T 2226/19 (Mikrofluidische Netzwerk/FRAUENHOFER-GESELLSCHAFT) 25-05-2023
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Zirkulationssystem sowie Verfahren zur Vitalversorgung von Zellkulturen in einem mikrofluidischen Netzwerk
Erfinderische Tätigkeit - Hauptantrag (nein)
Zurückverweisung an die erste Instanz (ja)
I. Die Beschwerde der Einsprechenden (Beschwerdeführerin) richtet sich gegen die Zwischenentscheidung der Einspruchsabteilung, wonach das europäische Patent Nr. 3019589 mit der Bezeichnung "Zirkulationssystem sowie Verfahren zur Vitalversorgung von Zellkulturen in einem mikrofluidischen Netzwerk" auf der Grundlage des Anspruchssatzes des Hauptantrags den Erfordernissen des EPÜ genüge.
II. Dem Einspruchsverfahren lagen die Einspruchsgründe gemäß Artikel 100 a) EPÜ, hier mangelnde Neuheit und erfinderische Tätigkeit, sowie Artikel 100 b) und c) EPÜ zugrunde. Die Einspruchsabteilung hat sich zu den Erfordernissen der Artikel 54, 56, 83, 84 und 123 2) und 3) EPÜ und der Regeln 80 und 139 EPÜ geäußert.
III. Mit der Beschwerdebegründung hat die Beschwerdeführerin Einwände im Hinblick auf die Erfordernisse der Artikel 54, 56, 83 und 84 EPÜ erhoben.
IV. In der Erwiderung auf die Beschwerdebegründung argumentierte die Beschwerdegegnerin (Patentinhaberin), dass das Patent auf der Grundlage des Hauptantrags den Erfordernissen der Artikel 54, 56, 83 und 84 EPÜ genüge, und sie reichte fünf Hilfsanträge als Anlagen ein.
Anspruch 1 gemäß Hauptantrag lautet wie folgt:
"1. Zirkulationssystem zur Vitalversorgung von Zellkulturen in einem mikrofluidischen Netzwerk, mit
mehreren Zellkultur-Kompartimenten (1), die jeweils mindestens einen Eingang (1.1) und mindestens einen Ausgang (1.2) aufweisen, und
mindestens einem Nährlösung enthaltenden Reservoir (2}, das über eine erste Mikrokanalstruktur (3), die zumindest eine Verzweigung erster Ordnung (3.1) aufweist, mit mindestens einem Eingang jedes Zellkultur-Kompartiments (1) verbunden ist, und
mindestens einer Fördereinrichtung (4), mit der die Nährlösung aus dem Reservoir (2) über die Mikrokanalstruktur (3) in die Zellkultur-Kompartimente (1) förderbar ist,
in jedem Arm der Verzweigung erster Ordnung (3.1)
und/oder im Verlauf jedes unmittelbar in einen Eingang (1.1) eines Zellkultur-Kompartiments (1) mündenden Mikrokanals der Mikrokanalstruktur (3), eine Einrichtung zur Volumenstromregelung (5) angeordnet ist, mit der ein Volumenstrom der Nährlösung regelbar ist und
die Einrichtung(en) zur Volumenstromregelung (5) mit einem Membranventil realisiert ist/sind, das eine flexiblen Membran (5.1) aufweist, wobei
die Einrichtung(en) zur Volumenstromregelung (5} einen konfokalen Sensor und/oder ein Laser-Interferometer als berührungslose sensorische Mittel (8) aufweist(en), mit denen die Wölbung/Dehnung der flexiblen Membran (5.1) sowie Drücke, Partialdrücke und/oder Volumenströme der Nährlösung und darin enthaltene oder zugeführte Fluide und/oder Konzentrationen von Fluiden und/oder Substanzen erfassbar sind."
Anspruch 1 gemäß Hilfsantrag 1 verlangt über den Hauptantrag hinausgehend folgende weitere Merkmale (eingefügt vor dem letzten Absatz des Anspruchs 1 des Hauptantrags):
"wobei die flexible Membran (5.1) als Trennwand zwischen der ersten Mikrokanalstruktur (3) und einer zweiten Mikrokanalstruktur (7) ausgebildet ist und über die zweite Mikrokanalstruktur (7) mit einem aktivierbaren/deaktivierbaren vorgebbaren pneumatischen und/oder vorgebbaren hydraulischen Druck beaufschlagbar ist, wobei bei einer druckabhängigen Wölbung/Dehnung der flexiblen Membran (5.1), eine Änderung der von der Nährlösung durchströmbaren Querschnittsfläche eines Mikrokanals der ersten Mikrokanalstruktur (3) erreichbar ist,
wobei die flexible Membran (5.1) eine selektivpermeable Membran ist, die für mindestens ein Fluid und/oder mindestens eine Substanz permeabel ist, so dass ein Austausch des mindestens einen Fluids und/oder der mindestens einen Substanz zwischen einem Kanal der ersten Mikrokanalstruktur (3) und der zweiten Mikrokanalstruktur (7) realisierbar ist, wobei"
V. Die Parteien wurden zur mündlichen Verhandlung geladen. In einer Mitteilung gemäß Artikel 15 (1) VOBK teilte die Kammer den Parteien unter anderem ihre vorläufige Auffassung mit, dass sie in Sachen Hauptantrag die Entscheidung der Einspruchsabteilung und die dazugehörige Begründung betreffend die erfinderische Tätigkeit nicht für richtig halte. Ferner sei die Kammer nach Prüfung der Umstände des Falles der Auffassung, dass in Sachen Hilfsantrag 1 besondere Gründe für die Zurückverweisung der Sache an die Vorinstanz vorliegen könnten (Artikel 11 VOBK).
VI. Beide Parteien reichten einen weiteren Schriftsatz in Antwort auf die Mitteilung der Kammer gemäß
Artikel 15 (1) VOBK ein.
VII. Die mündliche Verhandlung fand in Anwesenheit beider Parteien statt. Am Ende der Verhandlung verkündete die Vorsitzende die Entscheidung der Kammer.
VIII. In der Entscheidung wird auf die folgenden Entgegenhaltungen verwiesen:
D2: Busek et al. (2012), Biomed. Tech., Vol. 57
(Suppl. 1)
D3: Sonntag et al. (2013), Wissenschaft Special:
Zellbiologie, Seite 418-421
D6: US2009/0018195 A1
D9: US2006/0199260
D20: Hohne et al. (2009), Langmuir, Vol. 25(13),
Seiten 7743 bis 7751
IX. Für die Entscheidung der Kammer waren die folgenden Anträge der Parteien relevant:
Die Beschwerdeführerin beantragte, die Zwischenentscheidung der Einspruchsabteilung aufzuheben und das Patent in vollem Umfang zu widerrufen. Weiter beantragte sie, den Fall nicht an die erste Instanz zurückzuverweisen.
Die Beschwerdegegnerin beantragte, die Beschwerde als unbegründet zurückzuweisen (Hauptantrag) und die Zurückverweisung an die erste Instanz, falls dem Hauptantrag nicht stattgegeben werde. Hilfsweise beantragte sie, das Patent gemäß einem der mit der Erwiderung auf die Beschwerdebegründung eingereichten Hilfsanträge 1 bis 5 aufrechtzuerhalten.
Hauptantrag - Anspruch 1 - erfinderische Tätigkeit
Nächstliegender Stand der Technik - Unterscheidungsmerkmale
1. Bei der Beurteilung der erfinderischen Tätigkeit bezüglich des beanspruchten Zirkulationssystems (siehe Sektion IV.) ist die Einspruchsabteilung von den in Entgegenhaltung D6 offenbarten Zirkulationssystemen zur Vitalversorgung von Zellkulturen als nächstliegendem Stand der Technik ausgegangen. Dies wurde im Beschwerdeverfahren von den Parteien nicht bestritten, und die Kammer sieht auch keinen Grund, diese Ansicht nicht zu teilen.
2. Die Entgegenhaltung D6 beschreibt Zirkulationssysteme zur Vitalversorgung von Zellkulturen, die dem beanspruchten Zirkulationssystem ähnlich sind, wobei die Zellkultur-Kompartimente mittels separat ansteuerbarer Ventile regulierbar sind (siehe Abbildung 1 und Absatz [0068]). In den Absätzen [0174] bis [0176] und in den Abbildungen 14B und 14H werden Ventile mit einer flexiblen Membran als Einrichtung zur Volumenstromregelung beschrieben. Des Weiteren wird eine berührungslose optische Messung des Öffnungsgrads des Membranventils mittels Fluoreszenzmikroskopie beschrieben. Hierzu wird der Strömungskanal mit einer Lösung von Fluoresceinisothiocyanat gefüllt und die Fluoreszenz eines bestimmten Bereichs des Ventils mit einem Epifluoreszenzmikroskop überwacht (siehe Absatz [0199]).
3. Die Einspruchsabteilung und die Parteien waren sich ebenfalls einig, und die Kammer stimmt dem auch zu, dass das beanspruchte Zirkulationssystem (siehe Sektion IV.) sich vom Zirkulationssystem der Entgegenhaltung D6 dadurch unterscheidet, dass
i) es mindestens ein Nährlösung enthaltendes Reservoir enthält, das über eine erste Mikrokanalstruktur, die zumindest eine Verzweigung erster Ordnung aufweist, mit mindestens einem Eingang jedes Zellkultur-Kompartiments verbunden ist; und
ii) die Einrichtung(en) zur Volumenstromregelung (Ventile) einen konfokalen Sensor und/oder ein Laser-Interferometer als berührungslose sensorische Mittel aufweist/aufweisen, mit denen die Wölbung/Dehnung der flexiblen Membran sowie Drücke, Partialdrücke und/oder Volumenströme der Nährlösung und darin enthaltene oder zugeführte Fluide und/oder Konzentrationen von Fluiden und/oder Substanzen erfassbar sind.
Zu lösende technische Aufgaben
4. Im Beschwerdeverfahren haben beide Parteien weiterhin die Auffassung der Einspruchsabteilung geteilt, dass im Hinblick auf die von den Unterscheidungsmerkmalen erzielten unabhängigen Effekte für diese zwei Unterscheidungsmerkmale die folgenden zwei voneinander unabhängigen objektiven technischen Teilaufgaben zu formulieren seien:
i) erste Teilaufgabe:
Bereitstellung eines Zirkulationssystems, das länger autark betrieben werden kann
ii) zweite Teilaufgabe:
Bereitstellung eines Zirkulationssystems, das auf schnellere und die Zellphysiologie weniger störende Art und Weise den Öffnungsgrad der einzelnen Einrichtungen zur Volumenstromregelung erfassen kann
5. Des Weiteren haben beide Parteien ihre Eingaben bezüglich der Erfindungshöhe im Rahmen der erfinderischen Tätigkeit auf diese zwei Teilaufgaben beschränkt.
6. Auch hier hat die Kammer deswegen keinen Grund gesehen, den Formulierungen nicht zuzustimmen.
Erste Teilaufgabe - beanspruchte Lösung - Erfindungshöhe
7. Die für diese Teilaufgabe beanspruchte Lösung, nämlich die Verwendung eines Nährlösung enthaltenden Reservoirs in einem mikrofluidischen Zirkulationssystem, war nach Ansicht der Einspruchsabteilung für den Fachmann naheliegend. Insbesondere seien solche Reservoire in mikrofluidischen Systemen aus dem Stand der Technik bekannt und würden beispielsweise in Entgegenhaltung D2 (siehe Abbildung 2), Entgegenhaltung D3 (siehe Seite 3 und Abbildung 2), Entgegenhaltung D9 (siehe Abbildung 39) oder Entgegenhaltung D20 (siehe Absatz 2.7, letzter Satz) beschrieben.
8. Die Beschwerdegegnerin stimmte zu, dass die Bekanntheit solcher Reservoire aus den Entgegenhaltungen D2, D3, D9 und D20 impliziere, dass ein Fachmann ein solches Reservoir in der mikrofluidischen Vorrichtung der D6 implementieren könne. In Abwesenheit eines Hinweises in diesen Entgegenhaltungen, dass sich dank dieser Maßnahme ein mikrofluidisches System wie das der Entgegenhaltung D6 länger autark betreiben ließe, impliziere diese Bekanntheit jedoch nicht "ohne Weiteres", dass der Fachmann diese Maßnahme auch tatsächlich zur Lösung der ihm gestellten Aufgabe ergreifen würde.
9. Der primäre Zweck eines Reservoirs im Kontext der im Stand der Technik bekannten mikrofluidischen Zirkulationssysteme ist aber gerade, eine längere, kontinuierliche Versorgung des Systems mit dem Reservoirinhalt zu gewährleisten. Es ist diese Funktionalität, die den Fachmann interessiert. Zur Lösung der technischen Aufgabe würde der Fachmann daher in naheliegender Weise diese Maßnahme in das beanspruchte System implementieren, auch ohne expliziten Hinweis in den Entgegenhaltungen, dass sich dank dieser Maßnahme ein mikrofluidisches System wie das der Entgegenhaltung D6 länger autark betreiben ließe.
10. Das von der Beschwerdegegnerin angeführte Argument überzeugt die Kammer daher nicht, dass die Meinung der Einspruchsabteilung, die Verwendung eines Reservoirs in einem mikrofluidischen Zirkulationssystem sei im Stand der Technik beschrieben und für den Fachmann naheliegend, falsch war.
Zweite Teilaufgabe - beanspruchte Lösung - Erfindungshöhe
11. Hinsichtlich der zweiten Teilaufgabe war die Einspruchsabteilung der Auffassung, dass der Fachmann ausgehend von der Offenbarung in der Entgegenhaltung D6 und unter Berücksichtigung der Offenbarung in u. a. der Entgegenhaltung D20 nicht zur beanspruchten Lösung der gestellten Aufgabe käme und dass der beanspruchte Gegenstand deswegen erfinderisch sei.
12. Die Entgegenhaltung D20 beschreibe eine flexible mikrofluidische Vorrichtung, mit der die mechanischen Eigenschaften von Biofilmen charakterisiert werden könnten (siehe Zusammenfassung, Abbildungen 1, 6, Absatz 1 "Introduction" und Absatz 2.7 "Bacterial biofilms"). Aus den Abbildungen 1, 6 und aus Absatz 2.7 gehe hervor, dass eine flexible Polymermembran in der Testkammer mit Biofilm-produzierenden Bakterien beschichtet und kontinuierlich mit einer Nährlösung versorgt werde. Die dabei entstehende Membranauslenkung werde mit einem konfokalen Mikroskop (Sensor) gemessen.
13. Die Einspruchsabteilung war der Meinung, dass die Entgegenhaltung D20 zwar beschreibe, dass eine Membranwölbung mittels eines konfokalen Sensors gemessen werden könne; die Membranwölbung in der Entgegenhaltung D20 werde allerdings nicht zur Regelung eines Volumenstroms gemessen und gebe damit auch keinerlei Hinweise darauf, dass eine solche Volumenregelung "für einen geringeren Einfluss auf die Physiologie der Zellkulturen wünschenswert ist".
14. Die Kammer stimmt hier aber der Beschwerdeführerin zu, dass es bei der Beurteilung der erfinderischen Tätigkeit im vorliegenden Fall um die Frage gehe, ob der Fachmann das in der Entgegenhaltung D20 beschriebene Messverfahren zur Bestimmung der Membranwölbung für den Einsatz im Kontext des in der Entgegenhaltung D6 beschriebenen Zirkulationssystems in Betracht gezogen hätte, um zu einer Lösung der zugrunde liegenden objektiven technischen Aufgabe zu gelangen. Die Kammer stimmt der Beschwerdeführerin weiterhin zu, dass diese Frage schon allein deshalb bejaht werden müsse, weil die Messung des Wölbungsgrads als solche völlig unabhängig von der Anwendung des Membranventils erfolge.
15. Deswegen würde der Fachmann bei der Suche nach einer Lösung für die zweite Teilaufgabe die Lehre der Entgegenhaltung D20 sehr wohl berücksichtigen, auch wenn diese Entgegenhaltung sich nicht mit Zirkulationssystemen, sondern mit einer flexiblen mikrofluidischen Vorrichtung beschäftigt, mit der die mechanischen Eigenschaften von weichen viskoelastischen Festkörpern (hier Biofilme) charakterisiert werden können. Dieses von der Beschwerdegegnerin vorgebrachte Argument überzeugt die Kammer daher nicht.
16. Die Beschwerdegegnerin argumentierte weiter, dass die Entgegenhaltung D20 nur die Messung der Membranauslenkung in einer Richtung senkrecht zu dem Unterseiten-Glassubstrat über konfokale Laserscanning-Mikroskopie offenbare (siehe Punkt 2.2 der D20); der Fachmann würde daher für die optische Messung des Öffnungsgrads des Membranventilsin den in der Entgegenhaltung D6 beschriebenen Zirkulationssystemen zur Vitalversorgung von Zellkulturen vom Einsatz konfokaler Laserscanning-Mikroskopie zur berührungslosen optischen Messung des Öffnungsgrads des Membranventils absehen. Dieses Argument überzeugt die Kammer nicht. Tatsächlich wird in der Entgegenhaltung D20 dieselbe Membranauslenkung behandelt wie in der Entgegenhaltung D6, und in beiden Fällen funktioniert das Membranventil nach demselben Prinzip. Da die Membranauslenkung ein Maß für den Öffnungsgrad des Ventils im Fluidkanal ist, liefert nach Auffassung der Kammer das Dokument D20 dem Fachmann ein Messverfahren zur Erfassung des Öffnungsgrads eines genau solchen Membranventils, wie es in dem mikrofluidischen System der Entgegenhaltung D6 eingesetzt wird.
17. In einer weiteren Argumentationslinie hat die Beschwerdegegnerin vorgebracht, dass die Entgegenhaltung D20 keinen Hinweis für den Fachmann enthalte, dass die Messung des Öffnungsgrads des Membranventils mittels Einsatz von konfokaler Laserscanning-Mikroskopie weniger Aufwand erfordere, schneller und von einer die Zellphysiologie weniger störenden Art und Weise sei als das Messverfahren der Entgegenhaltung D6. Für die Behauptung, der Fachmann würde dies im Rahmen seines Fachwissens annehmen, fehle laut Beschwerdegegnerin ein (druckschriftlicher) Beleg. Die Annahmen der Beschwerdeführerin ließen daher auf eine unzulässige Ex-post-facto-Analyse schließen.
18. Die Kammer stimmt der Beschwerdeführerin zu, dass die Motivation für den Fachmann, ein einfacheres, schnelleres und die Zellphysiologie weniger störendes Messverfahren einzusetzen, sich schon aus der auf Grundlage des Aufgabe-Lösungs-Ansatzes formulierten objektiven technischen Aufgabe ergebe (siehe Nummern 1. bis 4.), nämlich der Bereitstellung eines Zirkulationssystems, das auf schnellere und die Zellphysiologie weniger störende Art und Weise den Öffnungsgrad der einzelnen Einrichtungen zur Volumenstromregelung erfassen kann. Ein etwaiges Fehlen eines Hinweises auf die angestrebten vorteilhaften Effekte des Messverfahrens in der Entgegenhaltung D20 würde im vorliegenden Fall nach Ansicht der Kammer den Fachmann nicht davon abhalten, in Anbetracht seines Fachwissens das in dieser Entgegenhaltung beschriebene konfokale Messverfahren in naheliegender Weise als eine Lösung der gestellten objektiven Aufgabe zu betrachten und somit in dem in der Entgegenhaltung D6 offenbarten Zirkulationssystem einzusetzen.
Schlussfolgerung
19. Angesichts der oben ausgeführten Überlegungen bezüglich des Hauptantrags hat die Kammer entschieden, dass der beanspruchte Gegenstand nicht auf einer erfinderischen Tätigkeit (Artikel 56 EPÜ) beruht.
Hilfsantrag 1 - Zurückverweisung der Sache an die Einspruchsabteilung
20. Die Ansprüche des Hilfsantrags (siehe Sektion IV. zu Anspruch 1) entsprechen den Ansprüchen des anhängigen Hilfsantrags I, der mit der Eingabe vom 27. Februar 2019 eingereicht worden war, mit der Ausnahme, dass in Anspruch 1 der fehlerhafte Begriff "Verzeigung" durch Änderung in den Begriff "Verzweigung" korrigiert wurde. In der Anlage "ANNEX 1" der Beschwerdebegründung hat die Beschwerdeführerin im Zusammenhang mit dem anhängigen Hilfsantrag I zusätzliche Einwände nach Regel 80 EPÜ sowie den Artikeln 56, 83, 84 und 123 (2) EPÜ geltend gemacht, die sich auf die Änderungen im Hilfsantrag 1 gegenüber dem Hauptantrag beziehen.
21. Weil die Einspruchsabteilung der Auffassung war, dass das Patent auf der Grundlage des Hauptantrags den Erfordernissen des EPÜ genüge, beinhaltet die Zwischenentscheidung keine sachliche Beurteilung der Patentierbarkeit des Hilfsantrags in der Fassung vom 27. Februar 2019. Folglich müsste die Kammer eine Prüfung des Hilfsantrags vornehmen, die alle von der Beschwerdeführerin vorgebrachten weiteren Einwände nach Regel 80 EPÜ und den Artikeln 56, 83, 84 und 123 (2) EPÜ würdigt.
22. Nach Artikel 12 (2) VOBK besteht das vorrangige Ziel des Beschwerdeverfahrens darin, die angefochtene Entscheidung gerichtlich zu überprüfen. Dieser Grundsatz würde missachtet, wenn die Kammer eine erste Entscheidung über diesen Hilfsantrag treffen würde, der in der angefochtenen Entscheidung nicht berücksichtigt ist.
23. Nach Prüfung der Umstände des vorliegenden Falles kommt die Kammer zu dem Schluss, dass die für die Patentierbarkeit im vorliegenden Fall relevanten Fragen, einschließlich, aber nicht beschränkt auf die Prüfung, ob die Erfordernisse des Artikels 123 (2) EPÜ und der erfinderischen Tätigkeit erfüllt sind, möglicherweise nicht ohne unzumutbaren Aufwand entschieden werden können. Somit liegen besondere Gründe für die Zurückverweisung der Sache an die Vorinstanz vor (Artikel 11 VOBK, Artikel 111 EPÜ).
Aus diesen Gründen wird entschieden:
1. Die angefochtene Entscheidung wird aufgehoben.
2. Die Angelegenheit wird zur Fortsetzung des Verfahrens an die erste Instanz zurückverwiesen.