T 0974/96 30-09-1998
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Fehlerstromschutzschalter mit Kurzzeitverzögerung
01) Siemens AG
02) ABB Patent GmbH
03) Hager Electro S.A.
I. Die vorliegende Beschwerde richtet sich gegen die Entscheidung der Einspruchsabteilung, mit der das europäische Patent Nr. 285 594 widerrufen wurde.
II. Der Widerruf des Patents wurde damit begründet, daß der Gegenstand des erteilten und einzigen Patentanspruchs gegenüber dem aus
D2: DE-A-3 029 453,
D4: DIN-VDE 0664, Teil 1, Oktober 1985,
D6: E und M, Elektrotechnik und Maschinenbau, 100. Jahrgang 1983, Seiten 291 bis 295 und
D8: DE-C-3 129 277
bekannten Stand der Technik nicht auf einer erfinderischen Tätigkeit beruhe.
III. In der Beschwerdebegründung bzw. ihrer nachgereichten Ergänzung hat die Beschwerdeführerin darauf hingewiesen, daß der Patentanspruch des Streitpatents im Oberbegriff im wesentlichen von
D1: GB-A-2 056 797
als nächstliegenden Stand der Technik ausgehe.
IV. Am 30. September 1998 fand eine mündliche Verhandlung statt, zu der von der Kammer mit dem Hinweis geladen worden war, daß anstelle von D8 lediglich die DE-A-3 129 277 (D8') in Betracht gezogen werden kann, da nur diese (aber nicht die Patentschrift) vorveröffentlicht ist und daß der aus D1 bekannte Fehlerstromschutzschalter bei Anpassung an die VDE-Norm 0664, Oktober 1985 (D4) ohne erfinderisches Bemühen zu einem Fehlerstromschutzschalter führt, dessen Merkmale innerhalb des im Patentanspruch definierten Schutzbereiches liegen.
V. Der Patentanspruch lautet unter Einführung von Merkmalsbezeichnungen (M1 bis M5) wie folgt:
"1.Fehlerstromschutzschalter, bestehend aus einem Gehäuse mit Anschlußklemmen (9) für Installationsleitungen, in dem ein Kontaktapparat (8) mit zugehörigem Schaltschloß (6), eine Prüfeinrichtung (T), ein Betätigungsorgan (7), ein Fehlerstromauslöser (1), ein Summenstromwandler (2) und eine Elektronikschaltung (3, 4, 5) untergebracht sind, wobei der Fehlerstromschutzschalter auslöst, wenn der Fehlerstrom das 0,5- bis 1,0-fache des Nennwertes des Auslösefehlerstromes überschreitet, und die Auslösekennlinie im wesentlichen dem physiologischen Reizgesetz I x t = konstant (I = Auslösefehlerstrom, t = Gesamtausschaltzeit) folgt, dadurch gekennzeichnet,
M1 daß die Elektronikschaltung eine netzspannungsunabhängige Speicherschaltung, umfassend eine Gleichrichterschaltung (5), einen Speicherkondensator (4) und ein spannungsabhängiges Schaltorgan (3), ist,
M2 daß die Auslösezeit unabhängig vom Fehlerstrom immer größer ist als die Dauer einer Netzspannungshalbwelle und bei einer Frequenz von 50. Hz größer als 10 Millisekunden ist,
M3 daß die Gesamtausschaltzeit des Fehlerstromschutzschalters bei einem Fehlerstrom, der größer ist als das 1,5-fache des Nennwertes des Auslösefehlerstromes, höchstens 150 Millisekunden, d. h. weniger als ein Drittel der Herzperiodendauer (HP) beträgt,
M4 daß die Gesamtausschaltzeit des Fehlerstromschutzschalters bei einem Fehlerstrom, der größer ist als das fünffache des Nennwertes des Auslösefehlerstromes, weniger als 40. Millisekunden beträgt, und
M5 daß die Gesamtausschaltzeit in Abhängigkeit vom Auslösefehlerstrom im Bereich zwischen dem 1,5-fachen und dem fünffachen des Nennwertes des Auslösefehlerstromes im wesentlichen dem physiologischen Reizgesetz I x t = konstant folgt."
VI. Die Argumente der Beschwerdeführerin (Patentinhaberin) lassen sich wie folgt zusammenfassen:
Dem beanspruchten Fehlerstromschutzschalter liege die Aufgabe zugrunde, einen Schalter für den Schutz des Menschen gegen Fehlerströme beim direkten und indirekten Berühren zu schaffen, bei dem jedoch Fehlausslösungen durch kurzzeitige Stoßströme, wie sie beispielsweise beim Ansprechen von Überspannungsableitern infolge von Blitzschlägen auftreten, vermieden werden sollen. Für den Schutz des Menschen gegen elektrische Schläge seien zur Vermeidung des Herzkammerflimmerns die sogenannte Z-Schwelle (im Bereich der Herzperiode, also zwischen 0,6 und 0,8 Sekunden) und zur Vermeidung der Muskelreaktionen das an sich bekannte physiologische Reizgesetz I x t = konstant zu berücksichtigen. Herzflimmern trete auf in der sogenannten vulnerablen Periode, d. h. in einem verhältnismäßig kurzen Abschnitt der Herzperiode, in dem sich der Herzmuskel in einem inhomogenen Erregungszustand befinde, wenn ein elektrischer Strom entsprechender Stärke eine Erregung auslöse. Aufgrund der Z-Schwelle sollte aus Sicherheitsgründen die Gesamtausschaltzeit kleiner als 1/3 der Herzperiode, also etwa 200 ms sein. Merkmal M4 definiere einen bekannten, beide Gefahren vermeidenden genormten Grenzwert, der einfach technisch realisierbar sei. Die Erfindung gehe daher von diesem Wert aus. Die weitere Obergrenze für die Gesamtausschaltzeit sei erfindungsgemäß dadurch festgelegt, daß bei einem Fehlerstrom kleiner als dem 5fachen des Nennwertes des Auslösefehlerstromes die gleiche physiologische Wirkung (Muskelreaktion) wie beim 5fachen des Nennwertes des Auslösefehlerstromes tolerierbar sei. Die gleiche physiologische Wirkung sei aber durch das bekannte physiologische Reizgesetz I x t = konstant bestimmt. Hierbei sei zu berücksichtigen, daß das physiologische Reizgesetz keine mathematische, sondern lediglich eine physiologische Gesetzmäßigkeit beinhalte, die auch vom jeweiligen Befinden des Menschen abhänge. Es sei deshalb davon auszugehen, daß der menschliche Körper diesbezüglich eine Bandbreite von ± 10 % aufweise. Ausgehend vom Merkmal M4 ergebe sich für das 1,5fache des Nennwertes des Fehlerstromschutzschalters aufgrund des physiologischen Reizgesetzes (Merkmal M5) eine Gesamtausschaltzeit von etwa 133 ms. Dieser ungerade Wert sei jedoch nicht zur Aufnahme in eine Prüfvorschrift geeignet. Deshalb sei gemäß Merkmal M3 auf 150 ms aufgerundet worden. Unterhalb des 1,5fachen Nennwertes des Auslösefehlerstromes sei es für den Personenschutz nicht wesentlich, wann und ob eine Abschaltung erfolge. Deshalb lege der Patentanspruch für einen kleineren Fehlerstrom nichts fest. Aus der Druckschrift D1 sei ein Fehlerstromschutzschalter bekannt, der die Merkmale M1 bis M5 nicht aufweise. Im Gegensatz zum Merkmal M1 sei die bekannte Elektronikschaltung nämlich nicht netzspannungsunabhängig. Anders als im Merkmal M2 gefordert, nähere sich die in D1 angegebene IDMT-Kennlinie asymptotisch dem Wert Null. Aus D1 sei für 10 mA ein Produkt I x t = 2,67 mAs, für 20 mA ein Produkt 2,34 mAs und für 250 mA ein Produkt 7,25 mAs zu errechnen. Diese Produktwerte entsprächen aber nicht dem im Merkmal M5 geforderten physiologischen Reizgesetz. Das Merkmal M5, also die Berücksichtigung des physiologischen Reizgesetzes im angegebenen engen Bereich, sei durch den Stand der Technik nicht nahegelegt.
Der Patentanspruch beinhalte eine echte erfinderische Kombination von Merkmalen für die Lösung der vorgenannten Aufgabe und stelle einen Kompromiß dar. Normen seien kein Patenthindernis.
VII. Die Beschwerdegegnerinnen widersprachen diesen Ausführungen im wesentlichen wie folgt:
Ausgehend von D1 liege dem Gegenstand des Patentanspruchs gemäß Patentschrift ein Fehlerstromschutzschalter zugrunde, der sowohl dem Schutz des Menschen gegen direktes Berühren diene als auch Fehlauslösungen vermeide. Zur Vermeidung von Fehlauslösungen forderten bereits D2 und D8' eine Auslösezeit von mindestens 10 ms bei Fehlerstromschutzschaltern. D8' zeige, daß eine derartige Mindestauslösezeit am besten durch eine netzspannungsunabhängige Speicherschaltung realisierbar sei, wie sie auch aus der im Streitpatent auf Seite 4, Zeilen 49 bis 51 genannten AT-B 197 468 bekannt sei. Daher seien die Merkmale M1 und M2, die die Lösung eines anderen als das den Merkmalen M3 bis M5 zugrundeliegenden unabhängigen Problems beträfen, nicht erfinderisch. Die Merkmale M3 bis M5 befaßten sich nämlich nicht mit dem Schutz gegen Fehlauslösungen (Geräteschutz), sondern mit dem Schutz des Menschen. Diese Merkmale definierten eine Obergrenze für die Gesamtausschaltzeit, die sich in der Nähe der durch die schweizerischen, österreichischen und deutschen Normen festgelegten Obergrenzen bewegten; vgl. die DIN VDE 0664 (D4), insbesondere Abschnitte 11.5.1.1, 11.5.4 und 11.5.5. Eine erfinderische Tätigkeit verlange eine gewisse Distanz von bekannten und erst recht von genormten Grenzen. Die genormten Werte seien mit Rücksicht auf physiologische Gesetzmäßigkeiten entstanden. Da die Lichtbogendauer annähernd Null sei, sei die Gesamtausschaltzeit praktisch identisch mit dem Öffnungsverzug (vgl. Streitpatent, Seite 4, Zeilen 1 und 2). Auch die D1 befasse sich mit einem Fehlerstromschutzschalter, der ein großes Maß an Sicherheit gegen elektrische Schocks gewährleiste und unerwünschte Ausschaltungen vermeide. Dort sei in einem kleinen Bereich eine Abhängigkeit der Auslösekennlinie vom physiologischen Reizgesetz erkennbar. Die aus D1 bekannten Werte und die daraus ableitbaren Kennlinien lägen im Kernbereich des durch die Merkmale M2 bis M5 umrissenen Bereiches. Der Patentanspruch lehre lediglich die nicht erfinderische wertmäßige Auslegung eines an sich bekannten Fehlerstromschutzschalters im Rahmen üblicher Bemessungen, aber kein neues technisches Konzept.
VIII. Die Beschwerdeführerin (Patentinhaberin) beantragte die Aufhebung der angefochtenen Entscheidung und die Aufrechterhaltung des Patents.
IX. Die Beschwerdegegnerinnen (Einsprechenden) beantragten die Zurückweisung der Beschwerde der Patentinhaberin.
1. Die Beschwerde ist zulässig.
2. Der Gegenstand des Patentanspruchs ist unbestritten neu.
3. Erfinderische Tätigkeit
3.1. Nächstliegender Stand der Technik und Aufgabe der Erfindung
Auch nach Auffassung der Parteien stellt D1 den nächstliegenden Stand der Technik dar. Der aus D1 bekannte Fehlerstromschutzschalter besteht notwendigerweise aus einem Gehäuse mit Anschlußklemmen für Installationsleitungen (vgl. Seite 2, Zeilen 54 bis 59). Gemäß Figur 1 gibt es einen Kontaktapparat (Relais 11), eine Elektronikschaltung (7 bis 10), ein Schaltschloß mit einem Betätigungsorgan (12), eine Prüfeinrichtung (14), einen Summenstromwandler (1....4) und einen Fehlerstromauslöser (11). Die Figur 2 zeigt eine Elektronik mit einem Gleichrichter (8), einem Speicherkondensator (C4) und einem spannungsabhängigen Schaltorgan (10). Gemäß Beschreibungsseite 1, Zeilen 29 bis 39, 75 bis 79 und 108 bis 124 - unter Bezugnahme auf den Bereich 2 des damals geltenden IEC Dokumentes 479 - befaßt sich D1 ebenfalls mit einem Fehlerstromschutzschalter mit dem Ziel:
a) Geräteschutz durch Vermeidung unnötiger Fehlauslösungen und
b) voller Personenschutz bei direktem und indirektem Berühren.
Für die Lösung des Zieles a) ist die Auslösezeit maßgeblich und für die Lösung des Zieles b) die Gesamtausschaltzeit. Gemäß Druckschrift D1 sollen unerwünschte Fehlauslösungen weitgehend vermieden werden. Der Fehlerstromschutzschalter weist zur Lösung des Zieles a) eine definierte minimale Auslösezeit auf; vgl. Seite 1, Zeilen 69 bis 75. Für das beschriebene Ausführungsbeispiel ist für einen Auslösestrom von 250 mA eine Auslösezeit von 12 ms angegeben. Da maximale Ladeströme für die zeitbestimmenden Kondensatoren C4 und evtl. C5 durch die geregelte Versorgungsspannung +V (vgl. Seite 3, Zeilen 75 bis 80) bestimmt sind, ergibt sich zwangsläufig eine Mindestdauer für die Auslösezeit, aber keine asymptotische Annäherung der Auslösezeit an Null. Die Ausschalt- und Auslöskennlinie des Fehlerstromschutzschalters von D1 werden durch die fehlerstromabhängige Aufladegeschwindigkeit der Kondensatoren C4 und C5 im Schaltkreis (9) bestimmt. Solange der maximale Ladestrom nicht überschritten wird, wird C4 durch einen dem Fehlerstrom im wesentlichen proportionalen Strom aufgeladen. Die Ausschaltzeit und Auslösezeit sind dann im wesentlichen umgekehrt proportional zum Auslösestrom. Wegen fehlender Angaben für die Widerstands- und Kondensatorwerte sowie für die Höhe der Versorgungsspannung erlaubt D1 aber keine wertmäßige Abschätzung der minimalen Auslöse- und Ausschaltzeit. Für die Lösung des Zieles b) empfiehlt die Druckschrift D1, die Gesamtausschaltzeit im Rahmen der Zone 2 des damals geltenden IEC Dokumentes 479 zu bemessen, da nach damaliger Auffassung dort keine schädlichen physiologischen Effekte zu erwarten waren. Zu diesem Zweck sollen die Stromzeitwerte innerhalb bestimmter Grenzen (vgl. D1, Seite 1, Zeilen 60 bis 69) auch der IDMT (inverse definite minimum time) Charakteristik entsprechen, also die Ausschaltzeit umgekehrt proportional zur Größe des Fehlersignals sein. Für das beschriebene Ausführungsbeispiel sind aus der Druckschrift D1 drei Gesamtausschaltzeiten ableitbar, nämlich a) für einen Fehlerstrom von 10 mA eine Gesamtausschaltzeit von 267 ms, b) für einen Fehlerstrom von 20 mA eine Gesamtausschaltzeit von 117 ms und c) für einen Fehlerstrom von 250 mA eine Gesamtausschaltzeit von 29 ms. Mindestens die Wertepaare a) und b) entsprechen mit den Produkten für a) 2,67 mAs und b) 2,34 mAs mit der geforderten Genauigkeit von ± 10 % dem physiologischen Reizgesetz I x t = konstant. Das Produkt für c), nämlich 7,25 mAs, erfüllt das physiologische Reizgesetz nicht mehr. Im Streitpatent (Seite 4, 4. Abschnitt) ist dargelegt, daß die Grenzen für den in D1 zitierten IEC Report hinsichtlich des angegebenen Zonenbereiches 2 aufgrund neuer wissenschaftlicher Erkenntnisse für eine größere Sicherheit geändert werden mußten. Die Druckschrift D1 bezieht sich auch nicht auf einen Nennwert des Auslösefehlerstromes. Die Elektronikschaltung für den bekannten Fehlerstromschutzschalter ist netzspannungsabhängig.
Ausgehend von D1 liegt daher dem Gegenstand des Patentanspruchs die Aufgabe zugrunde, für den Fehlerstromschutzschalter eine Elektronikschaltung zu wählen, bei der
a) für das Ziel des Geräteschutzes unnötige Fehlauslösungen vermieden werden und
b) für einen vollen Personenschutz eine bestimmte Gesamtausschaltzeit unter Berücksichtigung neuerer wissenschaftlicher Erkenntnisse nicht überschritten werden.
3.2. Die im Patentanspruch angegebene Lösung unterscheidet sich durch die Merkmale M1 bis M5 von derjenigen gemäß D1.
3.3. Beurteilung dieser Unterschiede
3.3.1. Merkmal M2 ist für den angegebenen Zweck aus D2 (vgl. Anspruch 1, Merkmale b) und c), sowie Seite 13 - handschriftliche Numerierung - erster Abschnitt) bekannt und hiernach mit VDE 0664 vereinbar. VDE 0664 (vgl. D4) schreibt im Teil 1, Nr. 1.1 vor, daß - im Unterschied zu D1 - die Auslösefunktion "nicht netz- bzw. hilfsspannungsabhängig sein darf". Eine derartige netz- bzw. hilfsspannungsunabhängige Variante in Form der Energiespeicherschaltung ist bereits im Streitpatent auf Seite 4, Zeilen 49 bis 51 mit Bezug auf AT-B-197 468 als bekannt angegeben und darüber hinaus noch in D6 (Abbildung 1b) und D8' (vgl. Anspruch 1) als vorteilhafte Alternative für eine netzspannungs- bzw. hilfsspannungsabhängige Variante beschrieben. Gemäß D6 (vgl. Seite 294, rechte Spalte unten) muß ein derartiger Schalter jedoch auch hinsichtlich der maximalen Auslöse- bzw. Ausschaltezeiten gemäß den internationalen und nationalen Normen ausgelegt sein. D6 (Kapitel 3) und D8' (Seite 4, 3. Abschnitt) ist zu entnehmen, daß die netz- und hilfsspannungsunabhängige Energiespeicherschaltung als Schaltung zur Vermeidung von Fehlauslösungen besonders geeignet ist. D8' erwähnt sogar die Grenze von 10. ms (vgl. Seite 4, 3. Abschnitt). Damit sind die Merkmale M2 und M1 für Fehlerstromschutzschaltungen zusammen aus D8' bekannt und in Anwendung auf einen Fehlerstromschutzschalter gemäß D1 insbesondere durch die VDE-Norm nahegelegt.
3.3.2. VDE 0664 (vgl. D4) beinhaltet in bezug auf Nenn-Fehlerströme relativierte Vorschriften. Als Vorzugswerte für Nennfehlerströme bei nicht selektiven FI-Schutzschaltern sind im Abschnitt 6.2.2 (D4) 10 mA und 30 mA angegeben. Dem Abschnitt 11.5.1.1 ist zu entnehmen, daß ein solcher FI-Schalter zwischen dem 0,5 und 1fachen des Nenn-Fehlerstromes auslösen muß. Dem Abschnitt 11.5.5 ist Merkmal M4 direkt zu entnehmen. Abschnitt 11.5.4 schreibt für den Nenn-Fehlerstrom eine Ausschaltzeit von 200 ms vor. Zwischen den im Abschnitt 11.5.5 und 11.5.4 angegebenen Wertepaaren (40 ms: fünffacher Nennfehlerstrom; 200 ms: Nennfehlerstrom) gibt es offensichtlich eine eindeutige inverse Proportionalität, so daß keinerlei Abweichung von der in D1 angegebenen IDMT Charakteristik bzw. dem bekannten physiologischen Reizgesetz I X t = konstant für gleiche Muskelreaktionen feststellbar ist. Bei einer Interpolation zwischen den durch VDE 0664 vorgeschriebenen Wertepaaren für einen Nennfehlerstrom von 30 mA (zweiter Vorzugswert nach VDE) in Verbindung mit einer Gesamtausschaltzeit von 200 ms (vgl. D4, 11.5.4) sowie dem fünffachen Nennfehlerstrom (150 mA bei 40. ms) entsprechend dem physiologischen Reizgesetz bzw. einer Kondensatorladekennlinie (vgl. D1) ergibt sich für den 1,5fachen Nennwert (also 45 mA) eine Gesamtausschaltzeit von ca. 133 ms, das sind im Sinne der Erfindung aufgerundet rund 150 ms unter Berücksichtigung der möglichen Abweichungen im Rahmen des physiologischen Reizgesetzes.
Damit liegt aber auch der im Patentanspruch angegebene Wert für M3 sowie Merkmal M5 im Rahmen dessen, was aus den VDE Vorschriften bei Berücksichtigung des bekannten physiologischen Reizgesetzes ableitbar ist.
3.3.3. Bei der Beurteilung der im Patentanspruch angegebenen Merkmale ist weiterhin zu berücksichtigen, daß das eine Mindestauslösezeit definierende und an sich bekannte Merkmal M2 in keiner Wechselbeziehung zu den Merkmalen M3 bis M5 steht. Merkmal M2 dient dem Geräteschutz und bezieht sich auf eine geeignete Auslösezeit. Die Merkmale M3 bis M5 dienen dem Personenschutz und beziehen sich auf die Gesamtausschaltzeit. Ein Kombinationseffekt zwischen Merkmal M2 einerseits und den Merkmalen M3 bis M5 andererseits ist also nicht feststellbar. Merkmal M1 folgt aus der VDE Vorschrift 1.1 nach Netz- bzw. Hilfsspannungsunabhängigkeit. Bei Anwendung der einem Fachmann geläufigen VDE Vorschrift "die Auslösefunktion darf nicht netz- bzw. hilfsspannungsabhängig sein" würde dieser Fachmann ohne weiteres die auch im Streitpatent als bekannt angegebene netzspannungsunabhängige Speicherschaltung bei dem aus D1 bekannten Fehlerstromschutzschalter anwenden und beispielsweise bei einem der VDE Vorzugswerte von 10 mA oder 30 mA für den Nennfehlerstrom unter Zugrundelegung der niedrigen, aus D1 bekannten Wertepaare und ihrer logarithmischen Verbindung entsprechend einer Kondensatorkennlinie in den durch den vorliegenden Patentanspruch beanspruchten Kernbereich für die Gesamtausschaltzeit bzw. die Auslösezeit gelangen, auch wenn sich daraus allein noch kein Fehlerstromschutzschalter ergibt, der die im Patentanspruch angegebenen Grenzwerte voll ausnützt.
3.3.4. Die Kammer kommt somit zum Ergebnis, daß sich der im Patentanspruch angegebene Fehlerstromschutzschalter in naheliegender Weise aus dem Stand der Technik ergibt und nicht als erfinderisch anzusehen ist.
ENTSCHEIDUNGSFORMEL
Aus diesen Gründen wird entschieden:
Die Beschwerde wird zurückgewiesen.