T 1966/22 18-10-2024
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VERFAHREN ZUR ANALYSE VON FEHLERURSACHEN BEIM STRANGGIESSEN
Hauptantrag - Neuheit (nein)
Hilfsantrag 1 - Neuheit (ja)
Änderungen nach Ladung
Änderungen - außergewöhnliche Umstände (nein)
Änderungen - zugelassen (nein)
I. Die Patentinhaberin legte form- und fristgerecht Beschwerde gegen die Entscheidung der Einspruchsabteilung ein, mit der das europäische Patent Nr. 3 488 948 widerrufen wurde.
II. Mit Mitteilung gemäß Artikel 15 (1) VOBK vom 17. Juni 2024 teilte die Beschwerdekammer den Beteiligten ihre vorläufige Beurteilung der Sach- und Rechtslage mit, derzufolge die Beschwerde teilweise erfolgreich sein dürfte, d. h. das Patent in geänderter Fassung auf der Basis des Anspruchssatzes gemäß Hilfsantrag 1 aufrechtzuerhalten wäre.
Zu dieser Mitteilung der Kammer nahm keine der Beteiligten schriftsätzlich inhaltlich Stellung.
III. Am 18. Oktober 2024 fand die mündliche Verhandlung vor der Kammer statt. Wegen der Einzelheiten des Verlaufs der mündlichen Verhandlung wird auf das Protokoll verwiesen. Die Entscheidung wurde am Schluss der Verhandlung verkündet.
IV. Die Patentinhaberin (Beschwerdeführerin) beantragte
die Aufhebung der angefochtenen Entscheidung und die Aufrechterhaltung des Patents in erteilter Fassung (Hauptantrag),
oder hilfsweise,
die Aufrechterhaltung des Patents in geänderter Fassung auf der Basis eines der Anspruchssätze gemäß Hilfsanträgen 1 bis 4,
wobei der Hauptantrag sowie die Hilfsanträge 1 bis 4 Gegenstand der angefochtenen Entscheidung waren,
und die Hilfsanträge 1 bis 4 erstmals im Einspruchsverfahren mit Schriftsatz vom 10. März 2022 und erneut mit der Beschwerdebegründung eingereicht wurden.
V. Die Einsprechende (Beschwerdegegnerin) beantragte
die Zurückweisung der Beschwerde.
VI. Diese Entscheidung stützt sich auf folgende Dokumente:
D6: B. Patrick et al: "Crack prevention in continuous
casting", 1998;
D7: Lifeng Zhang et al: "Control of Transverse Corner
Cracks on Low-Carbon Steel Slabs", JOM, Vol. 66,
No. 9, 2014, DOI: 10.1007/s11837-014-1112-y, Seiten
1711 bis 1720;
D10: Michael Riedler: "Thermische Abbildung einer
Stranggießanlage für große Rundformate und
Verifizierung der Modellergebnisse", Masterarbeit,
2012.
VII. Anspruch 1 des Patents in erteilter Fassung gemäß Hauptantrag lautet (Merkmalsgliederung entsprechend Punkt I.8 der angefochtenen Entscheidung eingefügt):
"M1.1) Verfahren zur Ursachenbestimmung von Gießfehlern
bei in einer Stranggießanlage (100) gegossenen
Produkten (S), insbesondere Brammen aus Stahl, das
aufweist:
M1.2) a) Feststellen eines Fehlers (r1 - r10) in einem
stranggegossenen Produkt (S);
M1.3) b) Ermitteln von Prozessparametern, unter denen
das Produkt (S) gegossen wurde;
M1.4) c) Nachrechnen des Gusses gemäß den
Prozessparametern mit einem Simulationsmodell;
M1.5) d) Ermitteln einer oder mehrerer Positionen in
der Stranggießanlage (100), an denen der Fehler
(r1-r10) wahrscheinlich entstanden ist, aus einer
Verknüpfung eines im Schritt c) gewonnenen
Simulationsergebnisses mit Eigenschaften des im
Schritt a) aufgefundenen Fehlers."
VIII. Im Anspruch 1 gemäß Hilfsantrag 1 ist gegenüber Anspruch 1 gemäß Hauptantrag das folgende Merkmal M1.6 angefügt:
"M1.6) wobei im Schritt c) der Erstarrungsverlauf
und/oder die Lage der Sumpfspitze (6) und/oder der
Heißriss empfindliche Temperaturbereich (Brittle
Temperature Range) und/oder die Duktilität ermittelt
werden."
IX. Im Hinblick auf die Entscheidung der Kammer ist eine Wiedergabe des Wortlauts der Hilfsanträge 2 bis 4 nicht erforderlich.
X. Das entscheidungserhebliche Vorbringen der Parteien wird im Detail in den Entscheidungsgründen diskutiert.
1. Hauptantrag (Patent wie erteilt) - Neuheit gegenüber D7
1.1 Die Beschwerdeführerin wandte sich gegen die Feststellungen unter Punkt II.2.3 der Gründe der angefochtenen Entscheidung, dass die Offenbarung von D7 neuheitsschädlich für den Gegenstand von Anspruch 1 sei, und argumentierte, dass D7 die Merkmale M1.3 bis M1.5 von Anspruch 1 nicht zeige.
1.1.1 Laut der Beschwerdeführerin enthalte D7 keinen Hinweis, dass die in den Tabellen II und III angegebenen Randbedingungen der Modellrechnung den Prozessparametern eines konkreten fehlerhaften Gusses entsprächen. Vielmehr scheine es sich zumindest teilweise um einen Satz typischer oder standardisierter Parameter zu handeln (D7, Seite 1717, linke Spalte, zweiter Absatz). Die Modellrechnung erfolge mit Prozessparametern, die als "standard spray conditions" bezeichnet seien und somit einen generischen, unspezifischen Guss beträfen. Die Modellrechnung sei daher nicht mit Prozessparametern durchgeführt worden, unter denen ein fehlerhaftes Produkt zuvor gegossen worden war.
D7 entwickele ein Modell zur Berechnung von Temperaturverteilungen im Strang. Die Validierung des Modells erfolge durch Vergleich zwischen einer modellierten Temperaturverteilung und Messdaten (D7, Seite 1717, rechte Spalte). Allerdings enthalte D7 entgegen Merkmal M1.3 in Verbindung mit Merkmal M1.2 keine Verknüpfung der Prozessparameter zur Validierung des Modells mit Prozessparametern, unter denen eine konkrete fehlerhafte Probe gegossen worden sei. In D7 gehe es um eine allgemeine Validierung des Modells, nicht jedoch um das Nachrechnen eines konkreten, fehlerhaften Gusses.
Somit seien die Merkmale M1.3 und M1.4 nicht aus D7 bekannt.
1.1.2 Ferner sei nach Ansicht der Beschwerdeführerin nicht ersichtlich, wodurch die Verknüpfung von Ergebnissen der Modellrechnung mit Eigenschaften des Fehlers eines fehlerhaften Produkts, um den Entstehungsort des Fehlers zu lokalisieren, offenbart sein könne. Denn der Fehlertyp spiele für die Lokalisierung seiner Entstehung keine Rolle. Der Grund für die Rissbildung werde in der Spannungskonzentration durch eine Ferritphase gesehen, die wiederum aus dem berechneten Temperaturprofil unter Zuhilfenahme von Tabellen zur Gefügeentwicklung bei unterschiedlichen Zeit-Temperaturverläufen ermittelt worden seien (D7, Seite 1717, rechte Spalte). Eigenschaften eines zuvor im Guss festgestellten Fehlers spielten somit für die Lokalisierung seines Entstehungsorts keine Rolle. Vielmehr erfolge die Lokalisierung allein aus dem simulierten Temperaturprofil.
Voraussetzung für eine solche Verknüpfung sei ferner, dass prinzipiell Fehler unterschiedlicher Eigenschaften im Schritt a) auffindbar seien. Dies sei nach D7 nicht gegeben, da ausschließlich Proben ausgewählt worden seien, die den konkreten Fehler von Eckrissen aufwiesen.
Die modellierte Temperaturverteilung gebe durch Vergleich mit dem TTT-Diagramm einen Hinweis, wo Risse mit erhöhter Wahrscheinlichkeit aufträten. Die modellierte Temperaturverteilung werde jedoch nicht mit Eigenschaften des Fehlers eines konkreten gegossenen Produkts verknüpft.
Somit sei das Merkmal M1.5 aus D7 nicht bekannt.
1.2 Die Kammer ist von der Argumentation der Beschwerdeführerin nicht überzeugt und folgt den Entscheidungsgründen sowie der Beschwerdegegnerin.
1.2.1 D7 ist ein wissenschaftliches Paper, das sich mit dem Entstehungsmechanismus von Quereckenrissen an einer kohlenstoffarmen Stahlstranggussbramme beschäftigt. Die Faktoren, die die Quereckenrisse beeinflussen, werden diskutiert (vgl. Seite 1711, erster Absatz). In D7 wurden Praxisbeispiele von fehlerhaftem Strangguss verglichen, die Duktilität (Wärmedehnbarkeit) von Materialproben getestet, und es erfolgte eine Modellierung des Verfahrens hinsichtlich Wärmeübertragung und Verfestigung beim Stranggießen zur Untersuchung der Rissbildungsursachen. Das zweite Kühlschema wurde daraufhin optimiert, um die Bildung von Eckrissen zu vermeiden.
1.2.2 Die Eckrisse in D7 (siehe die Mikrographien in Figuren 1a, 2, 3; M1.2) stellen ein spezifisches Beispiel eines Fehlers gemäß Schritt a) dar. Entgegen der Meinung der Beschwerdeführerin sind Fehler unterschiedlicher Eigenschaften im Schritt a) von Anspruch 1 weder definiert, noch werden diese aus einer Verknüpfung eines Simulationsergebnisses mit Eigenschaften des Fehlers nach Merkmal M1.5 gefordert.
1.2.3 Auf Proben der Stahlzusammenstellung nach Tabelle I von D7 wurden Wärmdehnbarkeitsprüfungen ("hot ductility test") ausgeführt (D7, Seite 1711, erster Absatz; Seite 1712, rechte Spalte). Aus den Ergebnisse konnte die Ar3 Temperatur dieses Stahls bestimmt werden, die als die kritische Temperatur für die Generierung bzw. Eliminierung von Eckrissen angemerkt ist (Seite 1714, linke Spalte, erster Absatz). Aufgrund der Ergebnisse der Wärmdehnbarkeitsprüfungen war es notwendig, den Temperaturübergang an der Brammenecke während des Stranggussverfahrens zu untersuchen. Da die Temperatur über die Zeit schwankte und schwer zu messen war, wurde eine numerische Simulation verwendet, um die Temperaturschwankungen während des Stranggussverfahrens zu untersuchen (siehe den die Seiten 1714 bis 1715 überbrückenden Absatz).
Eine Simulation dient entsprechend der Argumentation der Beschwerdegegnerin dazu, eine konkrete Situation mithilfe eines Berechnungsmodells nachzubilden. Die konkrete Situation ist der Temperaturverlauf einer Bramme, um mögliche Fehlerursachen zu finden. Das in D7 erstellte Modell wurde mit gemessenen Werten verglichen und überprüft, ob dieses Modell richtige Ergebnisse liefert. Für diese Validierung wurden als Eingangsparameter die "standard spray conditions" verwendet (Seite 1717 "Model Validation"). In der Tabelle IV sind die Ergebnisse mit den gemessenen Ergebnissen verglichen.
Eine Validierung des Modells mit Parametern, die nicht denen entsprechen, mit denen die Bramme gegossen wurde, wäre in einem wissenschaftlichen Paper wie D7 nicht als Vergleich von Messungen mit dem Ergebnis einer Simulation zu verstehen. Denn eine Simulation bildet etwas nach. Hingegen ergäbe ein Simulationsmodell ohne die Parameter, mit denen das fehlerhafte Produkt gegossen wurde, vorliegend keinen Sinn. Denn es ist Sinn und Zweck eines Simulationsmodells herauszufinden, wie sich die verwendeten Parameter auf das Produkt auswirken.
Somit entnimmt die Fachperson aus D7 unmittelbar und eindeutig, dass die für die Simulation herangezogenen Prozessparameter in den Tabellen II und III den Prozessparametern des fehlerhaften Stranggusses entsprechen. Die Tabellen II und III zeigen daher Merkmal M1.3.
1.2.4 Da die "standard spray conditions" zur Validierung des Simulationsmodells entgegen der Meinung der Beschwerdeführerin eindeutig als Bedingungen zu verstehen sind, unter denen die untersuchten Proben erhalten wurden, beschreibt die Modellierung nach D7 auch das Nachrechnen eines fehlerhaften Gusses gemäß M1.4.
1.2.5 Die in den Figuren 11 und 12 von D7 gezeigte und als kritisch für Eckrisse angemerkte Ar3-Temperatur ist diejenige, die für die Proben der Wärmdehnbarkeitsprüfungen bestimmt worden war. Mittels des Temperaturverlaufs des Simulationsmodells können die Positionen in der Stranggießanlage, an denen der Fehler (Eckrisse, siehe Mikrographien Figuren 1a, 2, 3) wahrscheinlich entstanden ist, ermittelt werden (siehe auch Figur 10). Dass die Art und der Ort des Fehlers berücksichtigt werden, ergibt sich eindeutig daraus, dass die Simulation der Temperatur genau in dem Bereich erfolgt, in dem die Fehler ("transverse corner cracks") auftreten.
Somit werden in D7 die Simulationsergebnisse basierend auf den tatsächlichen Prozessdaten mit Eigenschaften des Fehlers, wie Art (Riss) und Lage (Eckriss) des Fehlers, gemäß Merkmal M1.5 verknüpft.
1.3 Die Offenbarung von D7 ist daher neuheitsschädlich für den Gegenstand von Anspruch 1.
Der Einspruchsgrund mangelnder Neuheit nach Artikel 100 a) EPÜ steht der Aufrechterhaltung des Patents in erteilter Fassung entgegen.
2. Hilfsantrag 1
2.1 Zulassung in das Verfahren einer Argumentation basierend auf D10
2.1.1 Während der mündlichen Verhandlung vor der Kammer verwies die Beschwerdegegnerin im Rahmen der Diskussion zur Neuheit erstmals auf D10 als Beleg des allgemeinen Fachwissens, d. h. nach Zustellung der Mitteilung nach Artikel 15 (1) VOBK.
2.1.2 Somit liegt eine Änderung des Beschwerdevorbringens der Beschwerdegegnerin vor, deren Berücksichtigung im Verfahren den Erfordernissen nach Artikel 13 (2) VOBK unterliegt.
2.1.3 Nach Artikel 13 (2) VOBK bleiben Änderungen des Beschwerdevorbringens nach Zustellung einer Mitteilung nach Artikel 15 (1) VOBK grundsätzlich unberücksichtigt, es sei denn, der betreffende Beteiligte hat stichhaltige Gründe dafür aufgezeigt, dass außergewöhnliche Umstände vorliegen.
2.1.4 Die Beschwerdegegnerin brachte vor, dass der Verweis auf D10 zum Beleg und zur Untermauerung des allgemeinen Fachwissen diene. Der Vortrag zu D10 sei im Hinblick auf die Diskussion mangelnder Neuheit auch nicht als komplex anzusehen.
2.1.5 Die Kammer stellt entsprechend der Reaktion der Beschwerdeführerin während der mündlichen Verhandlung fest, dass die Beschwerdegegnerin keinerlei Grund vortrug, dass außergewöhnliche Umstände vorlägen, jedenfalls keinen stichhaltigen Grund, der nach Artikel 13 (2) VOBK eine Änderung des Vorbringens in diesem späten Stadium des Verfahrens, d. h. nach Zustellung der Mitteilung nach Artikel 15 (1) VOBK, rechtfertigte.
2.1.6 Daher bleibt die Argumentation basierend auf D10 als Beleg des allgemeinen Fachwissens nach Artikel 13 (2) VOBK im Beschwerdeverfahren unberücksichtigt.
2.2 Neuheit gegenüber D6
2.2.1 Die Beschwerdeführerin bemängelte die Feststellungen unter Punkt II.3.3.2 der Gründe der angefochtenen Entscheidung, dass die Offenbarung von D6 neuheitsschädlich für den Gegenstand von Anspruch 1 sei, und argumentierte insbesondere, dass D6 das Merkmal M1.6 von Anspruch 1 nicht zeige.
2.2.2 Die Einspruchsabteilung sah das Merkmal M1.6 in Punkt 2.4.2, dritter Absatz, von D6 als offenbart an, in dem auf das "one-dimensional strand solidification model" zur Berechnung der Schalendicke und der Oberflächentemperatur auf Basis der Stranggießdaten verwiesen werde, weil die Schalendicke in Beziehung mit dem Erstarrungsverlauf und/oder der Lage der Sumpfspitze stehe.
2.2.3 Die Beschwerdegegnerin brachte zur Offenbarung dieses Merkmals in D6 schriftsätzlich lediglich vor, dass nach D6 der Erstarrungsverlauf für die Feststellung von Innenrissen herangezogen werde. Der Fehler werde mit sulphur prints gefunden und die Strangschale und die Oberflächentemperatur würden berechnet an dem Punkt, an dem der Fehler festgestellt worden sei (D6, Seite 28, dritter Absatz: "at that point"). Somit sei die Verknüpfung von Eigenschaften des Fehlers und Simulationsmodel eindeutig und unmissverständlich gezeigt.
Während der mündlichen Verhandlung vor der Kammer argumentierte die Beschwerdegegnerin weiter, dass der Erstarrungsverlauf nach Merkmal M1.6 im Streitpatent nicht definiert sei. Daher zöge die Fachperson das allgemeine Fachwissen heran, um zu wissen, was unter dem Erstarrungsverlauf zu verstehen sei. Aufgrund des allgemeinen Fachwissens ergebe sich eine explizite Offenbarung des Erstarrungsverlaufs in D6.
2.2.4 Die Kammer ist von dem Vorbringen der Beschwerdegegnerin nicht überzeugt, dass D6 das Merkmal M1.6 zeigt, und folgt entgegen der angefochtenen Entscheidung der Beschwerdeführerin, dass die Offenbarung eines Merkmals nicht allein dadurch verwirklicht ist, dass es in einer Beziehung zu einem anderen Merkmal steht.
Zudem ist das von der Beschwerdegegnerin behauptete allgemeine Fachwissen unbelegt, wonach die Fachperson aus der Offenbarung des "one-dimensional strand solidification model" zur Berechnung der Strangschalendicke und Oberflächentemperatur nach D6 eine explizite Offenbarung des Erstarrungsverlaufs entnehme.
Entgegen der angefochtenen Entscheidung ist vielmehr festzustellen, dass D6 nicht eindeutig und unmittelbar offenbart, dass bei einem Nachrechnen des Gusses gemäß den Prozessparametern mit einem Simulationsmodell ein Erstarrungsverlauf und/oder eine Lage der Sumpfspitze zwingend ermittelt werden.
2.2.5 Der Gegenstand von Anspruch 1 gemäß Hilfsantrag 1 ist somit neu gegenüber der Offenbarung von D6.
2.3 Zulassung in das Verfahren eines Einwands mangelnder erfinderischer Tätigkeit
2.3.1 Wie unter Punkt 6.3 der Mitteilung nach Artikel 15 (1) VOBK der Kammer ausgeführt, erhob die Beschwerdegegnerin unter Punkt V ihrer Beschwerdeerwiderung unspezifisch und allgemein formulierte Einwände mangelnder erfinderischer Tätigkeit ausgehend von D6 oder D7.
Dieser Vortrag der Beschwerdegegnerin unter der Überschrift "V Zur Mangelnden erfinderischen Tätigkeit:" genügt dem Erfordernis einer ausreichenden Substantiierung allerdings nicht, da lediglich angeführt wird, warum einzelne Anspruchsmerkmale in D6 bzw. D7 offenbart sein sollen. Es werden weder Unterscheidungsmerkmale identifiziert noch wird eine objektive technische Aufgabe formuliert. Auch gibt es keinen Vortrag darüber, warum die erfindungsgemäße Lösung naheliegend sein soll. Auf der Basis dieses Vortrags ist in keiner Weise ersichtlich, warum der Gegenstand von Anspruch 1 des Hauptantrags und der Hilfsanträge nicht auf einer erfinderischen Tätigkeit beruhen soll. Auch kann weder die Beschwerdeführerin inhaltlich auf den Vortrag reagieren, noch ist die Kammer in der Lage, ihn zu beurteilen.
Diese Einwände sind daher, auch im Einklang mit dem Vorbringen der Beschwerdeführerin während der mündlichen Verhandlung vor der Kammer, als unsubstantiiert anzusehen.
2.3.2 Während der mündlichen Verhandlung vor der Kammer erhob die Beschwerdegegnerin zum ersten Mal einen Einwand mangelnder erfinderischer Tätigkeit des Gegenstands von Anspruch 1 gemäß Hilfsantrag 1 ausgehend von D6 in Verbindung mit dem allgemeinen Fachwissen, d. h. nach Zustellung der Mitteilung nach Artikel 15 (1) VOBK.
2.3.3 Aufgrund der oben unter Punkt 2.3.1 dargelegten mangelnden Substantiierung von Einwänden mangelnder erfinderischer Tätigkeit, ist der während der mündlichen Verhandlung vor der Kammer erstmals vorgebrachte Einwand mangelnder erfinderischer Tätigkeit des Gegenstands von Anspruch 1 ausgehend von D6 in Kombination mit dem allgemeinen Fachwissen als eine Änderung des Beschwerdevorbringens der Beschwerdegegnerin zu betrachten, deren Berücksichtigung im Verfahren den Erfordernissen nach Artikel 13 (2) VOBK unterliegt.
2.3.4 Die Kammer stellt entsprechend dem Vorbringen der Beschwerdeführerin während der mündlichen Verhandlung fest, dass die Beschwerdegegnerin keinerlei Grund vortrug, dass außergewöhnliche Umstände vorlägen, der nach Artikel 13 (2) VOBK eine Änderung des Vorbringens in diesem späten Stadium des Verfahrens, d. h. nach Zustellung der Mitteilung nach Artikel 15 (1) VOBK, rechtfertigte.
2.3.5 Daher bleibt der Einwand mangelnder erfinderischer Tätigkeit des Gegenstands von Anspruch 1 gemäß Hilfsantrag 1 ausgehend von D6 in Verbindung mit dem allgemeinen Fachwissen nach Artikel 13 (2) VOBK im Beschwerdeverfahren unberücksichtigt.
2.4 Die Beschwerdegegnerin erhob keinen weiteren zulässigen Einwand als den oben unter Punkt 2.2 angegebenen mangelnder Neuheit gegenüber D6 gegen den Hilfsantrag 1.
3. Schlussfolgerung
Die Beschwerdeführerin hat in überzeugender Weise die Unrichtigkeit der angefochtenen Entscheidung zur mangelnden Neuheit des Gegenstands von Anspruch 1 gemäß Hilfsantrag 1 dargelegt.
Aus diesen Gründen wird entschieden:
1. Die angefochtene Entscheidung wird aufgehoben.
2. Die Angelegenheit wird an die Einspruchsabteilung mit der Anordnung zurückverwiesen, ein Patent mit folgenden Ansprüchen und einer noch anzupassenden Beschreibung aufrechtzuerhalten:
Ansprüche 1 bis 10 des Hilfsantrags 1 eingereicht mit der Beschwerdebegründung.