T 0373/24 (Vegane Schokolade/KATJES) 18-03-2025
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VEGANE SCHOKOLADE
Chocoladefabriken Lindt & Sprüngli GmbH
Coop Genossenschaft
Barry Callebaut AG
Société des Produits Nestlé S.A.
Casa Luker S.A.
Erfinderische Tätigkeit - (nein)
Wesentlicher Verfahrensmangel - Rückzahlung der Beschwerdegebühr (nein)
I. Die Beschwerden der Einsprechenden 1 bis 5 (Beschwerdeführerinnen 1 bis 5) richten sich gegen die Entscheidung der Einspruchsabteilung, die Einsprüche gegen das Patent zurückzuweisen.
II. Die Einsprechenden hatten den Widerruf des Patents unter anderem gemäß Artikel 100 a) EPÜ (mangelnde erfinderische Tätigkeit) beantragt.
III. Im Einspruchsverfahren wurden unter anderem eingereicht:
D11:|Versuchsbericht vom 4. Januar 2022 (eingereicht von der Einsprechenden 1) |
D12:|Sensorische Beurteilung vom 6. Januar 2022 (eingereicht von der Einsprechenden 1) |
D13:|WO 2018/167788 |
D42:|US 2002/0081367 A1 |
D53:|Wikipedia: Getreidemilch (zuletzt geändert am 11. Juni 2017) |
D54:|Wikipedia: Hafermilch (zuletzt geändert am 13. August 2019) |
D55:|Alpro® Haferdrink Produktinformation, (26. September 2018) |
D56:|Versuchsbericht von Detlev Boekhaus (eingereicht von der Patentinhaberin) |
D75:|Bericht von M. Tietz, "Dried Non-dairy milk powder - Haferdrinkpulver von Mikrostruktur bis Makrostruktur" (1. November 2023)|
D81:|Versuchsbericht vom 9. Oktober 2023 (eingereicht von der Einsprechenden 1) |
D82:|Sensorische Beurteilung vom 9. Oktober 2023 (eingereicht von der Einsprechenden 1) |
D85:|Zweiter Versuchsbericht von Detlev Boekhaus (eingereicht von der Patentinhaberin) |
IV. In der angefochtenen Entscheidung kam die Einspruchsabteilung zu dem Schluss, dass keiner der Einspruchsgründe der Aufrechterhaltung des Patents in erteilter Form entgegenstehe. Unter anderem wurde dies damit begründet, dass der Gegenstand von Anspruch 1 auf einer erfinderischen Tätigkeit ausgehend von D13 als dem nächstliegenden Stand der Technik beruhe.
V. Im Beschwerdeverfahren hielt die Patentinhaberin (Beschwerdegegnerin) an der Aufrechterhaltung des erteilten Patents fest (Hauptantrag). Sie reichte zudem die bereits im Verfahren vor der Einspruchsabteilung eingereichten 47 Hilfsanträge erneut ein.
VI. Für die Entscheidung relevante Patentansprüche
Anspruch 1 des Hauptantrags sowie des Hilfsantrags 1 lautet wie folgt:
"Ein Schokoladenerzeugnis hergestellt durch Formen einer veganen Schokoladenmasse, wobei die vegane Schokoladenmasse mindestens einen Bestandteil von Kakaobohnen ausgewählt aus der Gruppe bestehend aus Kakaobutter und Kakaomasse, mindestens ein Süßungsmittel und mindestens 1 Gew.-%, bezogen auf das Gesamtgewicht der Schokoladenmasse, hydrolysiertes Hafermehl beinhaltet."
Im Vergleich zu Anspruch 1 des Hauptantrags wird in Anspruch 1 der Hilfsanträge 2 bis 4 der Gehalt an hydrolysiertem Hafermehl weiter eingeschränkt (1 bis 25 Gew.-%; 5 bis 20 Gew.-%; und 8,5 bis 15 Gew.-%) und in Anspruch 1 der Hilfsanträge 5 bis 8 wird zusätzlich der Gehalt an Kakaobutter und Kakaomasse definiert.
Im Vergleich zu Anspruch 1 des Hauptantrags wird in Anspruch 1 von Hilfsantrag 9 festgelegt, dass es sich bei dem Schokoladenerzeugnis um ein Schokoladenfertigerzeugnis handelt.
In Hilfsanträgen 10 bis 47 enthält Anspruch 1 Kombinationen von Merkmalen, die auch in Anspruch 1 der Hilfsanträge 2 bis 9 enthalten sind.
VII. Die Argumente der Beschwerdeführerinnen können, soweit für die vorliegende Entscheidung relevant, wie folgt zusammengefasst werden:
- Der Gegenstand von Anspruch 1 beruhe nicht auf einer erfinderischen Tätigkeit. Ein Verbesserung gegenüber D13, insbesondere über den gesamten beanspruchten Bereich, sei im Lichte von D11/D12 und D81/D82 nicht glaubhaft. Die Aufgabe liege in der Bereitstellung einer alternativen veganen Schokolade. Die Lösung sei im Lichte des Standes der Technik für die Fachperson naheliegend.
- Die Hilfsanträge seien nicht gewährbar oder nicht in das Verfahren zuzulassen.
- Die Beschwerdeführerin 5 war zudem der Auffassung, das Verfahren vor der Einspruchsabteilung sei mit schwerwiegenden Verfahrensfehlern behaftet.
VIII. Die Argumente der Beschwerdegegnerin können, soweit für die vorliegende Entscheidung relevant, wie folgt zusammengefasst werden:
- Der Gegenstand von Anspruch 1 beruhe auf einer erfinderischen Tätigkeit, auch ausgehend von D13. Im Stand der Technik finde sich keine Anregung, hydrolysiertes Hafermehl bei der Herstellung einer Schokolade einzusetzen. Eine Verbesserung hinsichtlich des Schmelzes der Schokolade durch die Verwendung von hydrolysiertem Hafermehl sei im Stand der Technik nicht angeregt und beispielsweise in D56 und D85 gezeigt worden.
- Auch die Hilfsanträge erfüllten die Erfordernisse des EPÜ.
IX. Schlussanträge
Die Beschwerdeführerinnen 1 bis 5 beantragten, die angefochtene Entscheidung aufzuheben und das Patent zu widerrufen. Die Beschwerdeführerin 5 hat zudem beantragt, die Beschwerdegebühr zurückzuerstatten.
Die Beschwerdegegnerin beantragte, die Beschwerden zurückzuweisen (Hauptantrag), oder hilfsweise das Patent auf der Grundlage eines der mit der Beschwerdeerwiderung eingereichten Hilfsanträge 1 bis 47 aufrechtzuerhalten.
1. Gegenstand des Streitpatents
1.1 Das Streitpatent betrifft ein Schokoladenerzeugnis hergestellt aus einer veganen Schokoladenmasse, die mindestens 1 Gew.-%, bezogen auf das Gesamtgewicht der Schokoladenmasse, hydrolysiertes Hafermehl enthält.
1.2 Die im Streitpatent beschriebene Aufgabe ist es, eine Schokoladenmasse bereitzustellen, die in ihrem Aussehen und ihrem Geschmack herkömmlicher Vollmilchschokolade gleicht, ohne dass bei der Herstellung tierische Zusatzstoffe wie Milchpulver verwendet werden. Dabei sind vergleichbare Eigenschaften, insbesondere hinsichtlich der Textur und des Schmelzes im Mund, wie in herkömmlichen, Milchpulver enthaltenden Schokoladenerzeugnissen zu erzielen (Absatz [0008]).
1.3 Weder Anspruch 1 noch das Streitpatent selbst legt fest, welcher Hafermehlbestandteil inwieweit hydrolysiert wird. Daher kann dieser Ausdruck nicht eng ausgelegt werden. Beispielsweise sind keine Aussagen möglich hinsichtlich der Bestandteile im Hydrolysat oder des Hydrolysegrads.
1.4 Unter den Partien ist jedoch unstreitig, dass das Hydrolysieren der Stärke aus dem Hafermehl eine Reaktion mit Wasser erfordert. Dabei entsteht ein Hafermehl, das kurzkettige Kohlenhydrate und Zucker enthält.
2. Hauptantrag - erfinderische Tätigkeit
2.1 Im Verfahren vor der Einspruchsabteilung wurde die erfinderische Tätigkeit ausgehend von unterschiedlichen Dokumenten diskutiert. Unter anderem wurde D13 als nächstliegender Stand der Technik herangezogen. Die Einspruchsabteilung kam zu dem Schluss, dass sich der beanspruchte Gegenstand für die Fachperson nicht in naheliegender Weise aus dem Stand der Technik ergab.
2.2 Gemäß der angefochtenen Entscheidung bestehe der Unterschied zwischen dem Gegenstand von Anspruch 1 des Streitpatents und des Gegenstands der D13 darin, dass Hafermilchpulver in Form eines Hydrolysats zum Einsatz komme. Ein direkter Vergleich zwischen der Verwendung von hydrolysiertem Hafermehl und von Sojapulver in Beispiel 1 der D13 liege jedoch nicht vor. Die Aufgabe sei als die Bereitstellung einer alternativen veganen Schokolade zu formulieren. Zwar offenbare D13 eine Vielzahl von möglichen Milchersatzpulvern, welche in einer veganen Schokolade zum Einsatz kommen könnten, darunter auch Hafermilchpulver. Allerdings liege der Fachperson kein Hinweis vor, dass eine hydrolysierte Hafermilch zu verbesserten sensorischen Eigenschaften führe. Die Erkenntnis, dass hydrolysiertes Hafermehl die sensorischen Eigenschaften von veganer Schokolade im Vergleich zu nicht hydrolysiertem Hafermehl positiv beeinflusse, sei durch den Stand der Technik nicht nahegelegt.
2.3 Die Beschwerdeführerinnen sind dem entgegengetreten. Sie waren der Auffassung, der Gegenstand von Anspruch 1 sei naheliegend ausgehend von mehreren Dokumenten und Argumentationslinien. Alle Beschwerdeführerinnen haben D13 als nächstliegenden Stand der Technik oder zumindest als geeigneten Ausgangspunkt für die Beurteilung der erfinderischen Tätigkeit herangezogen. Sie haben unter anderem beanstandet, die Einspruchsabteilung habe zwar als Aufgabe die Bereitstellung einer alternativen veganen Schokolade angesehen, jedoch bei der Bewertung des Naheliegens sensorische Vorteile berücksichtigt.
2.4 Die Beschwerdegegnerin stimmt im Ergebnis der Einspruchsabteilung darin zu, dass der Gegenstand von Anspruch 1 auf einer erfinderischen Tätigkeit beruhe. Dabei hat die Beschwerdegegnerin D13 als geeigneten Ausgangspunkt für die Beurteilung der erfinderischen Tätigkeit angesehen.
2.5 Die Zielsetzung in D13 ist es, eine vegane, milchfreie Schokolade bereitzustellen. Diese Aufgabe ist der im Streitpatent gestellten Aufgabe ähnlich. Daher ist D13 als nächstliegender Stand der Technik bzw. als für die Beurteilung der erfinderischen Tätigkeit geeigneter Ausgangspunkt zu betrachten.
2.6 D13 betrifft milchfreie und vegane Süßwaren ("confectionary products"). Beispiel 1 von D13 offenbart ein Schokoladenerzeugnis enthaltend unter anderem 26 % Kakaobutter, 13 % Kakaomasse, Zucker sowie 20 % Sojapulver, jeweils bezogen auf das Gesamtgewicht. Ein hydrolysiertes Hafermehl ist in diesem Beispiel allerdings nicht beschrieben.
2.7 Somit unterscheidet sich der Gegenstand von Anspruch 1 von Beispiel 1 von D13 dadurch, dass das Schokoladenerzeugnis mindestens 1 Gew.-% hydrolysiertes Hafermehl enthält, bezogen auf das Gesamtgewicht der Schokoladenmasse.
2.8 Es ist zu untersuchen, welche technische Aufgabe durch die Verwendung von hydrolysiertem Hafermehl gelöst wird. Hierzu sind die von den Beteiligten vorgebrachten Versuche zu berücksichtigen.
2.9 Die Vergleichsversuche und ihre Beurteilung
2.9.1 Die Beschwerdegegnerin hat vorgetragen, die Verwendung von hydrolysiertem Hafermehl in Schokolade führe zu einer sensorischen Verbesserung gegenüber nicht hydrolysiertem Hafermehl. Sie verwies auf die von ihr durchgeführten Versuche in D56 und D85 sowie auf die im Verfahren vor der Prüfungsabteilung vorgelegten Versuche (Seiten 58 und 59 der Erwiderung auf die Beschwerdebegründungen). Die Versuche wurden durchgeführt mit 10 Gew.-% (Erwiderung auf die Beschwerden), 15 Gew.-% (D85) und 25 Gew.-% Hafermehl (D56), bezogen auf das Gesamtgewicht der Schokoladenmasse. Dabei wurden ein Schokoladenerzeugnis mit hydrolysiertem Hafermehl und eines mit nicht hydrolysiertem Hafermehl miteinander verglichen. Die hydrolysiertes Hafermehl enthaltenden Schokoladenerzeugnisse zeigten durchweg einen besseren Schmelz sowie eine bessere Textur. Nach Auffassung der Beschwerdegegnerin bestehe daher die zu lösende technische Aufgabe in der Bereitstellung einer veganen Schokoladenmasse, die mehr einer Milchschokolade gleiche, insbesondere in einer Verbesserung des Schmelzes und der Textur.
2.9.2 Wie bereits die Einspruchsabteilung in der angefochtenen Entscheidung richtig festgestellt hat, liegt kein Vergleich zwischen der anspruchsgemäßen Verwendung von hydrolysiertem Hafermehl einerseits und des Sojapulvers in Beispiel 1 der D13 andererseits vor. Somit ist eine Verbesserung gegenüber dem Startpunkt in D13 nicht gezeigt worden. Insbesondere liegt kein Vergleich vor zwischen dem Gegenstand von Anspruch 1 und Beispiel 1 von D13 hinsichtlich der von der Beschwerdegegnerin geltend gemachten Wirkungen, nämlich eine Verbesserung des Schmelzes und der Textur.
2.9.3 Aus diesem Grund kann die behauptete Verbesserung anhand der vorgelegten Versuche nicht anerkannt werden.
2.9.4 Die von der Beschwerdegegnerin vorgelegten Versuche belegen auch nicht eine Verbesserung gegenüber dem in D13 selbst angegebenen Lösungsvorschlag, die bei der Formulierung der technischen Aufgabe zu berücksichtigen wäre. Wie bereits ausgeführt, werden in den genannten Versuchen Schokoladenerzeugnisse mit hydrolysiertem Hafermehl und mit nicht hydrolysiertem Hafermehl miteinander verglichen. Allerdings schlägt D13 nicht etwa vor, herkömmliches, unbehandeltes und nicht hydrolysiertes Hafermehl einzusetzen. Vielmehr lehrt dieses Dokument (auf Seite 4, Zeilen 5 bis 10) der Fachperson ein ihr bekanntes, verarbeitetes Erzeugnis aus Hafer, nämlich Hafermilchpulver, als Ersatz für das Sojapulver zu verwenden. Die Kammer kann anhand der von der Beschwerdegegnerin vorgelegten Versuche nicht erkennen, dass ein Schokoladenerzeugnis, das mit hydrolysiertem Hafermehl hergestellt wurde, zu einer Verbesserung gegenüber einer Schokolade führen würde, die mit Hafermilchpulver hergestellt wurde.
2.9.5 An dieser Stelle sind auch die von der Beschwerdeführerin 1 vorgelegten Versuche zu berücksichtigen.
2.9.6 D11 betrifft eine Versuchsreihe, in der sechs verschiedene Schokoladenerzeugnisse hergestellt wurden, wobei die Gehalte an hydrolysiertem Hafermehl variiert wurden (nämlich: 10%, 20%, 25%, 30%, 40% und 50%, bezogen auf das Gesamtgewicht der Schokoladenmasse). D81 betrifft eine Versuchsreihe, in der zwei Schokoladenerzeugnisse hergestellt wurden mit Mischungen aus hydrolysiertem Hafermehl (1 % oder 9 %, bezogen auf das Gesamtgewicht der Schokoladenmasse) sowie einem weiteren Anteil an nicht hydrolysiertem Hafermehl. In D12 und D82 sind die Auswertungen der sensorischen Beurteilung der Versuche in D11 und D81 angegeben.
2.9.7 D12 zeigt, dass eine Schokolade mit 10 % hydrolysiertem Hafermehl (bezogen auf das Gesamtgewicht der Schokoladenmasse) zartschmelzend schmeckt, während mit steigenden Gehalten diese Wirkung kaum oder gar nicht festgestellt werden kann. Somit zeigen diese Versuche, dass die behauptete Wirkung wenigstens nicht über den gesamten beanspruchten Bereich erreicht wird. Zudem stellen die Versuche aus D11 auch keine Vergleichsversuche gegenüber Beispiel 1 von D13, dem nächstliegenden Stand der Technik, dar.
2.9.8 Ferner zeigt D82, dass die Schokoladenerzeugnisse aus D81 nicht zartschmelzend sind. Somit belegen auch die Versuche in D81, dass die behauptete technische Wirkung wenigstens nicht über den gesamten beanspruchten Bereich erzielt wird.
2.9.9 Zusammenfassend ist festzuhalten, dass aufgrund der Versuche, die der Kammer vorliegen, nicht festgestellt werden kann, dass das unterscheidende Merkmal eine Verbesserung gegenüber dem nächstliegenden Stand der Technik erzielt.
2.10 Somit ist vorliegend die Aufgabe in der Bereitstellung einer alternativen veganen Schokolade zu formulieren, wie es bereits die Einspruchsabteilung zutreffend festgestellt hat.
2.11 Naheliegen des beanspruchten Gegenstands
2.11.1 Insbesondere angesichts des Hinweises in D13, Hafermilchpulver einzusetzen, stellt sich die Frage, ob die vor die genannte Aufgabe gestellte Fachperson zu dem beanspruchten Gegenstand gelangt wäre, also zu einem Schokoladenerzeugnis mit mindestens 1 Gew.-% hydrolysiertes Hafermehl, bezogen auf das Gesamtgewicht der Schokoladenmasse.
2.11.2 Es ist der Fachperson bekannt, dass Hafermilch ausgehend von Hafermehl erzeugt und typischerweise einer Hydrolyse unterzogen wird. Dies ist ersichtlich aus D53 (wo eine Hydrolyse der Stärke mit Enzymen durchgeführt wird), D54 (wo eine Fermentation durchgeführt wird) oder D55 (wo beschrieben wird, dass alle bisherigen Haferdrinks eine natürliche Süße enthielten, die bei der Herstellung entstehe, wenn die im Hafer enthaltenen Kohlenhydrate in Zucker umgewandelt seien). Die Beschwerdeführerin 2 hat zudem einen Untersuchungsbericht (D75) vorgelegt, in dem gezeigt wird, dass alle untersuchten, kommerziell erhältlichen Haferdrinkpulver oder Haferdrinks (also Hafermilchpulver oder Hafermilch) Haferstärke enthalten, die hydrolysiert wurde. Ein Gegenbeweis, nämlich dass es kommerzielle Hafermilch gibt, die aus nicht hydrolysiertem Hafermehl besteht, liegt der Kammer nicht vor.
2.11.3 Unabhängig von all dem erhält die Fachperson aus dem Stand der Technik, beispielsweise aus der Patentanmeldung D42, die Anregung Hafermilch einzusetzen, die aus hydrolysiertem Hafermehl erzeugt wurde.
2.11.4 Dieses Dokument beschreibt in seiner Zusammenfassung Milchersatz ("non-dairy", "milk substitute") auf der Grundlage einer Getreidesuspension. In Absatz [0028] ist die Herstellung genauer beschrieben; in einer Suspension aus Hafermehl wird mittels alpha-Amylase und beta-Amylase, also durch enzymatische Hydrolyse, bis zu 40 % der Haferstärke in Maltose umgewandelt. Dieses Erzeugnis stellt einen Milchersatz dar, der nach der Lehre von D42 in allerlei milchhaltigen Erzeugnissen wie beispielsweise in Süßwaren eingesetzt werden kann.
2.11.5 Anders als von der Beschwerdegegnerin vorgetragen bedarf es keiner ausdrücklichen Anregung in D42 selbst, das dort beschriebene Erzeugnis in Schokolade einzusetzen. Die Anregung, eine Hafermilch in einem Schokoladenerzeugnis einzusetzen, ist bereits im nächstliegenden Stand der Technik D13 vorgegeben. Die Fachperson erkennt, dass die Hafermilch aus D42 zur Anwendung in jeglichen Süßwarenprodukten ("confectionary products") an sich geeignet ist. Süßwarenprodukte umfassen selbstverständlich auch Süßwaren auf Kakaobasis sowie Schokoladenerzeugnisse. Der nächstliegende Stand der Technik D13 selbst spricht von Süßware ("confectionary product", vgl. Seite 7 Zeile 10) und meint damit ein Schokoladenerzeugnis.
2.11.6 Zusammenfassend ist der Gegenstand von Anspruch 1 ausgehend von D13 im Lichte der Lehre von D42 als für die Fachperson naheliegend anzusehen.
2.12 Der Einspruchsgrund gemäß Artikel 100 a) EPÜ in Verbindung mit Artikel 56 EPÜ steht somit der Aufrechterhaltung des Patents in der erteilten Fassung entgegen.
3. Hilfsanträge - Erfinderische Tätigkeit
3.1 Die Hilfsanträge 1 bis 47 wurden erstmalig im Laufe des Verfahrens vor der Einspruchsabteilung eingereicht. Wie im Folgenden zu zeigen sein wird, ist keiner dieser Anträge gewährbar. Die Frage, ob diese Anträge in das Verfahren zuzulassen sind (was von den Beschwerdeführerinnen 2 und 5 für Hilfsanträge 1 und 3 bis 47 in Abrede gestellt wurde), erübrigt sich daher.
3.2 Hilfsantrag 1
3.2.1 Der Wortlaut von Anspruch 1 des Hilfsantrags 1 ist identisch mit dem Wortlaut von Anspruch 1 des Hauptantrags.
3.2.2 Wie auch der Hauptantrag erfüllt dieser Antrag daher nicht das Erfordernis gemäß Artikel 56 EPÜ.
3.3 Hilfsanträge 2 bis 8
3.3.1 Anspruch 1 von Hilfsantrag 8 beruht auf dem erteilten Anspruch 1, wobei zusätzlich der Anteil an hydrolysiertem Hafermehl auf 8,5 bis 15 Gew.-%, bezogen auf das Gesamtgewicht der Schokoladenmasse, beschränkt wurde. Zudem wird auch festgelegt, dass es sich bei der Schokoladenmasse um eine Kuvertüre handelt, die sowohl Kakaobutter als auch Kakaomasse enthält, und dass der Anteil an Kakaobutter 20 bis 40 Gew.-% und der Anteil an Kakaomasse 2,5 bis 20 Gew.-% beträgt.
3.3.2 Es steht außer Streit, dass das einzige unterscheidende Merkmal von Anspruch 1 von Hilfsantrag 8 gegenüber Beispiel 1 von D13 der Anteil an hydrolysiertem Hafermehl (8,5 bis 15 Gew.-% bezogen auf das Gesamtgewicht der Schokoladenmasse) ist.
3.3.3 Die Beschwerdegegnerin hat vorgetragen, dass der eingeschränkte Gehalt an hydrolysiertem Hafermehl näher an dem im Streitpatent beschriebenen Ausführungsbeispiel sei. Zudem sei in den Versuchen von D85 sowie in den im Verfahren vor der Prüfungsabteilung vorgelegten Versuchen (Seiten 58 und 59 der Erwiderung auf die Beschwerdebegründungen) gezeigt worden, dass Schokoladenerzeugnisse mit einem Gehalt an hydrolysiertem Hafermehl im eingeschränkten Bereich einen besseren Schmelz aufwiesen gegenüber Schokoladenerzeugnissen mit einem höheren Gehalt an hydrolysiertem Hafermehl (D56).
3.3.4 Zu den Vergleichsversuchen gilt zunächst das bereits unter Punkt 2.9 Gesagte. Eine Vergleichbarkeit gegenüber dem nächstliegenden Stand der Technik ist nicht gegeben, weil Versuche mit Sojapulver fehlen. Zudem belegen die Versuche in D81 mit der sensorischen Auswertung in D82, dass die behauptete Wirkung eines zarten Schmelzes auch mit einem Gehalt an hydrolysiertem Hafermehl innerhalb des eingeschränkten Mengenbereichs, nämlich mit 9 Gew.-% hydrolysiertem Hafermehl bezogen auf das Gesamtgewicht der Schokoladenmasse, nicht erzielt wird.
3.3.5 Somit vermag das unterscheidende Merkmal keine Wirkung zu erzielen, die eine andere, ehrgeizigere Formulierung der zu lösenden Aufgabe rechtfertigen könnte. Auch für den Gegenstand von Anspruch 1 des Hilfsantrags 8 ist die zu lösende Aufgabe daher in der Bereitstellung einer alternativen veganen Schokolade zu sehen, wie dies die Kammer bereits für den Hauptantrag festgestellt hat.
3.3.6 Obwohl der Ausgangspunkt für die Beurteilung der erfinderischen Tätigkeit, d.h. Beispiel 1 von D13, einen höheren Wert offenbart (20 %, bezogen auf das Gesamtgewicht), kann gemäß der allgemeinen Offenbarung von D13 (Seite 4, letzter Absatz) das milchfreie, vegane Pulver in einer Menge zwischen 5 % bis 30 %, insbesondere 10 %, bezogen auf das Gesamtgewicht, eingesetzt werden. Mit anderen Worten zeigt Beispiel 1 von D13, dass das milchfreie, vegane Pulver mit einem Gehalt am oberen Ende des in D13 gezeigten Wertebereichs eingearbeitet werden kann. Die Fachperson wird jedoch erkennen, dass der Gehalt dieses Pulvers ohne Weiteres insbesondere auf 15 %, wie in Anspruch 1 von Anspruch 8 gefordert, reduziert werden kann.
3.3.7 Der Gegenstand von Anspruch 1 von Hilfsantrag 8 ist somit als naheliegend anzusehen (Artikel 56 EPÜ).
3.3.8 Das für Hilfsantrag 8 Gesagte trifft auch auf die Hilfsanträge 2 bis 7 zu. Der Gegenstand von Anspruch 1 dieser Anträge umfasst denjenigen von Anspruch 1 von Hilfsantrag 8 und ist daher ebenfalls als naheliegend anzusehen (Artikel 56 EPÜ).
3.4 Hilfsantrag 9
3.4.1 In Anspruch 1 dieses Hilfsantrags ist festgelegt, dass es sich bei dem Schokoladenerzeugnis um ein Schokoladenfertigerzeugnis handelt. Solch ein verzehrfertiges Erzeugnis ist bereits in Beispiel 1 von D13 offenbart.
3.4.2 Der Gegenstand von Anspruch 1 des Hilfsantrags 9 ist somit als naheliegend anzusehen (Artikel 56 EPÜ).
3.5 Hilfsanträge 10 bis 47
3.5.1 In den Hilfsanträgen 10 bis 47 enthält Anspruch 1 Kombinationen von Merkmalen, die auch in den Ansprüchen 1 der Hilfsanträge 2 bis 9 enthalten sind.
3.5.2 Es ist nicht vorgetragen worden, dass eine solche Kombination von Merkmalen eine erfinderische Tätigkeit begründet. Die Kammer sieht dafür auch keine Hinweise.
3.5.3 Diese Anträge sind somit auch nicht gewährbar (Artikel 56 EPÜ).
4. Antrag auf Rückerstattung der Beschwerdegebühr
4.1 Die Beschwerdeführerin 5 hat die Rückerstattung der Beschwerdegebühr beantragt. Sie hat beanstandet, dass die Auslegung des Merkmals des hydrolysierten Hafermehls durch die Einspruchsabteilung im Widerspruch zur Offenbarung im Streitpatent stehe. Dies stelle einen wesentlichen Verfahrensmangel dar.
4.2 Nach Auffassung der Kammer hat die Einspruchsabteilung in der angefochtenen Entscheidung umfassend dargelegt, wie sie zu ihrer Auslegung des Merkmals des hydrolysierten Hafermehls gelangt ist. Etwaige behauptete Fehler in der Auslegung oder das Ziehen von nicht korrekten Schlussfolgerungen lassen nicht auf eine Missachtung des rechtlichen Gehörs schließen und können auch nicht als ein Verfahrensmangel angesehen werden.
4.3 Zudem hat die Beschwerdeführerin 5 in ihrer Beschwerdebegründung beiläufig beanstandet, die Einspruchsabteilung habe die Zeugen nicht gehört ("they ignored to hear the witnesses").
4.4 Dieser Einwand ist aufgrund einer fehlenden Begründung allenfalls so zu verstehen, dass in diesem Zusammenhang Bezug genommen wird auf den entsprechenden Einwand, auf den die Beschwerdeführerinnen 1 und 3 ihren - inzwischen zurückgezogenen - Antrag auf Rückerstattung der Beschwerdegebühr gestützt hatten.
4.5 Die Beschwerdeführerin 3 hatte im Einspruchsverfahren im Zusammenhang mit einer von ihr geltend gemachten offenkundigen Vorbenutzung die Einvernahme zweier Zeugen angeboten. In ihrer Mitteilung gemäß Artikel 15 (1) VOBK ist die Kammer der Frage nachgegangen, ob die Ablehnung der Einvernahme dieser Zeugen durch die Einspruchsabteilung einen wesentlichen Verfahrensmangel bzw. eine Verletzung des rechtlichen Gehörs darstellt. Im Ergebnis war aufgrund der unterlassenen Einvernahme der Zeugen durch die Einspruchsabteilung weder eine Verletzung des rechtlichen Gehörs, noch ein wesentlicher Verfahrensmangel festzustellen. Folgende Aspekte waren bei der Beurteilung dieser Frage für die Kammer wesentlich.
4.5.1 Erstens wurden der Einwand einer offenkundigen Vorbenutzung eines Schokoladenerzeugnisses enthaltend den Haferextrakt Aventia sowie das Zeugenangebot im bereits laufenden Verfahren vor der Einspruchsabteilung verspätet vorgebracht.
4.5.2 Zweitens hat die Beschwerdegegnerin zeitnah, nachdem der Einwand erhoben wurde, dargelegt, dass der Nachweis fehle, dass Aventia ein hydrolysiertes Hafermehl sei.
4.5.3 Drittens wäre es vor diesem Hintergrund Sache der Beschwerdeführerin 3 gewesen, bereits im schriftlichen Verfahren vor der mündlichen Verhandlung vor der Einspruchsabteilung in Reaktion auf die Einwände der Beschwerdegegnerin ihren Vortrag zur streitigen Frage zu ergänzen und hierfür geeignete Beweismittel anzubieten. Dies ist im Verfahren vor der Einspruchsabteilung unterblieben. In diesem Zusammenhang ist anzumerken, dass Zeugen nur für diejenigen Tatsachen zu hören sind, für die sie als Beweismittel angeboten wurden.
4.5.4 Viertens wurde die offenkundige Vorbenutzung im Laufe der mündlichen Verhandlung vor der Einspruchsabteilung diskutiert, jedoch sah die Einspruchsabteilung keine ausreichenden Belege dafür, dass Aventia hydrolysiertes Hafermehl sei.
4.5.5 Fünftens hat die Einspruchsabteilung in der angefochtenen Entscheidung ausreichend und schlüssig begründet, weshalb sie die Zeugen nicht gehört hat.
4.6 Zusammenfassend ist vorliegend kein wesentlicher Verfahrensmangel festzustellen, aufgrund dessen eine Rückzahlung der Beschwerdegebühr nach Regel 103 (1) a) EPÜ der Billigkeit entspräche. Dem Antrag der Beschwerdeführerin 5 die Beschwerdegebühr zurückzuerstatten wird daher nicht stattgegeben.
Aus diesen Gründen wird entschieden:
1. Die angefochtene Entscheidung wird aufgehoben.
2. Das Patent wird widerrufen.