T 1890/21 (Kraftfahrzeugbeleuchtung / BMW) 29-11-2024
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BELEUCHTUNGSVORRICHTUNG FÜR EIN KRAFTFAHRZEUG
Hauptantrag und Hilfsanträge 1 bis 4 - Erfinderische Tätigkeit (nein)
Hilfsanträge 5 bis 7 - Änderung des Vorbringens - räumt Einwände aus (nein)
I. Die Einspruchsabteilung hat das Patent wegen fehlender Neuheit des Hauptantrags und des Hilfsantrags 4, und wegen fehlender erfinderischer Tätigkeit der Hilfsanträge 1, 2 und 3 widerrufen.
II. Die Einwände der Einspruchsabteilung zur mangelnden Patentfähigkeit beruhen auf den folgenden Dokumenten:
MB3: WO 2009/011898 A2
MB4: US 9,161,411 B1
MB12: Wikipedia Auszug "Serielle Datenübertragung"
III. Die Inhaberin hat gegen diese Entscheidung Beschwerde eingelegt. Sie beantragt die Entscheidung aufzuheben und den Einspruch zurückzuweisen, hilfsweise jedoch das Patent nach einem von sieben Hilfsanträgen aufrechtzuerhalten. Hilfsantrag 1 ist dabei eine korrigierte Version des Hilfsantrags 1, der der Entscheidung zugrunde liegt, die Hilfsanträge 2 bis 4 sind mit den der Entscheidung zugrunde liegenden Hilfsanträgen 2 bis 4 identisch, und die Hilfsanträge 5 bis 7 sind erstmals mit der Beschwerdebegründung eingereicht worden.
IV. Die mit der Beschwerdebegründung von der Inhaberin erneut eingereichten Ansprüche des Hauptantrags unterscheiden sich von den erteilten Ansprüchen durch einen umgestellten Satzbau des ersten Merkmals des Kennzeichens des Anspruchs 1, was jedoch für diese Entscheidung unerheblich ist. Angesichts dessen, dass der Hauptantrags eindeutig formuliert wurde, und die erneut eingereichten Ansprüche lediglich "zur Information" dienen (Beschwerdebegründung Seite 2, drittletzter Absatz), wird im Folgenden der Anspruch 1 in der erteilten Formulierung zitiert.
V. Die Einsprechende beantragt, als Beschwerdegegnerin, die Beschwerde zurückzuweisen. Sie ist zudem der Meinung, dass die neu eingereichten Hilfsanträge 5 bis 7 nicht zugelassen werden sollten.
VI. Der Anspruch 1 des Hauptantrags lautet wie folgt (hier und im Folgenden jeweils ohne Referenzzeichen):
Beleuchtungsvorrichtung für ein Kraftfahrzeug, umfassend ein oder mehrere Verarbeitungsmodule sowie einen internen Datenbus und eine Vielzahl von LED-Einheiten;
dadurch gekennzeichnet, dass
der interne Datenbus ein SPI-Bus oder ein differentieller Datenbus, der digitale Daten über eine Spannungsdifferenz zwischen zwei Leitungen codiert, ist;
wobei einem jeweiligen Verarbeitungsmodul mehrere LED-Einheiten aus der Vielzahl von LED-Einheiten zugeordnet sind und das jeweilige Verarbeitungsmodul mit den zugeordneten LED-Einheiten über den internen Datenbus gekoppelt ist;
wobei die zugeordneten LED-Einheiten jeweils eine oder mehrere LEDs und eine integrierte Schaltung umfassen und an eine Stromversorgung für das oder die LEDs angeschlossen sind;
wobei das jeweilige Verarbeitungsmodul zur Kopplung an einen Kraftfahrzeug-Datenbus eingerichtet ist, um erste digitale Steuerbefehle zum Betrieb der Beleuchtungsvorrichtung von dem Kraftfahrzeug-Datenbus zu empfangen, umzusetzen und als zweite digitale Steuerbefehle auf den internen Datenbus zu geben;
wobei die zugeordneten LED-Einheiten dazu eingerichtet sind, ihren LEDs Strom aus der Spannungsversorgung basierend auf den zweiten digitalen Steuerbefehlen auf dem internen Datenbus mittels der integrierten Schaltungen zuzuführen.
VII. Anspruch 1 des Hilfsantrags 1 stellt den Satzbau des ersten Merkmals des Kennzeichens um und fügt dem vorletzten Merkmal eine genauere Definition der ersten Steuerbefehle hinzu (Änderungen markiert):
... dadurch gekennzeichnet, dass
der interne Datenbus ein SPI-Bus oder ein differentieller Datenbus, [deleted: der] ist, wobei ein differentieller Datenbus digitale Daten über eine Spannungsdifferenz zwischen zwei Leitungen codiert[deleted: , ist]; ...
... auf den internen Datenbus zu geben, wobei die ersten Steuerbefehle Signale umfassen, welche für die Beleuchtungsvorrichtung bestimmt sind und ein für die Beleuchtungsvorrichtung einzustellendes Lichtmuster festlegen;
wobei die zugeordneten LED-Einheiten ...
VIII. Anspruch 1 des Hilfsantrags 2 entspricht dem Anspruch 1 des Hauptantrags, unterscheidet sich von letzterem jedoch durch die folgenden, markierten Änderungen im dritten Merkmal des Kennzeichens:
... gekoppelt ist;
wobei die zugeordneten LED-Einheiten jeweils eine oder mehrere LEDs und eine integrierte Schaltung umfassen, die in einem gemeinsamen Gehäuse integriert sind, und an eine Stromversorgung für das oder die LEDs angeschlossen sind; ...
IX. Anspruch 1 des Hilfsantrags 3 entspricht dem Anspruch 1 des Hauptantrags, unterscheidet sich von letzterem jedoch durch die folgenden, markierten Änderungen im ersten Merkmal des Kennzeichens:
... dadurch gekennzeichnet, dass
der interne Datenbus ein SPI-Bus ist, wobei das oder die Verarbeitungsmodule derart ausgestaltet sind, dass die ersten digitalen Steuersignale mittels Software-SPI auf den SPI-Bus gegeben werden, oder der interne Datenbus ein differentieller Datenbus, ..., ist; ...
X. Anspruch 1 des Hilfsantrags 4 entspricht dem Anspruch 1 des Hauptantrags, unterscheidet sich von letzterem jedoch durch die folgenden, markierten Änderungen am Ende des Anspruchs:
... zuzuführen[deleted: .],
wobei ein jeweiliges Verarbeitungsmodul zumindest eines Teils der Verarbeitungsmodule derart mit dem internen Datenbus gekoppelt ist, dass für mehrere unterschiedliche Teilmengen von dem jeweiligen Verarbeitungsmodul zugeordneten LED-Einheiten jeweils eine oder mehrere, nur der jeweiligen Teilmenge zugeordnete Datenleitungen des internen Datenbusses mit dem jeweiligen Verarbeitungsmodul verbunden sind, um hierüber die zweiten digitalen Steuerbefehle zu übertragen.
XI. Der jeweilige Anspruch 1 der Hilfsanträge 5, 6 und 7 entspricht dem Anspruch 1 der Hilfsanträge 2, 3 und 4, enthält jedoch zusätzlich die dem Anspruch 1 des Hilfsantrags 1 hinzugefügte Änderung.
Hintergrund der Erfindung
1. Aus der Patentschrift geht hervor, dass die Erfindung darin besteht, eine neuartige Beleuchtungsvorrichtung für ein Kraftfahrzeug zur Verfügung zu stellen. Darin werden mehrere kompakte LED-Einheiten, die neben LEDs auch jeweils über ihren eigenen Prozessor verfügen, nicht direkt über den Fahrzeugbus angesteuert, sondern über einen internen SPI (Serial Peripheral Interface) oder differenziellen Datenbus, der die LED-Einheiten mit ihnen zugeordneten Verarbeitungsmodulen verbindet. Die Verarbeitungsmodule empfangen die Steuerbefehle vom Fahrzeugbus, übersetzen sie in detaillierte Steuerbefehle, und geben diese auf den internen Datenbus aus. Auf diese Weise ist es möglich, eine größere Zahl von LED-Einheiten anzusteuern, als das allein über den Fahrzeugbus möglich wäre, wodurch ansprechende Beleuchtungsmuster realisiert werden können.
Hauptantrag - erfinderische Tätigkeit ausgehend von MB4
2. MB4 offenbart eine Beleuchtungsvorrichtung für das Armaturenbrett eines Kraftfahrzeugs (Spalte 1, erster Absatz), bei der mehrere LED-Einheiten (rechte Seite der Figur 4) über einen internen SPI-Datenbus (zwischen den Anschlüssen 262/362, 222/322 und 382 der Figuren 3 und 4) von einem Verarbeitungsmodul (260/360) einzeln angesteuert werden (Beschreibung der Figuren 3 und 4 in den Spalten 4 und 5). Das Verarbeitungsmodul reagiert dabei auf Status- und Zustandsmeldungen anderer Fahrzeugsysteme (Spalte 3 und Spalte 4, jeweils Zeilen 39 - 43), wie etwa Tankstandsmeldungen (ergibt sich aus Spalte 2, Zeilen 24 - 31, und Figur 1).
3. Die Inhaberin ist der Auffassung, dass sich der Gegenstand des Anspruchs 1 von MB4 wie folgt unterscheide:
a) MB4 offenbare keine Einrichtung des jeweiligen Verarbeitungsmoduls zur Kopplung an einen Kraftfahrzeug-Datenbus. Vielmehr lasse MB4 offen, wie die Kommunikation zu den anderen Fahrzeugsystemen durchgeführt werde, weshalb auch eine beliebige Schnittstelle verwendet werden könne.
b) MB4 offenbare keine Einrichtung des jeweiligen Verarbeitungsmoduls zum Empfangen erster digitaler Steuerbefehle zum Betrieb der Beleuchtungsvorrichtung. Die in MB4 empfangenen Statussignale oder Zustandsmeldungen seien keine "Steuerbefehle" im Sinne des Anspruchs, weil sie nicht zum Zweck der Steuerung der LED-Einheiten auf den Datenbus gegeben worden seien, keine Information über die Beleuchtung enthielten, und erst von den Verarbeitungsmodulen auf ihre Relevanz für die Lichtsteuerung hin interpretiert werden müssten.
c) MB4 offenbare nicht, dass das jeweilige Verarbeitungsmodul dazu eingerichtet ist, empfangene erste Steuerbefehle "umzusetzen und als zweite digitale Steuerbefehle auf den internen Datenbus zu geben". Diese Formulierung impliziere eine Eins-zu-eins-Entsprechung der empfangenen ersten und ausgegebenen zweiten Steuerbefehle, was auf die Statussignale oder Zustandsmeldungen in MB4 nicht zutreffe, denn diese dienten lediglich als Trigger zur Ausgabe völlig andersartiger Steuerbefehle. Im Übrigen sei die Eins-zu-eins-Entsprechung der empfangenen und ausgegebenen Befehle auch durch Absatz [0026] der Patentschrift gestützt, wonach die Datensignale auf dem Fahrzeugbus in "entsprechende" Datensignale auf dem internen Bus umgewandelt würden.
4. Generell eigne sich, laut Inhaberin, MB4 auch nicht als Ausgangspunkt für die Prüfung der erfinderischen Tätigkeit. Dadurch, dass MB4 weder dieselben, kompaktem LED-Einheiten zeige, die nach der Patentschrift betrieben werden, noch deren Ansteuerung durch Steuerbefehle, ergäbe sich auch nicht das Problem der Formatumwandlung von Steuerbefehlen.
5. In Punkt a) ist der Inhaberin Recht zu geben. Es ist zwar davon auszugehen, dass in MB4 ein Kraftfahrzeug-Datenbus vorhanden ist, allerdings wird offengelassen, auf welche Weise das Verarbeitungsmodul die relevanten Statussignale und Zustandsmeldungen erhält. MB4 erwähnt zwar explizit, dass die Kopplung an andere Fahrzeugsysteme mit jeder bekannten Kopplungstechnik möglich ist, da jedoch auch andere Kopplungen als die an den Fahrzeugbus vorstellbar sind, ist eine Kopplung an den Fahrzeugbus weder explizit noch implizit durch MB4 offenbart.
6. In Punkt b) ist hingegen der Einspruchsabteilung und der Einsprechenden beizupflichten. Der in Anspruch 1 verwendete Begriff "Steuerbefehl zum Betrieb der Beleuchtungsvorrichtung" beinhaltet jegliche Art von Signalen, die eine Steuerung der Beleuchtungsvorrichtung bewirken. Die vom Verarbeitungsmodul empfangenen Signale sind lediglich Bitfolgen, deren Bedeutung und Wirkung allein von der Programmierung des Verarbeitungsmoduls abhängt. Demnach handelt es sich in MB4 bei allen Statussignalen und allen Zustandsmeldungen um Steuersignale, die das Verarbeitungsmodul durch seine Programmierung dazu veranlassen, zweite Steuerbefehle zur Ansteuerung der LED-Einheiten auf den internen SPI-Datenbus auszugeben. Es kann folglich ein Signal, das durch andere Module etwa als Tankstandsinformation wahrgenommen wird, für das Verarbeitungsmodul der LED-Einheiten ein Steuerbefehl zur Einstellung eines festgelegten Lichtmuster sein.
7. Im Streitpatent lassen sich keine Aussagen finden, die zu einem engeren Verständnis des Begriffs "Steuerbefehl" führen würden. Im Streitpatent wird bevorzugt ein LIN ("Local Interconnect Network") Bus als Fahrzeugbus verwendet. Es gehört zum allgemeinen Fachwissen, dass die auf einem LIN-Bus umlaufenden Signale jeweils von allen daran angeschlossenen Modulen wahrgenommen werden. Die Signale besitzen dabei kein Adressfeld, sondern sind durch eine (aus 6 Bits bestehende) ID gekennzeichnet. Die Signale sind deshalb nicht an bestimmte Module adressiert, sondern die Module sind darauf programmiert, auf bestimmte IDs in bestimmter Weise zu reagieren. Es hängt deshalb auch hier vom jeweiligen Modul und dessen Programmierung ab, ob ein Signal als "Steuerbefehl" wahrgenommen wird.
8. In Punkt c) ist ebenfalls der Einspruchsabteilung und der Einsprechenden beizupflichten. Aus dem Anspruch 1 ergibt sich nicht, dass die zweiten Steuerbefehle eine Eins-zu-eins-Umsetzung der ersten Steuerbefehle sein müssen, dass also lediglich das Format des Steuerbefehls an den jeweiligen Bus angepasst wird, der Inhalt jedoch identisch ist. Vielmehr kann es bei einer Umsetzung eines Befehls auf ein anderes Busformat notwendig sein, sowohl das Format als auch den Inhalt des Befehls an den Übertragungsweg und an die Beschaffenheit des Empfängers so anzupassen, dass das Signal korrekt übertragen und vom jeweiligen Empfänger wie beabsichtigt verstanden wird.
9. Was das für die MB4 bedeutet, kann anhand eines Beispiels verdeutlicht werden. Angenommen, es soll auf die Statusmeldung "Tankstand niedrig" hin eine der LEDs der Tankstandanzeige auf Rot geschaltet werden. Das Verarbeitungsmodul (260/360) ist in dem Fall so programmiert, dass es die der Statusmeldung entsprechende Bitfolge als "ersten Steuerbefehl zum Betrieb der Beleuchtungsvorrichtung" wahrnimmt, und auf dessen Empfang hin mit der Umsetzung des Befehls und dessen Ausgabe "als zweiten Steuerbefehl" reagiert. Format und Inhalt des zweiten Steuerbefehls sind dabei so beschaffen, dass der Befehl von der betroffenen LED-Einheit auch verstanden wird, und diese mit dem Anschalten der passenden LED reagiert.
10. Das ist auch im Streitpatent so. Laut der Patentschrift ist die Zahl der direkt über den Fahrzeugbus ansteuerbaren LED-Einheiten "auf Grund von Leitungskapazitäten" begrenzt ([0010]). Um mehr LED-Einheiten ansteuern zu können, muss zwangsläufig durch die Verarbeitungsmodule Information hinzugefügt werden. Die Fachperson versteht deshalb, dass der die Nachricht enthaltende Teil der Bitfolge nicht eins zu eins in den zweiten Steuerbefehl übertragen wird. Vielmehr löst auch hier eine einfache Bitfolge im ersten Steuerbefehl die Erzeugung eines komplexeren zweiten Steuerbefehls aus, der von den LED-Einheiten verstanden wird, und der die Erzeugung eines Lichtmusters durch deutlich mehr LEDs bewirken kann, als das durch den ersten Steuerbefehl möglich gewesen wäre. Der von der Inhaberin zitierte Absatz [0026] kann dabei so verstanden werden, dass der Mikroprozessor die Datensignale auf dem Kraftfahrzeugbus in "entsprechende", im Sinne von "zugehörige", Datensignale auf dem internen Bus wandelt, und nicht in solche, deren Inhalt identisch ist.
11. Folglich unterscheidet sich der Gegenstand des Anspruchs 1 nur im Punkt a) von der Offenbarung der MB4.
12. Grundsätzlich ist die Wahl eines Ausgangspunkts nicht eingeschränkt, solange sich der Fachperson ein Problem stellt, dessen Lösung möglicherweise zur Erfindung führen könnte. In diesem Fall liegt MB4 aufgrund der weitgehenden Übereinstimmung mit dem Gegenstand des Anspruchs 1 und der Natur des Unterschieds als Ausgangspunkt quasi auf der Hand.
13. Das objektive, technische Problem liegt ausgehend von MB4 darin, die Kopplung des Verarbeitungsmoduls mit den anderen Fahrzeugsystemen zu implementieren.
14. Angesichts dessen, dass in MB4 ein Kraftfahrzeug-Datenbus implizit vorhanden ist, wäre es der Fachperson unmittelbar nahe gelegen, das Verarbeitungsmodul an diesen Bus anzuschließen, um die Statussignale und Zustandsmeldungen direkt empfangen zu können.
15. Die Inhaberin bestreitet auch gar nicht, dass der Anschluss des Verarbeitungsmoduls in MB4 an einen Fahrzeugbus nahe liegt, vielmehr beruht deren Argumentation zur erfinderischen Tätigkeit auf dem oben erwähnten, von der Kammer nicht gutgeheißenen Verständnis der ersten Steuerbefehle und deren Umsetzung als zweite Steuerbefehle.
16. Der Gegenstand des Anspruchs 1 beruht somit nicht auf einer erfinderischen Tätigkeit ausgehend von der Offenbarung der MB4 (Artikel 100 a), zusammen mit den Artikeln 52(1) und 56 EPÜ).
17. Folglich ist der Hauptantrag nicht gewährbar.
Hilfsantrag 1 - erfinderische Tätigkeit ausgehend von MB4
18. Im Unterschied zum Hauptantrag definiert Anspruch 1 die ersten Steuerbefehle dadurch genauer, dass sie "Signale umfassen, welche für die Beleuchtungsvorrichtung bestimmt sind und ein für die Beleuchtungsvorrichtung einzustellendes Lichtmuster festlegen."
19. Laut Inhaberin bedeute dies, dass die ersten Steuerbefehle bereits die gesamte Information über das einzustellende Lichtmuster enthalten müssten, was auf die Statussignale und Zustandsmeldungen in MB4 eindeutig nicht zutreffe.
20. Anspruch 1 definiert jedoch lediglich, dass die ersten Steuerbefehle das Lichtmuster "festlegen", nicht jedoch, dass die Information über das genaue Lichtmuster dort bereits enthalten ist. In MB4 legt jeder relevante Steuerbefehl in Form eines Statussignals oder einer Zustandsmeldung, durch die entsprechende Programmierung des Verarbeitungsmoduls, ebenfalls eine bestimmte Beleuchtungssituation, und damit ein bestimmtes Lichtmuster, fest. Zum Beispiel, indem auf eine Fahrsituation durch eine im Verarbeitungsmodul festgelegte Variation der Farben und Helligkeiten reagiert wird (Spalte 3, Zeilen 44 - 52 der MB4).
21. Folglich ist das im Anspruch 1 zusätzlich eingebrachte Merkmal durch MB4 offenbart, weshalb der Gegenstand des Anspruchs 1 aus denselben Gründen nicht auf einer erfinderischen Tätigkeit beruht wie der Hauptantrag (Artikel 52(1) und 56 EPÜ).
22. Demnach ist auch der Hilfsantrag 1 nicht gewährbar.
Hilfsantrag 2 - erfinderische Tätigkeit ausgehend von MB3
23. Anspruch 1 unterscheidet sich vom Anspruch 1 des Hauptantrags dadurch, dass die eine oder mehreren LEDs und die integrierte Schaltung der LED-Einheiten "in einem gemeinsamen Gehäuse integriert sind".
24. Ausgangspunkt für die Prüfung der erfinderischen Tätigkeit ist hier MB3. MB3 offenbart eine Beleuchtungsvorrichtung für den Innenraum eines Fahrzeugs für den öffentlichen Verkehr ("transit vehicle"), wie etwas eines Busses ([0002]). Die Beleuchtungsvorrichtung besteht aus mindestens einem Verarbeitungsmodul ("master lighting control unit" 1703; Figur 17; auch "master node" genannt), das an den Fahrzeugbus (1715) angeschlossen ist, und mehreren LED-Einheiten ("LED-based lighting units /fixtures" 1702; auch "slave node" genannt), die mit dem Verarbeitungsmodul über einen internen Bus (1712) verbunden sind ([0131]). Das Verarbeitungsmodul empfängt erste Steuerbefehle ("command") über den Fahrzeugbus und gibt sie als zweite Steuerbefehle auf dem internen Datenbus aus ([0131] und [0132]).
25. Laut Inhaberin unterscheide sich MB3 vom Gegenstand des Anspruchs 1 wie folgt:
a) Die vom Verarbeitungsmodul in MB3 ausgegebenen zweiten Steuerbefehle hätten einen höheren Detaillierungsgrad als die empfangenen ersten Steuerbefehle. Es gebe somit nicht die durch Anspruch 1 implizierte Eins-zu-eins-Umsetzung der ersten in die zweiten Steuerbefehle.
b) Der interne Datenbus in MB3 sei weder ein SPI-Bus noch ein differentieller Datenbus.
c) Die LEDs und integrierten Schaltungen einer jeden LED-Einheit in MB3 seien nicht in einem gemeinsamen Gehäuse integriert.
26. Des Weiteren wäre es nach Ansicht der Inhaberin der Fachperson auch nicht nahe gelegen, ein gemeinsames Gehäuse vorzusehen, weil die dadurch definierten, kompakten LED-Einheiten zum Zeitpunkt der Einreichung von MB3 im Jahr 2008 noch gar nicht üblich waren. Die Fachperson hätte demnach das zu lösende Problem, kompakte LED-Einheiten zu verwenden und anzusteuern, weder in Erwägung gezogen noch lösen können.
27. Zu Punkt a) wurde bereits im Zusammenhang mit MB4 festgestellt, dass Anspruch 1 keine Eins-zu-eins-Entsprechung des Informationsgehalts der ersten und zweiten Steuerbefehle impliziert, weshalb hierin kein Unterschied erkannt werden kann. Der in Absatz [0131] von MB3 beschriebene Empfang von Kommandos und deren Ausgabe auf dem internen Datenbus fällt somit unter den Anspruchswortlaut.
28. In Punkt b) ist der Inhaberin beizupflichten, denn laut MB3 ist der interne Datenbus ein MPX-konformer Datenbus oder ein anderer geeigneter digitaler Bus ([0133]), sei es ein serieller oder ein paralleler Datenbus ([0036]).
29. Auch in Punkt c) ist der Inhaberin beizupflichten, denn in MB3 befinden sich die LEDs (1642 in Figur 16) und zugehörigen integrierten Schaltungen (1623) zwar in einer gemeinsamen Fassung ("lighting fixture" 1600, auch "lighting panel" genannt), diese ist jedoch wegen der fehlenden Offenbarung einer zumindest teilweisen Umhüllung der Komponenten nicht als Gehäuse zu verstehen.
30. Der technische Effekt des Unterschieds b) (SPI-Bus) liegt in einer alternativen Ausgestaltung des internen Datenbusses. Entsprechend wird das zu lösende Problem darin gesehen, eine konkrete Ausgestaltung der in MB3 lediglich allgemein vorgeschlagene Alternative zu dem MPX-konformen Bus in Form eines seriellen oder parallelen Datenbusses zu finden.
31. Der technische Effekt des Unterschieds c) (Gehäuse) liegt in einem erhöhten Schutz der Komponenten der LED-Einheiten, insbesondere bereits vor und während des Einbaus in das Fahrzeug. Das zu lösende Problem wird deshalb in der Bereitstellung eines erhöhten Schutzes der Komponenten der LED-Einheiten gesehen.
32. Die beiden Probleme sind voneinander unabhängig und müssen deshalb getrennt betrachtet werden.
33. Was das Problem b) betrifft, so wäre eine Wahl des weit verbreiteten, der Fachperson bekannten Standards des SPI-Busses unmittelbar nahe gelegen, denn dieser unterstützt ebenfalls die in MB3 verwendete Master-Slave Kommunikation zwischen dem Verarbeitungsmodul und den LED-Einheiten ([0035], [0036]; Figur 1). Als weitere, allgemein bekannte Alternative eines seriellen Datenbusses hätte die Fachperson auch einen differentiellen Datenbus eingesetzt, der den zusätzlichen Vorteil geboten hätte, unempfindlicher gegenüber Störungen zu sein.
34. Was des Problem c) betrifft, so wäre die Verwendung eines Gehäuses als geschlossene, mechanische Verbindung der Komponenten der in der Figur 4 von MB3 abgebildeten "lighting fixture" (Referenzzeichen 400) unmittelbar nahegelegen, zumindest für einige der in Frage kommenden Anwendungen ([0009]) der in MB3 beschriebenen Beleuchtungsvorrichtung. Der Anspruch definiert keine "kompakten" Ausmaße des Gehäuses, weshalb das entsprechende Argument der Inhaberin nicht überzeugen kann. Des Weiteren ist das Wissen des Fachmanns zum Zeitpunkt der Einreichung des Streitpatents ausschlaggebend, und nicht zum Zeitpunkt der Einreichung oder der Veröffentlichung von MB3. Dies ist hier jedoch unerheblich, weil das Unterbringen von elektronischen Komponenten jedweder Art in einem Gehäuse bereits viele Jahre vor dem Zeitpunkt der Einreichung von MB3 üblich war.
35. Der Gegenstand des Anspruchs 1 beruht folglich nicht auf einer erfinderischen Tätigkeit ausgehend von MB3 (Artikel 52(1) und 56 EPÜ). Das gilt sowohl für die Alternative des SPI-Busses als auch für die des differentiellen Datenbusses.
36. Der Hilfsantrag 2 ist deshalb ebenfalls nicht gewährbar.
Hilfsantrag 3 - erfinderische Tätigkeit ausgehend von MB3 und von MB4
37. Im Unterschied zum Hauptantrag definiert Anspruch 1 zusätzlich, dass im Fall, dass der interne Datenbus ein SPI-Bus ist, die ersten Steuersignale mittels Software auf den SPI-Bus gegeben werden.
38. Da der Fall des differenziellen Datenbusses gegenüber dem Hauptantrag unverändert ist, trifft für diesen Fall der zum Hilfsantrag 2 vorgebrachte Einwand der fehlenden erfinderischen Tätigkeit ausgehend von MB3 unverändert zu (Artikel 52(1) und 56 EPÜ).
39. Für den Fall des SPI-Busses, und ausgehend von MB4, argumentiert die Inhaberin, dass auch wenn MB4 sich über die Details des Verarbeitungsmoduls ausschweige, die Fachperson von einer Hardware-Lösung ausgegangen wäre, um die Signale des mit den Referenzzeichen 260 und 360 bezeichneten Verarbeitungsmoduls auf den SPI-Bus auszugeben. Bei einer solchen Lösung seien die Ausgabe-Pins des Mikroprozessors festgelegt. Demgegenüber besitze die im Anspruch 1 definierte Software-Lösung die Vorteile, dass die Ausgabe-Pins flexibel angesteuert werden könnten, was die Verwendung von mehreren Datenleitungen auf dem SPI-Bus ermögliche.
40. Diese Argumentation kann nicht überzeugen. MB4 lässt offen, welche Art von Chip das Verarbeitungsmodul für die Anbindung an den SPI-Bus verwendet. Der Fachperson wären deshalb zur Realisierung des Verarbeitungsmoduls zwei Varianten offen gestanden, und zwar die Verwendung von Chips, bei denen bestimmte Pins für die Anbindung bereits durch die Hardware festgelegt sind, und die Verwendung von Chips, bei denen die Pins zur Anbindung frei programmiert werden können. Beide Möglichkeiten waren Teil des allgemeinen Fachwissens, wie auch aus den Absätzen [0012] und [0027] des Streitpatents hervorgeht. Die Verwendung von Software-SPI wäre deshalb, ausgehend von MB4, eine naheliegende Wahl aus zwei bekannten Alternativen gewesen, von denen beide geeignet gewesen wären.
41. Folglich beruht der Gegenstand des Anspruchs 1 auch gegenüber MB4 nicht auf feiner erfinderischen Tätigkeit (Artikel 52(1) und 56 EPÜ).
42. Hilfsantrag 3 ist somit ebenfalls nicht gewährbar.
Hilfsantrag 4 - erfinderische Tätigkeit ausgehend von MB4
43. Im Unterschied zum Hauptantrag definiert Anspruch 1 zusätzlich, dass bei zumindest einigen Verarbeitungsmodulen der interne Bus so ausgestaltet ist, dass mehrere Teilmengen der zu einem Verarbeitungsmodul gehörigen LED-Einheiten mit jeweils einer oder mehreren eigenen Datenleitungen mit dem Verarbeitungsmodul verbunden sind.
44. Die Inhaberin ist der Auffassung, dass nach Anspruch 1 die Datenleitungen, die eine Teilmenge der LED-Einheiten mit dem Verarbeitungsmodul verbänden, disjunkt mit - also komplett getrennt von - denjenigen der Datenleitungen seien, die andere Teilmengen mit dem Verarbeitungsmodul verbänden. Zusätzlich könne das Merkmal, nach dem die Datenleitungen mit dem Verarbeitungsmodul "verbunden sind", nur so verstanden werden, dass die Verbindungen direkt seien - also ohne Zwischenstück.
45. Diese enge Auslegung des Anspruchs 1 ist jedoch durch den Anspruchswortlaut nicht gerechtfertigt. So kann eine Datenleitung durchaus auch indirekt mit dem Verarbeitungsmodul "verbunden" sein, so wie das Kabel einer Computermaus auch bei Verwendung eines Verlängerungskabels noch mit dem Computer "verbunden" ist. Der Anspruch definiert auch keine notwendigerweise disjunkten Datenleitungen, sondern lediglich, dass eine oder mehrere Datenleitungen "nur" der jeweiligen Teilmenge der LED-Einheiten "zugeordnet" sind. So ist es etwa im Beispiel einer Y-förmigen Leitungsanordnung eine nach Verständnis der Fachperson zulässige Interpretation, diese Anordnung als zwei sich teilweise überlappende Datenleitungen anzusehen, von denen jede nur einem der beiden oberen Enden des Y zugeordnet ist und dieses jeweils direkt mit dem unteren Ende des Y verbindet.
46. Um zu verdeutlichen, was dieses Anspruchsverständnis für die MB4 bedeutet, wird hier die Figur 4 der MB4 wiedergegeben, wobei zur Verdeutlichung verschiedene Abschnitte der Leitungen, die das Verarbeitungsmodul 360 (links) mit zwei LED-Einheiten (rechts) verbinden, hervorgehoben sind:
a) Abschnitt A (durchgezogen) zwischen der Verarbeitungseinheit 360 und einem Verzweigungspunkt;
b) Abschnitt B (gepunktet) zwischen dem Verzweigungspunkt und einer ersten LED-Einheit (320 und daran angeschlossene LEDs 310 - 318); und
c) Abschnitt C (gestrichelt) zwischen dem Verzweigungspunkt und einer weiteren LED-Einheit (380 und daran angeschlossene LEDs).
FORMEL/TABELLE/GRAPHIK
47. Laut Inhaberin seien die disjunkten Datenleitungen B und C weder direkt mit dem Verarbeitungsmodul verbunden, noch gehörten sie dem nur im Abschnitt A vorhandenen SPI-Datenbus an. Falls die gesamten Verbindungen A-B und A-C als Datenleitungen angesehen würden, so seien diese nicht disjunkt. Somit offenbare MB4 unter keiner der beiden Auslegungen das letzte Merkmal des Anspruchs 1.
48. Die Argumente der Inhaberin beruhen jedoch, wie oben dargelegt, auf einer zu engen Anspruchsauslegung. Denn nichts spricht dagegen, die Abschnitte B und C als (disjunkte) Datenleitungen anzusehen, die jeweils nur einer LED-Einheit zugeordnet sind, dabei jedoch indirekt, über den Abschnitt A, mit dem Verarbeitungsmodul "verbunden" sind. Auch können die Abschnitte B und C sehr wohl als Teil des SPI-Busses angesehen werden, denn Datenbusse müssen nicht linear verlaufen, sondern können beispielsweise auch Ring-, Baum-, Stern- oder andere Topologien aufweisen. In einer alternativen Auslegung der Figur 4 von MB4 spricht auch nichts dagegen, die kombinierten Abschnitte A-B und A-C als teilweise überlappende, jeweils jedoch nur einer LED-Einheit zugeordnete Datenleitungen anzusehen, die direkt mit dem Verarbeitungsmodul verbunden sind.
49. Folglich offenbart MB4 unter jeder der beiden aufgezeigten Interpretationen das dem Anspruch 1 hinzugefügte Merkmal, das dementsprechend nicht zu einer erfinderischen Tätigkeit beitragen kann.
50. Der Gegenstand des Anspruchs 1 beruht demnach aus denselben Gründen nicht auf einer erfinderischen Tätigkeit ausgehend von MB4 wie der Hauptantrag (Artikel 52(1) und 56 EPÜ).
51. Auch der Hilfsantrag 4 ist somit ebenfalls nicht gewährbar.
Zulassung der Hilfsanträge 5 bis 7
52. Die Hilfsanträge 5 bis 7 sind identisch mit den Hilfsanträge 2 bis 4, bis auf das in den jeweiligen Anspruch 1 zusätzlich hinzugefügte Merkmal des Hilfsantrags 1.
53. Das in den Anspruch 1 des Hilfsantrags 1 aufgenommene Merkmal dient laut Inhaberin lediglich der Klarstellung und weist keinerlei Synergie mit den zusätzlichen Merkmalen der Hilfsanträge 2 bis 4 auf. Dies wird auch von der Inhaberin nicht behauptet.
54. Die oben erläuterten Einwände der mangelnden erfinderischen Tätigkeit gegen die Hilfsanträge 1 bis 4 können deshalb, prima facie, von den Hilfsanträgen 5 bis 7 nicht ausgeräumt werden.
55. Die Hilfsanträge 5 bis 7 werden deshalb nach Artikel 12(4) VOBK im Verfahren nicht zugelassen.
Fazit
56. Der Hauptantrag, und die Hilfsanträge 1 und 4 sind wegen mangelnder erfinderischer Tätigkeit gegenüber MB4 nicht gewährbar.
57. Der Hilfsantrag 2 ist wegen mangelnder erfinderischer Tätigkeit gegenüber MB3 nicht gewährbar.
58. Der Hilfsantrag 3 ist wegen mangelnder erfinderischer Tätigkeit gegenüber MB3, und gegenüber MB4, nicht gewährbar.
59. Die Hilfsanträge 5 bis 7 sind im Verfahren nicht zugelassen.
Aus diesen Gründen wird entschieden:
Die Beschwerde wird zurückgewiesen.