T 0016/90 08-07-1991
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Schwingbrücke
Erfinderische Tätigkeit (ja)
Inventive step (no)
I. Die Beschwerde richtet sich gegen die Entscheidung der Einspruchsabteilung des Europäischen Patentamts vom 13. Oktober 1989, mit der der Einspruch der Beschwerdeführerin gegen das europäische Patent Nr. 0 128 293 (Patentanmeldung Nr. 84 103 744.3) zurückgewiesen wurde.
II. Der geltende Patentanspruch 1 in seiner erteilten Fassung hat folgenden Wortlaut:
"Schwingbrücke (1) zur Umwandlung der Drehbewegung eines von einer Motorwelle (18) angetriebenen Exzenters (19) in eine hin- und hergehende Bewegung eines Antriebs (15) für ein Werkzeug bei elektrisch angetriebenen Kleingeräten, bestehend aus einem den Abtrieb (15) aufweisenden, zwischen zwei streifenartigen Filmscharnieren (5, 6) vorgesehenen Brückenjoch (2), und einem mit dem Exzenter (19) außerhalb des Bereichs zwischen den Filmscharnieren gekoppelten, parallel zum Brückenjoch (2) verlaufenden Pleuel (21), dadurch gekennzeichnet, daß an den Enden des Brückenjochs (2) zwei in etwa rechtwinklig abstehende Wände (3 und 4) vorgesehen sind, die mit dem Brückenjoch eine starre Einheit bilden, daß die dem Brückenjoch abgewandten Ende (12, 13) der Wände (3, 4) in Enden (10, 11) der parallel zu den Wänden (3, 4) verlaufenden streifenartigen Filmscharniere (5, 6) übergehen, daß eine dieser Wände (3 oder 4) sowie das dieser Wand zugeordnete Filmscharnier (5, 6) jeweils mit einer auf deren Mittelachsen vorgesehenen Öffnung (27, 28) versehen ist und daß der Pleuel (21) an der den jeweiligen Öffnungen (27, 28) gegenüberliegenden Wand (3 oder 4) im Bereich von deren freien Enden, mittig zum Kraftabtrieb (15) verlaufend, mittels eines Filmscharniers (30) angeformt ist."
III. In ihrer Beschwerdebegründung führt die Beschwerdeführerin, wie im Einspruchsverfahren, aus, daß der Gegenstand des Patents nicht auf einer erfinderischen Tätigkeit beruhe, und verweist dafür auf folgende, bereits im Einspruchsverfahren berücksichtigte Druckschriften:
(1) DE-A-3 224 223
(2) DE-C-2 558 783
(3) DE-C-2 750 795
(4) JP-Y2-58-5585
Sie stützt ihre Auffassung auf folgende Argumente:
Die Druckschrift (1) offenbare eine Schwingbrücke, bei der die Seitenwände mit dem Brückenjoch deshalb eine starre Einheit bilden müßten, weil der Pleuel, der die Bewegung des Exzenters auf die Schwingbrücke übertrage, unmittelbar mit einer Seitenwand verbunden sei. Dieser Pleuel weise auch einen elastischen Arm auf. Deshalb seien fast alle Merkmale des kennzeichnenden Teils des Anspruchs 1 des Streitpatents mit Ausnahme eines einzigen aus dieser Druckschrift bekannt. Auf dieses verbleibende Merkmal gebe das Dokument (4), von dem der Anspruch 1 des Streitpatents ausgehe, bereits einen deutlichen Hinweis, da der Pleuel dort durch eine Öffnung einer Seitenwand der Schwingbrücke hindurchgeführt sei. Ferner seien solche Öffnungen der Filmscharniere, durch welche Antriebselemente ragen, auch aus den Entgegenhaltungen (2) und (3) bekannt, die ebenfalls in Filmscharnieren aufgehängte starre Schwingbrücken beschrieben.
IV. Die Beschwerdeführerin beantragt den Beschluß der Einspruchsabteilung aufzuheben und das Patent zu widerrufen.
Die Beschwerdegegnerin beantragt die Beschwerde zurückzuweisen.
1. Die Beschwerde ist zulässig.
2. Die Neuheit des Gegenstands des Streitpatents wurde nie bestritten, so daß es sich erübrigt, auf diese Frage näher einzugehen.
3. Bei der Untersuchung der Frage, ob die erfinderische Tätigkeit gegeben ist, geht auch die Kammer von der aus dem Dokument (4) bekannten Schwingbrücke eines elektrischen Rasierapparates aus, da diese einen Pleuel aufweist, der mit einem außerhalb des Bereiches zwischen den Filmscharnieren liegenden Exzenter gekoppelt ist. Dagegen ragt der Exzenter der aus den drei anderen Entgegenhaltungen bekannten Schwinggeräte unter das Brückenjoch, also in den Bereich zwischen den senkrechten Stegteilen, hinein.
4. Die Schwingbrücke nach dem Dokument (4) besteht aus einem starren Brückenjoch, nämlich einer Platte, von dessen beiden Enden jeweils ein streifenartiges Filmscharnier herabhängt. Ein L-förmiges Pleuel ist an der Unterseite des Brückenjochs, seitlich an einer von dessen Längskanten angebracht, verläuft parallel zum Brückenjoch und ragt durch eine Ausnehmung eines Filmscharniers nach außen. Am Ende dieses Pleuels ist ein Achslager vorgesehen, mit dem der Exzenter des elektrischen Motors gekoppelt ist. Da der Pleuel über die Schwingbrücke hinausragt, ist eine Verlängerung dieses Bauteils möglich, um die Spannungen des Exzenters aufzunehmen und die Position des Motors seitlich neben der Schwingbrücke zu ändern.
Aufgrund des Angriffes des Pleuels an der Längskante des Schwingjochs und der unmittelbaren Anformung der Filmscharniere weist jedoch diese bekannte Schwingbrücke ein instabiles Verhalten auf und neigt zu unkontrollierten Bewegungen, die zur Verwindung der Schwingbrücke oder zu einer Verkantung des durch die Schwingbrücke angetriebenen Messerblocks führen. Ferner schwenkt der Pleuel über die Breite der Schwingbrücke hinaus, so daß ein über die Breite der Schwingbrücke hinausgehender Raumbedarf gegeben ist.
5. Der vorliegenden Erfindung liegt die Aufgabe zugrunde, bei einer Schwingbrücke dieser Gattung eine bessere und stabilere, linear hin- und hergehende Bewegung der Schwingbrücke und eine größere Freizügigkeit in der Anordnung und den Abmessungen aller genannten Bauteile zu gewährleisten.
Diese Aufgabe wird durch die im kennzeichnenden Teil des Anspruchs 1 enthaltenen konstruktiven Merkmale gelöst. Das Brückenjoch und die senkrechten Wände bilden eine starre Einheit, die frei von Verformungen bleibt. Diese starre Einheit wird in streifenartigen Filmscharnieren aufgehängt. Da der Pleuel mittig zum Kraftantrieb verlaufend, mittels eines Filmscharniers an einer dieser Wände angeformt ist, wird lediglich die Bewegungskomponente des Exzenters, die in Längsrichtung des Pleuels, d. h. in Schwingrichtung wirksam ist, durch den Pleuel auf die Mitte dieser starren Einheit übertragen. Die Bewegungskomponente des Exzenters in senkrechter Richtung wird durch das Filmscharnier des Pleuels und auch durch die Verlängerung des Pleuels außerhalb des Bereiches des Brückenjochs absorbiert. Ferner vermeidet der Angriff des Pleuels an den Mittelachsen der Wand die unerwünschten, auf die Schwingbrücke ausgeübten, Dreh-oder Quermomente, die zur Verwindung der Schwingbrücke oder zur Verkantung des Messerblocks führen. Außerdem schwenkt der Pleuel nicht über die Breite der Schwingbrücke hinaus, so daß die obengenannte, erwünschte bessere Freizügigkeit erreicht wird.
6. Im Gegensatz zu den Ausführungen der Beschwerdeführerin ist es nach Ansicht der Kammer unwahrscheinlich, daß der Fachmann, der die zugrundeliegende Aufgabe zu lösen hat, das Dokument (1) in Betracht ziehen würde.
Zunächst betrifft diese Druckschrift eine Schwingbrücke, bei der der Pleuel zwischen den beiden senkrechten Wänden eingeschränkt ist und die folglich auf keinen anderen Bauteil stößt. Mit der Vorrichtung gemäß dem Dokument (4) wurde bereits versucht, von dieser Gattung von Schwing- brücken abzuweichen, weil dort der Pleuel nicht verlängert werden kann (vgl. die Übersetzung des Dokuments (4), Seite 4, letzten Absatz). Aus der Beschreibungseinleitung des vorliegenden Patents geht auch hervor, daß mit dieser bekannten Schwingbrücke, wegen der begrenzten Anordnung des Motors im Gehäuse, die Freizügigkeit in der Anordnung und den Abmessungen aller genannten Bauteile eingeschränkt ist.
Im übrigen stand das Bedürfnis nach besserer Bewegung der Schwingbrücke für den fachmännischen Leser der Druckschrift (1) gar nicht im Vordergrund, da sich diese Druckschrift ausschließlich mit den gegenseitigen Schwingbewegungen einer Schwingbrücke und eines Scherblattes befaßt, wobei versucht wird, die Relativbewegung zwischen diesen beiden Teilen zu vergrößern. Von unkontrollierten Bewegungen oder Quermomenten ist keine Rede. Es besteht somit kein unmittelbarer Zusammenhang zwischen der Aufgabe der vorliegenden Erfindung und diesem Stand der Technik, so daß es bereits aus diesem Grund nicht glaubwürdig ist, daß der Fachmann, der die oben erwähnte Aufgabe zu lösen hat, diese Druckschrift in Betracht ziehen würde.
7. Selbst wenn Druckschrift (1) in Betracht gezogen würde, so fände der Fachmann in diesem Dokument (1) keinen Hinweis, zur Lösung der vorliegenden Aufgabe.
Die Schwingbrücke besteht hier aus einem Brückenjoch mit zwei senkrechten Wänden, die wie bei der Erfindung an ihren Enden mit streifenartigen Filmscharnieren verbunden sind. Aus dieser Entgegenhaltung geht nicht hervor, daß die Schwingbrücke, die ein Brückenjoch aufweist, zusammen mit den senkrechten Wänden gegebenenfalls auch als starre Einheit ausgebildet werden könnte. Sie empfiehlt vielmehr, jede Verbindungsstelle der senkrechten Wände mit den Filmscharnieren und mit dem Brückenjoch dünner auszubilden, um jeweils ein Scharniergelenk zu bilden (vgl. Seite 9, Z. 25 bis 33; Seite 12, Z. 35 bis Seite 13, Z. 4; Seite 14, Z. 11 bis 13). Die Meinung der Beschwerdeführerin, daß die mit dem Pleuel verbundene Wand starr ausgebildet sein müsse und somit mit dem Brückenjoch unbedingt eine starre Einheit bilde, findet folglich in dieser Druckschrift keine Stütze. Die allgemeine und wesentliche Idee der Erfindung, die Steifigkeit des schwingenden Brückenjochs zu erhöhen, ist aus diesem Stand der Technik nicht zu entnehmen.
Weiterhin sind in diesem Dokument (1) keine Öffnungen in den Seitenwänden des Brückenjochs für die Durchführung des Pleuels offenbart. Zwar ist es aus dem nächstliegenden Stand der Technik, Dokument (4) bereits bekannt, für diesen Zweck eine Öffnung in einem streifenartigen Filmscharnier vorzusehen, jedoch ist diese Öffnung eine Ausnehmung, die sich an einer Seite des Filmscharniers befindet, so daß der Pleuel im Betrieb nicht nur in einer Ebene schwingt, sondern sich auch im rechten Winkel dazu bewegt und dabei seitlich hinausragen kann. Diese Möglichkeit besteht bei der Erfindung nicht, wobei die zwei Öffnungen, die auf den Mittelachsen eines Filmscharniers und der dazu parallel angeordneten Wand zu versehen sind, einen begrenzten freien Raum für den sich bewegenden Pleuel bilden. Da die Wand starr und das Filmscharnier dagegen flexibel ist, können diese beiden Teile nicht unbedingt die gleichen Bewegungen ausführen. Ausgehend von der seitlich angeordneten Ausnehmung nach Dokument (4) wird der Fachmann deshalb nicht dazu angeregt, solche Öffnungen in der Mittelachse von Bauteilen vorzusehen.
8. Die anderen Dokumente (2) und (3) wurden von der Beschwerdeführerin vor allem deshalb eingeführt, weil sie Öffnungen in den Mittelachsen der Filmscharniere zeigen. Sie betreffen jedoch jeweils eine Schwingbrücke der Gattung des Dokuments (1), nämlich eine solche mit dem Exzenter zwischen den Wänden des Brückenjochs, so daß die gleichen Argumente, die hier unter Ziffer 6 in bezug auf das Dokument (1) aufgeführt wurden, auch diesbezüglich gelten. Außerdem zeigt jedes dieser Dokumente eine einzige Öffnung, die sich in der Mittelachse jedes Filmscharniers je am Ende des Brückenjochs befindet und als Durchlaß für eine Feder dient. Diese Feder, die kein Antriebselement ist, hat lediglich Kraftkomponenten in Richtung der Schwingbewegung und ist deshalb nicht vergleichbar mit einem Pleuel. Diese beiden Druckschriften können daher keine Anregung für die erfindungsgemäße Kombination der genannten Merkmale geben.
9. Der Gegenstand des Patentanspruchs 1 und damit auch der auf ihn zurückbezogenen Ansprüche 2 bis 5 beruht daher auf einer erfinderischen Tätigkeit im Sinne des Artikels 56 EPÜ.
ENTSCHEIDUNGSFORMEL
Aus diesen Gründen wird entschieden:
Die Beschwerde wird zurückgewiesen.