T 0146/84 20-07-1988
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Verfahren und Einrichtung zur Streckenmessung in elektrischen Nachrichtenübertragungssystemen
Erfinderische Tätigkeit
inventive step
I. Auf die unter Inanspruchnahme der Priorität einer Anmeldung in der Bundesrepublik Deutschland vom 21. April 1978 am 18. April 1979 eingereichte europäische Patentanmeldung ist das europäische Patent 004 972 erteilt worden. Der Hinweis auf die Erteilung ist am 6. Januar 1982 bekanntgemacht worden.
II. Gegen das Patent ist von der Firma Wandel & Goltermann GmbH & Co Einspruch eingelegt worden.
Die Einsprechende hat unter Hinweis auf druckschriftliche Veröffentlichungen den Gegenständen der Patentansprüche die erfinderische Tätigkeit abgesprochen und beantragt, das Patent zu widerrufen.
Mit Entscheidung vom 4. Mai 1984 hat die Einspruchsabteilung den Einspruch zurückgewiesen.
III. Gegen diese Entscheidung hat die Einsprechende am 22. Juni 1984 Beschwerde ohne weitere Angabe über den begehrten Umfang der Änderung oder Aufhebung der angefochtenen Entscheidung eingelegt. In Übereinstimmung mit einer früheren Entscheidung T 07/81 (Amtsblatt EPA 3/1983, Seiten 98-99) wurde dies als Antrag auf Aufhebung der Entscheidung in vollem Umfang und Widerruf des Patentes interpretiert, was von der Einsprechenden mit Schriftsatz vom 10. Dezember 1986 bestätigt wurde.
Die Beschwerdegebühr wurde am 25. Juni 1984 eingezahlt. Eine Begründung der Beschwerde ging am 17. August 1984 ein. Die Beschwerdeführerin stützt ihr Vorbringen im wesentlichen auf drei Gründe:
1. Mangelnde erfinderische Tätigkeit aufgrund des allgemeinen Fachwissens ohne Nennung einer einschlägigen Literaturstelle.
2. Mangelnde erfinderische Tätigkeit aufgrund der folgenden Dokumente:
DE-A- 1 591 814 Datenblatt Nr. 839 zum Gerät "Kanallücken-Meßein- richtung KLE 34" von Wandel und Goltermann.
Beschreibung und Bedienungsanleitung zum Gerät "Kanallücken-Meßeinrichtung KLE 34" von Wandel und Goltermann.
3. Mangelnde Neuheit gegenüber der im Prüfungsverfahren, jedoch nicht vor der Einspruchsabtgeilung in Betracht gezogenen FR-A- 2 219 581.
IV. Aufgrund des von der Einsprechenden genannten druckschriftlichen Materials und unter Berücksichtigung hierzu im weiteren Verfahren gegebener Erläuterungen durch die Einsprechende wurde im Bescheid vom 9. März 1988 die vorläufige Auffassung vertreten, daß eine Aufrechterhaltung des Patentes mangels erfinderischer Tätigkeit nicht möglich erscheint.
V. Die Patentinhaberin hat sich im Verfahren vor der Beschwerdekammer nicht mehr geäußert.
VI. Die mithin unverändert aufrechterhaltenen Ansprüche 1, 6 und 7 lauten wie folgt:
1. Verfahren zur Streckenmessung in elektrischen Nachrichtenübertragungssystemen, bei dem sendeseitig aufeinanderfolgend nach einem vorgegebenen Zeitprogramm Meßsignale mit frequenzmäßig unterschiedlichen Einzelfrequenzen erzeugt und der Übertragungsstrecke zugeführt werden und bei dem empfangsseitig nach dem gleichen Zeitprogramm aufeinanderfolgend Messungen bei den verschiedenen Einzelfrequenzen durchgeführt werden, wobei empfangsseitig durch Ausfilterung der Zeitpunkt des Auftretens mindestens einer ausgewählten Einzelfrequenz (Startfrequenz) bestimmt und von diesem Zeitpunkt an das empfangsseitige Zeitprogramm gestartet wird, dadurch gekennzeichnet, daß zur Einbeziehung von Systempiloten (SP1, SP2, SP3) in den Meßvorgang für die jeweiligen Systempilotfrequenzen (fp1,fp2, fp3) sendeseitig im jeweiligen Ablaufprogramm kein Meßsignal vom Pegelsender auf die Strecke gegeben wird, daß empfangsseitig der jeweilige Pegelwert des/der auf der Strecke vorhandenen Systempiloten (SP1, SP2, SP3) als ein Meßpunkt innerhalb der Meßreihe gemessen und zur Auswertung zusätzlich herangezogen wird.
6. Einrichtung zur Durchführung des Verfahrens zur Streckenmessung nach einem der vorhergehenden Ansprüche, bei der in einem Meßsender und in den Meßempfängern jeweils eine Ablaufsteuerung mit dem gleichen, in einem Programmspeicher enthaltenen Zeitprogramm für die Bereitstellung und Aussendung der Einzelfrequenzen vorgesehen ist und die Meßempfänger jeweils eine Filterschaltung für die Ausfilterung einer oder mehrerer Einzelfrequenzen aufweisen, durch die der Zeitpunkt des Auftretens dieser ausgewählten Einzelfrequenz(en) bestimmt und als Startsignal zu einer empfangsseitigen Ablaufsteuerung übertragen wird, dadurch gekennzeichnet, daß der Meßsender (PS) für die Erzeugung aller Frequenzen (f1 bis fn) einschließlich der Systempilotfrequenzen (fp1, fp2, fp3) ausgelegt ist und diese vor der Aussendung durch einen Schalter (SA) unterdrückt werden, und daß der Meßempfänger (ES) auch für den Empfang und die Auswertung der Systempilotfrequenzen (fp1, fp2, fp3) ausgelegt ist.
7. Einrichtung zur Durchführung des Verfahrens zur Streckenmessung nach einem der Ansprüche 1 bis 5, bei der in einem Meßsender und in den Meßempfängern jeweils eine Ablaufsteuerung mit dem gleichen, in einem Programmspeicher enthaltenen Zeitprogramm für die Bereitstellung und Aussendung der Einzelfrequenzen vorgesehen ist und die Meßempfänger jeweils eine Filterschaltung für die Ausfilterung einer oder mehrerer Einzelfrequenzen aufweisen, durch die der Zeitpunkt des Auftretens dieser ausgewählten Einzelfrequenz(en) bestimmt und als Startsignal zu einer empfangsseitigen Ablaufsteuerung übertragen wird, dadurch gekennzeichnet, daß der Meßsender (PS) nur für die Erzeugung der nicht mit Systempilotfrequenzen (fp1, fp2, fp3) zusammenfallenden Meßsignale ausgelegt ist und während der Messung mit den Systempilotfrequenzen (fp1, fp2, fp3) Pausen im Sendesignal auftreten und daß der Meßempfänger (ES) auch für den Empfang und die Auswertung der Systempilotfrequenzen (fp1, fp2, fp3) ausgelegt ist.
1. Die Beschwerde entspricht den Artikeln 106 bis 108 EPÜ sowie der Regel 64 EPÜ und ist somit zulässig.
2. Die aus der FR-A- 2 219 581 bekannte automatische Pegelmeßanordnung weist Geräte auf, die gemäß Figur 2 ausgeführt sind und in einer Streckenmeßeinrichtung nach Figur 1 sowohl als Meßsender als auch als Meßempfänger entsprechend den wesentlichsten Verfahrensmerkmalen des vorliegenden Anspruchs 1 eingesetzt werden können. Von einem taktgebergesteuerten (e) Programmierungsblock F werden sendeseitig nach einem vorgegebenen Zeitprogramm (über einen Synthesator B und Sender A) Meßsignale mit frequenzmäßig unterschiedlichen Einzelfrequenzen erzeugt und (am Ausgang 20) der Übertragungsstrecke zugeführt. Empfangsseitig (Eingangsklemme 35) werden bei dem gleich aufgebauten Gerät nach dem gleichen Zeitprogramm aufeinanderfolgend Messungen bei den verschiedenen Einzelfrequenzen durchgeführt, wobei das Meßergebnis am Ausgang YN in Zuordnung zu einer Zeitbasis am Ausgang X zur Verfügung steht und an einem registrierenden Instrument angezeigt werden kann (Seite 6, Zeilen 15 bis 20). Der Start des empfangsseitigen Zeitprogramms erfolgt durch die ansteigende Impulsflanke bei der Erfassung des Pegels der ersten Frequenz des Programms, die sendeseitig abgegeben wird (Seite 6, Zeilen 6 bis 14).
Neben diesen die Merkmale des Oberbegriffs des vorliegenden Anspruchs 1 vorwegnehmenden Merkmalen läßt aber die bekannte Anordnung auch noch das folgende kennzeichnende Verfahrensmerkmal erkennen.
Für die jeweiligen Systempilotfrequenzen wird sendeseitig im jeweiligen Ablaufprogramm kein Meßsignal vom Pegelsender auf die Strecke gegeben.
Dies erfolgt im bekannten Fall durch Sperrung des Senders A über eine Diodenmatrix J und ein UND-Gatter K für die entsprechenden Frequenzen (Seite 5, Zeilen 2 bis 9).
Es verbleibt mithin nur noch das kennzeichnende Merkmal, daß zur Einbeziehung von Systempiloten in den Meßvorgang empfangsseitig der jeweilige Pegelwert des auf der Strecke vorhandenen Systempiloten als ein Meßpunkt innerhalb der Meßreihe gemessen und zur Auswertung zusätzlich herangezogen wird.
Diese Einbeziehung der Systempiloten in den Meßvorgang ist der FR-A-2 219 581 explizit nicht zu entnehmen. Da auch an keiner Stelle des Dokumentes der Wunsch erkennbar gemacht worden ist, auch Meßpunkte für die Pilotfrequenzen zu ermitteln, kann auch nicht von einer hinreichend deutlichen impliziten Offenbarung gesprochen werden.
Das Verfahren nach Anspruch 1 ist daher als neu im Sinne von Artikel 54 EPÜ zu bezeichnen.
3. Jedoch zeigt eine kritische Würdigung der Ausführungen der Einsprechenden im Beschwerdeschriftsatz und im ergänzenden Schriftsatz vom 10.12.1986, daß dem Verfahren nach Anspruch 1 die erfinderische Tätigkeit fehlt.
Die objektiv dem Verfahren nach Anspruch 1 zu Grunde liegende Aufgabe, möglichst viele Meßpunkte auch im Bereich der Systempilote zu erhalten (Beschreibung, Spalte 1, Zeilen 30-34), bietet für sich nichts Erfinderisches, da es der natürliche Sinn einer jeden "Streckenmessung" der in Rede stehenden Art ist, eine möglichst vollständige Analyse des frequenzabhängigen Dämpfungsverhaltens der Strecke zu erhalten.
Es ist der Einsprechenden darin zuzustimmen, daß im Falle der FR-A-2 219 581 über die Diodenmatrix J und das UND- Gatter K nur die Aussendung einer der Pilotfrequenz entsprechenden Meßfrequenz blockiert wird und nicht auch deren Empfang (Schriftsatz vom 10.12.1986, Abschnitt 6). Dem die Vorrichtung nach der FR-A-2 219 581 realisierenden Fachmann stehen damit nur zwei Möglichkeiten offen: entweder er unterdrückt - in bewußter Abänderung der bekannten Anordnung - zusätzlich auch noch den Empfang der Pilotfrequenzen, oder er zieht dieselben, da sie nun einmal vorhanden sind, in den Meßvortgang mit ein. Letzteres setzt dabei natürlich voraus, daß die Sendepegel der Systempiloten einerseits und der Meßfrequenzen andererseits einander entsprechen. Die Beschwerdekammer ist überzeugt, daß eine derartige Überlegung, angesichts des naheliegenden Wunsches nach Erfassung möglichst vieler Meßfrequenzen innerhalb des Frequenzbereiches des Übertragungssystems, im Rahmen des "normalen fachmännischen Handelns" liegt. Ein starkes Indiz für das Naheliegen einer solchen Pilotpegelmessung ist der sicher zutreffende Hinweis der Einsprechendenn auf die absolut geläufige Praxis, bei Störungen eines pilotgeregelten Übertragungssystems stets als erstes eine Pilotpegelmessung vorzunehmen (Schriftsatz der Einsprechenden vom 10.12.1986).
4. Der Anspruch 1 kann daher mangels einer seinem Gegenstand zu Grunde liegenden erfinderischen Tätigkeit nicht aufrecht erhalten werden (Art. 52 (1) EPÜ).
5. Gleiches trifft auch für die unabhängigen Einrichtungsansprüche 6 und 7 zu. Diese spezifizieren nämlich einerseits nur sich aus den Verfahrensmerkmalen des Anspruchs 1 als selbstverständlich ergebende Vorrichtungsmerkmale und andererseits nur zwei selbstverständliche Möglichkeiten, die Aussendung der Systempilotfrequenzen durch den Meßsender zu unterbinden: Abschaltung des Meßsenderausgangess für diese Frequenzen (Anspruch 6) bzw. Nichterzeugung dieser Frequenzen im Meßsender (Anspruch 7).
6. Da die Aufrechtehraltung des Patentes aber mit Rücksicht auf die FR-A-2 219 581 nicht möglich ist, braucht auf die übrigen Dokumente, die im übrigen dem Patentgegenstand ferner liegen, nicht mehr eingegangen zu werden.
ENTSCHEIDUNGSFORMEL
Aus diesen Gründen wird entschieden:
1. Die angefochtene Entscheidung wird aufgehoben.
2. Das europäische Patent Nr. 0 004 972 wird widerrufen.