T 0455/89 20-02-1991
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Verfahren zur Herstellung eines Gegenstandes mit einem Metallglanzeffektpigmente enthaltenden Lacküberzug, nach diesem Verfahren hergestellte Gegenstände und die Verwendung von Interferenzpigmenten hierfür
Inventive step (yes)
Erfinderische Tätigkeit (bestätigt)
I. Das europäische Patent Nr. 0 082 503 ist auf der Basis der europäischen Patentanmeldung 82 111 738.9 erteilt worden.
II. Gegen das erteilte Patent hat die Beschwerdeführerin (Einsprechende) Einspruch eingelegt.
III. Mit Zwischenentscheidung vom 7. Juli 1989 hat die Einspruchsabteilung festgestellt, daß die Einspruchsgründe der Aufrechterhaltung des Patents mit den Unterlagen, wie sie in der während der mündlichen Verhandlung vom 14. April 1989 übergebenen Mitteilung gemäß Regel 58 (4) EPÜ angegeben sind, nicht entgegenstünden.
IV. Gegen die Zwischenentscheidung hat die Beschwerdeführerin Beschwerde eingelegt. In ihrer Beschwerdebegründung hat sie zur Stützung ihres Vorbringens auf folgende bereits im Einspruchsverfahren berücksichtigte Druckschriften verwiesen:
D6: DE-C-1 467 468 D7: DE-A-3 003 286 D8: DE-C-2 027 427 V. Es wurde mündlich verhandelt. In der Verhandlung wurde ferner auf US-A-3 970 627 (D1) verwiesen. Am Ende der Verhandlung beantragte die Beschwerdeführerin die Aufhebung der angefochtenen Entscheidung und den Widerruf des Patents.
Die Beschwerdegegnerin (Patentinhaberin) beantragte, die Beschwerde zurückzuweisen.
VI. Der jetzt gültige Anspruch 1, entsprechend den oben in Abschnitt III genannten Unterlagen, lautet wie folgt:
"Verfahren zur Herstellung eines Gegenstandes mit einem Metallglanzeffektpigmente enthaltenden Lacküberzug durch Elektrotauchlackierung des eine elektrisch leitende Oberfläche aufweisenden Gegenstandes mit einem wässrigen Elektrotauchlack-Überzugsmittel enthaltend durch Elektrotauchlackierung abscheidbare organische Bindemittel, Farbpigmente und/oder Farbstoffe und gegebenenfalls übliche lacktechnische Zusatzstoffe, dadurch gekennzeichnet, daß das Elektrotauchlack- Überzugsmittel Interferenzpigmente aus mit Titandioxid beschichteten Glimmerplättchen enthält."
Anspruch 2 ist auf Anspruch 1 rückbezogen.
VII. Die von der Beschwerdeführerin vorgebrachten Argumente sind im wesentlichen die folgenden: Dem Fachmann sei bekannt, daß die Instabilität der Elektrotauchbäder auf eine Auflösung oder Zersetzung der Al-Bronze zurückzuführen sei. Die technische Aufgabe lasse sich also dahingehend präzisieren bzw. konkretisieren, die bisher eingesetzten Al-Bronzen durch solche Pigmente zu ersetzen, die ebenfalls zu metallischen Überzügen führten und die nicht angelöst bzw. zersetzt würden, d. h. chemisch beständig seien. So gesehen sei das Ersetzen der Al- Bronzen durch die aus D6 bekannten mit Titandioxid beschichteten Glimmerplättchen naheliegend, weil D6 zu entnehmen sei, daß diese Pigmente vorteilhaft als Ersatz für Aluminiumschuppenpigmente wegen ihrer dort angegebenen chemischen Beständigkeit eingesetzt werden könnten.
VIII. Die Beschwerdegegnerin vertrat im wesentlichen folgende Auffassung:
Es sei richtig, daß erfindungsgemäß Interferenzpigmente verwendet werden könnten, wie sie in D6 beschrieben würden. Von Elektrotauchlackierung oder von wässrigen Systemen, die für die Elektrotauchlackierung wesentlich seien, sei in D6 nicht die Rede. Für den Fachmann ergebe sich daher aus D6 keinerlei Anhaltspunkt dafür, daß die aus D6 bekannten Interferenzpigmente in wässrigen Systemen bei der Elektrotauchlackierung eingesetzt werden könnten. Ferner seien die mit Titandioxid beschichteten Glimmerschuppenpigmente seit etwa 1963 geläufig, dennoch habe es bis zum Anmeldetag der dem Streitpatent zugrundeliegenden Anmeldung niemand für möglich erachtet, derartige Pigmente trotz der Nachteile der bekannten Pigmente zur Erzielung von Metallik-Überzügen durch Elektrotauchabscheidung einzusetzen.
1. Die Beschwerde ist zulässig.
2. Die jetzt gültigen Ansprüche 1 und 2 bleiben im Vergleich mit den ursprünglich eingereichten sowie den erteilten Ansprüchen 1 und 2 ungeändert, weisen daher keinen Verstoß gegen Artikel 123 (2) und (3) EPÜ auf.
3. Unter den Parteien ist die Neuheit des Gegenstands des Anspruchs 1 nicht umstritten. Es wird ebenfalls nicht bestritten, daß aus D7 und D8 Verfahren bekannt sind, die dem Oberbegriff des Anspruchs 1 entsprechen, wobei D7 ein Elektrotauchlackierungs-Verfahren offenbart, das kathodisch erfolgt, und D8 ein Verfahren, das anodisch erfolgt. Diesen Auffassungen stimmt die Kammer zu.
4. Gemäß den bekannten Verfahren enthalten die Elektrotauchbäder als Metallglanzeffektpigmente blättchenförmige Metallpulver, insbesondere Aluminiumpulver. Die bekannten Verfahren weisen den Nachteil auf, daß die anodischen sowie die kathodischen Elektrotauchbäder die Metallpulver anlösen bzw. zersetzen (vgl. das Streitpatent, Seite 1, Zeilen 25 bis 31). Die Bäder müssen aber eine gute Stabilität über Wochen und Monate aufweisen, um großtechnisch zur Massenlackierung eingesetzt zu werden. Die der Erfindung zugrundeliegende Aufgabe ist daher, ein Verfahren zu schaffen, bei dem unter Beibehaltung des Metallglanzeffekts der Produkte gemäß dem bekannten Verfahren der oben genannte Nachteil vermieden wird.
5. Da die Instabilität des Bades im Betrieb von dem Fachmann leicht zu erkennen ist, trägt diese Aufgabenstellung nichts zur erfinderischen Tätigkeit bei.
6. Gemäß dem Streitpatent wird die Aufgabe dadurch gelöst, daß das Elektrotauchlack-Überzugsmittel Interferenzpigmente aus mit Titandioxid beschichteten Glimmerplättchen enthält.
7. Wie es in der Beschreibung des Streitpatents anerkannt ist, sind diese Interferenzpigmente bereits unter dem eingetragenen Warenzeichen Iriodin bekannt und in D6 beschrieben. Die zu beantwortende Frage ist deshalb, ob es für den Fachmann naheliegend war, die Lehre von D6 mit der Lehre von D7 oder D8 zu kombinieren, indem er die Metall- bzw. Aluminiumpulverpigmente gemäß D7 oder D8 durch die mit Titandioxid beschichteten Glimmerplättchen ersetzt.
8. Nach Meinung der Kammer ist eine solche Kombination nicht naheliegend. Zwar werden die Interferenzpigmente gemäß D6 als Alternativen zu den Schuppenpigmenten, die z. B. Aluminium enthalten, genannt, um den dort angegebenen Nachteil solcher Pigmente (Wasserfleckenbildung) zu vermeiden -vgl. Spalte 2, Zeilen 46 bis 49 und Spalte 18, Zeilen 4 bis 7. Ferner wird unter den verschiedenen vorteilhaften Eigenschaften der Interferenzpigmente ihre chemische Beständigkeit erwähnt - vgl. Spalte 2, Zeile 50 und Spalte 18, Zeile 3. Weiterhin weisen die durch die Anwendung dieser Pigmente erhaltenen Produkte perlmuttartige Effekte (Spalte 2, Zeilen 38, 39, Spalte 17, Zeilen 58 bis 60) und metallisiertes Aussehen (Spalte 2, Zeilen 45, 46) auf. Die Pigmente werden aber entweder in Trägermaterial wie Alkydharz oder dergleichen dispergiert auf eine Oberfläche aufgebracht bzw. aufgetragen oder in z. B. Celluloseacetat-Film einverleibt (vgl. die Beispiele). Von wässrigen Systemen, die für die Elektrotauchlackierung erforderlich sind, ist nicht die Rede, geschweige denn von der Stabilität der Pigmente in einem wässrigen Medium über Wochen und Monate. In dieser Hinsicht macht die Beschwerdeführerin geltend, daß die höhere Badstabilität aufgrund der bekannten Eigenschaften der Interferenzpigmente zu erwarten war, weshalb in Anbetracht der Entscheidung T 192/88 ihre Verwendung naheliegend war. Die Kammer stimmt dieser Auffassung nicht zu; die erwähnte chemische Beständigkeit bedeutet nicht notwendigerweise eine Badstabilität in wässrigem Medium. Zu bemerken ist ferner die bedingte Angabe in Spalte 18, Zeile 3 "zum größten Teil chemisch beständig". D6 vermag daher keine Anregung für den Gegenstand des Streitpatents zu bieten.
9. Ein Beschichtungsverfahren, bei dem mit Titandioxid beschichtete Glimmerplättchen in wässrigen Bindemitteln verwendet werden, ist zwar in D1 beschrieben, aber mit dem Zweck, Fluorkohlenstoff-Überzüge auf Substraten wie Kochtöpfen und Bratpfannen beständig gegen heißes Öl zu machen. Die Beschichtung erfolgt durch Sprühauftrag, Aufbürsten, Walzenbeschichtung oder Tauchen; von Elektrotauchlackierung oder einem Metallglanzeffekt des Überzugs wird nicht gesprochen. Ein Metallglanzeffekt war wegen des Anteils von kolloidalem Siliciumdioxid auch nicht zu erwarten. Auch aus D1 ist daher für den Fachmann keine Anregung für den Gegenstand des Anspruchs 1 zu entnehmen.
10. Zusammenfassend ist festzustellen, daß der Fachmann, um - ausgehend von D7, D8 - zum Gegenstand des Anspruchs 1 zu gelangen, zunächst auf den Gedanken kommen muß, die in D7, D8 offenbarten Pigmente zu ersetzen, statt andere Bestandteile des Bades zu untersuchen. In dieser Hinsicht kann die Kammer der angeblich präzisierten bzw. konkretisierten Formulierung der Aufgabe (vgl. oben Absatz VII) nicht zustimmen, weil diese Formulierung einen Teil der Lösung enthält. Dann muß er die in D1 und D6 offenbarten Pigmente wählen, wofür es, wie oben in den Absätzen 8, 9 ausgeführt, für den Fachmann keine Anregung gibt.
11. Der Gegenstand des Anspruchs 1 beruht daher auf einer erfinderischen Tätigkeit. Wie ersichtlich, ist die Kammer zu diesem Schluß gekommen, ohne den Zeitfaktor in Betracht zu ziehen.
ENTSCHEIDUNGSFORMEL
Aus diesen Gründen wird entschieden:
Die Beschwerde wird zurückgewiesen.