T 0209/23 20-02-2025
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IM ENDLOSBETRIEB BETREIBBARE PRODUKTIONSANLAGE UND VERFAHREN ZUM BETRIEB DER PRODUKTIONSANLAGE IM STÖRFALL
DANIELI & C.
OFFICINE MECCANICHE SpA
Überprüfung der Ausübung von Ermessen durch die Einspruchsabteilung - (ja)
Neue Kombination von Dokumenten als neues Tatsachenvorbingen - (ja)
Anwendung richtiger Kriterien bei der Ausübung von Ermessen - (ja)
Erfinderische Tätigkeit - (ja)
I. Das europäische Patent EP 3 507 030 ("das Patent") betrifft eine Dünnbrammen-Dünnband-Gießwalzanlage.
II. Gegen das erteilte Patent hatte die Einsprechende Einspruch eingelegt und ihn auf die Gründe des Artikels 100 a) EPÜ in Verbindung mit den Artikeln 54 und 56 EPÜ gestützt.
III. Die Einspruchsabteilung kam zu dem Schluss, dass der Gegenstand von Anspruch 1 in der erteilten Fassung auf einer erfinderischen Tätigkeit beruht und entschied, den Einspruch zurückzuweisen.
IV. Gegen diese Entscheidung hat die Einsprechende ("die Beschwerdeführerin") Beschwerde eingelegt.
V. Die Beschwerdeführerin beantragte, die angefochtene Entscheidung aufzuheben und das Patent zu widerrufen.
Die Beschwerdegegnerin (Patentinhaberin) beantragte, die Beschwerde zurückzuweisen. Hilfsweise beantragte sie, das Patent in geändertem Umfang auf Basis eines der mit Schreiben vom 16. August 2022 eingereichten Hilfsanträge I bis XVII aufrechtzuerhalten. Weiterhin beantragte sie, dass der im Einspruchsverfahren verspätet vorgebrachte und von der Einspruchsabteilung zugelassene Einwand zur erfinderischen Tätigkeit ausgehend von D5 in Kombination mit D2 im Beschwerdeverfahren unberücksichtigt bleibe.
VI. In der als Anlage zur Ladung zur mündlichen Verhandlung beigefügten Mitteilung gemäß Artikel 15(1) VOBK teilte die Kammer den Beteiligten ihre vorläufige Einschätzung mit, wonach mit einer Zurückweisung der Beschwerde zu rechnen sei.
VII. Die Beschwerdeführerin teilte mit Schreiben vom 4. Februar 2025 mit, dass sie an der für den 20. Februar 2025 anberaumten mündlichen Verhandlung vor der Kammer nicht teilnehmen werde, aber ihre Anträge aufrechterhalte.
VIII. Die Ladung zur mündlichen Verhandlung wurde daraufhin aufgehoben.
IX. Anspruchswortlaut relevant für diese Entscheidung
Anspruch 1 wie erteilt lautet:
"Produktionsanlage, die in Reihe eine einem Rollenherdofen (2) vorgeschaltete Dünnbrammenstranggießanlage (1), den den Gießstrang (1a) oder mindestens eine davon abgetrennte Teillänge des Gießstrangs (1a) aufnehmenden Rollenherdofen (2) und eine den in dem Rollenherdofen (2) erwärmten oder warmgehaltenen Gießstrang (1a) oder die mindestens eine davon abgetrennte Teillänge auswalzende, dem Rollenherdofen (2) nachgeschaltete Walzstraße (3) mit zugeordneter Haspelanlage (21) umfasst,
wobei die Stranggießanlage (1) und die Walzstraße (3) in einem Endlos-Betriebsmodus betreibbar sind, und wobei der Auslaufseite des Rollenherdofens (2) ein seitlich zum Rollenherdofen (2) angeordnetes Ofenfährensystem (15) zugeordnet und die Walzstraße (3) eine erste Gerüstgruppe (12) und eine dazu beabstandete zweite Gerüstgruppe (13) mit einer zwischen erster und zweiter Gerüstgruppe (12, 13) angeordneten Heizeinrichtung (18), insbesondere Induktionsheizung, aufweist und
wobei weiterhin in Brammeneinlaufrichtung einlaufseitig vor dem Rollenherdofen (2) eine erste Brammen- oder Bandtrenneinrichtung (10), insbesondere eine Bandschere, vorzugsweise eine Pendelschere, angeordnet und in Brammenauslaufrichtung auslaufseitig nach dem Rollenherdofen (2) und vor der ersten Gerüstgruppe (12) der Walzstraße (3) eine zweite Brammen- oder Bandtrenneinrichtung (14) angeordnet ist,
wobei die zweite Brammen- oder Bandtrenneinrichtung (14) als Brennschneidvorrichtung ausgebildet ist und wobei im auslaufseitigen Bereich des Rollenherdofens (2) vor einem, vorzugsweise zumindest in etwa, der Längserstreckung einer Ofenfähre (16) des Ofenfährensystems (15) entsprechenden Längenabschnitt des Rollenherdofens (2) eine als Brennschneidvorrichtung ausgebildete dritte Brammen- oder Bandtrenneinrichtung (17) angeordnet und dass in Bandlaufrichtung auslaufseitig der ersten Gerüstgruppe (12) der Walzstraße (3) vor dem Einlauf in die Heizeinrichtung (18) eine vierte Brammen- oder Bandtrenneinrichtung (24), insbesondere eine Bandschere, vorzugsweise eine Trommelschere, angeordnet ist."
Anspruch 3 wie erteilt ist gerichtet auf ein
"Verfahren zum Betrieb der Produktionsanlage nach Anspruch 1 oder 2, dadurch gekennzeichnet, dass bei Stillstand des Brammen- oder Bandtransportes während eines Störfalls in der Produktionsanlage alle der ersten bis vierten Brammen- oder Bandtrenneinrichtungen (10, 14, 17, 24) aktiviert und die Dünnbramme oder die mindestens eine davon abgetrennte Teillänge und das Band an den Positionen der ersten bis vierten Brammen- oder Bandtrenneinrichtung (10, 14, 17, 24) getrennt werden."
Der Wortlaut der Hilfsanträge I bis XVII ist für diese Entscheidung nicht relevant.
X. Stand der Technik
Die folgenden bereits im Einspruchsverfahren eingereichten Dokumente sind für diese Entscheidung relevant:
D2:|WO 02/068138 Al |
D5:|EP 2 569 104 B1 |
D6:|US 2011/0308757 Al|
D8:|US 5,771,560 |
XI. Das Vorbringen der Beschwerdeführerin lässt sich wie folgt zusammenfassen:
a) Zulassung des Einwands zur erfinderischen Tätigkeit ausgehend von D5 in Kombination mit D2
Der Einwand mangelnder erfinderischer Tätigkeit ausgehend von Dokument D5 in Kombination mit Dokument D2 liege der Entscheidung zugrunde.
b) Erfinderische Tätigkeit
Der Gegenstand von Anspruch 1 beruhe ausgehend von D5 unter weiterer Berücksichtigung von D2, D6 oder D8 nicht auf einer erfinderischen Tätigkeit.
XII. Das entsprechende Vorbringen der Beschwerdegegnerin lässt sich folgendermaßen zusammenfassen:
a) Zulassung des Einwands zur erfinderischen Tätigkeit ausgehend von D5 in Kombination mit D2
Der Einwand ausgehend von D5 stelle nicht lediglich ein neues Argument, sondern eine neue Angriffslinie dar, die zu Unrecht von der Einspruchsabteilung zugelassen worden sei.
b) Erfinderische Tätigkeit
Der Gegenstand von Anspruch 1 sei ausgehend von D5 auch unter weiterer Berücksichtigung von D2, D6 oder D8 nicht naheliegend.
1. Zulassung des Einwands zur erfinderischen Tätigkeit ausgehend von D5 in Kombination mit D2
1.1 Während der mündlichen Verhandlung vor der Einspruchsabteilung trug die Einsprechende erstmals einen Einwand mangelnder erfinderischer Tätigkeit ausgehend von Dokument D5 in Kombination mit Dokument D2 vor. Die Einspruchsabteilung wies den Verspätungseinwand der Patentinhaberin und jetzigen Beschwerdegegnerin zurück. Die Einspruchsabteilung begründete dies damit, dass beide Dokumente innerhalb der Einspruchsfrist eingeführt worden seien und der neue Einwand ausgehend von Dokument D5 in Kombination mit Dokument D2 daher lediglich ein neues Argument im Sinne von G 4/92 darstelle. Bezüglich des mit dem Verspätungseinwand in unmittelbarem Zusammenhang stehenden und von der Einspruchsabteilung ebenfalls zurückgewiesenen Vertagungsantrags der Beschwerdegegnerin führte die Einspruchsabteilung ergänzend aus, dass es sich bei dem "relevanten Dokument D2 um ein relativ kurzes und übersichtliches Dokument mit nur 7 Seiten Beschreibung und 3 Seiten Figuren handele, deren Inhalt in einer überschaubaren Zeit erfasst werden könne" (siehe Entscheidung, einheitlicher Punkt I.8 zu beiden Aspekten). Im gegebenen Zusammenhang geht die Kammer davon aus, dass letztere Aussage auch als ergänzende Begründung für die Zurückweisung des Verspätungseinwandes angesehen werden kann.
1.2 Die Beschwerdegegnerin stellt die Qualifikation dieses neuen Einwandes als bloßes neues Argument in Abrede und trägt vor, dass die Einspruchsabteilung zu Recht festgestellt habe, dass das Dokument D2 nicht relevant für den Ausgang der Entscheidung sei. Daraus leite sich ab, dass keine durch stichhaltige Gründe gerechtfertigte außergewöhnliche Umstände vorgelegen hätten, den während der mündlichen Verhandlung vor der Einspruchsabteilung erstmalig vorgebrachten Angriff zur erfinderischen Tätigkeit ausgehend von D5 in Kombination mit D2 zu berücksichtigen. Der neue Angriff sei daher zu Unrecht zugelassen worden. Hierzu verweist sie auf die "Rechtsprechung der Beschwerdekammern des Europäischen Patentamts", 10. Auflage 2022, Kapitel V.A.4.5.8. Dieses Kapitel betrifft negative Zulassungsentscheidungen nach Artikel 13 (2) VOBK.
1.3 Wie aus Punkt 4 der Niederschrift über die Verhandlung vor der Einspruchsabteilung hervorgeht, wurde die Zulassung des neuen Einwands mit den Verfahrensbeteiligten im Rahmen der mündlichen Verhandlung diskutiert.
1.4 Gemäß Artikel 114 (2) EPÜ braucht das Europäische Patentamt Tatsachen und Beweismittel, die von den Beteiligten verspätet vorgebracht werden, nicht zu berücksichtigen. Die Begründung der Einspruchsabteilung erweckt den Eindruck, als ob diese den neuen Einwand erfinderischer Tätigkeit ausgehend von D5 in Kombination mit D2 nicht als neuen Tatsachenvortrag ansah, da beide Dokumente innerhalb der Einspruchsfrist vorgelegt worden waren. Dies ist jedoch zu kurz gegriffen. Der bloße Umstand, dass eine Beteiligte bereits ein bestimmtes Dokument in das Verfahren eingeführt hat, bedeutet nicht, dass dessen gesamter Inhalt Teil des Vorbringens dieser Beteiligten ist und erst recht nicht die Diskussion der Kombination der Lehre dieses Dokumentes mit einem anderen Dokument. Beruft sich eine Beteiligte in ihrem weiteren Vorbringen auf andere als die bisher herangezogenen Textstellen eines solchen Dokuments, oder auf eine andere Kombination bereits eingeführter Dokumente, ist dies vielmehr regelmäßig als neues Tatsachenvorbringen zu werden. Dieser Grundsatz gilt, so wie auch Artikel 114 (2) EPÜ selbst, sowohl für das Beschwerdeverfahren (vgl. J 14/19, Gründe 1.8) als auch für das erstinstanzliche Verfahren.
1.5 Aus der Entscheidung G 4/92 ist nichts Gegenteiliges abzuleiten, da diese Entscheidung primär die Frage des rechtlichen Gehörs betrifft und darin auch keine für den gegenständlichen Fall relevanten Aussagen zu der Abgrenzung von Tatsachenvorbingen und anderem Vorbringen (zu reinen Rechtsausführungen vgl. J 14/19, Gründe 1.9.) getroffen werden. Demnach ist der Beschwerdegegnerin zuzustimmen, dass die Einspruchsabteilung den neuen Einwand erfinderischer Tätigkeit zu Unrecht nicht als neues Tatsachenvorbringen qualifiziert hat.
1.6 Hieraus folgt jedoch nur, dass die Einspruchsabteilung Ermessen hatte, den neuen Einwand erfinderischer Tätigkeit gemäß Artikel 114 (2) EPÜ nicht in das Verfahren zuzulassen, da es sich hierbei um ein Vorbringen von neuen "Tatsachen" im Sinne dieser Bestimmung handelte.
1.7 Nach Ansicht der Kammer ist die Ausübung des Ermessens einer erstinstanzlichen Abteilung auch im Rahmen einer positiven Zulassungsentscheidung einer Überprüfung im Beschwerdeverfahren nach den in G 7/93 dargelegten Grundsätzen zugänglich (siehe T 803/20, Gründe 2.4).
1.8 Bezüglich der zur Ausübung des Ermessens der Einspruchsabteilung herangezogenen Kriterien kann der angefochtenen Entscheidung entnommen werden, dass die Einspruchsabteilung das Vorbringen zum neuen Kombinationsdokument D2 entgegen dem Vortrag der Beschwerdegegnerin sehr wohl für prima facie relevant und darüber hinaus auch für wenig komplex hielt (siehe Punkt 1.1 oben).
1.9 Sowohl die prima facie Relevanz eines neuen Tatsachenvortrags als auch dessen Komplexität sind im Sinne der Entscheidung G 7/93, Gründe 2.6, richtige Kriterien für die Ausübung des Ermessens nach Artikel 114(2) EPÜ (hinsichtlich prima facie Relevanz siehe z.B. T 349/17, Gründe 1.3 und T 1965/17, Gründe 1.5; zur möglichen ergänzenden Heranziehung des Kriteriums der Komplexität siehe z.B. T 1558/19, Gründe 5.1, letzter Absatz).
Der bloße Umstand, dass die Einspruchsabteilung den neuen Einwand nach detaillierter Diskussion letztendlich nicht als überzeugend erachtete (siehe Punkt II.3.1.3 der angefochtenen Entscheidung), begründet keine ermessensfehlerhafte Entscheidung über dessen Zulassung. Vielmehr liegt es im Wesen einer prima facie Einschätzung, dass sich diese nach vollständiger Prüfung in der Sache ändern kann.
1.10 Der Hinweis der Beschwerdegegnerin auf die Rechtsprechung zu Artikel 13 (2) VOBK ist nicht zielführend. Die Verfahrensordnung der Beschwerdekammern ist - wie schon im Titel zum Ausdruck gebracht - in ihrem Anwendungsbereich auf die Beschwerdekammern beschränkt (siehe hierzu auch Artikel 23 VOBK). Darüber hinaus betrifft die Rechtsprechung zu Artikel 13 (2) VOBK die dritte und letzte - und damit strengste - Stufe des Konvergenzansatzes im Beschwerdeverfahren. Diese Rechtsprechung kann noch nicht einmal innerhalb des Beschwerdeverfahrens auf die erste und zweite Stufe des Konvergenzansatzes übertragen werden. Umso weniger ist eine Übertragung auf das dem Beschwerdeverfahren gänzlich vorgelagerte erstinstanzliche Verfahren möglich. Letzteres würde auch dem Grundsatz widersprechen, dass der Ermittlung von Amts wegen im erstinstanzliches Verfahren ein stärkeres Gewicht als im Beschwerdeverfahren zukommt (siehe T 1776/18, Gründe 4.6.9, mit Verweis auf G 10/91, Gründe 18).
1.11 Ein von der Kammer aufzugreifender Ermessensfehler liegt daher nicht vor.
1.12 Der Einwand mangelnder erfinderischer Tätigkeit ausgehend von Dokument D5 in Kombination mit Dokument D2 liegt der angefochtenen Entscheidung im Sinne von Artikel 12 (2) VOBK zu Grunde. Daher kommt der Kammer kein eigenes Ermessen nach Artikel 12(4) VOBK zu, diesen Einwand im Beschwerdeverfahren nicht zu berücksichtigen.
2. Erfinderische Tätigkeit
2.1 Offenbarung von D5
D5 zeigt in Figur 2 eine Produktionsanlage, die in einem Endlos-Betriebsmodus betreibbar ist (siehe Anspruch 1) und in Reihe geschaltet folgende Anlagenbestandteile umfasst:
- eine Dünnbrammenstranggießanlage (11),
- einen Rollenherdofen (15)
- eine Walzstraße (18, 21)
- Haspelanlage (24).
Das vorletzte Modul 115a des Rollenherdofens ist seitlich beweglich (siehe Absatz [0069]).
Gemäß Absatz [0069], Satz 1, von D5 kann dieses vorletzte Modul dazu dienen, die Bramme auf eine zweite, parallele Linie zu bringen. In einer weiteren Ausführungsform kann das Modul 115a dazu dienen, mehrere Brammenabschnitte vorübergehend in einer Position außerhalb der Linie unterzubringen, z.B. bei Verstopfungen, Walzenwechsel oder Wartung, siehe Absatz [0069], Satz 2, von D5.
Die Walzstraße enthält eine erste Gerüstgruppe (18a, 18b) und eine dazu beabstandete zweite Gerüstgruppe (21a-d) mit einer zwischen erster und zweiter Gerüstgruppe angeordneten Induktionsheizung (20).
Zudem weist die Anlage von D5 folgende Brammen- oder Bandtrenneinrichtungen auf:
- eine Pendelschere ("pendulum shears 14") in
Brammeneinlaufrichtung einlaufseitig vor dem Rollenherdofen.
- eine Brennschneidvorrichtung ("oxyacetylene cutting
device 16") in Brammenauslaufrichtung auslaufseitig nach dem Rollenherdofen und vor der ersten Gerüstgruppe der Walzstraße.
- eine Bandschere ("crop shear 19") in
Bandlaufrichtung auslaufseitig der ersten Gerüstgruppe der Walzstraße vor dem Einlauf in die Heizeinrichtung.
Diese Trenneinrichtungen von D5 entsprechen den in Anspruch 1 des Patents definierten ersten, zweiten und vierten Brammen - oder Bandtrenneinrichtungen.
2.2 Unterscheidungsmerkmale
2.2.1 Die Beschwerdegegnerin vertritt die Auffassung, dass das Merkmal "der Auslaufseite des Rollenherdofens ein seitlich zum Rollenherdofen angeordnetes Ofenfährensystem zugeordnet ist" nicht im Dokument D5 verwirklicht sei, weil dort ein Segment des Ofens verfahren werde, welches somit kein seitlich zum Rollenherdofen angeordnetes separates und eigenständiges Ofenfährensystem gemäß Anspruch 1 darstelle.
Die Beschwerdekammer teilt diese Einschätzung, dass in D5 für keine der beiden in Absatz [0069] beschriebenen Ausführungsformen eine seitlich im Auslaufbereich des Rollenherdofens angeordneten Ofenfähre eindeutig offenbart ist. Insbesondere für die in Anspruch 1 definierte dritte Brammen- oder Bandtrenneinrichtung ist eine Ofenfähre ein notwendiger Bezugspunkt ("Längserstreckung einer Ofenfähre [...] entsprechenden Längenabschnitt").
2.2.2 Die Beschwerdeführerin argumentiert in Anlehnung an Punkt II.3.1.1. der angefochtenen Entscheidung, dass sich der Gegenstand von Anspruch 1 von der Produktionsanlage gemäß D5 dadurch unterscheide, dass
a) im auslaufseitigen Bereich des Rollenherdofens
b) eine als Brennschneidvorrichtung ausgebildete
dritte Brammen- oder Bandtrenneinrichtung angeordnet ist,
c) wobei diese Bandtrenneinrichtung vor einem
Abschnitt des Rollenherdofens angeordnet ist, der der Längserstreckung der Ofenfähre des Ofenfährensystems entspricht.
2.3 Objektive technische Aufgabe
Die Beschwerdeführerin sieht die durch die Unterscheidungsmerkmale zu lösende Aufgabe darin, eine Produktionsanlage bereitzustellen, bei der ein Bandsegment bei einer Störung der Walzstraße und insbesondere des Ofens aus der Walzstraße entfernt werden kann, um eine Pufferzone zu schaffen (siehe den die Seiten 4 und 5 überbrückenden Absatz der Beschwerdebegründung).
Diese Aufgabenstellung ist überzeugend. Sie entspricht im Wesentlichen der von der Einspruchsabteilung formulierten Aufgabe:
"eine Lösung zu schaffen, die es ermöglicht, bei einer im Endlosbetrieb betreibbaren Dünnbrammenstranggießanlage im Falle eines einen Stillstand des Brammen- oder Bandtransportes verursachenden Störfalls in der ersten oder zweiten Gerüstgruppe der Walzanlage eine Brammenpufferkapazität bereitzustellen."
2.4 Die Kammer ist, wie im Folgenden dargelegt, der Ansicht, dass es ausgehend von D5 unter Berücksichtigung von D2, D6 oder D8 nicht naheliegend ist, vor dem Ofenabschnitt 115a von D5 eine als Brennschneidvorrichtung ausgebildete Brammen- oder Bandtrenneinrichtung vorzusehen, um eine Pufferzone (= Brammenpufferkapazität) zu schaffen.
2.5 D5 in Kombination mit D2
2.5.1 Die Beschwerdeführerin argumentiert, dass D2 einer Fachperson die Lösung der zugrundeliegenden Aufgabe ausgehend von D5 liefere, denn D2 lege nahe, dass eine Brennschneidvorrichtung innerhalb eines Ofens so platziert werden könne, dass die Länge des geschnittenen Strangs mit der Größe der Austragvorrichtung korreliere.
Diese Argumentation überzeugt nicht.
2.5.2 D2 offenbart eine Vorrichtung, die sich maßgeblich von der Anlage in D5 unterscheidet. So hat der vor den Gerüstgruppen (5) und (17 - 18) angeordnete und mit dem Rollenherdofen (15) der D5 vergleichbare Ofen (4) der D2 weder eine Bandtrenneinrichtung, noch ist ihm ein Ofenfährensystem seitlich zugeordnet.
Konfrontiert mit der Problemstellung in Bezug auf den Rollenherdofen der in D5 beschriebenen Produktionsanlage gelangt man daher auch in der Zusammenschau der Dokumente D5 und D2 nicht zum Gegenstand von Anspruch 1.
2.5.3 Selbst wenn eine Fachperson die Lehre von D2 nichtsdestotrotz in Betracht ziehen würde, weist sie D2 nicht zum Gegenstand von Anspruch 1.
Die von der Beschwerdeführerin adressierte Trenneinrichtung (28) ist für den Ofen (15) der D2 vorgesehen, welcher sich zwischen der ersten Gerüstgruppe (5) und der zweiten Gerüstgruppe (17 - 21) befindet. An dieser Position ist gemäß D5 jedoch die Pendelschere (19) mit dem Ofen (20) angeordnet, siehe Figur 2 von D5. Somit würde eine Fachperson, selbst wenn sie ohne erkennbare Motivation dafür die Trenneinrichtungen (28) gemäß D2 bei der Anlage der D5 vorsehen würde, diese nicht im Ofen (15) sondern im Ofen (20) der D5 anordnen und somit nicht zum Gegenstand von Anspruch 1 gelangen.
2.5.4 Der Gegenstand von Anspruch 1 ist mithin ausgehend von D5 auch unter Berücksichtigung von D2 nicht naheliegend.
2.6 D5 in Kombination mit D6
2.6.1 Die Beschwerdeführerin argumentiert, dass eine Fachperson ausgehend von D5 die Lehre von D6 in Betracht ziehen würde, um einen alternativen Weg zur Erzielung einer Bramme mit geeigneter Länge bereitzustellen. Eine Fachperson würde aus Figur 3 ableiten, dass sich eine Brennschneidvorrichtung dafür eigne.
Diese Argumentation ist nicht überzeugend.
2.6.2 D6 offenbart in den Figuren 1 bis 3 verschiedene Ausgestaltungsvarianten einer Produktionsanlage zur Herstellung langer Metallprodukte. Die in Figur 3 dargestellte Anlage dient jedoch nicht der Herstellung von Dünnbrammen-Dünnblech wie die Anlage von D5, sondern von Knüppeln ("billet"), siehe Absatz [0093] von D6, die dann einem Walzwerk zugeführt werden. Aufgrund der Unterschiede zwischen Knüppeln und Dünnbrammen-Dünnblech ist auch der Aufbau der Produktionsanlage völlig anders als der Aufbau der Anlage von D5.
Ausgehend von D5 und konfrontiert mit der objektiv zu lösenden Aufgabe würde die Fachperson die Lehre von D6 daher nicht berücksichtigen.
2.6.3 Selbst wenn die Fachperson D6 in Betracht ziehen sollte, führt D6 ausgehend von D5 auch nicht zum Gegenstand von Anspruch 1. Zwar wird in Figur 3 von D6 dargestellt, dass in der Anlage nach D6 die Brennschneidvorrichtungen 21a-c eingesetzt werden können, die dazu dienen, die Metallknüppel ("billet") auf eine geeignete Länge zu kürzen, so dass diese in einen Kastenofen ("box furnace 14") eingeschoben werden können, siehe Absatz [0090].
Bei diesem Kastenofen handelt es sich aber nicht um einen Rollenherdofen in der Produktionslinie, sondern um einen seitlich vorhandenen weiteren Ofen, in den Teilstücke im Fall einer Störung eingeschoben werden können, siehe Absatz [0096]:
"the segment of billet comprised between the torches 2la and 2lb is the first to be thrust by the thrust heads 30 through the front door 22 inside the box furnace 14"
D6 offenbart auch keine Anordnung, bei der eine Brennschneidvorrichtung zwischen zwei Längsabschnitten eines Rollenherdofens zum Einsatz gelangt.
D6 adressiert mithin weder die zugrundeliegende Aufgabe, noch zeigt es eine Ausgestaltung einer Anlage, die der Fachperson unmittelbar den Weg zum Gegenstand des Anspruchs 1 weist.
Es ist folglich festzustellen, dass D6 der Fachperson keine Motivation liefert, die in D6 offenbarten Brennschneidvorrichtungen für Knüppel zwischen einzelnen Modulen eines Rollenherdofens in der Dünnbrammen-Dünnband-Anlage von D5 einzusetzen, um eine Pufferzone zu schaffen.
Der Gegenstand von Anspruch 1 ist daher ausgehend von D5 selbst unter Berücksichtigung von D6 nicht naheliegend.
2.7 D5 in Kombination mit D8
2.7.1 Die Beschwerdeführerin argumentiert, dass D8 einer Fachperson die Lösung der zugrundeliegenden Aufgabe ausgehend von D5 liefere, nämlich den Einsatz von Trennvorrichtungen zwischen einzelnen Ofensegmenten, siehe die Trennvorrichtungen ("shears" 17a, 17b und 17c) in Figur 1 von D8. Eine weitere Ausgestaltung der Trennvorrichtung in Form einer Brennschneidvorrichtung liege für die Fachperson zudem auf der Hand.
Diese Argumentation überzeugt ebenfalls nicht.
2.7.2 D8 adressiert wie auch bereits D6 keine Dünnbrammen-Dünnblech-Anlage mit einem Rollenherdofen gemäß D5 sondern eine Anlage zur Herstellung von Knüppeln ("billets") und Barren ("bloom") (siehe Spalte 1, Zeile 11, Spalte 2, Zeile 22-16 und Spalte 4, Zeilen 7 - 46), die neben elektromagnetischen Rührern (15a, 15b) isolierte Hauben ("insulated hoods 22a, 22b") aufweist. Diese Hauben sollen einen Temperaturverlust der Knüppel aufgrund der langsamen Gießgeschwindigkeit verhindern, siehe Spalte 4, Zeilen 54 bis 58. Aufgrund der unterschiedlichen Zielsetzung der in D5 und D8 beschriebenen Anlagentypen besteht für eine Fachperson keine Veranlassung, die Lehre beider Dokumente zu kombinieren.
2.7.3 D8 offenbart zudem auch keine Anordnung, bei der eine Brennschneidvorrichtung zwischen zwei Segmenten eines Rollenherdofens zum Einsatz gelangt.
Es ist folglich festzustellen, dass D8 der Fachperson keine Motivation liefert, die in D8 offenbarten Bandtrennvorrichtungen zwischen einzelnen Modulen eines Rollenherdofens in der Dünnbrammen-Dünnband-Anlage von D5 einzusetzen, um eine Pufferzone zu schaffen.
D8 adressiert mithin weder die zugrundeliegende Aufgabe, noch zeigt es eine Ausgestaltung einer Anlage, die der Fachperson unmittelbar den Weg zum Gegenstand des Anspruchs 1 weist.
2.7.4 Im Übrigen erfüllt die von der Beschwerdeführerin als naheliegend propagierte Ausführungsform durch die Kombination von D5 mit D8 noch nicht einmal die Anforderungen nach Anspruch 1, denn D8 offenbart keine Brennschneidvorrichtungen.
Die weitere Argumentation der Beschwerdeführerin, wonach eine Fachperson zusätzlich auch die in D8 beschriebene Bandtrennvorrichtung modifizieren würde, beruht auf einer unzulässigen rückschauenden Betrachtungsweise, denn D8 liefert dazu keine Lehre.
2.7.5 Der Gegenstand von Anspruch 1 ist daher ausgehend von D5 unter Berücksichtigung von D8 nicht naheliegend.
2.8 Die obigen Ausführungen zu Anspruch 1 gelten gleichermaßen für Anspruch 3 und die weiteren abhängigen Ansprüche wie erteilt.
3. Zusammenfassend kommt die Kammer mithin zu dem Schluss, dass auch im Lichte der Argumente der Beschwerdeführerin keine Zweifel an der Richtigkeit der angefochtenen Entscheidung der Einspruchsabteilung aufkommen.
Die Beschwerde hat somit keinen Erfolg.
Aus diesen Gründen wird entschieden:
Die Beschwerde wird zurückgewiesen.