T 0131/84 02-09-1987
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Verfahren zur Herstellung von Alkoholen mit 2-4 C-Atomen durch katalytische Hydration von Olefinen
Herstellung von Alkoholen
Neuheit (ja)
Erfinderische Tätigkeit (nein)
production of alcohols
novelty (yes)
inventive step (no)
I. Der Hinweis auf die Bekanntmachung der Patenterteilung für die am 03. Januar 1979 eingegangene, die Priorität einer deutschen Voranmeldung (DE- 2 769 237) vom 31. Dezember 1977 in Anspruch nehmende europäische Patentanmeldung 79 200 002.8 erfolgte am 14. Juli 1982 (vgl. Patentblatt 82/28). Das Patent ist auf der Grundlage von drei Ansprüchen erteilt worden. Der einzige unabhängige Anspruch lautet:
"Verfahren zur Herstellung von Alkoholen mit 2-4 C-Atomen durch katalytische Hydratation der entsprechenden Olefine an sauren Katalysatoren bei erhöhter Temperatur und erhöhtem Druck, dadurch gekennzeichnet, daß dem Einsatzprodukt vor Eintritt in den Reaktor die Nebenprodukte der Hydratation größenordnungsmäßig in der Menge zugeführt werden, in der sie beim Durchgang des Einsatzproduktes durch das Katalysatorbett entstehen und in wäßriger und organischer Phase anfallen".
II. Gegen die Erteilung des europäischen Patents hat die Einsprechende am 09. April 1983 Einspruch eingelegt und den Widerruf des Patents mangels Neuheit und erfinderischer Tätigkeit beantragt. Außerdem sei das Schutzbegehren unzureichend definiert, nicht in vollem Umfang aus den ursprünglichen Unterlagen herleitbar und auch nicht in vollem Umfang durchführbar. Die Begründung wurde auf die folgenden Dokumente gestützt:
(1) DE-A- 2 301 208 (2) Chemical Engineering, Band 79, Nr. 19, Seiten 50 und 51, 1972 (3) DE-B- 1 618 999 III. Durch Entscheidung vom 05. April 1984 widerrief die Einspruchsabteilung das Patent und führte dazu aus, der Gegenstand des geltenden Anspruchs 1 sei nicht mehr neu. Aus der Druckschrift (3) seien alle kennzeichnenden Merkmale des Anspruchs 1 bekannt. Soweit die Patentinhaberin ihre Bereitschaft zu einer Einschränkung auf die Hydratation von C2-C4 Olefinen in der Gasphase an Festbettkatalysatoren erklärt habe, fehle es einem solchen Gegenstand an erfinderischer Tätigkeit; denn die Übertragung eines bekannten Verfahren (Herstellung von Isopropylalkohol) auf unmittelbar verwandete Verbindung (Herstellung von C2- und C4-Alkoholen) gehöre zur Routinetätigkeit eines Fachmanns.
IV. Gegen diese Entscheidung hat die Beschwerdeführerin (Patentinhaberin) am 06. Juni 1984 Beschwerde eingelegt und gleichzeitig die hierfür vorgesehene Gebühr entrichtet. Die Beschwerde wurde am 21. Juli 1984 im wesentlichen etwa wie folgt begründet: Aus (1) sei nur die Rückführung von Nebenprodukten aus der wäßrigen Phase bekannt. Dokument (3) beschreibe ein Verfahren zur Herstellung von Isopropanol durch katalytische Hydratisierung von Propen mit Wasser an synthetischen sulfonierten Kationenaustauscherharzen als Katalysatoren, wobei nur die organische Phase zurückgeführt werde, die neben etwas Alkohol ausschließlich Diisopropyläther als Nebenprodukt enthalte. Nachdem lediglich bekannt gewesen sei, entweder nur Nebenprodukte aus der wäßrigen Phase oder nur Diisopropyläther aus der organischen Phase in die Reaktion zurückzuführen, lasse sich keinesfalls die Erfindung durch Kombination beider Lehren ableiten.
V. Die Beschwerdegegnerin (Einsprechende) vertritt dagegen den Standpunkt, nachdem gemäß der Druckschrift (1) die wäßrige Phase und gemäß der Druckschrift (3) die organische Phase zurückgeführt werde, könne es sich beim Verfahren nach dem Streitpatent nur um eine nicht patentfähige Aggregation handeln. Bei dieser Sachlage könne auch ein von der Beschwerdeführerin früher in Aussicht gestellter eingeschränkter Patentanspruch eine patentwürdige Erfindung nicht definieren.
VI. In ihrer Erwiderung auf einen Bescheid der Kammer trägt die Beschwerdeführerin vor, daß der geltende Patentanspruch 1 von der ursprünglichen Offenbarung gestützt sei und Vorurteile wegen Polymerisatbildung und negativer Produktqualitätsbeeinflussung durch zu hohe Anreicherung von Nebenprodukten bis zur Gleichgewichtskonzentration vorstellbar seien. Außerdem habe die Beschwerdeführerin keine Bedenken gegen eine Einbeziehung der Nebenansprüche in den Hauptanspruch bzw. entsprechende Beschränkung, um ein mögliches Mißverständnis hinsichtlich der tatsächlichen Lösung der Aufgabe auszuräumen.
VII. Die Beschwerdeführerin beantragt die angefochtene Entscheidung aufzuheben und das Patent aufrechtzuerhalten. Eine mündliche Verhandlung hat sie nicht beantragt. Die Beschwerdegegnerin beantragt hingegen die Zurückweisung der Beschwerde.
1. Die Beschwerde entspricht den Artikeln 106 bis 108 sowie Regel 64 EPÜ; sie ist daher zulässig.
2. Die Kammer hat bereits erhebliche Bedenken, ob das Merkmal des geltenden Patentanspruchs 1, wonach die Nebenprodukte in der Menge zurückgeführt werden, in der sie in wäßriger und organischer Phase anfallen, ursprünglich offenbart war (vgl. auch die Erklärung der Beschwerdeführerin in ihrer Eingabe vom 13. Mai 1987 Seite 1); dies braucht indes hier nicht entschieden zu werden, weil die Beschwerde aus anderen Gründen scheitert.
3. Nach der Beschreibungseinleitung zur Streitpatentschrift ist die Herstellung von Alkoholen mit 2-4 C-Atomen durch katalytische Hydratation der entsprechenden Olefine an sauren Katalysatoren bei erhöhter Temperatur und erhöhtem Druck bekannt (vgl. Seite 1, Zeilen 3 bis 7). Es ist ferner bekannt, daß neben der gewünschten Reaktion zur Alkoholbildung unter den Reaktionsbedingungen auch Nebenreaktionen des Olefins mit anderen Olefinmolekülen, mit Wasser oder mit beiden ablaufen, die neben einer Verunreinigung des Hauptproduktes auch zu einer Verringerung der Ausbeute führen; zusätzlich müssen die Nebenprodukte vom Hauptprodukt abgetrennt und beseitigt werden (vgl. Seite 1, Zeilen 7 bis 11). Solche Nebenprodukte sind vor allem Kohlenwasserstoffe, Äther, andere unerwünschte, insbes. isomere Alkohole, und schließlich Aldehyde und Ketone (vgl. Seite 1, Zeilen 11 bis 66). Weiterhin ist es allgemein bekannt, zur Erhöhung der Ausbeute bei der Äthanol- und Isopropylalkohol-Synthese die als Nebenprodukt gebildeten Äther in der erzeugten Menge zum Umlaufgas zurückzuführen.
3.1. So ist in der Entgegenhaltung (1) ein Verfahren zur Herstellung von Äthanol und Isopropylalkohol mit Ausbeuten von 99,5% durch katalytische Hydratation der entsprechenden Olefine an phosphorsäurehaltigen Trägerkatalysatoren beschrieben, bei dem die Bildung von Nebenprodukten, u.a. Diäthyl- bzw. Diisopropyläther durch deren Rückführung ohne organische Phase unterbunden bzw. verringert wird (vgl. Seite 3, letzter Absatz).
3.2. Demgegenüber kann die dem Streitpatent zugrundeliegende Aufgabe darin gesehen werden, ein weiteres Verfahren zur Herstellung von Alkoholen mit 2-4 C-Atomen durch katalytische Hydratation der entsprechenden Olefine an sauren Katalysatoren vorzuschlagen, bei dem die Bildung der anfallenden Nebenprodukte - wie entsprechende Äther, niederpolymerisierter Kohlenwasserstoffe und unerwünschter Alkohole -gleichfalls unterbunden bzw. verringert wird.
4. Zur Lösung dieser Aufgabe wird nach dem Streitpatent ein Verfahren bereitgestellt, nach dem man dem Einsatzprodukt vor Eintritt in den Reaktor die Nebenprodukte der Hydratation größenordnungsmäßig in der Menge zuführt, in der sie beim Durchgang des Einsatzproduktes durch das Katalysatorbett entstehen und in wäßriger und organischer Phase anfallen.
Daß die bestehende technische Aufgabe durch diesen Vorschlag gelöst wird, erscheint der Kammer im Hinblick auf die Beispiele 1, 2 und 5 (Ausbeuten an Äthanol von 98% und Isopropanol von 98% und 99,5%) glaubhaft und wird von der Beschwerdegegnerin nicht mehr bestritten.
5. Die Kammer teilt nicht die Auffassung der Vorinstanz, wonach der Gegenstand des geltenden Anspruchs 1 durch die Entgegenhaltung (3) vorweggenommen ist. Nach diesem Dokument wird das Verfahren zur Herstellung von Isopropylalkohol durch katalytische Hydratation von Propen so geführt, daß als Nebenprodukt nur Diisopropyläther entsteht (vgl. Spalte 4, Zeilen 34 bis 35, und alle Beispiele) und dieses zusammen mit unverbrauchtem Propen und etwas Isopropylalkohol aus der organischen Phase zurückgeführt wird (vgl. Spalte 5, Zeilen 45 bis 58 und Spalte 7, Zeilen 28 bis 36). In dieser Entgegenhaltung wird ferner ausgeführt, daß die wäßrige Phase, die nur Wasser und Isopropylalkohol enthält (vgl. Spalte 8, Zeilen 42 bis 44), in eine Destillations-kolonne entspannt wird, wobei aus dem Sumpf der Kolonne ablaufendes Wasser abgeführt und dem Reaktor zugeführt wird (vgl. die Zeichnung in Verbindung mit Spalte 6, Zeilen 62 bis 64 und Spalte 7, Zeilen 20 bis 27). In dieser Patentschrift ist daher die Rückführung von Nebenprodukten aus der wäßrigen Phase nicht vorbeschrieben. Auch die anderen Entgegenhaltungen (1) und (2) nehmen den Gegenstand des Streitpatents nicht neuheitsschädlich vorweg.
6. Es ist daher zu untersuchen, ob das beanspruchte Verfahren auf erfinderischer Tätigkeit beruht. Wie in Abschnitt 3.1 bereits angedeutet, betrifft die Entgegenhaltung (1) ein Verfahren zur Herstellung von Äthanol und Isoproplalkohol durch Hydratation der entsprechende Olefine. Dieses Dokument lehrt, daß bei Rückführung der wasserlöslichen Nebenprodukte mit dem Waschwasser in den Reaktor nur eine sehr geringe Neubildung dieser Nebenprodukte auftritt (vgl. Seite 2, Absatz 2). Führt man nämlich die in der Waschextration zusammen mit viel Wasser abgetrennten Verunreinigungen so, wie sie am Kopf der Waschextraktionskolonne anfallen, in den Kreislauf zurück, so liegt nach Erreichen eines Gleichgewichts die Gesamtmenge der Verunreinigungen, die neu gebildet werden, weit unter 1 % (vgl. Seite 3, letzter Absatz). Daraus entnimmt der Fachmann, daß die Bildung dieser wasserlöslichen Nebenprodukte durch chemische Gleichgewichtsreaktionen erfolgt und die Neubildung dieser Nebenprodukte unter Anwendung des Prinzips des Massenwirkungsgesetzes durch deren Rückführung zur Hydratation unterdrückt werden kann.
6.1. Dieser Sachverhalt ist unbestritten (vgl. die Streitpatentschrift, Seite 2, Zeilen 52 und 53 und Seite 3, Zeilen 6 bis 12). Indes hat die Beschwerdeführerin geltend gemacht, daß die Bildung von niederpolymerisierten Kohlenwasserstoffen und unerwünschter Alkohole nicht durch chemische Gleichgewichtsreaktionen erfolge, so daß der Vorschlag nach dem Streitpatent, sie gleichwohl in die Hydratationsreaktion zurückzuführen nicht naheliegend war. Die Kammer hat keinen sicheren Anhaltspunkt für die Gültigkeit dieser theoretischen Überlegungen; die Lehre nach (3), die organische Phase, in der sich z.B. oligomere Olefine befinden sollten, in die Hydratation zurückzuführen, spricht eher gegen eine solche Annahme. Die Beschwerdeführerin hat jedenfalls nicht demonstriert, daß der Vorschlag nach dem Streitpatent, die Nebenprodukte aus der wäßrigen und organischen Phase in die Hydratation zurückzuführen, gegenüber der Verfahrensweise nach (1), in der die ausschließliche Rückführung der Nebenprodukte aus der wäßrigen Phase gelehrt wird, zu einer eventuell als überraschend zu wertenden Ausbeuteverbesserung führt, wie ein diesbezüglicher Vergleich zeigt. Nach (1) kann der Äthanol- bzw. Isopropanolprozeß zu Ausbeuten von 99,85% bzw. 99,9% führen (vgl. S. 18/19), während die entsprechenden Werte aus dem Streitpatent nur bei 98 bzw. 99,5% liegen. Unter diesen Umständen kann in der Lösung der wenig anspruchsvollen technischen Aufgabe, lediglich ein weiteres, d.h. nicht verbessertes Hydratationsverfahren für Olefine anzugeben, und hierfür die jeweils für sich bereits bekannte Rückführung von Nebenprodukten aus der wäßrigen bzw. organischen Phase nun in Kombination vorzuschlagen, nicht mehr als eine im Griffbereich des Fachmanns liegende Tätigkeit ohne Erfindungsqualität gesehen werden.
6.2. Die Beschwerdeführerin hat zudem nicht glaubhaft gemacht, daß ein allgemeines Vorurteil der Fachwelt gegen die Rückführung aller Nebenprodukte bestand. Sie hält vielmehr Vorurteile wegen Polymerisatbildung und negativer Produktqualitätsbeeinflussung lediglich für vorstellbar, ohne den ihr obliegenden Beweis angetreten zu haben (vgl. T 119/82, 05 5/1984, Seite 217, Punkt 14 auf Seite 226).
6.3. Zusammenfassend ergibt sich, daß es zur Auffindung des Patentgegenstandes nur einfacher, der normalen Tätigkeit des Fachmanns zuzurechnender Überlegungen bedurfte, so daß dieser als naheliegend und daher nicht als erfinderisch zu bewerten ist.
6.4. Diese Ausführungen gelten nicht nur für den Anspruch 1, sondern in gleicher Weise auch für die auf den Hauptanspruch rückbezogenen Unteransprüche 2 und 3, in denen lediglich die rückzuführenden Nebenprodukte namentlich genannt werden.
7. Nicht anders zu beurteilen wäre ein von der Beschwerdeführerin in Aussicht genommener eingeschränkter Patentanspruch. Dieser unterschiede sich lediglich von dem geltenden Patentanspruch 1 dadurch, daß die Nebenprodukte der Hydratation von Äthylen bzw. Propylen näher bezeichnet werden (vgl. Abschnitt 6.4).
ENTSCHEIDUNGSFORMEL
Aus diesen Gründen wird entschieden:
Die Beschwerde wird zurückgewiesen.