W 0007/91 (Fettoxidation) 18-06-1991
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Verfahren zur Herstellung von Kunststoffen aus rohen Fetten und Ölen
I. Der Anmelder hat am 1. August 1990 beim Europäischen Patentamt die internationale Anmeldung PCT/EP.... eingereicht.
II. Die Zweigstelle des Europäischen Patentamts in Den Haag hat als zuständige Internationale Recherchenbehörde (IRB) den Anmelder mit Mitteilung vom 5. Dezember 1990 zur Zahlung zweier zusätzlicher Recherchengebühren gemäß Artikel 17 (3) a) PCT innerhalb von 30 Tagen aufgefordert.
III. Nach der in der Mitteilung gegebenen Begründung ist eine Lösung der der Erfindung zugrundeliegenden Aufgabe bereits bekannt. Als Aufgabe hat die IRB die "Herstellung von Kunststoffkomponenten durch Epoxidierung von Fetten und Ölen und Umsetzung der oxidierten Produkte mit multi- funktionellen Verbindungen" angesehen. Zur Stützung ihrer Feststellung, eine Lösung dieser Aufgabe sei bereits bekannt, verweist die IRB auf den Recherchenbericht. Infolge des Bekanntseins der Lösung seien die Gegenstände der Ansprüche 6, 7 und 8 a posteriori nicht mehr durch ein gemeinsames erfinderisches Konzept verbunden.
Es schließt sich folgende Aufzählung an:
1. Patentansprüche 1 bis 6: soweit die oxidierten Fette und Öle mit Isocyanaten umgesetzt werden.
2. Patentansprüche 1 bis 5, 7: soweit die oxidierten Fette und Öle mit Säuren oder deren Derivaten umgesetzt werden.
3. Patentansprüche 1 bis 5, 8: soweit die oxidierten Fette und Öle mit Diolen, Diaminen oder Aminoalkoholen umgesetzt werden.
IV. Der Anmelder hat am 24. Dezember 1990 (mit Schreiben vom 19. Dezember 1990) Widerspruch nach Regel 40.2 (c) PCT eingelegt und am gleichen Tag durch einen dem Widerspruch beigefügten Abbuchungsauftrag die beiden zusätzlichen Recherchengebühren entrichtet.
Zur Begründung seines Widerspruchs macht der Anmelder im wesentlichen geltend, daß die Erfindungsidee in der direkten Überführung von rohen Fetten und Ölen gemäß Anspruch 1 in Kunststoffe unterschiedlicher Arten bestehe. Die in den Unteransprüchen 6 bis 8 gekennzeichneten Beispiele für die bi- und multifunktionellen Verbindungen stellten echte Weiterbildungen dieses Merkmals des Patentanspruchs 1 dar. Es handle sich daher nicht um neue vom Patentanspruch 1 unabhängige Gegenstände. Die ihnen zugrundeliegende Erfindungsidee sei stets dieselbe.
V. Die Ansprüche 1 und 6 bis 8 der internationalen Anmeldung haben folgenden Wortlaut:
"1. Verfahren zur Herstellung von Kunststoffcomonomeren und Kunststoffen aus Fetten und Ölen mit ungesättigten Fettsäuren, dadurch gekennzeichnet, daß man rohe ungesättigte Fette und Öle mit Perameisensäure oder Peressigsäure, vorzugsweise in Ameisensäure oder Essigsäure als Lösungsmittel zu Epoxy- oder Hydroxyverbindungen oxidiert und zur Herstellung von Kunststoffen anschließend vorzugsweise direkt in an sich bekannter Weise mit bi-oder multifunktionellen Verbindungen, die zur Reaktion mit Epoxy- oder Hydroxygruppen in der Lage sind, zu Polymeren umsetzt.
6. Verfahren nach einem der Ansprüche 1 bis 5, dadurch gekennzeichnet, daß die bifunktionellen Verbindungen, mit denen die oxidierten Fette und Öle umgesetzt werden Di- oder Polyisocyanate sind.
7. Verfahren nach einem der Ansprüche 1 bis 5, dadurch gekennzeichnet, daß die bifunktionellen Verbindungen, mit denen die oxidierten Fette und Öle umgesetzt werden, Dicarbonsäuren oder ihre Derivate, insbesondere Säuredichloride sind.
8. Verfahren nach einem der Ansprüche 1 bis 5, dadurch gekennzeichnet, daß die bifunktionellen Verbindungen, mit denen die Epoxyverbindungen umgesetzt werden, Diole, Diamine oder Aminoalkohole sind."
1. Der Widerspruch entspricht den Erfordernissen der Regeln 40.2 c) PCT und ist daher formal zulässig.
2. Die Begründung einer Aufforderung nach Artikel 17 (3) a) PCT ist gemäß Regel 40.1 PCT eine wesentliche Voraussetzung für deren Rechtswirksamkeit (vgl. W 4/85, ABl. EPA 1987, 63 und W 8/87, ABl. EPA 1989, 123).
2.1 In der Begründung hat die IRB drei Gruppen von Gegenständen aufgezählt und zu deren mangelnden Einheitlichkeit Stellung genommen.
Die "Mitteilung über das Ergebnis der internationalen Teilrecherche", die der Zahlungsaufforderung als Anlage beigefügt war und als Bestandteil der Begründung zu werten ist, nennt acht Dokumente als sogenannte X-Dokumente, denen zufolge die in dieser Mitteilung aufgezählten Ansprüche 1 bis 6 von der IRB nicht als neu oder als nicht erfinderisch angesehen werden.
2.2 Es ist also nach Auffassung der Kammer aus dem Gesamtinhalt der Begründung der IRB erkennbar, warum nach deren Ansicht die Ansprüche in die vorstehend genannten Gruppen zerfallen, die als untereinander uneinheitlich bezeichnet wurden.
Im vorliegenden Fall kann daher die knappe Begründung der Zahlungsaufforderung als ausreichend im Sinne der Regel 40.1 PCT angesehen werden.
3. In der Entscheidung der Großen Beschwerdekammer G 1/89 vom 2. Mai 1990 und der Stellungnahme der Großen Beschwerdekammer G 2/89 vom gleichen Datum (vgl. ABl. EPA 1991, 155 und 166) wurde festgestellt, daß das EPA in seiner Funktion als IRB nach Artikel 17 (3) a) PCT weitere Recherchengebühren auch verlangen kann, wenn der internationalen Anmeldung die Einheitlichkeit a posteriori fehlt und es sich dabei um einen klaren Fall handelt.
Nach Auffassung der Kammer handelt es sich hier um einen solchen klaren Fall, denn nicht nur der Wegfall der in der internationalen Anmeldung ursprünglich enthaltenen allgemeinen erfinderischen Idee ist offensichtlich, sondern auch die mangelnde Einheitlichkeit der drei Anspruchsgruppen untereinander.
4. Anspruch 1 der internationalen Anmeldung betrifft zwei Verfahren:
(i) zum einen die Herstellung von Comonomeren aus Fetten und Ölen enthaltend ungesättigte Fettsäuren durch Oxidation mit Perameisensäure oder Peressigsäure und
(ii) zum anderen die Herstellung von Kunststoffen in einem 2-Stufen-Verfahren, wobei sich an die obengenannte Stufe der Oxidation die Umsetzung der so erhaltenen Comonomere mit bi- oder multifunktionellen Verbindungen anschließt.
Wenn die IRB diese beiden Verfahren untereinander als einheitlich angesehen und die Anmeldung trotz der strukturellen Vielfalt der bi- und multifunktionellen Verbindungen - offensichtlich im Hinblick auf die Recherchierbarkeit - in drei Gruppen geteilt hat, so ist dies nicht zu beanstanden.
4.1 Ein Verfahren, bei dem Öle, die ungesättigte Fettsäuren enthalten, mit Perameisensäure oder Peressigsäure umgesetzt werden, ist beispielsweise aus FR-A-1 129 495 (vgl. Seite 5, rechte Spalte, Résumé, Nr. 1 a) und b)) und aus DE-A-1 645 570 bekannt (vgl. den die Seiten 1 und 2 überbrückenden Absatz). Das zweite Dokument beschreibt außerdem auch die weitere Umsetzung der erhaltenen Produkte mit Polyisocyanaten (vgl. Seite 2, Absatz 3) zu Kunststoffen.
4.2 Der Gegenstand des Anspruchs 1 ist daher nicht mehr neu. Dem hat die Anmelderin auch nicht widersprochen. Sie hat vielmehr festgestellt, daß nach ihrer Ansicht die Erfindungsidee in der direkten Überführung roher Fette und Öle nach dem Verfahren des Anspruchs 1 in Kunststoffe unterschiedlicher Art besteht. Damit räumt sie selbst ein, daß die Anmeldung unterschiedliche Problemlösungen enthält.
Dafür könnte Einheitlichkeit anerkannt werden, wäre die zu lösende Aufgabe neu, oder zwar bekannt, aber ungelöst. Ist aber die Aufgabe bekannt und bereits gelöst, so müssen die in einer Anmeldung enthaltenen anderen Lösungen, um als einheitlich gelten zu können, unter sich auf dem gleichen Lösungsprinzip beruhen. Daran fehlt es hier. Nach Vorwegnahme des Anspruchs 1 zerfällt der Anmeldungsgegenstand in die unter III angeführten Gegenstände. Es ist weder vorgetragen worden, noch für die Kammer erkennbar, daß diese Gegenstände ein unter sich einheitliches Lösungsprinzip verwirklichen. Sie betreffen nämlich - im Anschluß an die jeweils gleiche, aber bekannte Vorstufe - die Weiterverarbeitung der oxidierten Fette und Öle durch Umsetzung mit strukturell unterschiedlichen Reaktionspartnern zu Kunststoffen unterschiedlicher Bauart und Eigenschaften.
Es ist daher offensichtlich, daß die entsprechenden Ansprüche keine einzige allgemeine erfinderische Idee verwirklichen, da sie sich gerade in jenem technischen Merkmal voneinander unterscheiden, das möglicherweise den die Patentierbarkeit begründender Beitrag der jeweiligen Erfindung zum bekannten Stand der Technik bilden könnte.
5. Es liegen somit in der internationalen Anmeldung drei Gegenstände vor, von denen jeder eine unterschiedliche, möglicherweise erfinderische Idee umfaßt.
Die Aufforderung der IRB zur Zahlung zweier zusätzlicher Recherchengebühren ist deshalb zu Recht ergangen.
ENTSCHEIDUNGSFORMEL
Aus diesen Gründen wird entschieden:
Der Widerspruch gemäß Regel 40.2 (c) PCT wird zurückgewiesen.