mikroorganismus hat.
(8) Das Europäische Patentamt übermittelt der Hinterlegungsstelle sowie dem Anmelder oder Patentinhaber eine Kopie des Antrags mit der in Absatz 7 vorgesehenen Bestätigung.
(9) Der Präsident des Europäischen Patentamts veröffentlicht im Amtsblatt des Europäischen Patentamts das Verzeichnis der Hinterlegungsstellen und Sachverständigen, die für die Anwendung dieser Regel anerkannt sind."
Artikel 2
In die Ausführungsordnung wird eine Regel 28a aufgenommen, die wie folgt lautet:
"Regel 28a
Erneute Hinterlegung des Mikrooganismus
(1) Ist ein nach Regel 28 Absatz 1 hinterlegter Mikroorganismus bei der Stelle, bei der er hinterlegt worden ist, nicht mehr zugänglich, weil
a) der Mikroorganismus nicht mehr lebensfähig ist oder
b) die Hinterlegungsstelle aus anderen Gründen zur Abgabe von Proben nicht in der Lage ist, und ist der Mikroorganismus nicht an eine andere für die Anwendung der Regel 28 anerkannte Hinterlegungsstelle weitergeleitet worden, bei der er weiterhin zugänglich ist, so gilt die Unterbrechung der Zugänglichkeit als nicht eingetreten, wenn der ursprünglich hinterlegte Mikroorganismus innerhalb von drei Monaten nach dem Tag erneut hinterlegt wird, an dem dem Hinterleger von der Hinterlegungsstelle diese Unterbrechung mitgeteilt wurde, und wenn dem Europäischen Patentamt innerhalb von vier Monaten nach dem Tag der erneuten Hinterlegung eine Kopie der von der Hinterlegungsstelle ausgestellten Empfangsbescheinigung unter Angabe der Nummer der europäischen Patentanmeldung oder des europäischen Patents übermittelt wird.
(2) Die erneute Hinterlegung ist in dem Fall des Absatzes 1 Buchstabe a bei der Hinterlegungsstelle vorzunehmen, bei der die ursprüngliche Hinterlegung vorgenommen wurde; sie kann in den Fällen des Absatzes 1 Buchstabe b bei einer anderen für die Anwendung der Regel 28 anerkannten Hinterlegungsstelle vorgenommen werden.
(3) Ist die Hinterlegungsstelle, bei der die ursprüngliche Hinterlegung vorgenommen wurde, für die Anwendung der Regel 28 entweder insgesamt oder für die Art von Mikroorganismen, zu der der hinterlegte Mikroorganismus gehört, nicht mehr anerkannt oder hat diese Hinterlegungsstelle die Erfüllung ihrer Aufgaben in bezug auf hinterlegte Mikroorganismen vorübergehend oder endgültig eingestellt und erfolgt die in Absatz 1 genannte Mitteilung der Hinterlegungsstelle nicht innerhalb von sechs Monaten nach dem Eintritt dieses Ereignisses, so beginnt die in Absatz 1 genannte Dreimonatsfrist zu dem Zeitpunkt, in dem der Eintritt dieses Ereignisses im Amtsblatt des Europäischen Patentamts veröffentlicht wurde.
(4) Jeder erneuten Hinterlegung ist eine vom Hinterleger unterzeichnete Erklärung beizufügen, in der bestätigt wird, daß der erneut hinterlegte Mikroorganismus derselbe wie der ursprünglich hinterlegte ist.
(5) Wird die in dieser Regel vorgesehene neue Hinterlegung nach dem Budapester Vertrag über die internationale Anerkennung der Hinterlegung von Mikroorganismen für die Zwecke von Patentverfahren vom 28. April 1977 vorgenommen, so sind im Falle der Nichtübereinstimmung die Vorschriften dieses Vertrages maßgebend."
Artikel 3
Der Präsident des Europäischen Patentamts übermittelt den Unterzeichnerstaaten des Übereinkommens sowie den Staaten, die diesem beitreten, eine beglaubigte Abschrift dieses Beschlusses.
Artikel 4
Dieser Beschluß tritt am 1. Juni 1980 in Kraft.
Geschehen zu München am 30. November 1979.
Für den Verwaltungsrat
Der Präsident
G. Vianès