T 0304/85 12-03-1987
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Vorrichtung zur Verwertung der Rauchgaswärme von Heizöfen
Erfinderische Tätigkeit
Vorurteil der Fachwelt
Allgemeines Fachwissen
Unzulässige Änderung der Patentanmeldung
inventive step
prejudice of those skilled in the art
common general knowledge
inadmissible amendment of patent application
I. Die am 15. Oktober 1981 angemeldete und unter Nummer 0 053 255 veröffentlichte europäische Patentanmeldung Nr. 81 108 358.3, für die die Prioritäten zweier früherer Anmeldungen vom 21. November 1980 und 05. Juni 1981 in Anspruch genommen werden, ist von der Prüfungsabteilung 073 durch Entscheidung vom 09. August 1985 zurückgewiesen worden.
Der Entscheidung lagen die am 22. Mai 1984 eingegangenen Patentansprüche 1 bis 5 zugrunde.
II. In der Entscheidung vertritt die Prüfungsabteilung die Auffassung, der Gegenstand des Anspruchs 1 sei zwar neu, beruhe jedoch nicht auf einer erfinderischen Tätigkeit. Zur Begründung führt sie aus, es sei dem Fachmann auf Grund ihm geläufiger Überlegungen möglich gewesen, die Teilstrecken des Schlangenrohrs vertikal statt - wie aus der gattungsbildenden DE-A- 2 458 223 bekannt - horizontal anzuordnen, zumal eine solche Anordnung der Teilstrecken sowohl aus der DE-C- 922 487 als auch aus der DE-A- 2 803 909 auf demselben Fachgebiet ersichtlich sei. Im übrigen sei es glatt selbstverständlich gewesen, bei einem Schlangenrohr mit vertikalen Teilstrecken die Reinigungsöffnungen an den unteren Umkehrpunkten anzuordnen, da sich dort die meisten Rückstände ansammeln.
III. Gegen diese Entscheidung hat die Anmelderin am 09. Oktober 1985 Beschwerde eingelegt und die Beschwerdegebühr am selben Tag bezahlt. Die schriftliche Begründung der Beschwerde ist am 03. Dezember 1985 eingegangen. Die Beschwerdeführerin ist der Auffassung, die von der Einspruchsabteilung in Betracht gezogenen Druckschriften legten es dem Fachmann auch in ihrer Gesamtheit nicht nahe, die Vorrichtung ausgehend von dem Stand der Technik nach der DE-A- 2 458 223 in der im kennzeichnenden Teil des Anspruchs 1 angegebenen Weise auszubilden. Sie beantragt, die angefochtene Entscheidung aufzuheben. Hilfsweise stellt sie den Antrag, im Anspruch 1 in Zeile 3 den Ausdruck "(s) zum Kamin" zu ersetzen durch "(s) mit Hilfe des natürlichen Zugs zum Kamin".
IV. Mit Bescheid vom 16. Dezember 1986 ist der Beschwerdeführerin mitgeteilt worden, daß und aus welchen Gründen der Gegenstand des Anspruchs 1 voraussichtlich nicht als patentfähig angesehen werden kann.Es wurde hierbei zusätzlich zu den von der Einspruchsabteilung in Betracht gezogenen Druckschriften noch auf die US-A- 1 953 302 und das Taschenbuch "Heizung + Klima Technik", Ausgabe 79/80, Seite 295, Abbildung 221-20 hingewiesen. Ferner wurden die Ansprüche 4 und 5 im Hinblick auf Art. 123 (2) beanstandet.
V. Die Beschwerdeführerin hat mit Schriftsatz vom 05. Februar 1987 zu dem Bescheid Stellung genommen. Sie vertritt die Auffassung, daß der Gegenstand des Anspruchs 1 gegenüber dem in Betracht gezogenen Stand der Technik einschießlich der beiden von der Beschwerdekammer eingeführten Druckschriften auf einer erfinderischen Tätigkeit beruhe und daß die Bedenken der Kammer hinsichtlich der ursprünglichen Offenbarung der Gegenstände der Ansprüche 4 und 5 unbegründet seien. Sie hält ihre Anträge unverändert aufrecht.
VI. Der Anspruch 1 lautet wie folgt:
"1. Vorrichtung zur Verwertung der Rauchgaswärme von Heizöfen mit Hilfe eines schlangenförmigen Rohrs (1), das die Rauchgase vom Verbrennungsraum (s) zum Kamin (c) führt und sie auf ihrem Weg zum Kamin verzögert, so daß sie den größten Teil ihrer Wärme an die Umgebung abgeben können, dadurch gekennzeichnet, daß das Rohr (1) eine Folge von im wesentlichen vertikalen Teilstrecken (2) aufweist und an wenigstens einem der unteren Umkehrpunkte eine mit einem Stopfen (5) dicht verschlossene Reinigungsöffnung (4) aufweist."
1. Die Beschwerde entspricht den Artikeln 106 bis 108 sowie Regel 64 EPÜ.
Sie ist daher zulässig.
2. Wie ein Vergleich des Gegenstands des Anspruchs 1 mit jeder einzelnen der im Verfahren befindlichen Druckschriften ohne weiteres ergibt, ist dieser neu, wie dies auch in der angefochtenen Entscheidung festgestellt wurde.
3. Es ist daher zu prüfen, ob sich die Vorrichtung nach Anspruch 1 für den Fachmann in naheliegender Weise aus dem Stand der Technik ergibt.
3.1. Der Gegenstand des Anspruchs 1 unterscheidet sich von der aus der DE-A- 2 458 223 bekannten Vorrichtung durch die Merkmale, daß a) das schlangenförmige Rohr eine Folge von im wesentlichen vertikalen Teilstrecken aufweist, b) die Reinigungsöffnung(en) an wenigstens einem der unteren Umkehrpunkte des schlangenförmigen Rohrs angeordnet ist bzw. sind und c) die Reinigungsöffnung(en) mit einem Stopfen dicht verschlossen ist bzw. sind.
3.2. Eine Vorrichtung zur Verwertung von Rauchgaswärme, bei der das Rauchgas in Form einer Schlangenlinie durch einen Wärmetauscher geführt wird, dessen Teilstrecken vertikal ausgerichtet sind, war am Anmeldetag (Prioritätstag) der vorliegenden Anmeldung bereits aus der DE-A- 2 803 909 bekannt. Es trifft zwar zu, daß es sich hier nicht um ein schlangenförmiges Rohr, sondern um einen Wärmetauscher mit nebeneinanderliegenden vertikalen Durchströmkammern handelt, doch ändert dies nichts an der Tatsache, daß sich dieser Druckschrift die allgemeine technische Lehre entnehmen läßt, daß die für den Wärmetausch maßgebenden Teilstrecken in vertikaler Richtung verlaufen können. Aus Fig. 2 dieser Druckschrift ist klar ersichtlich, daß die Rauchgase den Wärmetauscher dabei in Form einer Schlangenlinie durchströmen. Ebenso wie beim Anmeldungsgegenstand soll hierdurch eine sinnvolle und möglichst optimale Ausnutzung der in den Rauchgasen vorhandenen Restwärme erreicht werden. Auf die genaue Offenbarung der Führung der Raumluft entlang des Wärmetauschers kommt es im vorliegenden Fall nicht an, da sie nicht Bestandteil des Patentbegehrens ist. In dem Gedanken, ausgehend von einem Wärmetauscher gemäß der DE-A-2 458 223 mit einem schlangenförmigen Rohr die in erster Linie dem Wärmetausch dienenden Teilstrecken ebenfalls in vertikaler Richtung verlaufen zu lassen, kann bei dieser Sachlage nichts Erfinderisches gesehen werden. Irgendwelche das Normalmaß übersteigende Schwierigkeiten, die der Verwirklichung dieses Gedankens entgegengestanden haben könnten, lassen sich jedenfalls nicht erkennen und sind von der Beschwerdeführerin auch nicht geltend gemacht worden.
Das Argument, die DE-A- 2 803 909 erwecke den Eindruck, daß bei vertikaler Ausrichtung der Teilstrecken ein Ventilator unvermeidlich sei, kann nicht durchgreifen. Es ist hinsichtlich des Anspruchs gemäß Hauptantrag gegenstandslos, weil dort über die Verwendung oder Nichtverwendung eines Ventilators nichts ausgesagt ist. Erst im Anspruch 1 gemäß Hilfsantrag ist angegeben, daß die Rauchgasführung mit Hilfe des natürlichen Zugs, also ohne Ventilator erfolgen soll. Aber auch bezüglich des Hilfsantrags ist das vorstehende Argument nicht überzeugend. Es ist nach Auffassung der Kammer nicht geeignet, ein etwa bis dahin bestehendes Vorurteil der Fachwelt zu belegen, bei vertikaler Anordnung der Teilstrecken sei immer ein Ventilator vorzusehen. Aus der DE-A- 2 803 909 geht jedenfalls nicht expressis verbis hervor, daß ein Ventilator in jedem Fall notwendig ist. Im übrigen weiß der Fachmann aus der US-A- 1 953 302, die ebenfalls einen Wärmetauscher mit vertikalen Teilstrecken und schlangenförmiger Luftführung zeigt, daß ein Ventilator auch entfallen kann, wenn es auf eine Zwangsluftführung nicht ankommt (vgl. Spalte 2, Zeilen 40 bis 48). Zwar wird dort, wie die Beschwerdeführerin zutreffend bemerkt, nicht das Rauchgas durch das Schlangenrohr des Wärmetauschers geführt, sondern Frischluft, die erwärmt werden soll, doch ändert dies nichts an der dieser Druckschrift entnehmbaren allgemeinen Lehre, daß bei Wärmetauschern mit vertikalen Teilstrecken eines schlangenförmigen Rohrs gegebenenfalls auf einen Ventilator verzichtet werden kann. Schließlich zeigt auch das Taschenbuch "Heizung + Klima Technik" auf Seite 295, Abbildung 221-20, daß es im Zusammenhang mit Kachelöfen bekannt war, im Anschluß an den Feuerraum eine schlangenförmige Rauchgasführung mit vertikalen Teilstrecken ohne Ventilator vorzusehen. Es ist in diesem Zusammenhang unbeachtlich, daß die Rauchgasführung in den Kachelofen integriert ist, da der Anspruch 1 nicht auf eine getrennte Anordnung des Wärmetauschers beschränkt ist.
In Anbetracht des vorstehenden Standes der Technik bedurfte es für den Fachmann keiner erfinderischen Leistung, bei einer Vorrichtung gemäß dem Oberbegriff des Anspruchs 1 und zwar sowohl nach dem Hauptantrag als auch nach dem Hilfsantrag, das obengenannte Merkmal a) vorzusehen.
3.3. Bei Anordnung des Wärmetauschers derart, daß die Teilstrecken der schlangenförmigen Rohrs vertikal verlaufen, liegt es für den Fachmann auf der Hand, die Reinigungsöffnung(en) jeweils an einem unteren Umkehrpunkt vorzusehen und nicht etwa an einem oberen Umkehrpunkt. Er wird sie nämlich dort anordnen, wo auf Grund der Schwerkraftwirkung die Ruß- und Ascheteilchen aus den Rauchgasen in erster Linie anfallen. Zur Auffindung des Merkmals b) bedurfte es mithin ebenfalls keines erfinderischen Zutuns. Bei diesem Merkmal handelt es sich vielmehr um eine logische Folgemaßnahme aus der nicht erfinderischen vertikalen Anordnung der Teilstrecken gemäß Merkmal a).
3.4. Schließlich stellt es eine im Bereich fachmännischer Überlegungen liegende Maßnahme dar, die Reinigungsöffnungen statt, wie bei der Vorrichtung nach der DE-A- 2 458 223 mit einer Klappe mittels eines Stopfens dicht zu verschließen, der dem Fachmann hinlänglich als Verschlußelement bekannt ist. Mithin kann auch das Merkmal c) nichts zur Begründung einer erfinderischen Tätigkeit beitragen.
3.5. Nach alledem ist festzustellen, daß der Gegenstand des Anspruchs 1 weder in der Fassung gemäß Hauptantrag noch in der Fassung gemäß Hilfsantrag auf einer erfinderischen Tätigkeit gemäß Artikel 52 (1) und 56 EPÜ beruht. Diese Feststellung ist wie sich aus vorstehenden Darlegungen ergibt, nicht das Ergebnis einer unerlaubten rückschauenden Betrachtungsweise, wie dies die Beschwerdeführerin meint, sondern beruht auf der objektiven Beurteilung des dem Fachmann zum Prioritäszeitpunkt der vorliegenden Anmeldung zur Verfügung stehenden Stands der Technik einschließlich des vorauszusetzenden allgemeinen Fachwissens.
Der Anspruch 1 ist mithin nicht gewährbar.
4. Voraussetzung für die Gewährbarkeit von abhängigen Ansprüchen ist ein gewährbarer unabhängiger Anspruch, auf den sie zurückbezogen sind. Da es im vorliegenden Fall an dieser Voraussetzung fehlt, können auch die rückbezogenen Ansprüche 2 bis 5 nicht gewährt werden. Die Kammer kann über die vorliegenden Anträge nur als Ganzes entscheiden.
5. Hinsichtlich der Ansprüche 4 und 5 wäre außerdem festzustellen, daß ihr Gegenstand jeweils über den Inhalt dessen hinausgeht, was in den ursprünglichen Anmeldungsunterlagen offenbart ist.
Der geltende Anspruch 4 hat nämlich eine Vorrichtung zum Gegenstand, die sowohl einen Wärmetauscher in Form eines schlangenförmigen Rohrs als auch eine Einrichtung zum Vorwärmen von dem Ofen in einem Rohr zugeführter Frischluft mittels der Rauchgase umfaßt. Eine derartige Merkmalskombination ist in den ursprünglichen Unterlagen weder beansprucht noch beschrieben oder gezeichnet. Die von der Beschwerdeführerin vertretene Ansicht, der ursprüngliche Anspruch 1, auf den der ursprüngliche Anspruch 6 rückbezogen ist, enthalte bereits einen Wärmetauscher im Sinne des geltenden Anspruchs 1, wobei er sich auf das in Klammern angeführte Bezugszeichen (r) bezieht, entspricht nicht den Tatsachen. Dort ist lediglich von einem Mittel zur Verzögerung des Rauchflusses vom Verbrennungsraum zum Kamin die Rede. Dieses Mittel kann gemäß Anspruch 2 ein schlangenförmiges Rohr oder gemäß Anspruch 6 eine ein Frischluftrohr überstreichende Rauchgasführung sein. Auch in der Beschreibung sind diese Maßnahmen ausschließlich als Alternativen angegeben (vgl. Seite 1, Zeile 29 ff und Seite2, Zeile 20 ff) und die Zeichnung zeigt ebenfalls entweder die eine oder die andere Alternative (vgl. Fig. 1 und 2 einerseits und Fig. 3 und 4 andererseits). Die von der Beschwerdeführerin vorgenommene Interpretation findet daher in den ursprünglichen Anmeldungsunterlagen keine Stütze.
Der Anspruch 4 und mithin auch der auf diesen rückbezogene Anspruch 5 verstoßen somit gegen Artikel 123 (2) EPÜ.
ENTSCHEIDUNGSFORMEL
Aus diesen Gründen wird entschieden:
Die Beschwerde wird zurückgewiesen.